Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Der französische Diplomat und Schriftsteller Roger Peyrefitte hat gesagt: Gerüchte sind der Wellenschlag unterdrückter Informationen. Gerade in der öffentlichen Verwaltung gilt es, diesen Wellenschlag zu vermeiden. Dabei geht es nicht um ein Misstrauen der Verwaltung. Frau Kollegin Tausendfreund, wir haben in Bayern keine obrigkeitsstaatliche Verwaltung. Es geht um etwas ganz anderes, um etwas, das selbstverständlich sein sollte: Informationen, die in öffentlichen Stellen vorhanden sind, gehören nicht der Behörde, sie gehören der Allgemeinheit.
Deswegen ist Informationsfreiheit kein staatlicher Gnadenakt, sondern eine Selbstverständlichkeit. Wer wie wir Liberale den mündigen und frei verantwortlichen Bürger will, muss ihm auch die Möglichkeit geben, sich die nötigen Informationen zu verschaffen. Artikel 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - auch das möchte ich klar ansprechen -, der den Beteiligten ein Akteneinsichtsrecht gibt, reicht nicht. Ich möchte dabei nicht über den Begriff des rechtlichen oder berechtigten Interesses nachdenken, sondern ich möchte ganz klar sagen: Wir wollen den mündigen Bürger; wir wollen Transparenz, wir wollen ein Informationsfreiheitsgesetz.
SPD und GRÜNE haben Gesetzentwürfe vorgelegt, die wir kritisiert haben. Das Verhältnis zwischen Informationsfreiheit und Datenschutz war uns darin nicht stimmig genug. Heute liegt ein anderer Gesetzentwurf vor, der diese Fragen gut gelöst hat. Darin ist ein Schutz der personenbezogenen Daten vorgesehen, der unserer Auffassung nach ausreichend ist. Es gibt einen Schutz des Geschäftsgeheimnisses, den ich sehr lobenswert finde. Es gibt die Einführung eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes für den Missbrauch personenbezogener Daten - das ist eine gute Idee. Außerdem gibt es eine Evaluierung. Deshalb sage ich heute ausdrücklich: Was Sie hier vorgelegt haben, ist eine gute Diskussionsgrundlage, die ich ausdrücklich begrüße.
Ich finde keinen Grund, das abzulehnen, und ich suche auch keinen. Ich sage vielmehr ganz klar: Meine persönliche Meinung ist hier positiv. Wie sich die FDPFraktion am Ende verhalten wird, ist daher ausschließlich eine Frage der Koalition.
Damit bin ich bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU. Leider haben Sie, Frau Guttenberger, mir nicht viel Hoffnung gemacht. Deswegen ist es heute meine Aufgabe, an Sie zu appellieren: Denken Sie noch einmal nach. Der alte Verwaltungsgrundsatz nach dem Motto "Das haben wir schon immer so gemacht; das geht nicht anders; wo kommen wir denn da hin?" reicht hier nicht.
Ich appelliere ausdrücklich an Sie: Verweigern Sie den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern nicht länger ein Informationsrecht, das jedes Jahr mehr Länder ihren Bürgerinnen und Bürgern einräumen. Ich appelliere an Sie: Sehen Sie sich die Situation in anderen Ländern
an. Wir haben auf Ebene der Europäischen Union ein allgemeines Zugangsrecht zu den Dokumenten des Europäischen Parlamentes, des Rates und der Kommission. Wir haben im Bund seit 2006 Informationsfreiheit. Wir haben in elf Bundesländern Informationsfreiheit. Sie sehen, es geht doch, es tut nicht weh.
Ich verweise auf die Situation in anderen Staaten. Warum soll in Bayern nicht möglich sein, was in Malawi, auf den Fidschi-Inseln und in Aserbaidschan funktioniert?
Warum soll Bayern seinen Bürgerinnen und Bürgern nicht gewähren, was Länder wie Großbritannien, Frankreich, Italien und Österreich ihren Bürgern gewähren und was CSU-regierte Kommunen in diesem Staat ihren Bürgern gewähren? Ich verweise auf Bad Aibling, Sinzing und Passau.
Ich sage ausdrücklich, bei den Gesetzentwürfen von SPD und GRÜNEN habe ich gesagt: Ja, aber. Bei diesem Gesetzentwurf kriegen Sie von mir ein klares Ja.
Für die Staatsregierung hat der Herr Staatsminister des Innern um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich gibt es in Bayern seit jeher die Informationsfreiheit. Ich denke, es wird niemand bezweifeln, dass das so ist. Das Handeln der öffentlichen Verwaltung muss in der Tat für die Bürger nachvollziehbar sein. Diese Forderung gründet letztendlich auf dem Demokratie- und Rechtsstaatsgebot unserer Verfassung. Aber unsere Verfassung garantiert eben auch den Schutz personenbezogener Daten, ein faires Verfahren und die Sicherheit der Bürger. So erwarten die Bürger nicht nur eine transparente Verwaltung, sie erwarten auch, dass das, was sie der Verwaltung anvertrauen, und erst recht das, was sie der Verwaltung aufgrund eines Gesetzes zwangsweise mitteilen müssen, nicht unbedingt für jedermann offen zugänglich ist.
Dieser Aspekt wird in der Diskussion über das Informationsfreiheitsgesetz bislang zu stark beiseitegeschoben. Unproblematisch ist das, was zum Beispiel Informationen für eine staatliche Planung liefert. Niemand wird ein Problem damit haben, dass alles, was zum Beispiel die staatliche Straßenbauplanung angeht, allen Bürgerinnen und Bürgern in vollem Umfang - das
ist heute schon der Fall - zugänglich gemacht wird. Das Problem beginnt da, wo der Staat in welcher Behörde auch immer persönliche Informationen einzelner Bürger im Zusammenhang mit Verwaltungsverfahren speichert. Hier ist die Abwägung schwierig, welche Daten unter welchen Vorraussetzungen auch einem Dritten zur Verfügung gestellt werden können.
Ich weise darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung der vergangenen Woche beim Thema der Vorratsdatenspeicherung auf diesen Aspekt intensiv eingegangen ist. Es hat gesagt, das eine ist, dass der Staat den Telekommunikationsunternehmen vorschreibt, dass sie bestimmte Daten zu speichern haben. Das Gericht sagt dazu ausdrücklich, dass der Staat in dem Moment, in dem er so etwas vorschreibt, eine besondere Schutzpflicht hat - hier wird bei dem bisher geltenden Gesetz ein Defizit gesehen -, sodass weder der Staat selbst noch ein Dritter auf diese Daten zugreifen kann, ohne berechtigt zu sein. Das Bundesverfassungsgericht hat gerade bei der Vorratsdatenspeicherung ein Defizit diagnostiziert. Es stellt fest, es sei viel zu wenig normiert, wie die Daten vor unberechtigtem Zugriff geschützt werden können.
Die Problematik stellt sich im vorliegenden Fall ebenfalls sehr deutlich. Herr Kollege Fischer, deshalb ist der simple Satz "Informationen, die in einer Behörde vorhanden sind, gehören der Allgemeinheit" so wunderbar richtig, wie er wunderbar falsch ist.
In jeder Behörde, in jedem Einwohnermeldeamt, in jeder Umweltbehörde und in jeder Dienststelle gibt es zig Daten, über die nur die Behörde aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgabe verfügen darf und die eben nicht der Allgemeinheit gehören. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss der Einzelne, der per Gesetz gezwungen wurde, eine bestimmte Information der Behörde zu geben, darauf vertrauen können, dass diese Information, die er aus seiner Privatsphäre offenbart hat, nicht irgendeinem unbefugten Dritten zugänglich gemacht wird. Auch das ist unser Rechtsstaat, auch das ist unsere Demokratie. Es gibt auch ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Informationelle Selbstbestimmung heißt nämlich nicht nur, dass man nicht beliebig vom Staat fremdbestimmt werden darf, sondern dass man auch einen Schutz bezüglich der eigenen Individualrechte gegenüber anderen Bürgern in unserem Land hat. Mit Verlaub: Diesem Spannungsfeld wird nach meinem Dafürhalten keiner der Gesetzentwürfe - auch nicht der, der heute eingebracht worden ist - gerecht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann nur darum bitten, dass wir das Thema der Informationsfreiheit ernst nehmen. Es gibt eine Fülle von gesetzlichen Normen - ich denke nur an das Umweltinformationsgesetz, das wir in unserem Land haben -, die einen Zugang zu Informationen gewähren. Vor diesem Hintergrund sollten wir aber auch die Problematik des Datenschutzes ernst nehmen. Da ist mit wohlfeilen oberflächlichen Reden nicht genug getan, sondern da muss man sich mit den Details beschäftigen. Ich freue mich auf eine spannende Diskussion in den Ausschüssen, sage aber auch ganz klar: Der vorliegende Gesetzentwurf wird den Ansprüchen, die sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Datenschutz ergeben, nicht hinreichend gerecht.
Herr Kollege Streibl möchte seine Restredezeit nutzen. Sie haben noch gute zwei Minuten. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren! Respekt, Herr Dr. Fischer. Es ist einmalig, dass Sie hier sagen, wir folgen unserem Gewissen und stellen dieses über einen Koalitionsvertrag.
(Beifall bei den Freien Wählern - Thomas Kreuzer (CSU): Das hat er nicht gesagt! - Jörg Rohde (FDP): Das würde ich noch einmal genau nachlesen im Protokoll!)
"Wer nichts weiß, muss alles glauben", sagt Marie von Ebner-Eschenbach. Wenn man etwas glauben soll, muss der andere glaubwürdig sein. Herr Ministerpräsident, so glaubwürdig sind Sie bei Ihnen in der CSU mittlerweile nicht mehr. Man muss besser informieren, damit der Glaube wieder vorhanden sein kann. So gesehen freue ich mich auf die Diskussionen im Ausschuss und hoffe, dass wir hier einen guten Weg beschritten haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CSU, wenn Ihnen an der Informationsfreiheit etwas liegt, dann bringen Sie doch selbst einen Gesetzentwurf ein. Warum sollen wir das immer tun? - Auch Sie können einen Gesetzentwurf einbringen. Sie können sich aber auch unserem Gesetzentwurf anschließen bzw. Anregungen oder Änderungsanträge einbringen. Ich meine, man sollte hier offen miteinander diskutieren und nicht einfach blockieren und abwehren. Es geht hier schließlich um ein hohes Rechtsgut, um das man ringen muss. An die Sache muss man mit vernünftigen Argumenten herangehen und nicht einfach mit Plattitüden, die wir alle schon kennen.
Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Florian Streibl u. a. und Fraktion (FW) zur Änderung der Gemeindeordnung (Drs. 16/3678) - Erste Lesung
Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Stärkung der direkten Demokratie Verbesserung des kommunalen Bürgerentscheids (ber. Drs.) (Drs. 16/3935) - Erste Lesung
Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Stärkung der direkten Demokratie Verbesserung des Volksentscheids (ber. Drs.) (Drs. 16/3936) - Erste Lesung
Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Franz Schindler, Helga SchmittBussinger u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Landeswahlgesetzes (Drs. 16/4015) - Erste Lesung
Die Gesetzentwürfe werden von den Antragstellern begründet. Zur Begründung darf ich zunächst Herrn Kollegen Streibl ums Wort bitten. Seine Begründung ist mit der Aussprache verbunden. Deshalb haben Sie zehn Minuten, Herr Kollege.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen jetzt zu einem der Kernthemen der Freien Wähler, in dem auch unser Herzblut steckt. Es ist die Beteiligung der Bürger an demokratischen Proz
Mit dem Volksentscheid vom 1. Oktober 1995 wurde von den Initiatoren, dem Bündnis "Mehr Demokratie in Bayern", die Basis für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide geschaffen. Der damalige Gesetzentwurf sah eine dreijährige Bindungsfrist für Bürgerentscheide vor. Wenn ein Bürgerentscheid Erfolg hatte, hatte er die Wirkung eines Gemeinderatsbeschlusses und war für drei Jahre bindend.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat am 29. August 1997 die dreijährige Bindungswirkung aufgehoben, weil dem Bürgerentscheid ein Quorum gefehlt hat. Innerhalb eines Jahres hat der Bayerische Landtag daraufhin ein neues Gesetz beschlossen, das, abgestuft nach der Bevölkerungszahl der jeweiligen Kommunen, eine Zustimmungsbeteiligung zwischen zehn und 20 % und eine einjährige Bindungswirkung für den Bürgerentscheid vorsah. Diese einjährige Bindungswirkung hat allerdings gewisse Mängel. Ein Jahr ist in der heutigen Zeit eine sehr kurze Frist. In diesem kurzen Zeitraum ist es manchmal gar nicht möglich, den Bürgerentscheid zu verwirklichen. Für eine Gemeinde bzw. einen Gemeinderat ist es manchmal sehr einfach, den Entscheid einfach auszusitzen, das Jahr abzuwarten und dann völlig konträr zum Bürgerwillen eine Entscheidung zu treffen.
Darüber hinaus ist es für den Bürger schwierig, seinen Anspruch auf Verwirklichung des Bürgerentscheids durchzusetzen. Für eine gerichtliche Auseinandersetzung darüber fehlt schlicht und ergreifend die rechtliche Grundlage. Der einzelne Bürger darf nicht klagen. Der Personenkreis, der das Bürgerbegehren unterstützt oder initiiert hat, kann nicht klagen, weil es im Gesetz nicht vorgesehen ist. Daher hat man den Bürgern mit dem Bürgerentscheid in seiner jetzigen Form einen zahnlosen Tiger, ein stumpfes Schwert oder Steine statt Brot gegeben. Den Bürgern wird Demokratie oder Mitbestimmung nur vorgespiegelt, in letzter Konsequenz kann die Mitbestimmung aber doch nicht durchgesetzt werden. Daher müssen wir nachbessern.
Wenn der Bürger den Willen, der sich in der Mehrheit der Bevölkerung abgezeichnet hat, gerichtlich nicht durchsetzen kann, fehlt es am rechtlichen Gehör und an einem wirksamen Rechtsschutz, der in Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes normiert ist. Grundsätzliche Rechte der Bürger werden damit beschnitten. Die Themen eines Bürgerentscheids sind immer ortsbezogen, daher sind die Auseinandersetzungen auch immer hoch emotional. Ich selbst habe in Oberammergau drei Bürgerentscheide durchgeführt. Jeder Wahlkampf war aufgrund der Emotionalität und Härte, mit denen Bür