Wenn der Bürger den Willen, der sich in der Mehrheit der Bevölkerung abgezeichnet hat, gerichtlich nicht durchsetzen kann, fehlt es am rechtlichen Gehör und an einem wirksamen Rechtsschutz, der in Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes normiert ist. Grundsätzliche Rechte der Bürger werden damit beschnitten. Die Themen eines Bürgerentscheids sind immer ortsbezogen, daher sind die Auseinandersetzungen auch immer hoch emotional. Ich selbst habe in Oberammergau drei Bürgerentscheide durchgeführt. Jeder Wahlkampf war aufgrund der Emotionalität und Härte, mit denen Bür
Wenn sich Bürger dazu aufraffen, ein Bürgerbegehren zu initiieren und sich emotional und auch finanziell engagieren, ihnen hinterher die Gemeinde aber die kalte Schulter zeigt und nach einem Jahr sagt, jetzt machen wir es doch anders, dann empfinden sie nur noch Hohn. Das wollen wir ändern. Das Verfassungsgericht hat zwar gesagt, es stehe die kommunale Selbstverwaltung auf dem Spiel, der Bürgerentscheid sei eine Frage der Selbstverwaltung, die auch Verfassungsrang habe. Dieses Argument greift aber zu kurz. Auch der Bürgerentscheid ist in der Verfassung vorgesehen. Der Volksentscheid von 1995 hat den Bürgerentscheid nicht nur in der Gemeindeordnung, sondern auch in Artikel 7 der Bayerischen Verfassung verankert. Daher ist auch der Bürgerentscheid ein verfassungsgemäßes Recht. Die unmittelbare Demokratie auf kommunaler Ebene ist ein integraler Bestandteil der Verfassung und der politischen Willensbildung auf kommunaler Ebene. In die Selbstverwaltung wird durch den Bürgerentscheid nicht eingegriffen. Die kommunale Selbstverwaltung soll die Kommune nur vor Eingriffen durch Dritte schützen, nicht aber das gewählte kommunale Gremium vor den verfassungsmäßigen Rechten der Bürger, des Souveräns. Es kann nicht sein, dass der Souverän in der Kommune eine Entscheidung trifft, welche das Gremium gar nicht interessiert. Das wäre eine Aushöhlung der Demokratie. Dies hat auch Herr Dr. Hahnzog am damaligen Verfassungsgerichtsurteil kritisiert. Deshalb müssen wir nachbessern.
In acht Ländern gibt es bereits eine zweijährige Bindungsfrist für Bürgerentscheide. Nur in zwei Ländern, darunter auch in Bayern, gibt es eine einjährige Bindungsfrist. Warum müssen wir immer dann, wenn es um die Demokratie geht, in der Bundesrepublik das Schlusslicht sein?
Wir müssen auch einmal mutig voranschreiten und unseren Bürgerinnen und Bürgern in Bayern mehr zutrauen, als es manche hier im Haus wollen. Lasst uns daher unseren Bürgern eine Klagemöglichkeit geben, damit sie die Verwirklichung des Bürgerentscheids auch gerichtlich durchsetzen können. Lasst uns eine zweijährige Bindungsfrist einführen, damit genug Zeit bleibt, einen Bürgerentscheid zu verwirklichen. Eine dreijährige Bindungsfrist wäre an ein anderes Quorum gebunden. Das wollen wir nicht. Den Bürgern sollen aber größere Rechte gegeben werden.
Die Entwürfe der anderen Oppositionsfraktionen sind alle berechtigt. Eine Abstimmungsbenachrichtigung halte ich für sinnvoll. In Oberammergau wird es auch so
praktiziert. Die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass ein Bürgerentscheid stattfindet, weil sie eine Benachrichtigung erhalten. Das ist zu unterstützen.
Über die Herabsetzung des Quorums auf 5 % bei Volksbegehren müssen wir diskutieren. Damit könnten 500.000 Menschen ein Volksbegehren einleiten und letztlich vielleicht sogar ein Gesetz ändern. Die Verlängerung der Eintragungsfrist halte ich für sinnvoll. Sinnvoll ist es auch, dass man nicht unbedingt ins Rathaus gehen muss, wenn man ein Volksbegehren unterstützen will. Die Hürden dafür sollten herabgesetzt werden. Der Bürger soll möglichst vielfältige Möglichkeiten haben, an einer Willensbildung im Rahmen der direkten Demokratie teilzunehmen. Diese Punkte unterstützen wir gerne, weil wir mit diesen Instrumenten auf kommunaler Ebene viel Erfahrung haben. Das soll auch auf Landesebene so sein. Deshalb bitte ich Sie, unseren Antrag zu unterstützen. Ich freue mich auf die Diskussionen in den Ausschüssen. Vielleicht kann sich auch die FDP einen Stoß geben und Gefallen an unseren Vorschlägen finden.
Jetzt darf ich Frau Kollegin Tausendfreund das Wort erteilen. Sie verbinden auch die Begründung des Gesetzentwurfs mit der Aussprache. Sie haben deshalb ebenfalls zehn Minuten.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr Demokratie entsteht nicht durch Sonntagsreden. Dazu brauchen wir die nötigen Instrumente. Ich beginne mit dem kommunalen Bürgerentscheid. Der kommunale Bürgerentscheid ist eine Erfolgsgeschichte. Symptomatisch ist dafür, dass der kommunale Bürgerentscheid von den Bürgerinnen und Bürgern 1995 durch einen Volksentscheid erkämpft werden musste und dass er 1998 von der CSU, die damals noch die Mehrheit im Hause hatte, wieder eingeschränkt wurde.
Unser Gesetzentwurf umfasst drei Punkte: Erstens. Das Zustimmungsquorum muss bei Gemeinden bis zu 100.000 Einwohnern auf 15 % gesenkt werden. Zweitens. Die Bindungswirkung wollen wir wie die Freien Wähler auf zwei Jahre verlängern. Drittens. Wir wollen, dass die Gemeinden zwingend eine Abstimmungsbenachrichtigung verschicken müssen. Das ist bisher nicht der Fall. Eine Gemeinde könnte nämlich versuchen, eine Abstimmung zu verschweigen, und hoffen, dass möglichst wenige hingehen. Es ist eine demokratische Selbstverständlichkeit, eine Abstimmungsbenachrichtigung zu verschicken. Die meisten Gemeinden machen dies ohnehin. Viele machen es aber auch nicht.
Zum Zustimmungsquorum: Das gestaffelte Zustimmungsquorum ist 1998 in den Gemeinden mit 20 %, 15 % und 10 %, je nach Gemeindegröße, eingeführt worden. In den Landkreisen sind es 15 % und 10 %. In der letzten Legislaturperiode hat es intensive Gespräche zwischen dem Verein "Mehr Demokratie" und dem damaligen Innenminister Dr. Günther Beckstein gegeben. Es hat damals sogar einen Gesetzentwurf der Staatsregierung gegeben, der vorgesehen hat, das Zustimmungsquorum in Gemeinden zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnern auf 15 % zu senken. Bei den mittleren Gemeinden mit 10.000 bis 50.000 Einwohnern gibt es nämlich immer Probleme mit dem Zustimmungsquorum. Etwa 40 % der Bürgerentscheide sind allein an diesem Quorum gescheitert. Während es bei den kleineren Gemeinden nie ein Problem war, das Zustimmungsquorum zu erreichen, war es bei den größeren Gemeinden schwierig. Die Bürgerentscheide sind stadtteilbezogener geworden und deshalb konnte man nicht so viele Leute aus der ganzen Stadt für eine Teilnahme an dem Bürgerentscheid begeistern. 40 % gescheiterte Bürgerentscheide zeigen aber, dass hier nachjustiert werden muss. Wir schlagen deshalb vor, das Quorum auf 15 % abzusenken. Ich kann nur an die CSU-Fraktion appellieren, hier mitzugehen; immerhin gab es im Jahr 2006 einen Vorschlag der Staatsregierung, am Zustimmungsquorum etwas zu ändern.
Die Bindungswirkung ist ein Problem, weil etliche Bürgermeister und Gemeinderäte die Entscheidung der Bevölkerung einfach aussitzen. Sie warten ab und vollziehen nicht. Das soll mit einer längeren Bindungswirkung von zwei Jahren unterbunden werden.
Noch etwas zum Klagerecht beim Entwurf der Freien Wähler: Es ist ein Anliegen, dass die Vertreter des Bürgerbegehrens nach dem Bürgerentscheid noch etwas unternehmen können. Ich bin ein bisschen skeptisch, wie das faktisch gemacht werden kann. Man müsste Fristen einbauen. Wie lange muss man abwarten, wann kann das Klagerecht tatsächlich Einzug erhalten? - Ich denke, darüber können wir noch im Einzelnen diskutieren.
Zur Stärkung des bayerischen Volksentscheids, also der Möglichkeit der bayerischen Bevölkerung, selbst die Gesetzgebung auszuüben, umfasst unser Gesetzentwurf vier Punkte. Wir wollen das Quorum beim Volksbegehren - also nicht die Abstimmung selbst, sondern die Hürde, damit überhaupt eine Abstimmung durchgeführt werden kann - von 10 % auf 5 % senken. Wir wollen die Eintragungsfrist auf einen Monat verlängern, weil 14 Tage einfach zu kurz sind. Wir wollen die Möglichkeit einer brieflichen Eintragung einführen, damit nicht zwingend zum Ratshaus gegangen werden muss. Wir wollen, dass auch Volksbegehren mit finanziellen Auswirkungen nicht mehr ausgeschlossen sind.
Zum ersten Punkt, der Zahl der notwendigen Unterschriften. Wir haben in der Vergangenheit in der Geschichte des Bayerischen Volksentscheids 11 Gesetzesinitiativen gehabt, die am 10-prozentigen Quorum gescheitert sind. Fünf dieser Initiativen hätten es geschafft, wenn die 5 % gereicht hätten. Zuletzt trifft das für das Volksbegehren "Aus Liebe zum Wald" zu. Es wurden 9,3 % erreicht, dieses Volksbegehren ist also nur ganz knapp gescheitert. Ich denke, die Senkung ist notwendig, denn derzeit müssen 935.000 Menschen während der Eintragungsfrist in die Rathäuser gehen, um sich einzutragen, damit es überhaupt zum Volksentscheid kommt.
Zum zweiten Punkt, der Verlängerung der Eintragungsfrist. Es hat sich gezeigt, dass 14 Tage viel zu kurz sind, um die Menschen zu informieren und zu mobilisieren, damit sie sich eintragen. Deshalb soll diese Frist auf einen Monat verlängert werden. Meistens sind die Eintragungszeiten in den Rathäusern auch sehr arbeitnehmerunfreundlich. Manche Gemeinden öffnen ihre Türen am ersten Wochenendtermin und nicht am zweiten Wochenende. Dabei wäre das der Termin, bis zu dem sich herumgesprochen hat, dass es überhaupt ein Volksbegehren gibt. Wir wollen deshalb eine Verlängerung der Eintragungszeit. Eine briefliche Eintragung halten wir für zwingend erforderlich. Wenn jemand im Urlaub ist, wenn jemand krank ist, wenn jemand aus welchen Gründen auch immer verhindert ist, wenn beispielsweise die Arbeitszeiten so sind, dass man nicht ins Rathaus gehen kann, dann muss es möglich sein, sich für das Volksbegehren auch brieflich einzutragen.
Die finanziellen Auswirkungen sind das Totschlagargument für viele Volksbegehren gewesen. Das traf zuletzt für das Volksbegehren zum Transrapid zu. Es wurde gesagt, ein Volksbegehren habe finanzielle Auswirkungen auf den Staatshaushalt des Freistaates, deshalb sei es unzulässig. Man kann sich aber fast kein Thema überlegen, das in seiner Konsequenz nicht irgendwo finanzielle Auswirkungen nach sich zieht. Deshalb muss eine Möglichkeit eröffnet werden, damit Volksbegehren auch dann initiiert werden können, wenn sie finanzielle Auswirkungen haben.
Nun möchte ich noch auf den SPD-Gesetzentwurf eingehen. Die freie Unterschriftensammlung für das Volksbegehren ist eine gute Möglichkeit. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen. Wir sehen kein Problem, dass hier irgendwo Schindluder getrieben würde. Im Übrigen fordert auch die SPD, die Eintragungsfrist zu verlängern. In diesem Punkt sind wir einer Meinung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, geben Sie den direkten demokratischen Mitteln, die wir hier in Bayern haben, dem kommunalen Bürgerentscheid und dem Volksbegehren, einen besseren Rahmen, damit
Sie die Bevölkerung einbeziehen und für die Politik interessieren können und damit eine Mitbestimmungsmöglichkeit effektiv eingesetzt werden kann.
Als Nächstes darf ich Frau Kollegin Schmitt-Bussinger ans Rednerpult bitten. Auch Ihr Beitrag ist mit der Aussprache verbunden, Frau Kollegin?
Selbstverständlich, ja. Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die vier vorliegenden Gesetzentwürfe dienen das haben wir in den Vorreden gehört - zur Durchsetzung und Verbesserung von mehr direkter Demokratie in Bayern, und zwar auf der Landesebene wie auch auf der kommunalen Ebene.
Wir alle haben noch das letzte erfolgreiche Volksbegehren für einen besseren Nichtraucherschutz in Erinnerung, aber auch die Volksbegehren, die ihr Ziel nicht erreichen konnten - es sind einige genannt worden -, die die großen Hürden nicht nehmen konnten, die es für die erfolgreiche Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheiden nach wie vor gibt. Die SPD-Fraktion hat deshalb einen Gesetzentwurf eingebracht, der folgende Verbesserungen für ein Volksbegehren zum Inhalt hat:
Wesentliches Element ist die sogenannte freie Unterschriftensammlung, die es nach unserem Willen neben der Amtseintragung geben soll. Wir wollen die Verlängerung der Eintragungsfrist beim Volksbegehren von jetzt 14 Tagen auf einen Monat. Darüber hinaus wollen wir die Möglichkeit, dass der Stimmberechtigte, wenn er verhindert ist, jemand anderen beauftragen kann. Das ist zwar schon bisher möglich, aber nur unter Einschränkungen, die wir nicht akzeptieren wollen. Wir sehen deshalb in diesem Punkt Erweiterungen vor. Was die freie Unterschriftensammlung angeht, so kenne ich selbstverständlich die Ausführungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 31. März 2000. Diese Gesichtspunkte müssen abgewogen werden. Der Verfassungsgerichtshof sieht beim Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene aber eine freie Sammlung von Unterschriften als generell vertretbar an.
Bei der Verlängerung der Eintragungsfrist von 14 Tagen auf vier Wochen herrscht Gleichklang mit dem Vorschlag der GRÜNEN. Die Absenkung des Zustimmungsquorums für einen erfolgreichen Volksentscheid von zehn auf fünf Prozent, die Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, vorschlagen, sehen wir zumindest kritisch. Ich persönlich schließe zwar
eine Reduzierung nicht gänzlich aus, jedoch ist die Reduzierung der Hürde für einen erfolgreichen Volksentscheid auf fünf Prozent sehr radikal. Darüber müssen wir uns intensiv in den zuständigen Ausschüsse unterhalten.
Den Vorschlag, Volksbegehren bzw. Volksentscheide zu haushaltsrelevanten Gesetzen zuzulassen, halte ich für spannend. Wir alle erinnern uns noch an das Volksbegehren gegen den Transrapid aus dem Jahre 2008. Das Volksbegehren ist aufgrund des Schutzes des Budgetrechtes gescheitert. Wir haben damals die Entscheidung der Verfassungsrichter bedauert. Wir haben ebenfalls bedauert, dass die Mehrheit der Verfassungsrichter an ihrer engen Auslegung des Artikels 73 der Bayerischen Verfassung festgehalten hat. Diesen Punkt werden wir ebenfalls in den Ausschussberatungen vertiefen.
Nun möchte ich mich zu den zwei Gesetzentwürfen äußern, welche die Verbesserungen des Instruments der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene zum Inhalt haben. Dies betrifft unter anderem den Gesetzentwurf der GRÜNEN auf Drucksache 16/3935 zur Verbesserung des kommunalen Bürgerentscheids. Der Gesetzentwurf sieht vor, eine Abstimmungsbenachrichtigung vor dem Termin des Bürgerentscheids zu versenden und das Zustimmungsquorum in Gemeinden bis zu 50.000 Einwohnern auf 15 % abzusenken. Mit dem Gesetzentwurf wird außerdem gefordert, die Bindungswirkung eines erfolgreichen Bürgerentscheids von bisher einem Jahr auf zwei Jahre zu erhöhen. Für die SPDFraktion sind diese Vorschläge in jedem Fall diskussionswürdig. Sie stärken die aktive Bürgerbeteiligung. Das wollen wir. Deswegen sind diese Vorschläge grundsätzlich positiv.
Selbst die Bayerische Staatsregierung hat den Vorschlag der Fraktion der GRÜNEN, das Zustimmungsquorum bei Bürgerentscheiden in Gemeinden zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnern anzupassen, aufgegriffen. Spannend ist die Frage, ob die Mehrheit dieses Hauses ebenfalls einen Sinneswandel durchlebt hat.
Dem Gesetzentwurf der Freien Wähler können wir im Prinzip sehr viel Positives abgewinnen. Der Gesetzentwurf hat die Stärkung kommunaler Bürgerentscheide zum Inhalt. Herr Streibl, Sie haben dies selbst ausgeführt. Analog zu dem Gesetzentwurf der GRÜNEN thematisiert der Gesetzentwurf der Freien Wähler ebenfalls die Bindungswirkung. Wir müssen - da kann ich Ihnen beipflichten - der Verhinderung eines Bürgerentscheids aufgrund des Aussitzens durch Gemeinderäte und Gremien in den Kommunen entgegenwirken. Bürgerentscheide müssen vom Gemeinderat umgesetzt
Außerdem fordern Sie mit Ihrem Gesetzentwurf die Einräumung einer gesetzlichen Klagebefugnis für vertretungsberechtigte Personen. Dies ist sicherlich ein hilfreiches Instrument, um einen erfolgreichen Bürgerentscheid durchzuführen. Auf den ersten Blick ist dies sehr verlockend. Aus diesem Grund werden wir im zuständigen Ausschuss intensive Gespräche führen und uns mit dem Gesetzentwurf intensiv befassen. Ich erwarte interessante, kontroverse und spannende Beratungen in den Ausschüssen. Ich hoffe - das möchte ich zum Abschluss sagen -, dass wir im Sinne der direkten Demokratie in Bayern einen Schritt weiterkommen.
Ich eröffne nach der Begründung zu den jeweiligen Gesetzentwürfen nun die allgemeine Aussprache. Ich darf Herrn Kollegen Dr. Herrmann ans Rednerpult bitten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die eben vorgestellten und eingebrachten Gesetzentwürfe verfolgen im Wesentlichen das Ziel, die Voraussetzungen für Bürger- und Volksentscheide auf Kommunal- und Landesebene zu erleichtern. Mir erscheint der Themenkomplex insgesamt nicht besonders dringend, da in der Praxis keine großen Probleme bestehen. Trotzdem sind wir für intensive Diskussionen im Innen- und Rechtsausschuss offen.
Zwei zentrale Punkte stehen bei dieser Debatte im Mittelpunkt, die wir bei allen Überlegungen nicht über Bord werfen sollten. Dabei handelt es sich um das hohe Gut der kommunalen Selbstverwaltung, das aufgrund seines Verfassungsranges von uns sehr geachtet wird. Als Landesgesetzgeber sollten wir darauf achten, keine Regelungen zu treffen, die die bewährte repräsentative Struktur der kommunalen Selbstverwaltung durch die Hintertür aushebeln. Herrn Kollegen Streibl empfehle ich in diesem Zusammenhang, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes von 1997 genau zu analysieren. Dort wird das Zusammenspiel von langen Bindungsfristen und niedrigen Quoren beschrieben. Insgesamt führt dies zu einem Angriff auf das Selbstverwaltungsrecht. Dies sollte in der Diskussion berücksichtigt werden.
Darüber hinaus sollten wir keine praxiserprobten Regelungen einfach über Bord werfen und infrage stellen. Bei den Beratungen sollte die Evaluierung der bisherigen Erfahrungen mit den plebiszitären Elementen auf Kommunal- und Landesebene im Fokus stehen. Die Wünsche einiger Interessensgruppen sind nicht gleichzeitig für die Gesamtheit wünschenswert. Das Gemein
wohl steht im Mittelpunkt. Deshalb müssen wir uns über den Umgang mit der geringen Beteiligung an Bürgerbegehren und Volksentscheiden Gedanken machen. Die Senkung der Beteiligungsquoren ist jedoch nicht die richtige Antwort.
Ich möchte noch auf einige Aspekte der Gesetzentwürfe eingehen. Die Freien Wähler und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben die Verlängerung der Bindungsfristen vorgeschlagen. In diesem Punkt verweise ich auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Ich bin nicht der Meinung, dass eine Verlängerung der Bindungsfrist auf zwei Jahre den durchschlagenden Erfolg, den man sich davon verspricht, bringen wird. Entscheidend ist immer die politische Bindungswirkung. Diese ist nicht abhängig von zwei Jahren. Ein geschicktes Vorgehen könnte eine Verzögerung über zwei Jahre hinweg bewirken. Die Entscheidung über die Tunnel am Mittleren Ring Münchens hat gezeigt, dass nicht der Zeitablauf, sondern die dahinterstehende politische Macht entscheidend ist. Der Gemeinderat wird sich, wenn eine breite Bevölkerungsmehrheit hinter einem Anliegen steht, nicht willkürlich über dieses hinwegsetzen. Das Anliegen der Bürger hat immer ein politisches Gewicht. Mit unnötigen Formalismen sollte die Dynamik eines politischen Prozesses nicht eingeschränkt werden. Wir sollten eine genaue Analyse der Praxis durchführen, bevor wir zu experimentieren beginnen.
Über die Klagebefugnis, wie sie die Freien Wähler fordern, können wir auch nachdenken. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Gemeindeordnung in Artikel 36 bereits jetzt für die Verwaltung bindend vorschreibt, dass ein Bürgerentscheid zu vollziehen sei. Fraglich ist, ob die Einführung eines Richters als Staatskommissar und die damit einhergehenden Prozesse sinnvoll sind. Die Durchführung allein ist oft schon schwierig, selbst wenn der politische Wille vorhanden ist. Ich frage mich, ob wir diese Regelungen wirklich benötigen.
Über den Versand von schriftlichen Abstimmungsbenachrichtigungen kann man natürlich nachdenken. Ich bin jedoch der Meinung, dass dies die Gemeinden wie bisher selber regeln sollten.
Ebenfalls könnte über eine Verlängerung der Eintragungsfrist nachgedacht werden. Jedoch denke ich, dass sich die 14-tägige Frist bewährt hat.
Skeptisch sehe ich hingegen Unterschriftenlisten. Jeder weiß, wie schnell die Organisation von Unterschriftenlisten vollzogen werden kann. Bürgerinnen und Bürger treffen ihre Entscheidungen bewusster, wenn sie sich selbst in ein Gesetzgebungsverfahren
Schließlich weise ich darauf hin, dass wir uns als Parlament keinen Gefallen tun, wenn wir Volksentscheide über haushaltswirksame Beschlüsse zulassen. Dies ist von den gemachten Vorschlägen der schlechteste und populistischste. Denn es ist natürlich ein Angriff auf das Budgetrecht des Landtags im Ganzen, wenn man dazu Einzelentscheidungen zulässt, die das System durcheinanderbringen.
Insgesamt stehe ich den Vorschlägen skeptisch gegenüber, da ich von der Notwendigkeit von Neuregelungen nicht überzeugt bin. Trotzdem können Sie im Gesetzgebungsverfahren noch Überzeugungsarbeit leisten. Ich freue mich auf die Debatte.