Protokoll der Sitzung vom 22.04.2009

(Beifall bei der SPD)

Frau Noichl, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Biechl?

Ach, Frau Biechl hat schon so oft gefragt.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich nun etwas zum Verhältnis zwischen Bund und Land sagen. Wenn die CSU hier etwas möchte und die CDU oben dagegenstimmt, dann heißt es nur, das ist ja unsere Schwester. Da haben Sie wegen dieser Situation einen kleinen Vorteil. Die SPD in Bayern hat ganz klar eine andere politische Struktur, was die Landwirtschaft betrifft, als die SPD im Bund.

(Beifall bei der SPD)

Von daher kann es natürlich Bereiche geben, wo die SPD in Bayern anders abstimmt als die SPD im Bund. Wir müssen da an die Front, Frau Biechl. Das ist etwas, das uns zusteht und das wir tun.

(Beifall bei der SPD)

Ganz häufig passiert es, dass Sie anders abstimmen als die CDU im Bund, und dann ist es auch in Ordnung.

Frau Noichl, bitte bleiben Sie kurz hier.

Nachdem die Zwischenfrage von der Rednerin nicht zugelassen worden ist, haben Sie, Frau Biechl, jetzt die Möglichkeit zu einer Zwischenintervention. - Pro Fraktion ist nur eine Zwischenbemerkung erlaubt. Deswegen bitte ich, sich zu einigen, wer sie macht.

Frau Noichl, Sie werden mir zustimmen oder, wenn Sie es nicht wissen, es von mir jetzt erfahren, dass Herr Struck bei der letzten Koalitionssitzung Peter Ramsauer begrüßt hat: Wenn Sie

schon wieder mit dem Bauernhof anfangen, dann gehe ich. - So viel zur großen Schwester.

(Beifall bei der CSU)

Stimmen Sie mir zu, dass es für die Bauern nicht hilfreich ist, sie bei schwierigen Diskussionen mit Weißwürsten abzuspeisen. Nachdem mich Ihr Kollege zuerst als naiv beschimpft hat, frage ich mich, was ihr Beispiel ist. Wenn ich sage, wir müssen den Absatz ankurbeln, dann bedeutet das lediglich den Versuch, den Markt anspringen zu lassen, und das brauche ich, denke ich, diesem Hohen Haus nicht extra zu erklären.

(Beifall bei der CSU)

Frau Biechl, da sind wir heute anderer Meinung. Ganz einfach.

(Beifall bei der SPD - Lachen von der CSU - Zuruf von der CSU: Sie kennt sich nicht aus!)

Ich bitte um Beruhigung. - Wenn Sie nicht ankündigen, was Sie wirklich wollen, ob Zwischenfrage oder Intervention, dann tun wir uns alle über die Fraktionen hinweg hier im Präsidium etwas schwer. Nach der Geschäftsordnung muss eine Zwischenfrage, die auf die Redezeit der jeweiligen Rednerin geht, zugelassen werden; eine Zwischenintervention am Schluss der Rede kann natürlich jederzeit gehalten werden. Ich bitte auch noch zu bedenken, dass pro Fraktion nur eine Zwischenintervention durchgeführt werden kann.

Mir liegt die Ankündigung vor, dass eine Erklärung zur Abstimmung abgegeben werden soll, die erst nach der Abstimmung erfolgen kann. Ich bitte aber auch zu bedenken, dass es eine namentliche Abstimmung ist, das heißt, Sie müssten noch ein bisschen warten.

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Aiwanger.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In meinen Augen zeigt die heutige Debatte eine gewisse Hilflosigkeit der Politik, und zwar über alle Parteigrenzen hinweg. Das will ich so verdeutlichen. Ich sage Ihnen auch gleich, warum.

(Zurufe von der CSU: Oh!)

- Wenn Sie die Lösung hätten, dann bräuchten Sie sie nur auf den Tisch zu legen, Herr Schmid.

(Georg Schmid (CSU): Das ist keine Lösung!)

In meinen Augen hat die Situation eine Parallele, wenn sich zwei Kinder, die nichts zum Essen bekommen, darüber streiten, welches der beiden Kinder schuld ist.

Diese Situation haben wir nun einmal in der Landwirtschaftspolitik, hier jetzt ganz konkret in der Milchpolitik. Warum? - Vor Kurzem haben wir beim Bundeskartellamt angefragt, wie es beurteilt wird, dass die Bauern Stichwort Milchboard - sich unten organisieren wollen, um ihre Angebotssituation selbst in den Griff zu bekommen. Es ist aus Sicht des Bundeskartellamts nicht zulässig, dass die Bauern unten sich selbst organisieren gegen die abnehmende Hand auf der anderen Seite. Darüber, ob hier etwas im Argen liegt, wenn man sich mittlerweile zweifelsohne in einer solchen Form monopolisiert hat, dass die Preise diktiert werden gegen die sie abnehmende Hand, ist sich das Kartellamt heute noch nicht sicher. Das ist sehr dünn begründet und politisch keine Aussage, die greifbar ist.

Vergleichen Sie die Situation im Energiebereich: Dort gibt es trotz einer Stromüberproduktion steigende Preise. Wenn es im Bereich Milch eine Überproduktion gibt, dann heißt es, das sei die Ursache für das Fallen der Preise. Wenn es indes eine Stromüberproduktion gibt, steigt der Preis trotzdem. Das zeigt für mich, dass es da nicht so sehr auf Angebot und Nachfrage ankommt. Das ist zwar nicht völlig unabhängig voneinander zu sehen - das spielt mit rein -, aber obwohl wir heute auf europäischer Ebene unter der Quotenanlieferung liegen, geht der Preis ständig zurück. Ich prophezeie: Selbst wenn die Produktion weiterhin zurückgehen würde, hätten die Monopolisten immer noch die Maßgabe, trotzdem nichts zu zahlen, weil sie ihre Marktposition ausnutzen. Hier muss die Politik parteiübergreifend ansetzen, diese aus dem Ruder gelaufenen Mordsstrukturen zu korrigieren.

Ein kleines Beispiel: Dem Direktabnehmer, der zum Bauern vor Ort geht und sich seinen Liter Milch abholt, ist es relativ egal, ob er dafür 30, 50, 70 Cent oder gar einen Euro auf den Tisch legen muss. Das sind häufig die Preise vor Ort. Da holt man mit seiner Kanne einen Liter Milch und legt einen Euro auf den Tisch. Der Bauer kann davon nur träumen, dass er nur einen gewissen Bruchteil davon für eine höhere Menge bekommt. Dem Verbraucher wäre es aber relativ egal, ob er diese paar Cent mehr oder weniger bezahlt, weil er nicht 20 Liter Milch am Tag braucht. Also wäre durchaus die Möglichkeit vorhanden, wenn sich Angebot und Nachfrage direkt da träfen ohne diese Monopolstrukturen, hier einen vernünftigen Preis durchzusetzen.

Deshalb mein großes Plädoyer an alle Parteien - sei es auf Landesebene oder sonst wo - den Druck weiterhin nach oben zu geben, um diese marktbeherrschenden Kartellstrukturen politisch aufzubrechen. Wir müssen sie aufbrechen im Energiebereich und genauso ist es in der Landwirtschaft. Alles andere ist nur kurzfristig. Ein paar Prozent Exportförderung mag zwar besser sein als nichts, ist aber auf Dauer nicht die Lösung. Ge

nauso wenig wird es eine Lösung sein, nur ein oder zwei Prozent weniger zu produzieren, solange diejenigen, die das Produkt vermarkten, das Heft in der Hand haben. Dort liegt der Hund begraben.

Insofern ist zu dem Antrag der SPD-Fraktion zu sagen: Es ist heute relativ egal, ob man ihm zustimmt, sich enthält oder ob man ihn ablehnt - er ist gut gemeint -, der Lösungsansatz liegt aber im Herangehen an die kartellrechtlichen Strukturen. Wir haben in der Spekulationsgeschichte gelernt, dass die jetzige Wirtschaftsordnung vielfach nicht mehr das abbildet, was wir brauchen. Deshalb auch vor allem der Appell an die FDP-Fraktion, Abschied zu nehmen von einer blinden Marktorientierung, von einem blinden Neoliberalismus. Die Damen und Herren von der Union sollten das mittragen. Nur dort werden wir eine Lösung finden können. Alles andere sind kurzfristige Versuche, die Situation zu retten. Wir müssen an die Marktstrukturen heran. Das ist und bleibt der einzige Lösungsansatz.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Danke, Herr Aiwanger. Darf ich zum Abschluss den Herrn Staatsminister Brunner ans Pult bitten?

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Aiwanger, Sie reden von der Hilflosigkeit der Politik. Sie sollten den Zustand Ihrer eigenen Partei nicht verallgemeinern!

(Beifall bei der CSU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn ich Ihren Dringlichkeitsantrag lese, dann kann ich nur sagen: Guten Morgen, liebe SPD! Alles, was Sie hier fordern, ist von mir längst initiiert worden.

(Beifall bei der CSU - Renate Dodell (CSU): Genau so ist es! - Zurufe von den Freien Wählern)

Guten Morgen, SPD, sage ich auch deshalb, weil es bei Ihnen weitgehend bei der Ist-Analyse ohne eigene Denkansätze geblieben ist.

(Hubert Aiwanger (FW): Das stimmt nicht!)

Ich möchte Ihnen erklären, wieso. Wir sind uns weitgehend einig, dass wir alles tun müssen, um den Absatz im In- und Ausland anzukurbeln. Wir sind uns vermutlich auch einig, dass wir ein Marktgleichgewicht wollen; denn nur durch ein Marktgleichgewicht sind dauerhaft vernünftige und gerechte Preise zu erzielen.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Das steht im Antrag, und das hat Herr Aiwanger gesagt!)

Ich gehe davon aus, dass niemand von Ihnen das Patentrezept schlechthin auf den Tisch legen kann. Ich habe in den vergangenen Monaten versucht, einen großen, bunten Strauß an Initiativen und Hilfen anzubieten. Das kann ich Ihnen gern beweisen. Ich war noch keine drei Wochen im Amt, da habe ich die bayerischen Anträge bezüglich der Aussetzung der Bundes- und Molkereisaldierung und des Umrechnungsfaktors im Bundesrat begründet. Wer hat uns unterstützt? - Niemand außer Hessen.

Dann habe ich versucht, auch in Richtung Brüssel die Exporterstattung anzumahnen, wohl wissend, dass dies nicht die Lösung schlechthin ist, aber eben auch eine Möglichkeit, den Markt zu entlasten. Ich habe die Kommissarin gebeten, die Interventionsmöglichkeit zu eröffnen. Außerdem habe ich die Kommissarin ersucht, alle Instrumente, die uns zur Verfügung stehen, um die Binnennachfrage anzukurbeln, einzusetzen. Ein paar Wochen später sagt sie bei der "Grünen Woche" in Berlin: Ich bin überrascht, wie der Milchpreis unter Druck gerät; wir setzen jetzt auch das Instrument der Exporterstattung und der Intervention ein. - Für mich ist es schon erstaunlich, wenn eine Agrarexpertin so reagiert, wenn man ein paar Wochen vorher noch die Erhöhung der Milchquote beschlossen hat.

Meine Damen und Herren, es ist nicht dabei geblieben. Wir haben erfolgreich versucht, die Bauern auch hinsichtlich der Kosten zu entlasten. Es ist schon ein wenig scheinheilig, Anträge zu stellen, wenn der Bundesfinanzminister von der SPD die den Bauern zustehende Rückerstattung beim Agrardiesel schlichtweg ablehnt und damit die bayerischen Bauern im Wettbewerb in eine unzumutbare Situation bringt.

(Beifall bei der CSU - Maria Noichl (SPD): Wir haben das in Bayern unterstützt!)

- Frau Noichl, Sie können diskutieren, wie Sie wollen: Wenn ein deutscher bzw. bayerischer Bauer 40 Cent Steuer auf Diesel zahlt und der Franzose 0,6 Cent und der Däne 0,3 Cent, dann ist das eine eklatante Wettbewerbsverzerrung.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Hubert Aiwan- ger (FW): Frau Merkel müsst Ihr auf die Spur bringen!)

- Wir bringen alle in die Spur, vielleicht sogar die SPD.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit nicht genug. Wir fordern nicht nur von Brüssel oder Berlin, wir beweisen, dass wir selbst handlungsfähig sind. Bayern stellt allein für den Agrardiesel 34 Millionen Euro

bereit. Es ist schon sonderbar: Der Bund kassiert die Steuer, wir müssen den Selbstbehalt auszahlen. Aber wir tun es der Gerechtigkeit wegen. In derselben Woche haben wir beschlossen, zusätzlich 31 Millionen Euro für die Milchkuhprämie zur Verfügung zu stellen.