Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

Meine Damen und Herren, wir müssen uns nach der schwierigen Phase der Insolvenz die Frage stellen, was wir anschließend tun können. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nicht primär die Politik, sondern der vorläufige Insolvenzverwalter Herr des Verfahrens ist. Er muss die notwendigen Entscheidungen treffen.

Im Fall Quelle haben wir eine besondere Situation, was den Zeitablauf angeht. Das ist offenkundig. Aber auch hier muss man sagen: Es geht um alle betroffenen Unternehmensteile. Wir wollen in ganz Bayern möglichst viele zukunftsfähige Arbeitsplätze erhalten. Deswegen müssen wir darauf hinweisen, dass die Finanzierungssituation hier höchst komplex ist. Darum hat es in den letzten Tagen vielfältige Gespräche und Kontakte gegeben. Auch in diesem Fall kann der Staat letztlich nur dann helfen, wenn er tatsächlich helfen darf und wenn auch andere bereit sind, mit ins Risiko zu gehen.

(Beifall bei der FDP)

Vor diesem Hintergrund haben wir selbstverständlich unsere Unterstützung angeboten. Aber, Frau Kollegin Weikert - ich schließe mich hier den Kollegen Runge und Muthmann an -, der Antrag der SPD kann in dieser Form nicht beschlossen werden. Das wäre eine falsche Bindung. Zum einen wird hier behauptet, die Staatsregierung habe eine Zusage erteilt, die es einzulösen gilt. - Das hat sie nicht, und das hätte sie auch gar nicht dürfen. Zum anderen ist es sehr fraglich, ob wir uns bei einem Einzelunternehmen in die einzelnen Sachverhalte hineinbegeben sollen. Ich bin der Meinung, wir sollten uns davor hüten; denn dann haben wir solche Anträge laufend.

(Franz Maget (SPD): Söder wollte es so verstanden wissen!)

Wir müssten dann auch den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten.

(Beifall bei der FDP - Franz Maget (SPD): Die Menschen haben es als Zusage verstanden, und so war es gewollt!)

- Das ist oft das Problem bei solchen Formulierungen. Ich habe gerade gesagt, was der Staat darf und was er nicht darf. Deswegen sage ich noch einmal: Dieses Haus sollte, wie wir es in der Debatte erklärt haben und wie es der Ministerpräsident in den Grundlinien dargelegt hat - da haben wir in der Koalition volle Übereinstimmung -, das Vertrauen in die Staatsregierung setzen, dass sie heute und in den kommenden Tagen auch in vergleichbaren Fällen mit der nötigen Sorgfalt auf gesetzlicher Grundlage als Treuhänder der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler eine verantwortbare Entscheidung trifft.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU - Staatsminister Martin Zeil verlässt das Rednerpult und kehrt alsbald zurück)

Herr Minister, Sie haben es schon ohne Befehl gemerkt:

Ich erteile zu einer Zwischenbemerkung dem Kollegen Runge das Wort.

Danke, Herr Präsident. Herr Minister, ich hätte mich nicht noch einmal gemeldet, wenn ich nicht Ihren letzten Satz staunend gehört hätte: Wir haben in der Koalition volle Übereinstimmung. Ich frage mich, wie passt das damit zusammen, dass ein anderes Mitglied des bayerischen Kabinetts in einem deutschen Leitmedium - als Originalzitat gekennzeichnet - mit dem Satz: zitiert wird: "Ich finde es besser, wenn der Wirtschaftsminister seinen Job macht und vor Ort ein Gespräch mit Betriebsräten und der Firmenleitung sucht, statt theoretische Fragen zu erörtern." Ist das volle Übereinstimmung in der Staatsregierung?

Herr Kollege Runge, Sie kennen das: Jeder ist für seine eigenen Worte verantwortlich und muss diese abwägen. Das, was ich Ihnen jetzt vorgetragen habe, zeigt ich hoffe jedenfalls, dass das Hohe Haus das auch so sieht -: Ich mache meinen Job, übrigens egal, wo ich mich gerade befinde. Darauf können sich dieses Haus und unser Land verlassen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister, vielen Dank. Ich erteile jetzt dem Kollegen Dr. Beyer das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, die Debatte hat sich im Endeffekt schon deshalb gelohnt, weil wir von zunächst sehr wolkig-unverbindlichen und emotionalen Äußerungen, die natürlich gut gemeint waren, jetzt möglicherweise zu einer guten Lösung kommen. Es freut mich, dass ich sagen kann, dass die Gespräche, die wir während der letzten Beiträge, die wir selbstverständlich ernst nehmen, geführt haben, mich in die Lage versetzen, zu erklären, dass wir zwischen CSU und SPD mit Zustimmung der FDP vereinbart haben, dass die SPD ihren Antrag in der Weise ändert, dass Zustimmung von CSU und FDP signalisiert werden kann. So soll die Nummer 1 lauten:

1. Die Staatsregierung soll das ihr Mögliche unternehmen, die Finanzierung des Drucks des QuelleHauptkataloges sicherzustellen.

Herr Zeil, über die "Zusage" kann man lange philosophieren. Auch wir führen Gespräche mit Beteiligten, auch wir haben manchmal Informationen. Die aktuelleren Hintergrundinformationen muss nicht immer der Wirtschaftsminister haben. Die Lage hat uns zu dieser Formulierung gebracht. Wenn für heute Abend eine Ka

binettssitzung in Aussicht gestellt wird, sind wir gern bereit, den Antrag zu ändern.

Nummer 2 soll lauten:

2. Die Staatsregierung soll kurzfristig erforderliche Maßnahmen unterstützen …

Auch darüber besteht Einvernehmen. Herr Huber hat im internen Gespräch darauf hingewiesen, es gibt einen Primat der Insolvenzverwaltung. Das war bei uns natürlich immer vorausgesetzt, weil wir das Insolvenzrecht kennen, im Gegensatz zu manch anderem Beteiligten - natürlich nicht in diesem Hause -, der sich diesbezüglich äußert.

Herr Dr. Kirschner, warum der Antrag in Essen gestellt wurde, kann Ihnen die Geschäftsführung von Quelle erklären; das können Sie sogar in Lokalzeitungen nachlesen. Es ist traurig, dass sich Unternehmen wegen der Verflechtungen im Konzern gehalten sehen, den Antrag auf Insolvenz dort zu stellen, weil sie sonst in Franken völlig abgeschnitten wären von dem, was der Insolvenzverwalter tut. Das zeigt, wie dramatisch es ist, wenn die Leitungskompetenz von Unternehmen die Region verlässt. Ich denke, in diesem Punkt sind wir uns einig.

Ich fasse zusammen: Wir bitten um Zustimmung, wie es intern signalisiert wurde. Auch die GRÜNEN habe ich so verstanden. Ich würde mich sehr darüber freuen; denn das wäre im Interesse der Menschen in der Region. Im Antrag soll es also heißen:

1. Die Staatsregierung soll das ihr Mögliche unternehmen, die Finanzierung des Drucks des QuelleHauptkataloges sicherzustellen.

2. Die Staatsregierung soll kurzfristig erforderliche Maßnahmen unterstützen, um den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können.

Damit gibt das Hohe Haus dem Kabinett hoffentlich einvernehmlich eine klare Marschrichtung vor, um diese wichtigen Entscheidungen heute Abend zu treffen.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann trenne ich die beiden Dringlichkeitsanträge und lasse zunächst über den Antrag der CSU- und der FDP-Fraktion auf Drucksache 16/1527 abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist der Antrag einstimmig - mit allen Fraktionen und der fraktionslosen Abgeordneten Pauli - so beschlossen und angenommen.

Ich rufe den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 16/1538 in der jetzt vorgeschlagenen Fassung auf. Möchte jemand, dass ich diese Fassung vorlese? - Die Änderungen sind mehr redaktioneller Art, aber so, dass man sagen kann, dass wir alle dasselbe wollen. Dann lasse ich über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/1538 abstimmen. Wer für diesen Dringlichkeitsantrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das Abstimmungsergebnis dasselbe, und dieser Antrag ist ebenfalls angenommen.

Ich rufe jetzt zur gemeinsamen Behandlung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Dr. Linus Förster, Inge Aures u. a. und Fraktion (SPD) Vertragsverletzungsverfahren und Strafgelder vermeiden: Durch Offenlegung EU-Agrarförderung sicherstellen, dass Gelder bei Bauern ankommen und nicht von anderen zweckentfremdet werden (Drs. 16/1528)

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sofortige Offenlegung der Agrarzahlungen in Bayern (Drs. 16/1534)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Kollege Dr. Förster, Augsburg.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit unserem Antrag soll die Staatsregierung aufgefordert werden, umgehend der zwischen dem CSU-geführten Bundeslandwirtschaftsministerium und den Bundesländern getroffenen Vereinbarung nachzukommen und auch die bayerischen Empfänger der EUDirektzahlungen an die deutsche Landwirtschaft in Höhe von 5,4 Milliarden pro Jahr zu publizieren. Dass wir dies heute in Form eines Dringlichkeitsantrags tun, liegt darin begründet, dass die Sache wirklich äußerst dringlich ist. Denn mit dem Ablauf des 16. Juni 2009 drohen dem Freistaat Bayern wegen der Vertragsverletzung Strafzahlungen. Ich habe begründete Zweifel daran, dass wir angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise in der Lage sind, Strafen in Millionenhöhe zu zahlen, was uns nun blüht. Laut der gestern erschienenen Pressemitteilung des Bayerischen Obersten Rechnungshofes geht es um eine einmalige Zahlung in Höhe von 12,7 Millionen Euro zuzüglich bis zu 700.000 Euro täglich. Das ist keine gute Aktion in Zeiten, in denen das Geld an allen Ecken und Enden fehlt.

(Beifall bei der SPD)

So lassen Sie mich hier den Präsidenten des Obersten Rechnungshofes, Dr. Fischer-Heidlberger zitieren:

Der Staatshaushalt bietet derzeit wirklich keinerlei Spielraum für rechtlich höchst riskante Auseinandersetzungen mit der EU. Die Bayerische Staatsregierung sollte tun, was 26 Mitgliedstaaten der EU und 15 deutsche Bundesländer auch schon getan haben, und die Daten veröffentlichen.

(Beifall bei der SPD)

Das sehen wir von der SPD auch so. Neben dem Bedürfnis, unnötige Strafzahlungen zu vermeiden, geht es uns aber weiter darum, dass, wie meine Fraktion in diesem Haus schon seit Jahren fordert, durch eine Offenlegung der Zahlungen dazu beigetragen wird, dass die vielen Auswüchse bei den EU-Subventionen abgestellt werden. Und es geht uns darum, durch eine Offenlegung dafür Sorge zu tragen, dass die EU-Gelder tatsächlich denen zugute kommen, für die sie gedacht sind,

(Beifall bei der SPD)

nämlich den Bauern und darum der bäuerlichen Landwirtschaft ein gerechtes Einkommen zu sichern, das sie über den Markt für ihre Produkte leider nicht erzielt. Es geht darum, dass wir aus den Forderungen des ORHBerichts 2007 Konsequenzen ziehen. Darum geht es, und um nichts anderes. Es geht nicht um eine Neiddebatte, wie Sie von der CSU wider besseres Wissen vorgeben. Das ist Unsinn. Jeder bäuerliche Betrieb, dem Geld zusteht, soll dieses Geld erhalten - Punkt, Ausrufezeichen.

(Beifall bei der SPD)

Aber wir wollen, dass die Bauern nicht beschissen werden, weil ein Großteil der ihnen zustehenden Gelder von Großkonzernen und Industriebetrieben regelrecht abgezockt wird. Was viele geahnt haben, ist durch die erfolgte Veröffentlichung der Empfänger von EU-Direktzahlungen seit wenigen Tagen bewiesen. Ich zitiere aus der betreffenden dpa-Meldung vom 15. Juni:

Die Agrarsubventionen der EU gehen beileibe nicht nur an die Bauern. Längst streichen auch große Konzerne und ihre Tochterunternehmen Millionen aus Brüssel ein.

Weiter heißt es dort:

Zu den Großempfängern zählen zahlreiche Unternehmen aus der Lebensmittelwirtschaft, aber auch BASF, Bayer, Merck, RWE, Salzgitter und Thyssen-Krupp stehen auf der Empfängerliste von Hilfen der Europäischen Union.

Anderen Berichten zufolge erhalten in Deutschland 0,5 % der Betriebe jeweils mehr als 300.000 Euro, während 70 % jeweils bis zu 10.000 Euro erhalten. Verlierer sind also die kleinen Betriebe, die ums Überleben kämpfen.

Maria Noichl hat mir freundlicherweise die Zahlungen für Bayern noch ein wenig präziser aufgeschlüsselt. 27.000 kleine landwirtschaftliche Betriebe in Bayern erhalten gerade mal bis zu 100 Euro im Monat. Das ist ein Taschengeld. Damit bekommen diese Betriebe, diese 27.000 Betriebe ungefähr dieselbe Summe an Zahlungen, die an einen der 103 Großbetriebe geht. Das sind gerade mal 0,1 % der Gesamtzahl der geförderten Betriebe in Bayern überhaupt. Von daher stellt sich die Frage: Wer schützt hier wen? Sehr geehrter Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, verkaufen Sie mit Ihrer Schaufensterpolitik die Bauern nicht für dumm. Wenn Sie in München die heldenhaften Verteidiger einer Geheimhaltung spielen, während Ihre Parteifreundin Aigner in Berlin schon längst eingelenkt hat, vertreten Sie nicht wirklich die Interessen der Bauern.

(Albert Füracker (CSU): Die SPD aber!)