Auch die Krise habe ich erwähnt, natürlich. Da sehen wir eine große Verantwortung für die Krise auch bei der Landesbank. Wir haben eine Kommission eingerichtet, und da wird noch weiter geprüft. Diese Krise spürt man in der EU überall, sie ist aber auch von Ministern mit großer Verantwortung aus Ihrer Mitte mit herbeigeführt worden. Da kann man natürlich noch sehr in die Tiefe gehen. An anderer Stelle habe ich das auch schon gemacht.
Zum Euro noch eines: Na klar, man kann zu vielem etwas sagen. Aber ich erinnere mich an die Euro-Einführung. Die hat ein Bundesfinanzminister mit sehr großem Elan vorangetrieben, aber die eigenen Leute sind ihm in den Rücken gefallen. Ich kann mich noch an das Stichwort "Esperanto-Geld" erinnern.
Sind Sie fertig? - Frau Dr. Pauli, vielen herzlichen Dank. Wenn Sie eine Zwischenfrage gestatten, könnte Frau Matschl noch etwas sagen. Wenn Sie keine Zwischenfrage gestatten, wäre das nicht möglich. Gestatten Sie eine Frage?
Frau Pauli, Sie haben mit großem Engagement viele Missstände in Europa angeprangert, die Intransparenz, die Schwarzmärkte,
Also gut. Konkret: Wie stehen Sie zur Sicherung der Energie in Europa? Wir brauchen ein gemeinsames Konzept. Wie stehen Sie dazu? Die Finanzmärkte wurden angesprochen. Wie stehen Sie zur Entwicklung einer europäischen -
Tatsache ist, dass wir Energiekonzerne haben, in deren Aufsichtsräten auch Politiker sitzen und die monopolartig vorgehen, Preise absprechen. Wir als Verbraucher merken, wie uns die Preise davongelaufen sind. Angeblich kann man gegen diese Absprachen, Verflechtungen und Verfilzungen nichts machen. Wir brauchen mehr Wettbewerb, nicht nur im Energiebereich insgesamt. Vor allen Dingen sollte uns ein Ziel für Europa wirklich führen: Wir sollten anstreben, energiepolitisch autark zu werden. Wir sind nicht mehr frei nach außen, wenn wir von Erdgas, von Erdöllieferungen und von Drittstaaten abhängen. Wir sind nicht mehr frei in unserem Handeln, solange wir am Nerv getroffen werden können. Deshalb sollten wir auf Alternativen setzen. Das wäre auch durchaus möglich. Nur so können wir uns abkoppeln und wieder in Freiheit nach außen agieren.
Nachdem jetzt wieder eine Woche sitzungsfrei war, möchte ich die Geschäftsordnung in Erinnerung rufen. Das Problem ist: Eine Zwischenbemerkung, eine Zwischenintervention steht einer Fraktion jeweils nur einmal zu. Wenn die Rednerin am Pult noch Redezeit hat und eine Zwischenfrage zulässt, die üblicherweise während der Rede gestellt werden sollte - Frau Pauli hat gesagt, Sie möchte die Zwischenfrage erst am Ende der Rede zulassen; deshalb habe ich das mit Frau Matschls Frage so gehandhabt -, dann geht es in Frageform und auch nur einmal. Das sage ich, bevor hier irgendwelche Irritationen auftreten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, geschätzte Frau Ministerin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Seehofer! Die Staatsregierung hat diese Regierungserklärung betitelt "Mit Europa die Krise bewältigen: …" Bei mir stand zunächst einmal die Überlegung im Raum, welche Krise Sie denn meinen: Meinen Sie das Finanzmarktdebakel und die Weltwirtschaftskrise, meinen Sie die existenzielle Krise in der CSU oder meinen Sie die Krise im europäischen Integrationsprozess? - Wahrscheinlich sind alle drei Krisen irgendwie gemeint gewesen. Alle drei sind auch in Fragmenten zumindest schon angesprochen worden.
Ich komme zuerst zur europäischen Integration. Ich denke, da können wir gemeinsam festhalten, dass die europäische Integration ein Erfolgsmodell ohnegleichen ist. Frieden, Freiheit, wirtschaftliches Wohlergehen sind mitgetragen vom Zusammenwachsen der Staaten Europas, zuerst in den Europäischen Gemeinschaften und dann in der Europäischen Union. Für Deutschland hat die Mitgliedschaft die endgültige Wiederaufnahme in die Völkergemeinschaft bewirkt. Was die osteuropäischen und mitteleuropäischen Staaten anbelangt, war damals die Beitrittsoption und ist jetzt die Mitgliedschaft der Reformmotor schlechthin.
Frau Ministerin, ich bin Ihnen auch sehr dankbar für Ihre dezidierte Lobpreisung der letzten großen Erweiterungsrunde. Es ist sehr erfreulich, dass das an dieser Stelle klar gesagt wurde. Denn in früheren Jahren hat man das gerade von Ihren Parteifreunden und -freundinnen oft anders hören müssen.
Immer mehr Regelungsbereiche lassen sich auf nationaler Ebene nicht mehr hinreichend oder zielführend steuern. Das ist wichtig; da sind wir uns alle einig, glaube ich. Das ist der Klimawandel mit seinen drohenden, dramatischen Auswirkungen, die weltweite Verknappung fossiler Energieträger, die Welternährungskrise und vieles mehr. Da muss man einfach sagen: Hier ist gemeinschaftliches Handeln sicher weitaus besser und zielführender, als wenn das nationalstaatlich versucht werden würde.
Auf der anderen Seite müssen wir festhalten, dass der europäische Integrationsmotor in den letzten Jahren heftig ins Stottern geraten ist. Wir hatten vor ein paar Jahren diesen elenden Streit um den Finanzrahmen. Dann gab es immer wieder Auseinandersetzungen und unterschiedliche Auffassungen zur Außen- und Sicherheitspolitik, zur Erweiterungsfrage, und selbstverständlich spielt hier auch das Scheitern zuerst des Verfas
Dieses sind Krisenzeichen; das ist klar. Wir alle müssen erkennen, dass es bei den politischen Entscheidungen in der Europäischen Union wie auch bei den politischen Entscheidungen zur Europäischen Union, also auch den nationalen Entscheidungen zu europäischen Themen, massiv an Transparenz mangelt. Damit hängt zusammen, dass die Identifikation und damit auch die Begeisterung der Bürgerinnen und Bürger für Europa leidet. Das heißt: Hieran müssen wir alle arbeiten. Neulich musste ich zu meinem großen Erschrecken in der "Staatszeitung" vom 30.04. lesen, dass sich der frühere Ministerpräsident Stoiber zu der Frage ausgelassen hat: Wie ist denn das Verhältnis der Berichterstatter zu Europa? Er hat gesagt: Die berichten doch nur, wenn der Ferber sich im Parlament auszieht. - Schon um uns alle davor zu bewahren, gilt es, dafür zu sorgen, die Leute mehr mitzunehmen und mehr zu begeistern. Da ist auch entscheidend: Die Debatte um die Zukunft der europäischen Integration darf sich nicht mehr vor der Frage der Finalität der Integration in räumlicher wie auch in inhaltlicher Hinsicht drücken.
Auf jedem Fall stellen wir fest, dass die europäische Integration zu wichtig ist, um sie Biertischbrüllern und Dumpfrednern zu überlassen.
CSU und Europäische Union - das ist ein ganz spezielles Kapitel. Ich denke, Frau Ministerin, Sie haben damit schon hinreichend Ihre leidvollen Erfahrungen gemacht. Ich würde das Verhältnis zwischen CSU und Europäischer Union an zwei Überschriften festmachen; die eine lautet: "Populismus, Scheinheiligkeit, Wankelmütigkeit und Unglaubwürdigkeit", die andere Überschrift heißt: "Defizite im Einsatz für sehr wichtige Anliegen".
Ich fange mit der ersten Überschrift an. Bis vor wenigen Jahren, ja Monaten hatten wir eine klare Schlachtordnung. In Brüssel, in Berlin haben sich die CSU-Politiker staatsmännisch und europäisch gegeben, am Biertisch und auch in manchem lokalen Gremium sah das anders aus. Da wurde gepoltert, da wurde häufig verzerrt. Heute haben wir eine neue Situation. Heute ist es ein Hü-hott, ein Brummkreisel; das ist auf jeder Ebene festzustellen. Ich bringe einige wenige Beispiele. Manches ist schon angesprochen worden.
Ich habe mir hier auf einer Seite den Antrag von CSUund FDP-Abgeordneten zur Veröffentlichungspflicht für Zuwendungen an Landwirte, den wir vorgestern bei uns im Ausschuss diskutiert haben, kopiert. Da heißt es: Veröffentlichungspflicht für Zuwendungen an Landwirte stoppen! Sie haben damals zwar als Bundesregierung
der Veröffentlichungspflicht zugestimmt, aber jetzt gibt es hier munter den Antrag, die Veröffentlichungspflicht zu stoppen.
Unter den Antrag habe ich mir einen Artikel aus dem "Donaukurier" kopiert, in dem es heißt: "Veröffentlichungspflicht als Druckmittel - CSU-Europapolitiker Ferber sieht Transparenz bei Agrarsubventionen als Chance gerade für die bayerischen Bauern." Wie ist es denn jetzt? - In dem Fall hat Herr Ferber recht, die Veröffentlichungen sind erst der Anlass für Änderungen. Zurzeit ist es so, dass große Unternehmen und sachfremde Unternehmen massiv profitieren.
- Lufthansa zum Beispiel oder RWE. Ich könnte hier viele Beispiele nennen. Bayern zeichnet sich hingegen durch eine kleinteilige bäuerliche Landwirtschaft aus. Transparenz und damit auch Änderungen im Subventionsgebaren würden den bayerischen Bauern an allererster Stelle zugutekommen. Deswegen verstehen wir hier Ihren falschen Einsatz überhaupt nicht.
Ich will das Thema noch ein wenig ausleuchten. Die Transparenzinitiative der EU ist eine segensreiche Einrichtung. Die Veröffentlichungspflicht bei Direktzahlungen an die Landwirtschaft gehört mit dazu. Wie gesagt, Sie haben damals als Bundesregierung - das ist noch gar nicht so lang her - zugestimmt; jetzt wird dagegengehalten, und zwar nicht nur deswegen, weil es ein untergerichtliches Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden gibt. Vielmehr haben Sie in der Debatte gesagt, Sie wollen das grundsätzlich nicht haben. Es wurde argumentiert: Dann brauchen wir überall eine Veröffentlichungspflicht. Wie wäre das dann bei Sozialhilfeempfängern, bei Hartz-IV-Empfängern und bei Empfängern von Leistungen nach dem SGB XII? - Dazu sage ich: Meine Damen und Herren, Sie liegen völlig falsch. Selbstverständlich können wir zwischen Wirtschaftsförderung auf der einen Seite und Sozialtransfers auf der anderen Seite unterscheiden.
Hierzu gibt es hinreichend genug einschlägige Urteile. Sehen Sie sich einmal an, wie die Fraktion der GRÜNEN gegen Edmund Stoiber und andere vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof - ich glaube, drei Jahre ist das her - gewonnen hat. Der Verfassungsgerichtshof hat fein ziseliert dargestellt, wie es um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bestellt ist, was Persönlichkeitsrechte sind, was Datenschutz ist und was Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sind, und zwar angelehnt an die Artikel 12 und 14 unseres Grundge
setzes. Wir fordern Sie auf, in diesem Punkt umzusteuern und in die richtige Richtung zu gehen. Herr König, Sie haben sich dazu gerade im Ausschuss geäußert.
Ein weiteres Beispiel sind die 7 % Umsatzsteuer für Gastronomie und Hotellerie. Das Thema hängt auch mit Europa zusammen, weil wir seit 1967 die Umsatzsteuerharmonisierungsrichtlinien haben. Seit 1992 gibt es den Katalog von Ausnahmen und ermäßigten Sätzen. Die Hotellerie war immer dabei, die Gastronomie für Deutschland nicht, für andere Länder aber schon. Das Interessante ist, dass Sie bis vor wenigen Jahren jeden Vorstoß, den Umsatzsteuersatz für die Gastronomie und die Hotellerie zu senken, abgelehnt haben. Wie gesagt, bei der Gastronomie hätten Sie über den Umweg Brüssel gehen müssen. Sie haben es abgelehnt, aktiv zu werden, zum Teil mit den krudesten Argumenten. Ich kann mich erinnern, dass ein Kollege gesagt hat, wir erhöhen die Mehrwertsteuer auf 19 % und davon profitieren insbesondere die Gastwirte, weil dann die Sozialversicherungsbeiträge gesenkt werden. Tragen Sie das heute einmal den Gastwirten vor; die sind sicher begeistert. Jetzt auf einmal spielen Sie aber den großen Retter der Wirtshauskultur und der Gastwirte in Bayern. Meine Damen und Herren, eine solche Brummkreiselpolitik ist schlicht nicht glaubwürdig.
Ich komme zu einem anderen Beispiel. Am Vorläuferwerk zum Lissabon-Vertrag, dem Konvententwurf zum Verfassungsvertrag, haben viele von Ihnen - zu Recht, wie wir meinen - heftig Kritik geübt. Ich kann mich an Zeitungsartikel erinnern, bei denen das schon in der Überschrift so war. Das Ganze spielte sich 2004/ 2005 - so um den Dreh - ab. Damals haben Sie gesagt, es muss etwas geändert werden. Der Einsatz hat aber gefehlt.
Der nächste Punkt, nämlich die Volksabstimmung, ist schon angesprochen worden. Alle zwei Jahre haben wir einen Antrag gestellt, der in den Ausschüssen und im Plenum behandelt worden ist. Immer haben Sie dagegen gestimmt. Jetzt auf einmal haben Sie unter Federführung des Ministerpräsidenten die Volksabstimmung zu wichtigen europapolitischen Fragen als Wahlkampfschlager entdeckt. So haben es auch die Zeitungen betitelt. Wir sagen dazu: Das ist wunderbar, aber Sie dürfen sich dann nicht durch Beliebigkeit auszeichnen. Eine Rosinenpickerei kann es nicht geben. Dann muss auch über wichtige andere Fragen auf Bundesebene wenn Sie Volksabstimmungen fordern, da wo zum Beispiel Vertragswerke in elementarer Weise geändert werden, worüber auf Bundesebene zu entscheiden ist - durch Volksabstimmung entschieden werden.
Frau Müller, ich darf Sie zitieren. Sie haben es jetzt in Ihrer Regierungserklärung genauso gebracht wie gestern. Sie sagen: "Bayern steht für Deregulierung, Subsidiarität und eine Konzentration der EU-Kompetenzen auf Wesentliches." - Dann kommen Beispiele. Genannt wird unter anderem die neue Antidiskriminierungsrichtlinie. Ich muss sagen, das ist eine unschöne Aktion. Das kommt einer Hetze nahe. Ich frage Sie: Wie haben Sie sich denn bei der Vorläuferrichtlinie und deren Umsetzung ins Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG - verhalten? - Das war ein Theater hier im Parlament. Sie haben gesagt, das gäbe eine Flut von Klagen. Sie haben gesagt, das gäbe einen Milliardenschaden. Das Ganze wurde evaluiert und ist nahezu im Nichts verpufft. Die neue Richtlinie betrifft vor allem den Zugang zu Bildung und zu Sozialleistungen. Auch hier werden die Probleme eines Erachtens massiv überspitzt dargestellt. Auf diese Weise schaden Sie dem europäischen Gedanken.
Ich darf bei dem Satz bleiben: "Bayern steht für Deregulierung." Wir haben uns in der letzten Sitzung darüber ausgetauscht, ob die Breitbandinitiative ein Bürokratiemonster ist. Herr Kollege Förster hat vorhin zu Recht die Verteilung der Mittel aus dem Konjunkturpaket II angesprochen. Ich bitte doch, zuerst einmal vor der eigenen Haustür zu kehren.