Protokoll der Sitzung vom 12.05.2009

werden. Dass die Daten bei Zufallsfunden nicht verwendet werden dürfen, ist aber auch eine Selbstverständlichkeit.

Die richterlichen Anordnungs- und Überprüfungskompetenzen werden erweitert. Es wird zwar auf das Verfahren nach dem FGG verwiesen, aber eine Instanz wiederum ausgeschaltet. Es gibt keine Rechtsbeschwerde bzw. keine weitere Beschwerde die sonst vorgesehen ist.

Die GRÜNEN wollen ohne Wenn und Aber vollständig auf die Online-Durchsuchung verzichten. Dies fordern auch die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Der Staat muss grundsätzlich offen operieren. Der Nutzen der Maßnahmen steht in keinem Verhältnis zur Schwere des Eingriffs in das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen. In der Zwischenzeit sind die Computer zum digitalen Gedächtnis geworden und haben, was persönliche Aufzeichnungen anlangt, einen ganz anderen Wert als noch vor ein paar Jahren. Die Online-Durchsuchung ist kein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr. Wer Straftaten plant, Terroranschläge vorbereitet, schwere Verbrechen durchführen will, sammelt diese Daten nicht auf seinem Computer.

Der Gesetzentwurf wird unserer Vorstellung nicht gerecht. Wir fordern die Koalition auf, ganz auf die OnlineDurchsuchung zu verzichten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP und der CSU, mit diesem Gesetzentwurf sind Sie zu kurz gesprungen. Sie vernebeln die Tatsache, dass die heimliche Computerausforschung weiterhin im großen Umfang möglich ist - ein ziemlicher fauler Kompromiss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Herrmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst auch von meiner Seite aus, Frau Kollegin Tausendfreund, ganz herzlichen Glückwunsch und alles Gute.

Der Präsident nimmt es mir nicht übel, wenn ich sage: Leider haben wir im Bereich der inneren Sicherheit nicht immer 18 Jahre Zeit, uns Entscheidungen zu überlegen, sondern sind in der Tat gezwungen, manchmal sehr wohl abgewogen und klug, aber doch deutlich schneller zu entscheiden.

(Theresa Schopper (GRÜNE): Das ist dann der Kurzschluss!)

Ich habe mich schon etwas gewundert, dass jedenfalls links von diesem Mittelgang in den verschiedenen Diskussionsbeiträgen kein einziger Satz über die Sicherheitsprobleme in unserem Land gefallen ist. Es ist doch nicht reiner Selbstzweck, dass wir uns mit den Aufgaben der Polizei und des Verfassungsschutzes beschäftigen. Warum wird denn überhaupt über OnlineDurchsuchungen in Deutschland geredet?

(Zuruf des Abgeordneten Horst Arnold (SPD))

Weil wir im Sommer 2007 die dramatischen Erfahrungen mit den Attentätern aus dem Sauerland hatten, die jetzt in Düsseldorf vor Gericht stehen. Was war die konkrete Erfahrung daraus? - Das wird zurzeit Tag für Tag vor Gericht verhandelt. Die konkrete Feststellung war damals, dass die Informationen über das Internet und die Computer ausgetauscht werden. Eine richterliche Erlaubnis für die Technik von vor 100 Jahren, um den Postverkehr zu überwachen, oder die richterliche Erlaubnis, mit der Technik von vor 50 Jahren die Telefone zu überwachen, nützt also nichts mehr. Leider machen die Terroristen von der allermodernsten Technik, nämlich dem Computer und dem Internet, Gebrauch. Bisher gibt es keine Möglichkeiten, da hineinzuschauen. Deshalb ist es eine zwingende Notwendigkeit, dass man der Polizei wie für die Techniken vor 50 und 100 Jahren jetzt die Befugnis gibt, sich in einem solchen extremen Fall - ich betone: in einem solchen extremen Fall - mit der modernsten Technik, der sich heute die Terroristen bedienen, näher zu beschäftigen. Darum geht es.

(Horst Arnold (SPD): Mit richterlicher Erlaubnis!)

- Mit richterlicher Erlaubnis. Nur mit richterlicher Erlaubnis. So ist das auch im Gesetz enthalten. Das war schon vorher im Gesetz enthalten. Die einzige Änderung ist, dass sie vom Einzelrichter auf ein Kollegialgericht übertragen wurde. Erwecken Sie aber bitte keinen anderen Eindruck. Schon bisher ging das nur mit richterlicher Anordnung.

Wie in jedem vernünftigen Polizeigesetz gibt es die Möglichkeit der Eilanordnung, weil Sie das gar nicht anders gestalten können. Die Eilanordnung gibt es hier, und es gibt sie anderswo auch. Sie sollten nicht in Vergessenheit geraten lassen, dass vom Bundestag eine Änderung des Bundeskriminalamtsgesetzes vorliegt, die CDU/CSU und SPD gemeinsam beschlossen haben. Die Online-Durchsuchung seitens des Bundeskriminalamts wurde mit Zustimmung der SPD beschlossen. Das wollen wir auch nicht ganz aus dem Blick verlieren.

(Franz Schindler (SPD): Aber ohne Betretungsrecht!)

- Ohne Betretungsrecht. Das nehme ich zur Kenntnis. Das wurde in der Koalitionsvereinbarung festgelegt. Ich muss das hinnehmen. Das ist eine Einschränkung der Möglichkeiten. Ich mache gar keinen Hehl daraus, dass es mir lieber gewesen wäre, wenn das nicht gemacht worden wäre.

Wichtig ist, dass die Online-Durchsuchung - ohne Betretungsrecht - mit dem sogenannten Trojaner in Zukunft weiter möglich sein wird. Damit sind wir auf Länderebene nach wie vor führend, weil das so kein anderes Bundesland hat. Ich erlaube mir festzustellen, dass ich dankbar dafür bin, dass wir in Bayern die Online-Durchsuchung mit Zustimmung der FDP gestalten können. Das ist auch ein deutlicher Unterschied zu dem, was sich auf Bundesebene und in anderen Bundesländern abspielt.

Meine Damen und Herren, ich will in dem Zusammenhang folgendes ansprechen: Worum geht es bei der Datenänderung - die wir aus dem Gesetz nehmen - und der Datenlöschung? - Es geht um das Thema, um das es bei den Sauerland-Attentätern gegangen ist. Wenn Sie feststellen, dass die Anweisungen aus dem Nahen Osten, welche Ziele zu verfolgen sind, über den entsprechenden Datenträger auf den Computer kommen und nur im Computer absehbar ist, welches Angriffsziel die Terroristen verfolgen, dann können Sie, wenn es um Leben und Tod geht, nur mit einer Maßnahme das Attentat verhindern: Sie müssen die Daten entweder verändern oder löschen. Ich akzeptiere, wenn es Sicherheitsbedenken gibt, so etwas zu verändern. In einer solchen Situation - ich betone immer wieder: in einer Extremsituation - kann es notwendig sein, zunächst das Angriffsziel der Terroristen aus einem Computer zu löschen, um Menschen vor Gefahr für Leib und Leben zu schützen. Darum geht es auch im BKA-Gesetz und in unserem Gesetz. Das ist notwendig und richtig im Interesse der Sicherheit der Menschen in unserem Land.

Eine Bemerkung, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich noch machen, weil auch die Video-Überwachung angesprochen worden ist. Wie lange die Daten gespeichert werden, ist letztendlich nicht so allumfassend entscheidend. Wir werden versuchen, mit der kürzeren Frist zu arbeiten. Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, mit welch unterschiedlicher Wertung in diesem Bereich gearbeitet wird. Mir fiel das kürzlich wieder auf, als es um die Bekämpfung rechtsradikaler Umtriebe ging.

Es ging um einen bestimmten Vorfall des vergangenen Jahres. Ein privater Fernsehsender hat sich freundlicherweise an die Bayerische Polizei gewandt und die Fernsehaufnahmen von diesem Geschehen angeboten, falls die Polizei eine Dokumentation des Ablaufes benötigt. Ich sage das als Beispiel. Das ist nicht gegen

den Fernsehsender gerichtet. Ich war für die Kollegialität dankbar. Daran wird aber deutlich, dass es jedem Medienunternehmen in unserem Land beliebig erlaubt ist, jahrelang und jahrzehntelang private Daten zu speichern. Damit hat niemand ein Problem. Wenn aber unsere auf die Bayerische Verfassung und das Grundgesetz vereidigte Polizei Daten speichert, wird darin ein gigantisches Problem gesehen. Man sieht die Polizei als das größte Problem.

Meine Damen und Herren, wir werden uns wegen der Datenspeicherung unterhalten müssen, ob die Maßstäbe mancher Diskussion der letzten Monate und Jahre stimmen, wonach in erster Linie das Problem des Datenmissbrauchs bei den Mitarbeitern des Staates zu sehen ist, oder ob das Problem des Datenmissbrauchs in anderen Bereichen nicht mindestens ebenso groß, wenn nicht noch größer ist. Da besteht gewisser Diskussionsbedarf.

Meine Damen und Herren, in der Summe sage ich, dass wir mit dem Gesetzentwurf gut leben können. Er trägt auf seine Weise dazu bei, dass wir bei der inneren Sicherheit in Bayern in der Relation zu anderen Bundesländern weiterhin spitze bleiben. Darauf kommt es im Interesse der Menschen in unserem Land an.

(Beifall bei der CSU)

Herr Minister, bleiben Sie bitte noch einen Augenblick bei mir. Ich erteile Herrn Kollegen Arnold zu einer Zwischenbemerkung das Wort.

Herr Staatsminister, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass diejenigen, die diese Regelung des PAG als nicht verfassungskonform ansehen, keinen Harm gegenüber der Polizei oder gegen deren Leistungen hegen. Sie wollen vielmehr den Schutz der Polizei vor möglicherweise verfassungsrechtlichen Übertretungen.

Zur Klarstellung: Der alte § 34 d Absatz 3 Satz 2 Halbsatz 1 PAG -

(Staatsminister Joachim Herrmann: Artikel!)

- Artikel, richtig. Dieser Artikel erlaubte ohne richterlichen Vorbehalt höheren Polizeikräften die Anordnung zum Einsatz sogenannter IMSI-Catcher usw., und auch ohne richterliche Bestätigung. Das ist die alte Regelung. Das ist eine Seite

(Zuruf der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜ- NE))

Auf der anderen Seite hält auch das Verfassungsschutzgesetz analog hierzu eine Vorschrift bereit, ohne

dass eine richterliche Bestätigung nach dem alten Gesetz erforderlich gewesen war. Trifft das nach Ihrer Ansicht zu, oder rede ich hier die Unwahrheit?

Das betrifft die Vorbereitungsmaßnahmen, aber nicht die Online-Durchsuchung, Herr Kollege Arnold.

(Horst Arnold (SPD): Eben! - Aber das ist im Gesetz geregelt!)

- Sind wir uns einig, dass das die Vorbereitungsmaßnahmen betrifft, aber nicht die Online-Durchsuchung?

(Horst Arnold (SPD): Aber das ist doch alles im Gesetz geregelt!)

- Gut, dann sind wir uns einig. Vielen Dank. Ich freue mich auf intensive Gesetzesberatungen mit Ihnen. Ich hoffe, dass Sie am Schluss, ähnlich wie Ihre Kollegen in Berlin nach langem Hängen und Würgen, nach langen Mühen zu der Auffassung kommen werden, dass wir ein schlagkräftiges Gesetz im Interesse der Sicherheit der Menschen in unserem Land brauchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bericht wird morgen der Frau Präsidentin zugeleitet. Wir haben ihn inzwischen auf den Weg gebracht. Das Innenministerium berichtet jedes Jahr darüber. Das ist auch klar im Gesetz geregelt und wird künftig noch deutlicher geregelt sein: Im vergangenen Jahr haben wir in Bayern seitens des Verfassungsschutzes und der Polizei keine akustische Wohnraumüberwachung gehabt. Im vergangenen Jahr haben wir in Bayern auch keine Online-Durchsuchung gehabt. Ich will es noch einmal ausdrücklich unterstreichen: Das sind Maßnahmen für extreme Ausnahmesituationen. Für diese extremen Ausnahmesituationen brauchen wir sie aber. Es könnte sein, dass wir bereits morgen in Deutschland wieder einen Fall haben wie den der Sauerland-Attentäter im Sommer 2007. In solchen Fällen, und nur in solchen Fällen, brauche ich diese Kompetenz. Das ist der Sinn der Gesetzgebung, deshalb bin ich dankbar, wenn wir das gemeinsam vernünftig gestalten.

(Beifall bei der CSU)

Die Aussprache ist damit geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit als federführendem Ausschuss zuzuweisen. Besteht damit Einverständnis? - Kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 d auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung

zur Änderung des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes und anderer Rechtsvorschriften (Drs. 16/1251) - Erste Lesung

Auf die zunächst vorgesehene Aussprache wurde im Einvernehmen mit allen Fraktionen verzichtet. Ich schlage also vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 e auf:

Gesetzentwurf der Abg. Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) über die Erwachsenenbildung (Erwachsenenbildungsgesetz - EbG) (Drs. 16/1237) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Tolle. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident, sehr Kolleginnen und Kollegen! Ich fange mit dem Aufschlag von der vorhergehenden Debatte an. Frau Tausendfreund hat 18 Jahre gebraucht, um eine gut fundierte Entscheidung zu treffen. Herr Innenminister Herrmann macht es jedes Jahr. Das Erwachsenenbildungsgesetz hingegen ist seit 35 Jahren nicht mehr wesentlich geändert worden. Hier kann man mit Einstein einleiten: "Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert." Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist eine gute Beschreibung, wie die politisch Verantwortlichen in Bayern mit der Erwachsenenbildung umgehen.

Die Erwachsenenbildung führt in Bayern ein stiefmütterliches Dasein. Wir haben zwar einen eigenen Artikel in der Verfassung und ein Gesetz zur Förderung der Erwachsenenbildung, doch dieses Gesetz regelt nur organisatorische Fragen und die Abwicklung der Finanzierung. Dieses Gesetz gibt es seit 35 Jahren, also zweimal so lang, wie Frau Tausendfreund gebraucht hat. Das Gesetz ist seit seinem Inkrafttreten ohne die Tatsache des lebenslangen Lernens ausgekommen. Selbst die finanzielle Situation der Erwachsenenbildung stagniert bei steigender Bedeutung dieses strategischen Feldes mit starken Einschnitten in den Stoiberschen Sparjahren. Hierzu nenne ich zwei Zahlen: Im Jahr 2000 hatten wir einen Haushaltsansatz von 19,34 Millionen Euro. Im Jahr 2009 hatten wir 18,77 Millionen Euro; mit einer Haushaltssperre von 10 % wären es lediglich 16,89 Millionen Euro.

An dieser Stelle möchte ich auch feststellen, dass es nicht der Freistaat ist, der in Bayern die Erwachsenenbildung finanziert. Wir können es am Beispiel der Volkshochschulen sehr gut sehen. 50 % der Kosten finanzieren die Bürgerinnen und Bürger selbst. 30 % finanzieren die Kommunen, 15 % werden durch Drittmittel finanziert, beispielsweise aus der Europäischen Union. Lediglich 5 % der Finanzierung übernimmt der Freistaat. Ich denke, das ist ein Armutszeugnis für einen Freistaat, der nichts weiter hat als den Rohstoff Geist.