Protokoll der Sitzung vom 27.05.2009

Sehr geehrter Herr Spaenle, Sie machen die regionalen Bildungsdiskurse und werden eine Hauptschulinitiative in der Allianz-Arena durchführen. Das ist wunderbar. Dann wird es um die Vernetzung von Schulen gehen, um die Profile der Hauptschulen, um die Schwerpunkte, und es wird um den Schülertourismus gehen. Die Schüler werden am Montag von A nach B fahren, andere von B nach A und weitere von C nach D. Das wird die Schulbuskosten noch einmal steigern. Man wird sehr schnell darüber reden, wie groß die Hauptschulen sein müssen, damit sie erfolgreich sein können. Mit dieser Maßnahme ist das Hauptschulsterben programmiert.

Es wird wie bei den Teilhauptschulen sein. Kollege Adi Sprinkart wurde damals, als die R 6 eingeführt wurde, als Lügner bezeichnet, weil er gesagt hat, dass dies das

Ende der Teilhauptschulen sei. Drei Jahre später sind 586 Teilhauptschulen von der Bildfläche verschwunden. Sie sind im Schulgesetz gestrichen worden.

Deswegen, Herr Spaenle, wird Ihre Initiative in der Allianz-Arena die Hauptschulen nicht retten, wenn Sie keinen mittleren Abschluss im Sinne eines Realschulabschlusses an den Hauptschulstandorten ermöglichen.

Wenn Sie das nicht machen, schlage ich Ihnen vor: Lassen Sie uns lieber gemeinsam in der Allianz-Arena Fußball spielen. Ich sage Ihnen: Die Begeisterung auf den Rängen wird größer sein als die für Ihre Hauptschulinitiative.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, die Hauptschule stirbt, und sie stirbt durch Ihre Umarmung. Die Hauptschulen machen gute Arbeit. Sie leisten Integration für die Gesellschaft. Sie integrieren Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Sie integrieren Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen. Sie integrieren Schülerinnen und Schüler aus Sozialmaßnahmen und Maßnahmen der Jugendhilfe. Die Zahl dieser Schulen, der Schülerinnen und Schüler wird immer geringer. Wir wollen keine Zwei-Drittel-Gesellschaft, und deswegen wollen wir auch kein Zwei-DrittelSchulsystem, in dem das letzte Drittel keine Chance hat.

(Beifall bei den GRÜNEN - Ingrid Heckner (CSU): So ein Schmarrn!)

Deswegen brauchen wir starke Schulen für viele Kinder. Wir brauchen Schulen, damit die Kinder im ländlichen Raum eine Chance haben. Wir brauchen daher Schulen, die erfolgreich sind.

Wir haben heute dazu einen Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/1408 gestellt. Ich meine, dazu brauchen wir heute Abend bei der Beratung der Dringlichkeitsanträge nicht sehr intensiv zu reden. Unserem Dringlichkeitsantrag können die SPD und die Freien Wähler zustimmen; die FDP muss zustimmen und auch 40 % der CSU-Fraktion. Liebe Kolleginnen und Kollegen, tun Sie das bitte. Wir müssen jetzt handeln. Wer zuwartet, wird dafür sorgen, dass die "Schullandschaft in Schieflage" in kurzer Zeit auf dem flachen Land platt sein wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Ich darf für die CSUFraktion Herrn Kollegen Eisenreich das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde betrifft ein wichtiges Anliegen. Es geht um die Weiterentwicklung der Schullandschaft. Wir können allerdings dem Vorredner nicht zustimmen; denn die Schullandschaft ist nicht in Schieflage. Wir müssen aber auf Entwicklungen wie den demografischen Wandel usw. reagieren. Wir müssen die Schullandschaft anpassen. Eine Schieflage ausmerzen müssen wir aber nicht.

(Harald Güller (SPD): Die Schieflage ist doch offensichtlich!)

Der Erhalt der wohnortnahen Schulen ist ein wichtiges Anliegen. Es geht um ein Thema, das wir in den Koalitionsvertrag aufgenommen haben, weil es die Menschen bewegt und die Menschen Lösungen erwarten.

Wir haben insgesamt drei Ziele. Das sind der Erhalt der wohnortnahen Schule, die Sicherung der hohen Qualität des Bildungsangebots und der Dialog mit den Beteiligten vor Ort für regional angepasste, unideologische und praxisnahe Lösungen. Sie haben recht, Herr Gehring, wir haben Erwartungen geweckt. Ich bin mir sicher, wir werden sie auch erfüllen.

(Christa Naaß (SPD): Das glaube ich nicht!)

Man erfüllt Erwartungen aber insgesamt nicht, wenn man nicht ehrlich mit den Menschen umgeht und es bloße Versprechungen gibt.

Ich möchte zu zwei Unehrlichkeiten in dieser allgemeinen Debatte etwas sagen. Die erste Unehrlichkeit ist: Wenn eine Fraktion behauptet, dass sie alle tausend Hauptschulstandorte erhalten könne, werden die Bürgerinnen und Bürger schlicht und einfach angelogen.

(Beifall bei der CSU - Sepp Daxenberger (GRÜ- NE): Das hat Herr Gehring nicht gesagt!)

- Das war auf keine konkrete Person bezogen. Herr Gehring, Sie haben dazu vorhin nichts gesagt. Ich kenne die Debatten. Diese Behauptungen gibt es, und von einigen wird auch dieser Eindruck erweckt.

Wir wissen, dass wir etwa 400 Realschulen und etwa 1.000 Hauptschulen haben und in Zukunft die Hauptschüler noch weniger werden. Eine Aussage, dass wir alle Standorte erhalten könnten, ist nicht ehrlich. Unser Ziel ist es, so viele Standorte wie möglich und so lange wie möglich zu erhalten. Ich glaube, dass wir dazu ein gutes Bündel an Maßnahmen haben, die wir in dieser Debatte darstellen werden.

Mir ist wichtig, dass wir bei der Diskussion um die Struktur der Hauptschulen immer auch sagen, dass es darum geht, ein attraktives, differenziertes und hochwertiges Bildungsangebot zu bewahren, und nicht nur um das Füllen von Schulgebäuden.

Die zweite Unehrlichkeit ist folgende: Ein Teil der Politiker verspricht neue Modelle, Öffnungen hier, Öffnungen da, Zweige da anbauen und Zweige hier anbauen. Sie tun so, als wäre das die Lösung zum Erhalt der wohnortnahen Schule.

Es werden aber zwei Dinge nicht gesagt. Eines ist, dass das nicht stimmt. Es werden Erwartungen geweckt, es werden Dinge vorgegaukelt, die nicht eintreffen. Ein Blick nach Sachsen zeigt das. Dort sind über 60 % der Schulstandorte trotz Zweigliedrigkeit verschwunden. Ein Zweites, Herr Gehring: Viele sagen nicht, dass das nicht ihr eigentliches Ziel ist. Denn die Diskussion um den Erhalt der wohnortnahen Hauptschule ist für viele ein Mittel zum Zweck. Ihr Ziel ist nicht der Erhalt der Hauptschule, selbst dann nicht, wenn an dieser Hauptschule ein Realschulzweig ist. Ihr Ziel ist eine neunjährige Schule für alle und damit die Abschaffung der Hauptschule, die Verstümmelung der Realschule, die Verstümmelung des Gymnasiums. Sie wollen eine neunjährige gemeinsame Schule.

(Zuruf des Abgeordneten Sepp Daxenberger (GRÜNE))

Ich bitte Sie, den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einzuschenken und ihnen nicht ständig Sand in die Augen zu streuen.

(Beifall bei der CSU)

Wir wollen ein qualitativ hochwertiges, attraktives Bildungsangebot wohnortnah erhalten. Unsere Antwort ist der Schulverbund, den Kollege Taubeneder vorstellen wird.

Ich glaube, die Erwartungen, die wir geweckt haben, werden wir erfüllen. Es wird Dialogforen geben. Wir wollen vor Ort Diskussionen mit den Beteiligten führen. Dazu haben wir ein Konzept, zu dem der Kollege Manfred Ländner etwas sagen wird. Neben den Dialogforen mit den Beteiligten bieten wir Hauptschulverbünde und eine Flexibilisierung bei der Handhabung der Klassengröße, wie wir das im Hohen Hause beantragt haben.

Die Kooperation von Haupt- und Realschule ist keine Antwort auf den Erhalt der wohnortnahen Schule. Da haben Sie völlig recht. Wir haben das auch nie gesagt; denn wir verfolgen zwei andere Ziele. Eines ist die Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen den Schularten. Das Zweite ist, dass wir dort, wo es noch kein Realschulangebot in der Fläche gibt, die Realschule anbie

ten wollen. Das sind die beiden Ziele zum Kooperationsmodell Haupt- und Realschule und nicht der Erhalt von Schulstandorten.

Ich glaube, mit Dialogforen, der Möglichkeit der Gründung von Schulverbünden, mit der Stärkung des Profils der Hauptschule und mit einer stärkeren Kooperation der Schularten, wie in den Kooperationsmodellen, haben wir richtige Antworten auf die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der CSU)

Für die SPD-Fraktion darf ich Herrn Kollegen Pfaffmann das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, lieber Herr Eisenreich, zwei Sätze zu Ihrem Beitrag. Sie sagen, die Schule wäre nicht in Schieflage. Dies lässt nur einen einzigen Schluss zu: Entweder haben Sie - erstens - überhaupt keine Ahnung, was in Bayerns Landkreisen derzeit los ist,

(Beifall bei der SPD)

oder - zweitens - Sie machen komplett die Augen zu, und zwar aus parteipolitisch-ideologischen Gründen vor der Wahrheit, wie wir sie in Bayern vorfinden.

(Beifall bei der SPD)

Die dritte Möglichkeit ist: Sie müssen hier so reden und glauben es selbst nicht.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, dies ist wahrscheinlicher, weil Sie unter einem Druck stehen, den Sie überhaupt nicht mehr aushalten können. Fragen Sie doch einfach einmal Ihre CSU-Landräte und CSU-Bürgermeister, wie sie die Kooperationsklassen beurteilen! Wenn Sie nur die Hälfte dessen, was Ihnen da ins Ohr schallen wird, hier sagen, dann könnten Sie so nicht mehr daherreden.

Die Kooperationsklassen, Schulen und Dialogforen, alles, was Sie hier machen, auch die jetzt in der AllianzArena angekündigte Hauptschulinitiative - oder wie auch immer es heißen wird; ich darf vielleicht an die Ingolstädter Hauptschulinitiative vor drei Jahren erinnern -, alles rhetorische Luftblasen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen einmal Folgendes sagen: Wir diskutieren seit fünf Jahren über genau dieses Problem. Vor fünf Jahren wurde in diesem Haus wiederholt über das Problem gesprochen: Wir warnen vor einem Hauptschul

sterben. Vor fünf, sieben Jahren wurde hier geredet und vor dem Problem des regionalen Schulstandortes gewarnt. Seit dieser Zeit ist außer der Produktion von Worthülsen nichts passiert. Die Wahrheit ist: Sie haben 617 Teilhauptschulen und 55 Hauptschulstandorte geschlossen sowie 1.000 Hauptschullehrer eingezogen dies ist trotz aller Warnungen geschehen. Deshalb geht es hier nicht mehr um die Frage zu begründen, warum man eine vernünftige Schulkonzeption, eine regionale Schulentwicklung braucht, sondern es geht darum, jetzt endlich Glaubwürdigkeit herzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Dies gilt für die CSU und insbesondere auch für die FDP; dazu komme ich gleich noch. Es geht nicht um die Begründung der Frage, dies hat Herr Gehring getan. Ich schließe mich dem an, möchte es aber jetzt nicht wiederholen. Das ist eine Debatte der letzten fünf Jahre. Ich gebe Ihnen zwei entscheidende Antworten zu dem Problem:

Punkt 1. Es wird Ihnen nur gelingen, eine regionale Schullandschaft, die Schule vor Ort, zu erhalten, wenn Sie an jeder Schule eine Profilierung mit mittlerer Reife zulassen.

(Beifall bei der SPD)

Punkt 2. Es wird Ihnen nur gelingen, die Schule vor Ort zu erhalten, wenn Sie eine Profilierung mit innovativen Projekten, wie zum Beispiel längerer gemeinsamer Schulzeit, zulassen.