Protokoll der Sitzung vom 16.12.2009

Die Kammern würden dagegen im Geld schwimmen. Da haben Sie von Ihrer letzten Vollversammlung berichtet. Ich habe mir das sofort aufgeschrieben. Das werden wir ausnützen. Wenn die Kammern in Geld schwimmen, heißt das, dass Sie Ihren Zwangsmitgliedern viel zu viel Geld ab

nehmen. Das wollen wir schleunigst beenden. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Runge, verkennen Sie denn die Chance, wenn die Industrie- und Handelskammer das nimmt und dann mit den Städten kooperiert, dass dort nicht weniger Ansprechpartner entstehen könnten, als wenn sämtliche Landkreise und kreisfreien Städte es nehmen?

In Bayern haben wir sechs oder sieben IHKs und 20 oder 30 kreisfreie Städte, die das in Anspruch nehmen, dazu vielleicht noch fünf Landkreise. Damit kommen wir noch nicht auf die 120 oder 125 Einheitlichen Ansprechpartner, sondern haben die Chance, vielleicht bei 50 zu landen.

(Kopfschütteln des Abgeordneten Dr. Martin Runge (GRÜNE))

- Das stellen Sie außer Frage.

Was die IHK anbelangt, kann ich Ihnen noch einmal sagen: Die IHK Niederbayern hat wirklich hervorragend gearbeitet. Sie nimmt dieses Geld, um ein Schulungszentrum für ihre Zwangsmitglieder zu bauen.

Ich war früher auch kein Verfechter der IHK, aber wenn man weiß, was diese mittlerweile an Leistung bringen, kann man nur den Hut ziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CSU)

Die abschließenden Äußerungen macht jetzt Herr Staatsminister Zeil.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bayerische Staatsregierung stellt heute in Zweiter Lesung den Gesetzentwurf über die Zuständigkeit des Einheitlichen Ansprechpartners zur Abstimmung. Damit gießen wir die einschlägige EU-Dienstleistungsrichtlinie in eine für den Freistaat passgenaue Form.

Es ist in der Debatte schon deutlich geworden: Der zentrale Dissens zwischen den Koalitionsfraktionen und der Opposition besteht in der Frage nach der Verteilung der Zuständigkeiten. Es ist klar: Als Einheitliche Ansprechpartner stehen grundsätzlich zwei Ebenen zur Auswahl: die Kammern der gewerblichen und freien Berufe sowie die Landkreise und kreisfreien Städte. Es ist auch unstreitig, dass sowohl Kammern als auch Kommunen über ausgezeichnete Sachkenntnis verfügen, was die Belange von Unternehmern und Existenzgründern betrifft. Beide verfügen in der Regel auch über

die notwendige Infrastruktur, um Bewerber effizient zu unterstützen.

Bei der ganzen Diskussion, auch hier im Plenum mit wenigen Ausnahmen, kommt derjenige viel zu kurz, aus dessen Sicht wir einmal sprechen sollten, der Dienstleister, für den wir das doch tun.

(Beifall bei der FDP)

Kollege Kirschner hat zu Recht darauf hingewiesen: Wer sind denn Dienstleister in weit überwiegender Zahl? Es sind Freiberufler. Es stellen sich in der Regel berufs- und standesrechtliche Fragen, es geht um Bescheinigungen zur Arbeitsaufnahme, und es geht um registerrechtliche Fragen.

Deswegen ist unser Ansatz mit unserem additiven Modell, die Kompetenzen beider Seiten zu nutzen. Ich kann mich noch sehr genau erinnern - ich war damals Berichterstatter im Deutschen Bundestag -, wie die Vertreter von Landkreistag und Gemeindetag mit stolzgeschwellter Brust gesagt haben: Wenn es uns übertragen wird, dann geht es nach dem Konnexitätsprinzip. Dieses Thema wird jetzt so geregelt, dass die Ebene, die es dann macht, und derjenige, der es macht, dafür auch die finanzielle Zuständigkeit hat. Mit dieser Regelung gewähren wir den Dienstleistern ein Wahlrecht und schaffen ein leistungsfähiges Servicenetz für sachgerechte Lösungen vor Ort.

Dagegen lässt die von der Opposition ins Spiel gebrachte reine Kommunallösung die Fachkompetenz der Wirtschaftskammern, die gerade aus der Sicht der weit überwiegenden Zahl von Freiberuflern sehr wichtig ist, völlig außer Acht. Die bisherige Rolle der Kammern als Anlaufstelle für Existenzgründer wird geradezu in Frage gestellt. Als Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft haben die Kammern einen breiten Erfahrungsschatz, welche Unterstützung jemand im Umgang mit Behörden benötigt. Sie haben zudem mit den Auslandshandelskammern wertvolle Netzwerke, die es zu nutzen gilt. Zusammen mit den optierenden Landkreisen und kreisfreien Städten erhalten wir nach dem Modell der Staatsregierung ein flächendeckendes und sachgerechtes System, das die bestehenden Kompetenzen aller Beteiligten einbezieht.

Lassen Sie mich noch auf zwei Gesichtspunkte eingehen, die in der aus meiner Sicht emotional völlig überzogenen Diskussionen innerhalb und zwischen Verbänden völlig übersehen werden. Erstens. Wer den Einheitlichen Ansprechpartner haben will, muss diese Aufgabe nach der Richtlinie voll umfänglich erfüllen und nicht nur partiell.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Dazu sind eben Personal und Know-how erforderlich.

Zweitens. Das Thema wird auch aus praktischer Sicht in der Binnendiskussion weit, weit überschätzt; das erweist auch der Blick in andere Länder. Ich habe selbst mit der Generaldirektion in Brüssel Gespräche geführt. Jetzt lassen wir doch einmal die Kirche im Dorf!

Weil die Kritik völlig überzogen worden ist, sage ich an die Adresse der GRÜNEN und der Sozialdemokraten: Schauen Sie doch wenigstens nach Baden-Württemberg, wenn Sie schon nicht weiter schauen wollen. In Baden-Württemberg ist genau dieser Ansatz mit Zustimmung der Fraktion der GRÜNEN gewählt worden, nämlich das additive Modell, und das, wie mir berichtet wurde, bei sehr positiver Begleitung durch die Sozialdemokraten. Deswegen sollten wir die Debatte etwas herunterfahren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen auch darauf hinweisen, dass der Oppositionsentwurf die Vorgaben der EU-Richtlinie völlig ohne Not übererfüllt. Das Ziel dieser Koalition ist es, alle Richtlinien allenfalls 1 : 1 umzusetzen, und nicht mehr.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich bedauere sehr - das habe ich schon als Mitglied des Bundestags gesagt -, dass es nicht gelungen ist, eine einheitliche Regelung in ganz Deutschland zu treffen. Meine Damen und Herren, es ist kein Ruhmesblatt, dass es in ganz Deutschland 16 verschiedene Regel ungen gibt. Ihnen sollte zu denken geben, dass es nur ein einziges Bundesland unter 16 gibt, das sich für ein Kommunalmodell entschieden hat. Deswegen müssen wir vor allen Dingen das Augenmerk darauf richten, vernünftige Schnittstellen zu den anderen Bundesländern zu schaffen, damit für den Dienstleister kein Wirrwarr entsteht. Der Wirrwarr entsteht nicht durch unsere Regelung, sondern durch eine unterschiedliche Handhabung durch die 16 Bundesländer.

Meine Damen und Herren, ich halte nichts davon, das Modell des Einheitlichen Ansprechpartners bereits zum jetzigen Zeitpunkt auf Inlandssachverhalte auszuweiten. Derzeit kann niemand sagen, in welchem Umfang der Einheitliche Ansprechpartner in Anspruch genommen wird. Deshalb sollten wir zunächst praktische Erfahrungen sammeln, und jetzt schnell einen wirklich durchgängigen und vernetzten Internetauftritt auf die Beine stellen; die Arbeiten hierzu laufen bereits auf Hochtouren. Darauf aufbauend wird nach dem Konzept der Staatsregierung das Gesetz im Jahr 2012 evaluiert werden. Dann werden wir, soweit erforderlich, Anpassungen vornehmen. - In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Herr Staatsminister, bitte bleiben Sie noch am Rednerpult. Es gibt eine Zwischenbemerkung von Herrn Kollegen Dr. Runge.

Herr Staatsminister, Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich deshalb noch einmal zu Wort gemeldet, weil der Staatsminister mit großer Emphase vorgetragen hat, die Kritik der Opposition sei überzogen, und er verstehe die Emotionalität der Debatte nicht. Ich hoffe, Sie haben schon mitbekommen, dass wir nicht nur Ihren Gesetzentwurf kritisieren, sondern auch das dilettantische Vorgehen der Staatsregierung in den Monaten zuvor. Wir kritisieren, dass es erst in allerletzter Sekunde bei Verkürzung der Fristen zur Abstimmung kommen kann, was nicht von einer großen Achtung des Parlaments zeugt.

In dem Moment, in dem Sie von überzogener Kritik sprachen, habe ich einige Briefe der Kammern herausgeholt, die ganz klar zeigen, was die Kammern von Ihrem Verhalten und Ihrem Umgang mit dem Thema halten. Da heißt es: "Besonders bedauerlich ist, dass wir nach gut zwei Jahren intensiver Diskussion auf Bundes- und Landesebene in Bayern immer noch keine Entscheidung haben." Das war die Handwerkskammer Schwaben. Sie kennen doch die Schreiben sämtlicher Kammern, von der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern bis hin zu den Steuerberaterkammern, in denen sich die Kammern ganz, ganz kritisch und ganz böse gegenüber Ihrem Entwurf vom Juli geäußert haben.

Ich habe einige Themen angesprochen, darunter die Fachaufsicht. Nicht angesprochen haben wir Ihre völlig unzureichenden Regelungen zur inhaltlichen Ausgestaltung des Einheitlichen Ansprechpartners. Mindestanforderung, Organisation, das elektronische Portal - all diese Dinge sind immer noch nicht hinreichend geklärt. Wenn Sie sich vorhalten lassen müssen - in diesem Fall darf ich gar nicht Sie böse anschauen, sondern ich müsste die Staatskanzlei böse anschauen, weil die damals die Federführung hatte -, dass die Sätze im Protokoll überhaupt nicht die Inhalte der Gespräche wiedergeben, die zwischen der Staatskanzlei und den Kammern geführt wurden, dann kann doch durchaus eine gewisse Kritik geäußert werden. Die Auseinandersetzung fand vor allem zwischen den Kammern und der Staatskanzlei statt, aber wir betrachten die Staatsregierung als eine Aktionseinheit. Also sehen Sie es uns nach, wenn wir uns ein klein wenig kritisch äußern, nicht nur zu Ihrem Entwurf, sondern auch zum Vorlauf, und dieses mit Zitaten aus Briefen der anderen Seite belegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister, bitte noch einen kurzen Moment. Ich darf bekannt geben, dass zum Gesetzentwurf der Staatsregierung namentliche Schlussabstimmung beantragt wurde. Ich darf darauf hinweisen, dass in diesem Fall die 15-Minuten-Frist nicht gilt. - Herr Minister, bitte schön.

Herr Kollege Dr. Runge, meine Nachsicht Ihnen gegen über ist mindestens so grenzenlos wie gegenüber der Staatskanzlei. Daher sitzen Sie da in einem Boot mit der Staatskanzlei.

Wir haben jetzt einen Gesetzentwurf - deshalb hatte die Anhörung durchaus ihr Gutes -, dem übrigens auch der Wirtschaftsminister zustimmen kann. Er konnte jenem zu Recht kritisierten Gesetzentwurf nicht zustimmen. Sie dürfen auch dessen versichert sein, dass jemand vor Ihnen steht, der seit seiner Amtsübernahme versucht hat, die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie schnell und präzise voranzubringen. Das lag nicht immer in meiner Hand. Entscheidend ist das Ergebnis. Herr Dr. Runge, Sie sollten sich heute nicht - deshalb werbe ich um Ihre Zustimmung - von Ihren Kollegen in Baden-Württemberg auseinanderdividieren lassen. Geben Sie sich einen Ruck, stimmen Sie für die Vernunft!

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache wird somit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt.

Ich lasse zunächst über Tagesordnungspunkt 11 ab stimmen. Der Abstimmung liegt der interfraktionelle Gesetzentwurf auf Drucksache 16/2390 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie empfiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, die SPD, die Freien Wähler und Frau Kollegin Pauli. Gegenstimmen? - FDP und CSU. Stimmenthaltungen? - Keine. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12. Der Abstimmung liegen der Gesetzent wurf der Staatsregierung auf Drucksache 16/2627 und die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie auf Drucksache 16/2920 zugrunde. Der federführende Ausschuss empfiehlt die unveränderte Annahme. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Gegenstimmen? - Das sind die

Fraktionen der SPD, der Freien Wähler, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie Frau Kollegin Dr. Pauli. Stimmenthaltungen? - Keine. Dann ist das so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Hierfür wurde eine namentliche Abstimmung beantragt. Die Urnen stehen bereit. Ich eröffne die Abstimmung. Dafür stehen drei Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 14.20 bis 14.23 Uhr)

Meine Damen und Herren, die drei Minuten sind um. Die Abstimmung ist geschlossen. Die Karten werden außerhalb des Plenarsaals gezählt. Das Ergebnis wird später bekanntgegeben. Wir fahren in der Tagesordnung fort.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Antrag der Staatsregierung Entwurf einer Verordnung zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms Bayern (LEP) Ziviler Luftverkehr: Ziele B V 1.6.5 und B V 1.6.8 (Drs. 16/2477)

Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von 10 Minuten pro Fraktion vereinbart. Der erste Redner ist Herr Kollege Stöttner.