Protokoll der Sitzung vom 27.05.2009

Herr Füracker.

Zur Frage, ob jemand mehr Milch erzeugt, weil er seine Quote erst später nachweisen muss.

(Adi Sprinkart (GRÜNE): Er muss sie gar nicht mehr nachweisen!)

Lieber Adi Sprinkart, die CSU hat im Benehmen mit einem sehr maßgeblichen Verband in Deutschland, dem Milchverband, im Bundesrat alle diese Maßnahmen beantragt und mit Herzblut unterstützt. Saldierung, Umrechnungsfaktor, alle diese Maßnahmen sind gefordert worden. Wo waren denn die Roten und Grünen aus anderen Ländern, die im Bundesrat dafür hätten mitkämpfen und uns unterstützen können? Wo waren sie denn? Keiner war da. Wir waren mit Hessen alleine. Jetzt aber belehren die bayerischen GRÜNEN die CSU darüber, wie man es verhindern könnte, dass mehr Milch produziert wird. Es ist doch nicht weltfremd, einen landwirtschaftlichen Betrieb, der gar nicht in der Lage ist, von heute auf morgen mehr Milch zu produzieren, per Quotennachweis dazu zu verdonnern, dass er in dem Moment, in dem der Förderbescheid ergeht, die Quote kaufen muss. Deswegen haben wir diese Maßnahme gefordert. Sie ist eine echte Hilfe für die investitionswilligen Betriebe in Bayern. Zum Glück gibt es noch einige, die das genauso sehen. Ich sage Ihnen voraus, dass uns die Bauern bei der Europawahl wählen werden, und das trotz Ihrer Bemühungen, den Leuten einzureden, dass wir nichts für die Bauern tun würden.

Andere Punkte, wie zum Beispiel Investitionsentscheidungen, hat Herr Aiwanger auch angesprochen: Die Bauern würden mit staatlichen Förderungen getrieben. Herr Kollege Aiwanger und Herr Kollege Sprinkart, kein Bauer wird gezwungen, einen Stall für 400 Kühe zu bauen, nur weil es eine Förderung gibt. Es gibt auch eine Förderung für 50 Kühe, für 30 Kühe und für 80 Kü

he. Es gibt keine Vorschrift darüber, wie viele Kühe mindestens in diesem Stall stehen müssen.

Die Landwirte sind jedoch Unternehmer. Deshalb muss ich bei den Landwirten ein Mindestmaß an unternehmerischer Entscheidungskompetenz voraussetzen, wenn sie sich für eine Investition in die Landwirtschaft entscheiden. Das unterstützen wir. Gott sei Dank haben wir nämlich junge und zukunftsorientierte Bauern und Bäuerinnen, die sich bewusst für Investitionen entscheiden.

(Maria Noichl (SPD): Und die sich die Finger blutig melken!)

Diese Leute glauben nicht, was Frau Kollegin Noichl in ganz Bayern erzählt, nämlich, dass es übermorgen in Bayern keine Landwirtschaft mehr geben werde. Zum Glück gibt es junge Bauern, die investitionsbereit sind und die bereit sind, in Zukunft Landwirtschaft zu betreiben, trotz all Ihrer Unkenrufe.

(Beifall bei der CSU - Hubert Aiwanger (FW): Dann ist ja die Welt in Ordnung!)

Herr Kollege, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Ulrike Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Derzeit müssen wir feststellen, dass es für die Bauern am Markt vielfach nicht möglich ist, gute und kostendeckende Preise durchzusetzen. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Verbrauchsrückgänge und zusammenbrechende Exportmärkte sind ebenso zu nennen wie der extreme Währungsverfall in wesentlichen Absatzländern.

Diese Entwicklungen sind zu einem guten Teil auf die Weltwirtschaftskrise zurückzuführen. Aber auch die Politik ist mitverantwortlich. Wenn ich die derzeit laufenden Diskussionen beobachte, drängt sich mir der Verdacht auf, dass sich einige aus der Verantwortung stehlen wollen. Die EU-Agrarpolitik hat seit Anfang der Neunzigerjahre eine fundamentale Kehrtwende vollzogen. Mit dem Abbau der Marktordnungen wurde die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zur neuen Zielvorgabe. Es ist einfach nicht ehrlich, die Schuld an dieser Entwicklung allein auf die EU abzuschieben.

Bei der am 20. Mai 2009 abgehaltenen Sonderagrarministerkonferenz in Berlin wurde festgehalten: Die Agrarministerinnen und Agrarminister sowie die Senatorinnen und Senatoren der Länder halten an ihrer Position zur grundsätzlichen Neuausrichtung der Agrarmärkte hin zu mehr Wettbewerb fest. Das ist eine klare Aussage. Dabei saßen eine CSU-Bundesministerin und ein CSU-Minister mit am Tisch. Bei den Beschlüs

sen der letzten Agrarreformen wurde der Weg klar vorgezeichnet. Dabei waren immer auch Vertreter der CSU mit von der Partie.

Spätestens mit der Absenkung des Sicherheitsnetzes durch die Änderung bei der Intervention und die Umstellung auf entkoppelte Zahlungen wurde klar, dass eine solche Misere, wie wir sie momentan erleben, kommen wird. Die damals verantwortlichen Politiker haben das auch gewusst und den Bauern trotzdem nicht die Wahrheit gesagt. Dieses System des Beruhigens und des Aussitzens bleibt uns in Bayern bis heute erhalten.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Ein Unternehmer kann aber nichts aussitzen. Er muss sich auf die Zukunft einstellen können. Das kann er nur, wenn er auch weiß, was die politischen Realitäten bewirken werden.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich weiß nur zu gut, welche Sorgen die Milchbauern gerade plagen. Wir müssen alles tun, um den Betrieben schnell zu helfen. Es nützt aber gar nichts, wenn die CSU den Bauern zum wiederholten Male Sand in die Augen streut und so tut, als ob mit der Quotenfrage derzeit ein Blumentopf zu gewinnen wäre.

Herr Staatsminister Brunner verkündete noch vor wenigen Tagen, er habe den Eindruck, dass sich in den Bundesländern aufgrund der derzeitigen Situation ein Stimmungswandel in Sachen "Quote" vollzogen habe. Wir wissen alle, dass es in Bayern mit schnellen Datenleitungen nicht gerade zum Besten bestellt ist. Dass sich dieses Problem bis in das bayerische Landwirtschaftsministerium hineinzieht, ist aber doch neu.

Herr Staatsminister, reden die anderen Minister und Ministerinnen nicht mehr mit Ihnen, oder wie konnten Sie eine derartige Fehleinschätzung abliefern? Es war schon herzzerreißend, Sie in den BR-Nachrichten nach der Sonderministerkonferenz zu sehen. Mitleid ist auch ein starkes Gefühl, aber Enttäuschung und Verbitterung über leere Versprechungen sind noch stärkere Gefühle.

(Beifall bei den Freien Wählern)

So gewinnt man kein Vertrauen zurück. Sie haben in der Pressekonferenz zum Ergebnis dieses Treffens gesagt: Mein Vorschlag war im Ansatz nicht mehrheitsfähig, um es deutlich zu sagen. Ich stand mit meinem Vorschlag allein auf weiter Flur.

Herr Minister, das ist im Grunde eine Bankrotterklärung der CSU-Agrarpolitik bei diesem Thema.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Die CSU braucht sich keine Sorgen mehr zu machen, ob sie zur Regionalpartei absteigt. In der Landwirtschaftspolitik ist sie es bereits.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Jedem alles zu versprechen, ist das eine. Aber etwas durchzusetzen, ist das andere.

(Beifall bei der SPD und den Freien Wählern.)

Dabei wird auch gleich noch ein bisschen Geschichtsfälschung betrieben. Ihre Wahlkämpfer werden nicht müde, auf den erbitterten Widerstand der CSU gegen die Aufstockung hinzuweisen. Dabei hat doch Frau Bundesministerin Aigner auf Geheiß des Herrn Ministerpräsidenten Seehofer dieser Aufstockung zugestimmt. Da kann es einen doch wirklich nicht wundern, wenn in Brüssel kein Verständnis für den Zickzack-Kurs aus Bayern zu gewinnen ist. Die angeblich so mächtige Stimme Bayerns in Europa in Form der CSU wird nicht mehr ernst genommen.

Der "Spiegel" schreibt in seiner Ausgabe vom 25. Mai: Die Partei - gemeint ist die CSU - hat den bayerischen Bauern immer eingeredet, dass sie die Stimme der Weltwirtschaft von ihnen abzuhalten vermöge. Das erweist sich als Lüge. In Brüssel konnte die CSU nicht verhindern, dass der Milchmarkt nach und nach liberalisiert wurde. Die Quoten wurden erhöht, die die Produktion von Milch innerhalb der EU regeln.

Zudem beschlossen die EU-Agrarminister, die Mengendrosselung ab dem Jahr 2015 ganz aufzuheben. Trotzdem verkündeten die Christsozialen zu Hause, dass den bayerischen Milchbauern eine glänzende Zukunft bevorstehe. Der "Spiegel" zieht das Resümee, dass Herr Ministerpräsident Seehofer derzeit der größte Illusionskünstler der deutschen Politik sei.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Wenn diese kollektive Realitätsverdrängung im Landwirtschaftsministerium und in der Staatskanzlei so weitergeht, muss man sich ernsthaft fragen, ob ein solch wichtiges Ressort wie die Land- und Forstwirtschaft noch länger in den Händen eines CSU-geführten Ministeriums liegen darf und ob nicht doch der kleinere Koalitionspartner FDP der bessere Sachwalter für dieses Ressort wäre.

(Beifall bei den Freien Wählern und der FDP - To- bias Thalhammer (FDP): Das sind wahre Worte!)

Immerhin läge dann die Verantwortung in den Händen einer Partei, die tatsächlich noch bundesweite Bedeutung hat.

(Beifall bei den Freien Wählern und der FDP - Tho- mas Hacker (FDP): Danke, danke! - Tobias Thalhammer (FDP): Wollen Sie auch ein Glas Milch?)

- Ja, gerne.

Die EU-Agrarpolitik wurde seit den Neunzigerjahren konsequent in Richtung einer von der Produktion abgetrennten Förderung der Landwirtschaft weiterentwickelt. Grundsätzlich ist dies auch zu begrüßen. Wir Freien Wähler akzeptieren die Entkoppelung als richtigen Schritt, um den Landwirten mehr Freiheit in ihrer Produktionsentscheidung zu geben. Gleichzeitig wurde aber auch ein Weg gegangen, der nicht unsere Zustimmung findet. In vorauseilendem Gehorsam gegenüber den WTO-Verhandlungen wurden die Sicherungssysteme wie Interventions- und Exporterstattung auf einen minimalen Stand zurückgefahren. Das Zauberwort hieß "Liberalisierung". Dieses Wort hat uns aber jetzt Ärger im großen Stil verursacht.

Daher unsere klare Forderung: Zuerst muss über einheitliche soziale Umweltstandards gesprochen werden, bevor weitere Zugeständnisse auf anderen Feldern bei den WTO-Verhandlungen gemacht werden. Jetzt werden Sie sagen, dass Frau Müller ihren Mund ganz schön voll nehme. Im Landtag sind wir doch nicht für den Welthandel da. Ich habe in den letzten Tagen mehrfach gehört, dass die CSU damit droht, sie werde die EU-Landwirtschaftskommissarin Fischer Boel auswechseln, wenn diese nicht den bayerischen Forderungen nachgebe. Meine Damen und Herren, da sehen Sie, welche Macht zumindest in der Fantasie einiger Damen und Herren von diesem Hohen Hause ausgeht.

(Beifall bei den Freien Wählern)

In diesem Zusammenhang müsste man sich auch über die WTO unterhalten. Nun aber im Ernst: Es muss uns allen ein Anliegen sein, dass Milch weiterhin als ein sensibles Produkt gilt und für diesen Bereich auch weiterhin ein möglichst hoher Außenschutz erhalten bleibt.

Bereits jetzt sehen wir die Auswirkungen der starken Marktschwankungen im Weltmarkt bis nach Bayern durchschlagen. Diese Effekte müssen bestmöglich abgefedert werden. Dazu bedarf es auch neuer Elemente. Die Beschlüsse des Health-Check beinhalten neben der von der CSU mitgetragenen Aufstockung der Milchquoten - bei dieser Marktlage natürlich total unsinnig auch vernünftige Ansatzpunkte. Die erhöhten Mittel der Modulation können demnach für die Bewältigung der neuen Herausforderungen verwendet werden.

Herr Staatsminister, ich möchte Sie ausdrücklich dafür loben, dass Sie die Modulationsmittel voll in die Landwirtschaft zurückführen wollen. Bleibt nur zu hoffen, dass Bayern in der Lage ist, eine entsprechende Kofinanzierung zu schultern. Sie haben angekündigt, den Hauptteil zur Erhöhung der Ausgleichszulage verwenden zu wollen. Auch dazu haben Sie meine Zustimmung. Aber über eines sollte noch mehr nachgedacht werden, nämlich über die Schaffung einer Möglichkeit, Ertrags- und Einkommensausfälle mit staatlicher Unterstützung abzusichern. Der Markt alleine kann nicht die Zukunft unserer Betriebe sein. Es ist daher unabdingbar, dass die Ausgleichszahlungen auch über das Jahr 2013 hinaus erhalten bleiben. Damit schafft man sich ein gewisses Sicherheitsnetz für die Betriebe, das an anderer Stelle durch die letzten Agrarreformen verdammt tief gehängt wurde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nochmals zurück zum Thema Milch. Wenn man lange genug mit den Vertretern der CSU diskutiert, kommt irgendwann doch das Eingeständnis, dass man der Quotenaufstockung letzten Endes zugestimmt hat. Aber dann folgt das Argument, dass nur so der Milchfonds durchzusetzen war.

Ministerpräsident Seehofer hat immer wieder darauf hingewiesen, er werde zum Quotenende nur dann seine Hand reichen, wenn ein Begleitkonzept komme. Nun: Mit den Aufstockungsbeschlüssen wurde das Quotenende für das Jahr 2009 und folgende Jahre praktisch vorverlegt. Was wir jetzt erlebten, hatten uns die Experten für 2015 vorhergesagt. Aber wo ist das schlüssige Begleitkonzept? Der Milchfonds ist - um es deutlich zu sagen - eine Mogelpackung. Aus der einen Tasche herausgezogenes Geld wird den Bauern nach Abzug der Verwaltungskosten in die andere Tasche hineingesteckt. Brüssel muss hier nachlegen. Wir brauchen dort mehr Einfluss, um das Beste für Bayern zu erreichen. Darum kandidieren wir für das Europaparlament. Hier muss frischer Wind hinein.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Noichl (SPD))

Aber was unsere Bäuerinnen und Bauern am allermeisten brauchen, ist eine ehrliche Politik, damit sie sich rechtzeitig auf die neue Situation einstellen können.

(Unruhe und Zurufe)

Liebe Frau Kollegin, jetzt haben Sie über eine halbe Minute - - Einen Satz noch!

Noch einen Satz, bitte.