Protokoll der Sitzung vom 14.10.2009

Frau Kollegin Will, danke schön. Sie haben über zwei Minuten überzogen, aber Sie waren sichtlich so begeistert von dem Leserbrief, dass Sie das nicht gemerkt haben.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Ich bin auch begeistert! Hoch begeistert!)

Als Nächster hat das Wort Kollege Eisenreich. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich den Ausführungen der Kollegin Schreyer-Stäblein und der Kollegin Will anschließen, die unseren Standpunkt gut, deutlich und klar dargelegt haben.

Sehr geehrter Herr Kollege Pfaffmann, bei uns stehen in der Bildungspolitik die Schüler im Mittelpunkt. Es ist schade, wenn Sie das anzweifeln. Das ist auch deswegen schade, weil ich glaube, dass wir im Bildungsausschuss insgesamt ein gutes Diskussionsklima haben und wirklich um gute Lösungen für die Schülerinnen und Schüler ringen. Deswegen finde ich das ganz, ganz unpassend.

Ausgangspunkt für jede unserer Entscheidungen sind selbstverständlich die Realität und die Sorgen der Lehrer und Lehrerinnen, der Eltern und der Schüler. Wir werden aber nicht zulassen, dass permanent alles schlechtgeredet wird; denn dafür gibt es keinen Grund.

Ich habe schon viele Angriffe von Ihnen erlebt, die oft schon leidenschaftlicher waren als heute. Heute waren sie etwas matt, was wohl auch daran liegt, dass dieses Thema nur wenig Munition hergibt.

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Der Leitspruch des Kultusministeriums, des Kultusministers und der CSU lautet: Qualität und Gerechtigkeit. Ich möchte noch kurz die Ziele darlegen, die wir mit dem neuen Übertrittsverfahren verfolgen: Wir wollen den Zeit- und Leistungsdruck reduzieren, die kindgerechte Förderung intensivieren, die Transparenz und den Elternwillen stärken. Wenn man die neuen Regelungen mit Sachlichkeit betrachtet, muss man schon bestätigen, dass dies auch gelungen ist.

Was haben wir gemacht, und was ist der Anlass für den ach so großen Streit, der in Wirklichkeit gar nicht so groß ist? - Bislang waren alle Schulwochen grundsätzlich Prüfungswochen - alle! Von Schulberatern und auch von Eltern kam immer wieder die Kritik, dass die dauernde Möglichkeit zu prüfen in der vierten Klasse einen Leistungsdruck erzeugt. Eine Antwort ist nur, dass von den vielen Schulwochen in der vierten Klasse vier Wochen prüfungsfrei sein sollen. Es ist wirklich eine maßvolle Reaktion, dass sich Eltern und Kinder in diesen vier Wochen darauf verlassen können, dass keine Prüfung geschrieben wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ach so große Angriffe rechtfertigt.

Wer legt diese prüfungsfreien Zeiten fest? - Sie hätten mit Ihrer Kritik recht, wenn das Kultusministerium zentral aus München die prüfungsfreien Zeiten für alle Grundschulen in Bayern festlegen würde. Dann gäbe ich Ihnen recht, das wäre formalistisch und hätte mit pädagogischer Freiheit nichts zu tun.

(Zuruf der Abgeordneten Eva Gottstein (FW))

Es ist aber nicht so. Das war eine Fehlinformation der Öffentlichkeit; das muss man ganz deutlich sagen. Die

Schulen legen das in eigener Verantwortung fest, und ich glaube, dass sie das auch gut machen werden.

(Zuruf der Abgeordneten Eva Gottstein (FW))

Was haben wir noch geändert? - Probearbeiten werden zukünftig angekündigt. Das wird als eine ganz große Neuerung dargestellt. Richtig ist, dass das für die Grundschule neu ist, aber in allen anderen Schulen ist das überhaupt nicht neu. Es stimmt überhaupt nicht, dass damit etwas ganz Neues erfunden worden wäre, sondern wir haben etwas, das an anderen Schulen - an den Gymnasien, den Realschulen und auch an der Hauptschule - schon gut praktiziert wird, auch in der Grundschule eingeführt, damit sich die Kinder auf die Probearbeiten vorbereiten können. Ich bin Kollegin Will dafür dankbar, dass sie den Leserbrief im "Münchner Merkur" vorgelesen hat, der das wirklich gut zusammenfasst.

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Nun zur Zahl der Prüfungen. Was war denn das Problem? - Es hat Grundschulen und Lehrer gegeben, die nicht 20 oder 22, sondern 25 bis 30 Prüfungen durchgeführt haben, was in diesen Einzelfällen einen Dauerstress verursacht hat. Wenn jetzt eine Richtzahl als Obergrenze angegeben wird, ist das doch nichts Verwerfliches, im Gegenteil: Es hilft den Schülerinnen und Schülern.

Wir ringen alle gemeinsam um eine Verbesserung der Rahmenbedingungen; da gebe ich Ihnen recht. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Ich möchte aber schon darauf hinweisen, dass wir einen großen Schritt getan haben. Der jetzige Doppelhaushalt ist ein Bildungshaushalt mit über 2.700 zusätzlichen Lehrerstellen, mit einem massiven Ausbau der Ganztagsangebote, sowohl offen als auch gebunden, und mit einer deutlichen Verbesserung der Klassengrößen gerade an den Grund- und Hauptschulen. An der Hauptschule beträgt die durchschnittliche Klassengröße gerade noch 20,5, an der Grundschule 22,5. Ich glaube, das ist ein gutes Ergebnis. In dem Ziel von mehr Eigenverantwortung für die Schulen sind wir uns alle einig. Es wird sich lohnen, sich viele Gedanken darüber machen, wie wir das erreichen können. Es besteht also überhaupt kein Grund, sich aufzuregen. Das ist nichts anderes als eine ungerechtfertigte Aufregung.

(Beifall bei der CSU und der FDP )

Vielen Dank, Herr Kollege. Jetzt hat Herr Staatssekretär Dr. Huber das Wort. Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass diese Fragen alle als Teil unseres neuen Übertrittsverfahrens diskutiert werden. Das ist wohl in diesem Kontext veröffentlicht worden, weil es um die 4. Klasse geht, aber im Prinzip haben wir Änderungen aufgrund von Bürgerprotesten durchgeführt. Eltern haben sich an uns gewendet und gefragt: Wie kann es denn sein, dass in einer Klasse nur fünf Prüfungen geschrieben werden und in anderen Klassen 50? Eine solche Diskrepanz hat uns dazu gebracht, etwas zu unternehmen.

(Zuruf der Abgeordneten Eva Gottstein (FW))

Um Gerechtigkeit, Vergleichbarkeit und Transparenz zu schaffen, haben wir dieses Thema aufgegriffen.

Wir haben von den Vorrednern schon einiges gehört. Kollege Eisenreich hat gerade die Begründung der prüfungsfreien Phasen vorgetragen. Mit der Regelung der Ankündigung haben wir etwas aufgegriffen, was Eltern von uns wollten. Ich muss klar sagen: Bis jetzt war jeder Schultag ein Tag, an dem eine Prüfung geschrieben werden kann - jeder Tag!

(Eva Gottstein (FW): Das stimmt doch gar nicht!)

Manche Lehrer bringen es fertig, augenzwinkernd zu sagen: Schaut euch bis morgen dieses eine Kapitel ganz gut an. Für jene, die das verstanden haben, ist das eine Chance, für diesen Tag zu lernen, und für jene, die das überhört haben, ist das eine vergebene Chance, weil sie von dieser Prüfung völlig überrascht werden.

(Zuruf der Abgeordneten Eva Gottstein (FW))

Für die Kinder ist es wesentlich günstiger, wenn sie wissen, wie sie dran sind, und das ist auch im Interesse der Einschätzbarkeit und der Wegnahme von - wenn man das so nennen kann - Prüfungsgefahrstress. Frau Gottstein, ich weiß nicht, woher Sie die Information haben, dass man am Jahresanfang festlegen muss, wer wann welche Prüfung schreibt. Das steht nirgends. Wir haben nur geschrieben, dass jede Prüfung mindestens eine Woche vorher angekündigt werden muss. Eine Woche ist durchaus ein Zeitrahmen, der so viel Flexibilität zulässt, dass man dann, wenn man einmal krankheitsbedingt zu spät dran ist, eine vorgesehene Prüfung auch einmal nicht schreibt.

(Eva Gottstein (FW): Die Schule erlässt Pläne, vielleicht in vorauseilendem Gehorsam!)

Die Regeln lauten so. Wir haben das bisherige Verbot der Ankündigung aufgehoben und stattdessen gesagt, die Schulen mögen diese Prüfungen ankündigen, damit

die Kinder eben nur an 22 Tagen im Jahr wissen - wenn wir von 22 Arbeiten ausgehen -, dass eine Prüfung stattfindet, wenn sie in die Schule gehen, an den übrigen Tagen nicht.

Nun komme ich zur Zahl der Prüfungen, die so heiß bekämpft wird. Herr Kollege Gehring, Sie haben gesagt - ich habe Ihnen genau zugehört -, dass mindestens 22 Prüfungen verlangt werden. Das ist so einfach falsch. Das ist eine Richtzahl, die empfohlen wird und die vermeiden soll, dass es zwischen den Schulen große Diskrepanzen gibt. Das ist eine Art von Anleitung, die man flexibel handhaben kann. Die Zahl 22 ist keine Mindestzahl an Prüfungen, die geschrieben werden müssen, sondern diese Zahl ist genannt worden, um den Kollegen einen Hinweis zu geben, was normal ist.

Schauen wir uns diese Zahl doch genauer an: Es gibt 37 Schulwochen, in denen fünf Matheproben zu schreiben sind. Alle sechs bis acht Wochen findet also eine Matheprobe statt. Ich weiß aus meiner Erinnerung an meine eigene Grundschulzeit, dass wir jede Woche ein Diktat geschrieben haben, also 37 oder 35 Diktate.

(Zuruf der Abgeordneten Eva Gottstein (FW))

- Also bitte, so war die Realität. Wenn also fünf Matheproben im ganzen Jahr geschrieben werden, ist das in meinen Augen keine überzogene Anzahl an Prüfungen, denen die armen Kinder ausgesetzt werden. Aus meiner Schulzeit habe ich noch in Erinnerung, dass es mir viel lieber war, wenn ich viele kleine Prüfungen schreiben durfte, weil ich dann auch einmal eine verhauen konnte. Das ist mir lieber gewesen, als wenn ich den ganzen Stoff für eine große Prüfung beherrschen musste, und diese Prüfung musste dann sitzen.

(Eva Gottstein (FW): Auch Ihre Zeit ist lange her!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie ziehen den Bogen sehr eng. Sie berechnen die Zahlen und versuchen, daraus etwas Fürchterliches zu konstruieren. Wir sehen die Grundschule als Ganzes. So ist sie entwickelt worden.

Die Flexibilität sehen wir an der Grundschule und in vielen anderen Bereichen als vorhanden an. Kollege Eisenreich hat geschildert, was wir anpacken, nämlich die starke Ausweitung des Ganztagsschulangebots an Grundschulen - ein wichtiger Punkt zu helfen -, aber auch die Flexibilisierung des Einstiegs.

Die erste Phase - vielleicht hat das der eine oder andere der Presse entnommen - liegt mir ganz besonders am Herzen. Weil die soziale, körperliche und geistige Entwicklung unterschiedlich schnell passiert, muss man den Kindern Gelegenheit geben, je nachdem, wie viel Zeit sie brauchen, die Einstiegsphase zu schaffen. Wir

machen mit der Stiftung Bildungspakt Bayern das Pilotprojekt, um den Kindern eine individuelle Entwicklung, einen individuellen Einstieg in das Schulleben zu ermöglichen. Ich sehe darin eine deutliche Verbesserung, und ich glaube, dass wir damit erreichen können, dass die Begabung der Kinder am besten berücksichtigt werden kann und sie sich so entwickeln können, wie es für sie am besten ist.

Nun etwas Prinzipielles, Herr Pfaffmann. An dieser Stelle geraten wir immer wieder aneinander. Die psychischen Störungen kommen nicht von der Schule.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Von den Eltern!)

- Danke. Das wollte ich hören.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Sie haben einen Schuldigen gefunden!)

- Nein, ich suche keine Schuldigen. Zur Aussage, die Schule mache Druck, ist zu sagen, dass die Erwartungshaltung nicht von den Lehrern kommt, sondern von den Elternhäusern.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Die Beschimpfung der Eltern ist unverschämt!)

Sie sagten - ich musste zweimal hinhören - es wäre anrüchig, dass auf Prüfungen gebüffelt werden muss. Ich weiß nicht, auf welcher Schule Sie waren. Wir haben das genauso gemacht.

(Zurufe von der SPD, den Freien Wählern und den GRÜNEN: Aber nicht in der Grundschule! - Weitere Zurufe von der SPD, den Freien Wählern und den GRÜNEN - Glocke des Präsidenten)

Der Ausdruck "christlich" hat mich geärgert und getroffen. Ich bezeichne mich als bekennenden Christen. Ich halte es für unchristlich, den Eltern um jeden Preis einreden zu wollen, man müsse nur genügend Lehrkräfte einstellen, dann könne aus jedem Kind ein Akademiker werden. Das schürt die Erwartung und ist eine Lüge.

(Beifall bei der CSU und der FDP)