Die fünf Minuten sind abgelaufen. Ich schließe damit die namentliche Abstimmung und bitte, außerhalb des Saales die Stimmen auszuzählen. Das Ergebnis der
Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sammelvorladungen von abgelehnten chinesischen Asylbewerberberinnen und bewerbern sofort einstellen (Drs. 16/1836)
Dringlichkeitsantrag der Abg. Thomas Hacker, Dr. Andreas Fischer, Brigitte Meyer und Fraktion (FDP) Anhörungen zur Identitätsklärung chinesischer Flüchtlinge (Drs. 16/1847)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Während wir hier eine mehr oder weniger fröhliche Sitzung veranstalten, werden ganz in der Nähe, in der Boschetsrieder Straße in München - dort ist die Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge -, etwa 20 chinesische Flüchtlinge, die aus dem ganzen Bundesgebiet zusammengekarrt wurden, von einer Delegation verhört, die aus China eingeflogen wurde. Es handelt sich dabei um Mitarbeiter des Innenministeriums und eventuell auch um Mitarbeiter der chinesischen Geheimdienste. Wir halten diesen Vorgang für absolut skandalös.
China ist gerade in der letzten Zeit wieder massiv dadurch aufgefallen, dass es ein Unrechtsstaat ist, ein totalitärer Staat, der die Menschenrechte mit Füßen tritt. Und gerade Vertretern dieses Staates gibt unser Innenministerium nun die Möglichkeit, vor diesem Unrechtsstaat geflohene Staatsangehörige hier zu verhören.
Der Skandal ist im Grunde noch größer. Denn in demselben Haus, in dem diese Menschen sehr wahrscheinlich ohne jede Chance verhört werden, bitten chinesische Flüchtlinge um Asyl. Ich frage Sie: Was glauben Sie, ist das für ein Gefühl, wenn man soeben einem Unrechtsstaat unter Einsatz seines Lebens entkommen ist und dann in dem Land, von dem man sich Zuflucht erhofft hat, ja sogar im selben Haus wieder Repräsentanten des Staates trifft, dem man gerade entkommen ist? Was glauben Sie, was das für ein Gefühl ist? Auch deshalb muss diese Anhörung sofort gestoppt werden.
Was die Anhörung zum Ziel hat, ist auch klar. Es heißt, es solle die Identität dieser Menschen festgestellt werden. Was geschieht dann, wenn die Identität festgestellt ist? Die Menschen werden zurückgeführt - ein wunderschönes Wort: "zurückgeführt". Das klingt so behütet. Aber kennen Sie die Gefahr, die besteht, wenn diese Menschen zurückgeführt werden? Die Gefahr ist, dass sie in China sofort von der Polizei in Empfang genommen werden und unter Umständen in eines der grausamen Laogai-Arbeitslager eingewiesen werden. Wir haben von hier aus keine Kontrolle darüber, was mit den Menschen passiert, die dort hingebracht werden.
Wir haben so etwas schon einmal erlebt. Wir haben einmal einen Flüchtling aus dem Flugzeug wieder herausgeholt, der der Falun Gong Sekte angehörte. Er war zwar zunächst wieder draußen, wurde aber später dennoch abgeschoben, und wohin kam er? Er kam für drei Jahre in ein Arbeitslager, und das unter entsetzlichsten Bedingungen. Diese Arbeitslager Laogai stehen unter dem Motto "Arbeiten macht frei". Es heißt übersetzt "Recht auf Arbeit".
Danke schön, wenn wir dazu Vorschub leisten. Ich würde mich dafür schämen. Ich halte es absolut nicht für rechtsstaatlich, was hier passiert.
Die Menschen dieser chinesischen Delegation, die eingeflogen wurden, sind keine Botschaftsangehörige. Und eigentlich dürften bei uns nur Botschaftsangehörige mit den ausländischen Staatsbürgern Gespräche führen. Und dann auch nur in der Botschaft. Nun heißt es aber, die Räumlichkeiten in der Botschaft seien überlastet und deshalb müsse ein anderes Gebäude genommen werden. Das verletzt den rechtsstaatlichen Grundsatz, dass sich die ausländischen Bürger bei uns auch der rechtsstaatlichen Prinzipien gewiss sein dürfen. Wir wissen auch nicht, ob es gewährleistet ist, dass diese Menschen in dem Haus, in dem sie gerade verhört werden, anwaltlich vertreten sind. Es liegt uns ein Schreiben der Regierung von Oberbayern vor, wonach kein Anwalt teilnehmen darf. Ob das jetzt so gehandhabt wird oder nicht, wird eine Mündliche Anfrage klären, die wir gestellt haben.
Wir fordern, dass in der derzeitigen Situation auf keinen Fall Abschiebungen nach China stattfinden. Solche Abschiebungen sollen jetzt durch diese Anhörungen vorbereitet werden.
Wir wollen darüber hinaus einen Bericht darüber, welche Menschen da verhören und wie diese Verhöre ablaufen. Es ist uns auch ganz wichtig, was mit diesen Menschen passiert.
Darüber hinaus wollen wir gewährleistet wissen, dass verfolgt werden kann, wie es mit diesen Menschen weitergeht, wenn sie wirklich abgeschoben werden sollten. Diese Abschiebung müssen wir allerdings dringendst verhindern.
In dieser Angelegenheit verlässt der Rechtsstaat wirklich seine Grundsätze; es werden Menschen wie Gefangene behandelt. Es treten chinesische Vertreter auf, die durch nichts legitimiert sind, in diesem Land Gespräche mit chinesischen Staatsbürgern zu führen.
Wie ich mir habe sagen lassen, gibt es bei solchen Gesprächen auch gewisse Geheimsprachen. Während die chinesischen Flüchtlinge, die verhört werden, sehr wohl verstehen, was ihnen angedroht wird, was aber aufgrund dieser Geheimsprache nicht ausgesprochen werden muss von denjenigen, der sie verhört, können wir das nicht voll nachvollziehen. Das alles sind Methoden, die wir nicht billigen können.
Das ist aber nicht nur unsere Meinung. Mir liegt ein Schreiben der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte vor, aus dem ich kurz zitieren darf. Es heißt da:
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte ist entsetzt über die Einladung von chinesischen Beamten zwecks Vorbereitung der Ausreise von Chinesen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Während der Rechtsstaatdialog gerade bei Protesten wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen zum Beispiel bei den Unruhen in Tibet immer wieder von der chinesischen Regierung unterbrochen wird, schenken anscheinend deutsche Behörden chinesischen Beamten ausreichend Vertrauen, auf deutschem Boden im Umgang mit chinesischen Rückkehrern rechtsstaatlichen Grundsätzen Genüge zu leisten.
Ich denke, diese Stellungnahme sollte uns zu denken geben. In China gibt es 11.000 dieser sogenannten Umerziehungslager. Seit 1949 sind darin gut 55.000 Menschen inhaftiert worden. Davon sind 25.000 für immer verschwunden.
Wir als Rechtsstaat dürfen uns nicht auf die Ebene solcher Staaten begeben, die die Rechte ihrer Bürger mit Füßen treten. Wir dürfen nicht Vorschub leisten, dass in unserem Freistaat, in dieser Stadt heute ein solches Unrecht geschieht.
Ich fordere Sie auf, diesem Treiben ein Ende zu setzen und mitzuhelfen, dass diese Anhörungen beendet werden und dass die Abschiebungen nach China nicht stattfinden. Es gilt, ein Zeichen für die Menschenrechte zu setzen. Vielen Dank.
Danke schön, Frau Kollegin Ackermann. Ich gebe jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Aiwanger, Schweiger, Dr. Vetter und anderer und Fraktion (FW) betreffend "Verbot aller Zusatzstoffe, die nachgewiesenermaßen krebserzeugend sind, im Verdacht stehen, Krebs zu erzeugen, durch den Verbrennungsvorgang im Zigarettenrauch krebserzeugende Substanzen entstehen lassen oder zur Suchtentwicklung beitragen", geänderte Drucksache 16/1835, bekannt. Mit Ja haben 57 gestimmt, mit Nein 90 bei 8 Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Herr Präsident, Hohes Haus! Der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zielt dar auf ab, die von der zentralen Rückführungsstelle Südbayern durchgeführten Anhörungen zur Klärung der Identität abgelehnter chinesischer Asylbewerber einzustellen und auf Abschiebungen in die Volksrepublik China völlig zu verzichten. Ich halte das für völlig inakzeptabel und will Ihnen kurz darstellen, worum es eigentlich geht. Bei dieser Gelegenheit will ich auch gerne die Fragen beantworten, die durch den Antrag der FDP, was völlig nachvollziehbar ist, aufgeworfen sind.
Wir müssen uns vor Augen halten, mit welchem Kreis von Personen wir es zu tun haben. Es handelt sich wohlgemerkt eben nicht um anerkannte Flüchtlinge, sondern um Menschen, deren Asylanträge rechtskräftig abgelehnt wurden und sich auch nicht mehr im Verfahren befinden. Ihre Anträge wurden bestandskräftig abgelehnt, und deshalb sind sie verpflichtet, in ihr Herkunftsland zurückzukehren. In einem rechtsstaatlichen Verfahren wurde also festgestellt, dass den Betroffenen keine asylerheblichen Gefahren in China drohen. Für diese Feststellung ist wohlgemerkt nicht eine bayerische Landesbehörde zuständig, sondern ein Bundesamt. Dieses Bundesamt wurde in seiner jetzigen Form unter der Verantwortung der vormaligen rot-grünen Bundesregierung eingerichtet, und es wird von einem Präsidenten geleitet, der ehemals Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag war. Ich sage das, um die Rahmenbedingungen für diese Verfahren klarzumachen.
Herr Staatsminister, ich habe eine Frage zu Ihrer Aussage, die Anträge seien rechtskräftig abgelehnt. Es sind wirklich Flüchtlinge. Wir haben nicht gesagt, dass sie nicht rechtskräftig abgelehnt sind, sondern das sind einfach Menschen, die auf der Flucht sind.
Sie haben gerade gesagt, sie sind ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Bezieht sich Ihre Aussage darauf, dass diese Leute aus Angst vor Verfolgung in Deutschland durch den chinesischen Geheimdienst ihren Pass nicht abgegeben haben? Verstehen Sie diese Frage? Ist das die Mitwirkungspflicht, der sie nicht nachgekommen sind, und ist das der Grund dafür, dass sie rechtskräftig abgelehnt sind?
Rechtskräftig abgelehnt werden sie nicht deswegen, weil sie ihren Pass nicht abgegeben haben, sondern rechtskräftig abgelehnt wird jemand, der in unser Land kommt und zum Beispiel behauptet, er wäre Flüchtling, ihm drohe irgendeine politische, religiöse oder sonstige Verfolgung, und wenn das Bundesamt nach intensiver Prüfung feststellt, dass eine solche Verfolgung nicht erkennbar ist.
Ich will kurz schildern, vor welchem Hintergrund diese Leute auftreten. Sie erwecken den Eindruck, als wären sie alle Verfolgte. Für die Feststellung, ob jemand Verfolgter ist, ist allein das Bundesamt zuständig. Sie führen seit Jahren immer wieder gerne diese Diskussion hier in diesem Hohen Hause. Es ist nun einmal so, dass nicht der Bayerische Landtag darüber befindet, ob ein Asylgrund vorliegt, sondern das Bundesamt, das nach den Bundesgesetzen ausschließlich dafür zuständig ist.
Unabhängig davon ist die Realität eine ganz andere. Ich will nicht bestreiten, dass es natürlich auch politisch Verfolgte in China gibt. Selbstverständlich gibt es den einen oder anderen, der deswegen als Asylberechtigter anerkannt wird; das ist gar keine Frage. Fakt ist aber auch, meine Damen und Herren, dass jedes Jahr eine Vielzahl von Leuten aus China ganz gezielt nach Deutschland eingeschleust wird, damit sie hier einer schlecht bezahlten Beschäftigung nachgehen. Das geschieht zwar auf illegale Weise, aber es geschieht ganz offenkundig. Ich sage hier unter Verzicht auf alle diplomatischen Gepflogenheiten: Das geschieht ganz offen
kundig, teilweise unter Mitwisserschaft oder Beteiligung chinesischer Behörden. Es gibt ein Interesse des chinesischen Staates, solche Leute in unser Land zu bringen, die das Ziel haben, in chinesischen Firmen in unserem Land tätig zu werden, und dergleichen mehr. Ich weiß nicht, ob Sie wirklich persönlich diesem Irrtum unterliegen oder ob Sie den Landtag wissentlich irrig informieren wollen. Die Realität ist jedenfalls: Nicht alle, die in unser Land kommen, sind tatsächlich Verfolgte, sondern unter diesen Leuten befindet sich eine ganze Reihe von Wirtschaftsflüchtlingen und darüber hinaus solche, die gar keine Flüchtlinge im eigentlichen Sinne sind, sondern die gezielt eingeschleust werden, damit sie bei uns im Wirtschaftsleben tätig werden, wo sie in manchen Firmen als Billigstarbeitskräfte - ich sage das ganz bewusst - ausgenutzt werden. Deshalb, liebe Kolleginnen von den GRÜNEN, sollten Sie einem solchen Treiben nicht auch noch mit Ihren pauschalen Vorwürfen hier Vorschub leisten.
Herr Minister, geben Sie mir darin recht, dass Menschen, gleichgültig auf welchen Wegen sie hierher kommen und welche Beweggründe sie dafür haben, hier nach rechtsstaatlichen Prinzipien behandelt werden müssen?
Da gebe ich Ihnen selbstverständlich recht. Genau das ist im Freistaat Bayern allumfassend gewährleistet, liebe Frau Kollegin Ackermann.
Tatsache ist, dass ungefähr 85 % aller nach Bayern kommenden Asylbewerber vorgeben, nicht im Besitz von Reisepässen oder sonstigen Identitätsnachweisen zu sein. Das ist ein Problem für unsere Ausländerbehörden, die erst einmal anfangen müssen, sich über die Identität der Leute klarzuwerden. Da kommt einer und sagt, ich bin Flüchtling von da oder dort, legt aber keine Ausweispapiere vor. Da kann jeder das Blaue vom Himmel heruntererzählen, woher er kommt, wie er heißt, wann er geboren ist und dergleichen mehr. Er weigert sich, Papiere vorzulegen, und dann haben die Behörden das Problem nachzuweisen, was für ein Staatsbürger er ist.
Gerade bei Leuten, die aus China eingeschleust worden sind - diesen Aspekt des Problems sollten Sie nicht vernachlässigen -, erklärt zunächst - so war die Situa
tion in den vergangenen Jahren - der chinesische Staat: Wir haben mit denen nichts zu tun, wir haben überhaupt kein Interesse, diese Leute zurückzunehmen. Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, als wollten die chinesischen Behörden diese Leute verfolgen. Die Regel war es aber vielmehr in den letzten Jahren, dass der chinesische Staat bei der Masse dieser Leute gesagt hat: Die sind gar nicht von uns, wir sind für die nicht zuständig, Chinesen gibt es überall auf der Welt, und dergleichen mehr.
In den letzten Jahren hat es auf EU-Ebene - wir sind mit diesem Problem keineswegs allein - intensive Bemühungen zum Abschluss eines Rückübernahmeabkommens mit der Volksrepublik China gegeben.