Ich wollte es nicht sagen, aber einer Ihrer Kollegen vielleicht erinnern Sie sich daran -, hat hier vor einigen Monaten gesagt: "Man muss nicht in Berlin anrufen, wenn man es zu Hause erledigen kann." Und wir sind hier in Bayern, wir sind in München zu Hause und können das selber erledigen.
Meine Damen und Herren, wie sieht die Sache im Einzelnen aus? Mehr Mobilität bei der Residenzpflicht haben wir. Wenn Sie nachschauen, stellen Sie fest, dass in § 58 Absatz 6 des Asylverfahrensgesetzes diese Möglichkeit eingeräumt ist. Davon hat das Land Hessen seit Jahren Gebrauch gemacht. Davon wird das Land Brandenburg Gebrauch machen. Dieses Land hat angekündigt, dass es die Residenzpflicht innerhalb des Landes Brandenburg aufhebt.
Meine Damen und Herren von der CSU, wenn Sie das in dieser Konsequenz wollen, dann können Sie das bereits jetzt tun. Dann müssen wir heute dem Antrag der FDP nicht zustimmen, sondern diese Möglichkeit haben wir schon, wenn wir denn wollen.
Das zweite Anliegen ist, das Sachleistungsprinzip zu evaluieren. Selbstverständlich erwarten wir dazu einen Bericht der Bayerischen Staatsregierung; denn hier geht es darum: Was für Erfahrungen damit haben wir hier in Bayern gemacht?
Mit einer Rechtsverordnung können die Landesregierungen die Beschränkung auf Landkreisebene aufheben und mit einer weiteren Rechtsverordnung die Residenzpflicht gänzlich innerhalb des Landes aufheben.
Der Antrag der SPD geht uns zu weit. Bevor wir eine Evaluierung durchgeführt und einen Erfahrungsbericht gehört haben, sind wir zum jetzigen Zeitpunkt dagegen. Dem Antrag der FDP werden wir, obwohl wir in der Sache dafür sind, deshalb nicht zustimmen, weil wir der Auffassung sind, dass es dieses Antrages nicht bedarf, da das von der Staatsregierung geregelt werden kann.
Vielen Dank, Herr Kollege. Die nächste Rednerin ist für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Kollegin Scharfenberg. Bitte schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ein begrüßenswerter Antrag von der FDP in Sachen Asylrecht, aber in Bezug auf die Strategie möchte ich Ihnen sagen, dass er eigentlich in sich zusammenfällt. Herr Hanisch hat das gerade richtig dargestellt. Ich bedauere, dass Sie sich nicht vorher darüber einigen konnten. Herr Seidenath hat ganz moderate Töne angeschlagen, ganz ungewohnt in diesem Hause. Aber da hätten Sie sich wirklich vorher einmal zusammensetzen und Ihre Hausaufgaben machen können. Sie können auf diesem Gebiet auf Landesebene sehr viel erreichen.
Über die Residenzpflicht können Sie mit Ihrer Regierungsmehrheit entscheiden, sofern die Länder für die Umsetzung des Bundesrechts zuständig sind. Besonders restriktiv wird die Anwendung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Asylverfahrensgesetzes in Bayern praktiziert - und das seit Jahren und Jahrzehnten. Ich schlage vor: Machen Sie als Regierungsparteien hier vor Ort erst einmal Ihre Hausaufgaben! Das wäre richtiger.
Diesbezüglich sind nämlich andere Länder wie Nordrhein-Westfalen, Hessen usw. schon viel weiter. Diese Länder haben die Residenzpflicht schon gelockert, und zwar auf dem Verordnungswege. Landesweit kann man eine ganze Menge erreichen. Dafür ist eine Linie vonnöten, die Sie als Regierungsmehrheit nicht haben, meine Damen und Herren. Deswegen kommt es zu solchen Anträgen. Bitte schön, sorgen Sie dafür, dass diese Regierungsmehrheit dort ausgenutzt wird, wo sie abgefragt wird, nämlich hier im Bayerischen Landtag.
Ich frage Sie auch, meine Damen und Herren von der FDP: Warum gehen Sie mit diesem Antrag über den Bundesrat? Das haben Sie doch überhaupt nicht nötig. Sie sind hier an der Regierung, Sie sind auf Bundesebene an der Regierung, dann nutzen Sie um Gottes Willen doch auch diese Mehrheiten. Sie haben alle Macht der Welt. Seien Sie sich gewiss: Wir unterstützen Sie.
Was meinen Sie mit der Formulierung, "… die Residenzpflicht so ausgestaltet wird, dass eine hinreichende Mobilität möglich ist"? Sagen Sie, was Sie darunter verstehen! Das ist mir wirklich zu gummiartig. Eine räumliche Beschränkung des Aufenthaltes gehört ab
Es kann doch wirklich nicht sein, dass Asylbewerber, wenn sie ihren Wohnort verlassen wollen, einen Reiseantrag stellen müssen. Dabei ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass maximal zwei Reiseanträge pro Vierteljahr gestellt werden dürfen. Das Kreisverwaltungsreferat München genehmigt erfahrungsgemäß nicht mehr. Ein Jugendlicher hat schlechte Karten, wenn er von der Gemeinschaftsunterkunft in München zum Beispiel nach Fürstenfeldbruck zum Ballettwettbewerb fahren möchte. Dort organisiert man für die Integration von Flüchtlingskindern oftmals Workshops und versucht, zum Beispiel für den 13-jährigen Jugendlichen namens Eddi, über den in der "Süddeutschen Zeitung" berichtet wurde, ein Auftrittsrecht zu ermöglichen, was aber nicht geht, weil er der Residenzpflicht unterliegt. Liebe FDP, gestalten Sie es nicht aus, sondern schaffen Sie es ab.
Das hat man nach der Anhörung im Bayerischen Landtag zum Leverkusener Modell erkannt. Es ist viel wirtschaftlicher, vom Sachleistungsprinzip weg und hin zur Bargeldauszahlung zu gehen, da die Verwaltungs- und Personalkosten viel zu hoch sind. Jedenfalls spart man in Leverkusen Geld damit, vom Versorgungsprinzip abzurücken - ganz abgesehen von der Menschenwürde, gegen die das Versorgungsprinzip auch verstößt. Sie wissen das doch: Sobald die Leute zwangsweise versorgt werden - arbeiten dürfen sie auch nicht -, verdammt man sie zu inaktivem Verhalten und degradiert sie zu Leistungsempfängern. Das wollen die Menschen gar nicht. Blanker Zynismus ist es in diesem Zusammenhang, dass man, wenn die Menschen nach kurzer Zeit eventuell einer Arbeit nachgehen dürfen, hohe Gebühren für die Unterbringung in völlig heruntergekommenen Massenunterkünften verlangt. Da gibt es kein Entkommen für diese Menschen.
Diese Praxis geht aber auch auf Kosten der bayerischen Gesellschaft, meine Damen und Herren. Es ist in der Konsequenz billiger, vom Sachleistungsprinzip abzugehen. Die Wohnsitzbeschränkung soll unberührt bleiben. Meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion, Sie sollten einfach einmal die aktuelle Rechtsprechung beachten: Wohnsitzbeschränkende Auflagen für anerkannte Flüchtlinge sind rechtswidrig nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz aus dem Jahr 2009. Hier wird gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und das Europäische Fürsorgeabkommen verstoßen. Das wollen wir nicht und die FDP sicherlich
auch nicht; denn auch sie hält die Bürgerrechte immer hoch. Tun Sie auch etwas dafür, dass die Wohnsitzbeschränkung gestrichen wird. Sie sollte nach Ihrem Antrag unberührt bleiben. Das wollen wir im Grunde auch abschaffen.
Dieser Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion geht aber in die richtige Richtung. Deswegen unterstützen wir ihn auch, weil er für die Asylsuchenden und für die Flüchtlinge steht, die wir in unserem Staat unbedingt brauchen.
Vielen Dank, Frau Kollegin. Für die Bayerische Staatsregierung erteile ich nun Herrn Staatsminister Joachim Herrmann das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in Bezug auf die Residenzpflicht nur einige Anmerkungen machen. Das, was insbesondere von SPD und GRÜNEN zu diesem Thema beigetragen wurde, kann wirklich nicht so stehen bleiben.
Ich darf darauf hinweisen, dass es in den Koalitionsverträgen der Koalitionen von CSU und FDP hier, und von CDU/CSU und FDP in Berlin, klare Absprachen gibt. Diese gelten und werden wir auch umsetzen. Für Bayern heißt das, wir werden prüfen, ob der Vollzug der Residenzpflicht für geduldete Ausländer gelockert werden kann. Das werden wir prüfen und werden sehr rasch in nächster Zeit zu konkreten Ergebnissen kommen. Dann setzen wir das auch um. Im Koalitionsvertrag des Bundes heißt es: "Die Residenzpflicht soll so ausgestaltet werden, dass eine hinreichende Mobilität insbesondere im Hinblick auf eine zugelassene Arbeitsaufnahme möglich ist; Wohnsitzbeschränkungen bleiben unberührt." Das gilt, und genauso werden wir weiter agieren. Wenn vonseiten der SPD und der GRÜNEN der Vorschlag ins Gespräch gebracht wird, die Residenzpflicht restlos zu beseitigen, so kann ich Ihnen nur sagen: Sie sind illusionär und völlig blauäugig oder in der Tat unverantwortlich gegenüber der Situation in unserem Land insgesamt. Ich darf darauf hinweisen, meine Damen und Herren, dass nach wie vor über zwei Drittel aller Asylbewerber, die in unser Land kommen, vom zuständigen Bundesamt abgelehnt werden.
Wir können doch nicht jedem, der einfach in unser Land kommt und "Asyl" schreit, gleich erlauben, dass er sich in der gesamten Bundesrepublik Deutschland beliebig aufhalten kann. So kann es wirklich nicht gehen, meine Damen und Herren.
Deswegen findet erst einmal ein geordnetes Verfahren statt. Mit solchen Fragen wie der Lockerung von Aufenthaltsanordnungen etc. müssen wir uns beschäftigen, wenn zum Beispiel jemand dauerhaft nicht abgeschoben werden kann, weil ein Abschiebehindernis oder dergleichen besteht. Das ist völlig richtig. Aber ihm einfach mir nichts dir nichts jedem zu erlauben, dass er sich aufhalten kann, wo er möchte, während er sich im ersten Aufnahmeverfahren befindet und sich für die Behörden, das Verfahren, eventuell für das Gerichtsverfahren zur Verfügung halten muss, kann ich nicht akzeptieren und das werden wir auch nicht tun.
Im Übrigen möchte ich noch anmerken: Die SPD war auf Bundesebene bekanntlich bis vor einem halben Jahr an der Regierung beteiligt; die GRÜNEN immerhin sieben Jahre lang. Interessanterweise hat man dazu nie etwas gehört. Es wäre nämlich unverantwortlich gewesen, diese Residenzpflicht restlos zu beseitigen. Das stand auch damals während der rot-grünen Regierungszeit niemals auf der Tagesordnung.
Aber jetzt kommen Sie - Entschuldigung - mit einem solchen unverantwortlichen Unfug daher? - Das ist mit uns nicht zu machen.
Eine letzte Bemerkung. Ich möchte nicht in die Zuständigkeit der Kollegin Sozialministerin eingreifen, was das Sachleistungsprinzip angeht, worüber wir uns völlig einig sind. Aus meiner Sicht und aus der Wahrnehmung, wie Rot-Grün über dieses Thema diskutiert, ist es schon etwas merkwürdig: Wenn es um das Betreuungsgeld für Eltern und ihre Kinder geht, wird darüber diskutiert, ob es nicht sehr "gefährlich" sei, dass die Eltern das ganze Geld versaufen könnten; es sei doch höchst problematisch, denen einfach Geld auszuzahlen. Man müsse über Sachleistungen reden.
Und wenn es um Asylbewerber geht, die in unser Land kommen, dann sei es plötzlich nicht mehr menschengerecht, denen Sachleistungen zu gewähren. Ich halte das schon für eine sehr verschobene Art, solche Diskussionen zu führen.
Herr Minister, zuerst eine Zwischenfrage, oder sind Sie mit Ihrer Rede am Ende? - Dann erteile ich zu einer Zwischenbemerkung der Kollegin Kamm das Wort.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie behaupten, Sie hätten nie etwas gegen die Residenzpflicht gehört. Haben Sie denn nichts von Leuten, die gegen die Residenzpflicht sind, gehört? Haben Sie die Protestresolutionen, die Kundgebungen und Veranstaltungen bisher nicht zur Kenntnis nehmen können?
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung. Ich bin von Ihrem Redebeitrag erschüttert. Sie kennen offenbar nicht die Lebenswirklichkeit der Asylbewerber, deren Anträge bei den Kreisverwaltungsbehörden, zum Beispiel wenn sie etwa einen erkrankten Verwandten besuchen wollen, außerordentlich selten genehmigt werden?
Wenn Sie von meinen Redebeiträgen erschüttert sind, dann muss ich das gelassen hinnehmen, liebe Frau Kollegin. Ich habe es auch nicht sehr viel anders erwartet.
Im Übrigen werden wir - ich sage es Ihnen noch einmal - in unserer Koalition sehr sachlich darüber sprechen. Ich stehe zu dem, was in den Koalitionsverträgen steht, dass nämlich eine vernünftige angemessene Lockerung, dort, wo es vertretbar ist, stattfindet. Das werden wir in absehbarer Zeit umsetzen. Darüber bin ich mit der Kollegin Haderthauer völlig einig. Doch das, was Sie fordern, nämlich die völlige Abschaffung der Residenzpflicht, wird es - und dabei bleibe ich - mit uns nicht geben.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Herr Minister, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zwei Bemerkungen voranstellen, bevor ich Ihnen eine konkrete Frage stelle. Erstens, wir hatten alle gehofft, dass wir aufgrund der sachlichen Diskussionen, die wir hier geführt haben, und dieser Anhörung, die wir gemeinsam durchgeführt haben, gerade zu diesem Thema andere Töne anschlagen.