Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

Herr Pfaffmann, Sie haben vorhin etwas kritisiert, was der Ministerpräsident gestern gesagt hat. Er hat gesagt, wer Gleiches gleich behandelt, handelt ungerecht. Es ist völlig richtig, was er gesagt hat, aber dennoch eine kurze Erläuterung dazu: Uns ist das Thema Chancengerechtigkeit sehr wichtig. Dazu muss man allerdings auch festhalten, dass die Begabungen der Kinder nicht

gleich sind. Sie sind vielfältig. Deswegen wollen wir für die vielfältigen Begabungen auch vielfältige Bildungswege zur Verfügung stellen und niemandem ein Einheitssystem überstülpen.

Das Grundgesetz definiert Gerechtigkeit als Gleichheit. Und die Definition für den Gleichbehandlungsgrundsatz heißt: Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Das heißt, wenn wir unterschiedliche Talente, unterschiedliche Begabungen haben, ist es sinnvoll, dafür differenzierte und unterschiedliche Bildungswege zur Verfügung zu stellen. Alle Studien bestätigen: Wir brauchen keine Strukturdebatte, sondern wir müssen unser Geld in die Frühförderung und in die Verbesserung der Unterrichtsqualität investieren.

Ich komme zum Schluss. Die Substanz des bayerischen Bildungssystems ist gut. Wir tun viel - das beweist dieser Doppelhaushalt. Und wir werden auch noch in Zukunft viel tun. Ich bedanke mich bei den Lehrerinnen und Lehrern. Wer in Bayern zur Schule geht, kann sich darüber freuen. Die Bildungspolitik ist ein Standortvorteil für Bayern. Die Abstimmung mit den Füßen, der Zuzug nach Bayern, gibt uns recht.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Ich darf abschließen mit der Bemerkung, dass immer viel von Finnland geredet wird. Aber wenn es um die Jugendarbeitslosigkeit geht, redet keiner von Finnland.

(Eva Gottstein (FW): Das liegt aber auch sehr weit am Rande!)

Wir in Bayern schaffen gute Chancen in der Schule und im Beruf. Dieser Bildungshaushalt ist ein deutliches Zeichen dafür.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zurufe von der CSU: Bravo!)

Herr Kollege, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Fahn.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt nur eine Sache, die teurer ist als Bildung: keine Bildung. Ich habe in den vergangenen Minuten zugehört, wie stark sich die CSU gelobt hat, immer wieder, auch Herr Eisenreich jetzt zum Schluss. Meine Damen und Herren von der CSU, wissen Sie eigentlich, dass Sie wegen der Mängel in der Bildungspolitik die Wahl verloren haben?

(Beifall bei den Freien Wählern)

Wissen Sie noch, dass 39 % der bayerischen Bürger der CSU in der Bildungspolitik keine Kompetenz zu

sprechen? Das stammt aus einer Studie, die Sie selbst in Auftrag gegeben haben.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Sie wissen doch, dass seit der Wahl erst 183 Tage vergangen sind. Das heißt, so schnell können Sie sich in diesem Zeitraum nicht gebessert haben. Das ist gar nicht möglich.

(Zurufe von der CSU)

Die Folge ist, dass Änderungen in der Bildungspolitik weiterhin unbedingt notwendig sind. Vor diesem Hintergrund verstehen wir nicht, dass Sie alle 43 Änderungsanträge der Freien Wähler, der SPD und der GRÜNEN abgelehnt haben.

Wir von den Freien Wählern, das möchte ich Ihnen, Herr Eisenreich, ganz deutlich sagen, wollen die Bildungspolitik nicht schlechtreden. Aber es muss erlaubt sein, Ihnen vorhandene Defizite konkret aufzuzeigen und zu präsentieren.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Die Baustelle Nummer eins ist die, dass es weiterhin zu große Klassen an Bayerns Schulen gibt. Meine Damen und Herren von der CSU, erinnern Sie sich noch daran, dass am 03.07.2008 der damalige Kultusminister Siegfried Schneider bekanntgab, dass es in diesem Schuljahr, also 2008/2009, keine weiterführenden Schulen in Bayern mit über 33 Schülern gibt?

Wissen Sie auch, dass das gar nicht eingehalten wurde? Es gibt in diesem Schuljahr an Realschulen immer noch 533 Klassen - das sind 6,3 % - mit mehr als 33 Schülern. Es gibt auch noch sehr viele Klassen mit mehr als 30 Schülern, und zwar an den Realschulen 2.276 Klassen; das sind knapp 30 %. Bei den Gymnasien sind die Zahlen ähnlich. Der Durchschnitt der Klassenstärke ging nur knapp zurück - das wurde von Frau Tolle schon gesagt -, nämlich von 28,6 auf 28,0 % bei den Realschulen. Das ist kein Fortschritt. In der Bundesrepublik hat sich eingebürgert, dass es keine Klassen mehr über 25 Schülern gibt. An diesem Ziel müssen wir uns orientieren. Meine Damen und Herren, da haben wir noch viel zu tun.

Deswegen haben wir von den Freien Wählern Anträge gestellt. So fordern wir mit einem Antrag, dass es keine fünfte Klasse mit mehr als 25 Schülern geben darf. Diesen Antrag haben Sie leider abgelehnt. Daher werden wir auch im nächsten Schuljahr wieder viele große Klassen haben. Die großen Hoffnungen, die Eltern, Lehrer und Schüler in die Verringerung der Klassen gesetzt haben, werden leider wieder enttäuscht werden.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Baustelle Nummer zwei: Die Unterrichtsversorgung ist immer noch unbefriedigend. Selbstverständlich begrüßen wir, dass die Koalition 2.700 neue Planstellen schaffen will. Das reicht aber bei Weitem nicht aus. Das sagen auch die Lehrerverbände, die konkrete Zahlen nennen. Sie sagen zum Beispiel, dass an den Gymnasien noch mindestens 1.000 Lehrer fehlen. Die Aushilfslehrer - diese Steuerberater, Pensionäre und Ingenieure -, die ohne vollständige Ausbildung eingestellt wurden, lindern die Unterrichtsnot nur unzureichend. Ein qualifizierter Förster ist noch lange kein guter Biologielehrer.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Auch das Kultusministerium befürchtet, dass der Lehrermangel noch einige Jahre andauern wird. Das ist natürlich auch das Ergebnis einer konsequenten Sparpolitik. Der Lehrermangel besteht vor allem in Latein und in den Naturwissenschaften. Da müssen auch Sie mithelfen, dass dieser Mangel in den nächsten Jahren beseitigt wird.

Baustelle Nummer drei: Der Unterrichtsausfall ist noch zu groß. Eltern haben schon viel Kritik geäußert. So beträgt der Unterrichtsausfall an Gymnasien jedes Jahr 400.000 Stunden; das sind 3 % aller Stunden. Um die Qualität zu verbessern und den Unterrichtsausfall zu verringern, haben die Freien Wähler den Antrag auf eine integrierte Lehrerreserve für die Kernfächer gestellt, was einem Bedarf von 400 zusätzlichen Planstellen entspricht. Die Koalition hat diesen Antrag leider abgelehnt. Das Ergebnis: Auch im nächsten Jahr wird es wieder einen massiven Unterrichtsausfall und Proteste der Eltern geben. Das ist nicht gut so, glauben Sie mir das.

(Beifall bei den Freien Wählern - Zuruf des Abge- ordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Baustelle Nummer vier: Die Ausstattung an den Berufsschulen ist verbesserungsbedürftig. Warum hat die Versorgung von Berufsschülern mit Lehrern nicht den gleichen Stellenwert wie die Lehrerversorgung an allgemeinbildenden Schulen? Bedenken Sie, dass 43 % der Studierenden an bayerischen Hochschulen über den beruflichen Bildungsweg kommen. In den Berufsschulen aber ist die Lehrerausstattung ungenügend. Die Schulbaurichtlinien müssten seit 1984 dringend verbessert werden. Auch das Gehalt müsste verbessert werden. Warum werden in den Berufsschulen die ständigen Stellvertreter nicht mit Anrechnungsstunden belohnt, wie das an Gymnasien der Fall ist? Herr Kultusminister, wo bleibt da die Bildungsgerechtigkeit? Die Freien Wähler fordern die Staatsregierung auf, sich

noch viel stärker als bisher für die beruflichen Schulen zu engagieren.

Baustelle Nummer fünf: Der Lehrerberuf ist zu wenig attraktiv. Warum ergreifen zu wenige den Lehrerberuf? - Das Grundgehalt eines Referendars an beruflichen Schulen beträgt 1.102,63 Euro. Ein Auszubildender im Straßenbau verdient aber 1.200 Euro. Immerhin gibt es für die Referendare jetzt einen Bonus von 60 Euro in diesem Jahr. Herr Kultusminister, warum beträgt der Frauenanteil, je nach Lehramt, zwischen 60 und 95 %? - Weil die Eingangsbesoldung einfach zu gering ist. Das müssten wir insgesamt verbessern. Die Freien Wähler fordern deshalb die Staatsregierung dazu auf, die Attraktivität des Lehrerberufs zu steigern. Bildung ist nur so gut, wie sie das einzelne Kind erreicht, wie Herr Freller richtig gesagt hat.

Der Bildungsetat ist ein kleiner Fortschritt gegenüber dem letzten Haushalt. Die Mittel sind aber nach wie vor zu gering. Bei den zentralen Themen wie großen Klassen und Unterrichtsversorgung ist die Koalition leider wir bedauern das - hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Herr Kollege, kommen Sie bitte wirklich zum Schluss.

Bildung ist nicht nur das Befüllen von Fässern, sondern auch das Entzünden von Flammen. Wir sehen bei Ihnen aber leider noch keine Flammen. Daher lehnen die Freien Wähler den Haushalt des Bildungsministeriums ab.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordneten der SPD)

Danke, Herr Kollege Dr. Fahn. Nächste Wortmeldung: Kollegin Will.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt schon alles gehört, was zu tun ist und was nicht getan wurde.

(Beifall bei der FDP)

Lieber Herr Pfaffmann, ich schätze Sie sehr.

(Widerspruch bei der CSU)

Als Vorsitzender des Bildungsausschusses sollten Sie aber nicht jemandem, der gerade erst seit vier Monaten Verantwortung trägt, Betrug, Wahlbetrug - und was noch alles - vorwerfen.

(Harald Güller (SPD): Aber er hat doch recht!)

Das ist wirklich kein guter Stil.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich finde, dass sich das für einen Ausschussvorsitzenden nicht gehört. Sie wissen sehr wohl, dass wir in Bildung investieren. Wir haben die Mittel gegenüber dem bisherigen Niveau deutlich erhöht. Wir haben den Bildungsetat deutlich, nämlich um 5,7 % im Jahr 2009 und um 4,1 % im Jahr 2010, erhöht.

(Harald Güller (SPD): Versprochen haben Sie deutlich mehr!)

Diese Mittel werden draufgesetzt, wie Herr Eisenreich schon gesagt hat. Sie haben die Erhöhung bei den Lehrerstellen herausgerechnet. Das ist eine sehr hohe Zahl.

(Karl Freller (CSU): Danke!)

Sie haben das mit dem verwechselt, was in "Zukunft Bayern 2020" geplant ist. "Zukunft Bayern 2020" gehört zum Einzelplan 13, und die Lehrerstellen und Ganztagsstellen gehören zum Einzelplan 05. Das dürfen Sie als Ausschussvorsitzender nicht verwechseln.

(Beifall bei der FDP - Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Versprochen, gebrochen!)