Protokoll der Sitzung vom 27.05.2009

mit der deutschen Einheit keine größere Geschichtsfälschung vorstellen, als Willy Brandt hier bewusst nicht zu erwähnen. Das wollte ich dazu sagen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege, ich habe gar kein Problem damit, Willy Brandt würdigend zu erwähnen. "Es wächst zusammen, was zusammengehört" ist sein Satz. Ich möchte ausdrücklich auch diese Geschichtswahrheit im Protokoll festhalten. Ich möchte das ausdrücklich würdigen. Ich habe übrigens Willy Brandt genannt. Er ist ja selbst über die Stasi und ihre Machenschaften gestolpert. Ich habe Willy Brandt an der Stelle übrigens auch genannt.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich sage auch, dass er bei der deutschen Einheit eine gute und wichtige Rolle gespielt hat. In dem Antrag, den die GRÜNEN gestellt haben, ging es aber nicht um Willy Brandt, sondern darin ist Franz Josef Strauß verunglimpft worden.

(Franz Maget (SPD): Aber nicht Helmut Kohl!)

Deshalb sah ich es hier als meine Aufgabe an, diese Verunglimpfung von Franz Josef Strauß richtig zu stellen. Das kann eine CSU-Fraktion nicht hinnehmen, und sie wird es auch nie hinnehmen. Ich bin der FDP dafür dankbar, dass sie bei diesem Antrag mitgezogen hat und sich klar für eine umfassende politische Bildung im Lande zum Bild der DDR ausspricht.

(Beifall bei der CSU)

Danke, Herr Freller. Die nächste Wortmeldung stammt von Herrn Dr. Fischer. Bitte schön.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Nach diesen Szenen im Landtag möchte ich versuchen, wieder zu einem Konsens aller Demokraten zurückzukehren.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das fällt schwer, da hätten Sie einen anderen Antrag stellen müssen!)

Wissen Sie, wofür die Abkürzungen "PUT" und "PID" stehen? Viele von Ihnen werden es nicht wissen. "PUT" war in der DDR "Politische Untergrundtätigkeit", und das konnte schon die Verteilung eines Gedichts über Lebensumstände in diesem Land sein. Als "PID", als "Politisch-ideologische Diversion" galt, wenn dasselbe Gedicht über westliche Medien verteilt wurde. Ein Gedicht über die Lebensumstände konnte ins Gefängnis

führen. Es ist noch keine 20 Jahre her, dass das Alltag auf deutschem Boden war, Alltag in einer Diktatur, die mit der Wahrheit nicht leben konnte, Alltag in einer Diktatur, in der das Aussprechen dieser Wahrheit strafbar war und welche die Meinungsfreiheit nicht kannte.

Das ist aber längst nicht alles. Im August 1956 ließ das Ministerium für Staatssicherheit 124 politische Häftlinge in einer Nacht- und Nebelaktion aus dem Isolationstrakt der Strafvollzugsanstalt Brandenburg-Görden nach Bautzen II überführen. Damit begann in Bautzen ein besonderes Kapitel des Strafvollzugs der DDR. Bis Dezember 1998 wurden hier Gefangene unter strenger Isolation eingesperrt, Gefangene, deren Vergehen es war, das Regime kritisiert zu haben, oder die versucht haben, das Land zu verlassen oder anderen dabei zu helfen. Das galt in der DDR als Republikflucht, und Republikflucht war strafbar. In 40 Jahren DDR verließen trotzdem 2,7 Millionen Menschen diesen Staat, und viele von ihnen bezahlten es an der innerdeutschen Grenze mit ihrem Leben. Insgesamt waren an dieser Grenze mehr als 1.200 Tote zu beklagen.

Nicht nur das Recht auf freie Meinungsäußerung und Reisefreiheit, auch das Recht auf Leben wurde von diesem Staat mit Füßen getreten. Die sogenannte Deutsche Demokratische Republik war ein Staat, in dem am 17. Juni 1953 DDR-Polizisten bei der Niederschlagung des Volksaufstands durch sowjetische Truppen halfen. Sie war der Staat, in dem am 13. August 1961 eine brutale und unmenschliche Grenze durch unsere Heimat errichtet wurde, die man dann zynisch als antifaschistischen Schutzwall bezeichnete. Das alles ist erst 20 Jahre her, und doch scheint die Erinnerung daran schon verblasst zu sein.

Herr Dr. Fischer, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wörner?

(Vom Redner nicht auto- risiert) Nein, am Ende.

(Georg Schmid (CSU): Er hat noch gar nicht angefangen zu reden!)

Gesine Schwan hat gesagt, der Begriff Unrechtsstaat passe nicht, er sei zu diffus, es sei nicht alles Unrecht, was in diesem Staat geschehen sei; so weit wolle sie nicht gehen. Ich behaupte auch nicht, dass alles, was in diesem Staat geschehen ist, Unrecht sei, aber das ist für einen Unrechtsstaat auch nicht entscheidend. Wie soll man einen Staat bezeichnen, in dem elementare Menschenrechte nicht beachtet werden, wenn nicht als Unrechtsstaat? Wie soll man einen Staat bezeichnen, der seine Bürger einsperrt und diejenigen, die das Land verlassen wollen, mit Gewalt daran hindert, wenn nicht als Unrechtsstaat? Wenn der Ministerpräsident von

Mecklenburg-Vorpommern Erwin Sellering in der DDR ebenfalls keinen totalen Unrechtsstaat sieht, sondern nur "einen Schuss Willkür, weil es keine Kontrolle durch unabhängige Gerichte gegeben hat", ist das eine Verniedlichung, die ich bedenklich finde.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CSU)

Das klingt so, als wäre es in der DDR im Großen und Ganzen schon in Ordnung gewesen. Es ist eine Schande, wenn man ein totalitäres Regime so bezeichnet, das so viele Menschenleben auf dem Gewissen hat.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Die Studie des Forschungsverbunds der Freien Universität Berlin hat festgestellt, dass die bayerischen Schüler am meisten über die DDR wissen und sie am kritischsten sehen. Darüber freuen wir uns. Unseren Schülerinnen und Schülern muss im Schulunterricht auch weiterhin ein klares Wertebewusstsein vermittelt werden.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch ein Wort zum Antrag der GRÜNEN sagen. Es wird dem Ernst dieser Debatte nicht gerecht, wenn wir uns jetzt über Dinge unterhalten, über die man zu Recht geteilter Meinung sein kann. Wir sollten uns auf das beschränken, worin sich alle Demokraten einig sind, und das ist die Beurteilung eines Unrechtsregimes.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Johanna Wer- ner-Muggendorfer (SPD): Das kommt auf die CSUAuffassung an!)

Die Ereignisse von historischer Bedeutung sind für die Wertevermittlung an die künftigen Generationen wichtig, die den Mauerfall nicht selbst miterlebt haben.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Kein Mensch bestreitet das!)

Es ist unsere Aufgabe, den nächsten Generationen das Bewusstsein für die Verbrechen der SED-Diktatur zu vermitteln. Es liegt an uns, dafür zu sorgen, dass unsere Kinder über das in der DDR begangene Unrecht aufgeklärt werden. Wir müssen in der schnelllebigen Zeit ein Zeichen gegen das öffentliche Vergessen der DDR-Diktatur setzen. Daher sind wir dafür, dass das Thema der SED-Diktatur auch weiterhin ein elementarer Bestandteil jeden Geschichtsunterrichts in Bayern bleibt.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Danke, Herr Fischer. Bitte bleiben Sie am Pult. Zu einer Zwischenintervention hat sich Herr Kollege Wörner gemeldet.

Wenn Sie über den Unrechtsstaat sprechen, dürfen Sie Folgendes nicht in Vergessenheit geraten lassen: In Ihrem bildungspolitischen Ansatz am Schluss Ihrer Rede sagten Sie, dass man in die Zukunft hinein vermitteln soll, damit nichts verloren geht und nichts vergessen wird. In Ihrer Aufzählung habe ich aber etwas vermisst. Ein Vorgang, der nicht in einem Unrechtsstaat - wie wir ihn zu Recht bezeichnen - vor sich ging, sondern in einem sogenannten demokratischen Rechtsstaat. Ich darf Sie daran erinnern, dass ein gerade gefeierter Heroe dieses Staates versucht hat, Medien auszuschalten, indem er eine ganze Redaktion, die Unangenehmes über ihn berichtet hat, schließen und einsperren ließ. Das gehört genauso zur Aufarbeitung der Geschichte oder zum Erhalt der Geschichte wie das, was Sie gerade geschildert haben. Das hätte ich von Ihnen erwartet.

(Georg Schmid (CSU): Sagen Sie nichts zu dem Blödsinn!)

(Vom Redner nicht auto- risiert) Dieser Beitrag spricht für sich selbst. Man braucht ihn nicht zu kommentieren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Als Nächster hat das Wort Herr Kollege Dr. Dürr.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie vielleicht schon an unserem nachgezogenen Antrag gemerkt haben, verbuchen wir Ihren Antrag, Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktion, unter Realsatire. Die Reden, die bis jetzt vorgetragen worden sind, vor allem vom Herrn Kollegen Freller, haben unsere Einschätzungen voll bestätigt. In der Satire - und damit, unfreiwillig, auch bei Realsatire - kann es um durchaus ernste Probleme gehen. Aber die Unangemessenheit, ja Lächerlichkeit der Fragestellung und der Problemdefinition oder der Lösungsvorschläge werden automatisch zum Gegenstand des Spottes. Zum einen gibt es das lächerliche Missverhältnis zu den ernsthaften Anliegen. Auf der anderen Seite meinen Sie, eine taktische Chance zu wittern, derentwegen Sie den Antrag gestellt haben. Momentan schwächelt die CSU. Da liegt nichts näher als der Versuch, das alte Lagerdenken zu revitalisieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Vorstellung, dass Sie den Feind im Osten wieder groß genug aufbauen müssen, um selber wieder größer zu werden, ist einfach lächerlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kollege Spaenle, kennen Sie irgendjemanden, der auf so ein schlichtes Weltbild heute noch reinfällt? Kolleginnen und Kollegen der FDP, warum machen Sie da mit?

(Karsten Klein (FDP): Weil wir in einer Demokratie sind!)

- Weil nicht nur die CSU schwächelt, sondern gleich die ganze Regierung. Die marode Landesbank, das Milliardenhaushaltsloch, der Klimawandel, Firmenpleiten, ein überlastetes Schulsystem, das Hauptschulsterben, Kinder, denen die Zukunft verbaut wird: Das alles schreit nach politischen Lösungen. Was machen Sie? Sie schreiben so einen erbärmlichen Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN - Georg Schmid (CSU): Das kann ich mir nicht mehr anhören!)

Einen erbärmlichen Antrag schreiben Sie, sonst nichts. Sie bringen kaum noch irgendetwas gemeinsam auf den Weg. Meistens blockieren Sie sich gegenseitig. Wenn der eine etwas macht, blockiert der andere. Nach dem Motto: Wie du mir, so ich dir. Das ist wie im Sandkasten. Nimmst du mir die Strafverschärfungen, nehme ich dir die Lobbyarbeit bei den privaten Krankenkassen. Stille Feiertage und Tanzverbot, das Tauziehen um Killerspiele, längere gemeinsame Schulzeit, der Donauausbau und die Uiguren aus Guantánamo: Nirgendwo finden Sie eine gemeinsame Basis.

(Karsten Klein (FDP): Was hat das mit dem Thema zu tun?)

Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie denken wahrscheinlich: Wenn man schon zusammen in einer Regierung ist, dann will man auch mal zusammenstehen, selbst wenn es sich nur um einen erbärmlichen Antrag handelt. Wenn schon nichts Positives dabei herauskommt, dann stellt man sich wenigstens gegen einen gemeinsamen Feind, selbst wenn man sich diesen schnitzen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weil Sie keine anderen Probleme haben, weil Sie sich nicht um die Probleme in Bayern kümmern, ist Ihr Antrag eine politische Bankrotterklärung Ihrer Regierungspolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weil Sie nur noch zu solchen absurden Aktionen zusammenfinden, ist dies auch eine Bankrotterklärung Ihrer Koalition.