Protokoll der Sitzung vom 27.05.2009

Weil Sie nur noch zu solchen absurden Aktionen zusammenfinden, ist dies auch eine Bankrotterklärung Ihrer Koalition.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Verhältnis zwischen der CSU und der DDR trägt fast tragikomische Züge. Die CSU kommt immer zu spät. Sie hat immer den aktuellen Trend gerade verpasst. Als längst ein Wandel durch Annäherung angesagt war, hat die CSU immer noch auf den Kalten Krieg gesetzt. Sie hat versucht, die DDR zu isolieren. Als die DDR kurz vor dem wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch stand, hat sie Strauß vorübergehend vor dem Staatsbankrott gerettet und Honecker noch mit höchsten Ehren empfangen. Jetzt, da es schon lange und dringend um die nachholende, die wirkliche Vereinigung von Ost- und Westdeutschland geht, versucht die CSU, die alten Gräben wieder hochzuziehen. Immer ein bisschen zu spät. Merken Sie gar nicht, dass Sie da ein bisschen hinterherhinken?

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf des Abgeordne- ten Karl Freller (CSU))

Kolleginnen und Kollegen der CSU, die DDR war ein Unrechtsstaat. Warum merken Sie das erst jetzt?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur selben Zeit, als wir GRÜNEN uns mit der Opposition auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs kurzgeschlossen haben, haben die CSU-Oberen den Diktatoren den Hof gemacht, und zwar weltweit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Strauß selber, bayerischer Ministerpräsident und CSUChef, hat 1983 persönlich den Milliardenkredit an die DDR eingefädelt. Strauß forderte - ich zitiere -, hören Sie zu, wenn Ihr Oberer und Vorfahre spricht: Er forderte Verständnis für die Schwierigkeiten der Machthaber im anderen Teil Deutschlands.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Hört, hört!)

Strauß führte die Verhandlungen meist hinter verschlossenen Türen und im Vier-Augen-Gespräch mit dem DDR-Funktionär Alexander Schalck-Golodkowski. Manche erinnern sich noch an den Namen.

Strauß fuhr extra in die DDR, um die Sache mit Honecker persönlich klarzumachen. Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung übernahm daraufhin die Bürgschaft für den Milliardenkredit. Der SED-Unrechtsstaat war erst mal vor der Pleite gerettet. Ein paar Jahre später, im September 1987, wurde erstmals ein Vertreter des SED-Unrechtsstaates, nämlich Honecker, in Bonn wie ein Staatsoberhaupt empfangen, von einer schwarz-gelben Bundesregierung.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Da schau her! Wer war da verantwortlich?)

Das Bonner Protokoll bestand darauf, dass es sich nur um einen Arbeitsbesuch handelte. Deswegen wurde Honecker auch nur mit einer Polizeieskorte von 7 Motorrädern empfangen, anstatt der sonst üblichen 15. Hoffentlich hat er das gemerkt.

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, man kann sich jederzeit hinterher austauschen. Es ist gerade zu schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Abschluss seiner Rundreise wurde Honecker in München empfangen, vom Ministerpräsidenten und CSU-Chef Franz Josef Strauß. Hier hatte die Eskorte natürlich 15 Motorräder. Das war wie bei einem echten Staatsempfang.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Das war euer Strauß. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP, wo war damals Ihr Kampf gegen den Unrechtsstaat?

(Beifall bei den GRÜNEN - Karl Freller (CSU): Das ist eine unverschämte Frage!)

- Kollege Freller, wo war Ihr Widerstand, als sich Schalck-Golodkowski, DDR-Wirtschaftsstaatssekretär, oberster Devisenbeschaffer, SED-Funktionär und Stasi-Offizier am Tegernsee breitmachte? Wo war da Ihr Widerstand?

(Beifall bei den GRÜNEN - Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD): Allerdings!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, vielleicht sollten Sie die Debatte noch einmal neu aufrollen. Ist Strauß Ihr Vorbild, oder ist er es nicht? Wenn Sie schon darauf erpicht sind, gegen Legendenbildung und Geschichtsklitterung vorzugehen, dann beschäftigen Sie sich doch mal lieber mit Ihrer eigenen Geschichte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit Strauß, mit der Geschichte der Landesbank, mit der Geschichte von Filz-, Amigo- und Spezlwirtschaft in Bayern wären Sie sinnvoll beschäftigt. Herr Kollege Freller, Sie haben vorhin gesagt, Geschichte sei eine Ressource, aus der wir unser Weltbild gewinnen. Bei Ihnen ist es leider umgekehrt.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Dr. Dürr, bitte bleiben Sie am Rednerpult. Herr Kollege Rohde hat eine Zwischenintervention angemeldet. Bitte, Herr Kollege.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Kollege Dr. Dürr, Sie haben in den verschiedensten Funktionen auch die schwarz-gelbe Bundesregierung angesprochen. Bei einigen Ausführungen muss ich einfach dagegenhalten. Es ist die Aufgabe der Staatsregierung, für Bayern zu arbeiten. Die Aufgabe dieses Parlaments ist es, die Anträge zu diskutieren, die vorgelegt werden. Es ist auch das Recht des Parlaments, eine historisch wichtige Frage zu diskutieren

(Ulrike Gote (GRÜNE): Sie wollen doch nicht bezweifeln, dass er das gemacht hat!)

vor dem Hintergrund, dass viele junge Menschen heute nicht mehr wissen, was damals war. Also müssen wir uns damit auseinandersetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich schätze die GRÜNEN wirklich wegen ihrer oft pfiffigen Oppositionsarbeit. Heute aber bin ich schwer enttäuscht.

(Lachen und Unruhe bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich fasse es nicht, wie Sie Franz Josef Strauß einordnen. Ich bin ganz sicher kein Anhänger von Franz Josef Strauß gewesen, da können Sie sicher sein. Zu der Zeit aber, die Sie ansprechen, gab es sehr viel Unrecht, und es gab sehr viele Menschen, die persönlich betroffen waren, weil sie von der Stasi eingesperrt wurden, weil sie an der Ausreise gehindert wurden. Alle Verhandlungen, die eine Bundesregierung geführt hat, die auch Franz Josef Strauß geführt hat, - - Da wurden Menschen gekauft. Wir haben das Spiel als Staat mitgespielt. Wir haben uns damals aber für die Menschen eingesetzt, die in Bedrängnis waren, die zu uns herüber wollten, und das hat dazu beigetragen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CSU)

Das war ein miserables Spiel, das die DDR damals gespielt hat, und zwar auf Kosten der Menschen.

(Karl Freller (CSU): Sehr richtig!)

Wie können Sie das alles so ohne Zusammenhang in Ihren Antrag packen? Das kann ich nicht nachvollziehen. Deshalb bitte ich Sie, den Antrag zurückzuziehen.

Wenn Sie fragen, wo die Liberalen waren: Herr Genscher hat bei jedem Gespräch in der Welt darauf hingewirkt, dass wir die deutsche Einheit bekommen. Wir haben nur deshalb die deutsche Einheit bekommen, weil danach klar war: Wir werden ein friedliches Deutschland sein.

(Beifall bei der FDP)

Ich bitte Sie, ziehen Sie Ihren Antrag zurück, Herr Kollege.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Lachen des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Ich verstehe, dass Sie damit schwer leben können. Der Antrag besteht aber aus zwei Teilen, einem Haupt- und einem Nebensatz. Beide Teile sind richtig und wahr. Wenn Sie ein Problem haben, sich der Wahrheit zu stellen, dann muss ich sagen: Wir haben kein Problem damit. Wir werden namentlich darüber abstimmen, und dann werden wir sehen, was dabei herauskommt.

(Jörg Rohde (FDP): Nicht die ganze Wahrheit!)

- Die ganze Wahrheit nehme ich nie für mich in Anspruch, aber das, was ich von den zwei Kollegen vorhin gehört habe, war genau das Gegenteil von Wahrheit.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Dr. Dürr, würden Sie bitte noch einmal an das Rednerpult zurückkommen? Wir haben eine zweite Zwischenbemerkung von Herrn Kollegen Prof. Dr. Bausback.

Herr Kollege Dr. Dürr, mich wundert, dass ein Mann, der wie Sie Philosophie studiert hat, so geschichtsvergessen sein kann. Ist Ihnen - das würde mich interessieren - nicht bekannt, wie Konstantin Ustinowitsch Tschernenko in einem gemeinsamen Gespräch zwischen der SED und der KPdSU den Milliardenkredit realistisch eingeschätzt hat, nämlich als die Vertiefung der Abhängigkeit. Können Sie übersehen, dass es Ende der Achtzigerjahre allein die Union war, vor allem Franz Josef Strauß, der den juristischen Weg zur Wiedervereinigung offengehalten hat, nämlich durch den bereits angesprochen Grundlagenvertrag. Alle anderen haben doch von der Lebenslüge gesprochen oder zumindest an sie gedacht. Wie man so geschichtsvergessen sein kann, das wundert mich, zumal dann, wenn man Geisteswissenschaften studiert hat.

(Beifall bei der CSU und der FPD - Zuruf der Ab- geordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD))

Es ist nett, dass Sie von Geisteswissenschaftlern eine so hohe Meinung haben. Wenn Sie aber an Ihr erstes Zitat denken, und ein Geisteswissenschaftler zeichnet sich auch dadurch aus, dass er sich das, was er zu hören bekommt, genauer anschaut, dann haben Sie doch jetzt eine Begründung -