Vielen Dank, Herr Staatsminister. Zwischenfragen und Zwischeninterventionen sind bei Aktuellen Stunden leider nicht vorgesehen. Sie müssen sich also jetzt sozusagen bilateral über die offen gebliebenen Fragen austauschen. Die Aktuelle Stunde ist hiermit beendet.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Gerhard Wägemann, Georg Eisenreich, Peter Schmid u. a. (CSU), Thomas Hacker, Julika Sandt, Brigitte Meyer u. a. (FDP) zur Änderung des Gesetzes über den Bayerischen Landessportbeirat (Drs. 16/4688) - Erste Lesung
Dieser Gesetzentwurf soll ohne Aussprache an den federführenden Ausschuss überwiesen werden. Dies ist der Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Wer mit der Überweisung an diesen Ausschuss einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen?- Stimmenthaltungen? - Das war einstimmig. Damit wird der Gesetzentwurf dem Bildungsausschuss federführend zugewiesen.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes und weiterer Vorschriften (Drs. 16/4707) - Erste Lesung
Dieser Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung begründet. Herr Staatsminister Dr. Spaenle hat hierzu um das Wort gebeten.
Herr Präsident, Hohes Haus! Wir stehen heute an einem ganz zentralen Punkt der bildungspolitischen Arbeit dieser Legislaturperiode. Wir hatten gerade die Möglichkeit, an einem wichtigen Element im differenzierten Schulwesen die Weiterentwicklung darstellen zu können. Wir kommen zu einem Komplex von Themenstellungen, die den bildungspolitischen strategischen Ansatz verfolgen, die Qualität des differenzierten Bildungswesens mit der Gerechtigkeit, der individuellen Betreuung, Begleitung und Möglichkeit zum Ausschöpfen der Chancen zu verknüpfen.
Wir wollen mit diesem komplexen Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen - BayEUG - und des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes für eine der drei Kernschularten, die für ein Drittel der Schülerinnen und Schüler in Bayern nach wie vor ihre Bildungsheimat darstellt, nämlich die Hauptschule, hin zur bayerischen Mittelschule die entsprechenden Grundlagen schaffen. Wir wollen für die Hauptschule auf dem Weg zur bayerischen Mittelschule hinsichtlich der Strategie der Weiterentwicklung der Alleinstellungsmerkmale, die diese Schulart und nur diese Schulart aufweist - insbesondere die Vorbereitung auf die duale Ausbildung, auf die klassische Lehre in der Weiterentwicklung, in der vertieften Berufsorientierung -, entsprechende Angebote schaffen, die für die jungen Menschen einen optimalen Start in ihre Lebenslaufbahn ermöglichen.
Wir wollen das koppeln mit der Einführung einer flächendeckenden modularen Förderung, die eine Intensivierungsstunde nach dem Vorbild des Gymnasiums mit doppelter Lehrerbesetzung zum kommenden Schuljahr möglich machen wird. Wir wollen flächendeckende Ganztagesangebote und entsprechende Kooperationsmodelle insbesondere mit den beruflichen Schulen verwirklichen. Das sind Kernelemente der bayerischen Mittelschule. Wir wollen den mittleren Abschluss dadurch weiterentwickeln, dass wir zum ersten Mal die durch die Kultusministerkonferenz verabschiedeten Standards für den mittleren Abschluss in einer gesamten Schulart in Bayern implementieren. Das bedeutet insbesondere für das Fach Englisch ein Weiterentwickeln des Anforderungsniveaus.
Das sind alles Alleinstellungsmerkmale, die in dieser Form nur die bayerische Mittelschule aufzuweisen hat und aufweisen wird. Wir verfolgen mit dem Ziel, ein interessantes Schullaufbahnangebot zu machen, eine zweite Strategie und stehen hier unter den Ländern alleine - nicht deswegen, weil wir uns mit Krachlederhosen besonders nach außen profilieren wollen, sondern weil wir in Bayern eine besondere Voraussetzung haben. Wir haben den größten Flächenstaat der Republik mit knapp 1.000 Hauptschulstandorten, mit denen wir dem Anspruch, ein wohnortnahes weiterführendes Schulangebot dauerhaft vorzuhalten und damit auch eine Stärkung der ländlichen Räume zu erzielen, in besonderem Maße gerecht werden wollen. Das wird erheblichen Ressourceneinsatz erfordern.
Wir wollen das tun, indem wir die einzelne Schule in den Mittelpunkt stellen. Wir wollen es tun mit einem weiterentwickelten eigenverantwortlichen Schulverbund und unter dessen Dach im Gegensatz zum Schulverband, der seit den 60er-Jahren als Schulorganisationsinstrument bekannt ist, jede Einzelschule schulrechtlich selbstständig erhalten. Es werden im Gegenteil Regel
ungen, die bisher zwingend zur Schließung einer kleinen einzügigen Hauptschule geführt haben, nämlich das Unterschreiten der Klassenmindeststärke von 15 oder das dauerhafte Nicht-mehr-Schaffen der Jahrgangsstufenfolge von 5 bis 9, für Schulen, die unter dem Dach eines Schulverbundes stehen, außer Kraft gesetzt. Sie werden durch das Dach des Mittelschulverbundes abgegolten.
Wir wollen im Rahmen dieser Strategie, die wir mit einem völlig neuen bildungspolitischen Instrument, nämlich dem Dialogforum, haben, das wir inzwischen in fast 80 Landkreisen und kreisfreien Städten durchgeführt oder terminiert haben, mit den Betroffenen vor Ort diskutieren. Wir wollen die bildungspolitischen Leitentscheidungen mit den Betroffenen begleiten, diskutieren und vor Ort passgenaue Lösungen finden wie das Modell in Oberstaufen, wo wir ganz besonderen geographischen Verhältnissen Rechnung tragen können, bis zur Situation, die wir in den Flächenlandkreisen Ostbayerns zu gestalten haben. Wir wollen in besonderer Weise ein weiterführendes wohnortnahes Schulangebot, das ein Stück Lebensqualität und ein Stück Bildungsgerechtigkeit bedeutet. Mit dieser zweiten Säule der Mittelschulstrategie wollen wir der besonderen Anforderung, Bildungsgerechtigkeit im Freistaat Bayern, dem größten Flächenland der Republik, zu erreichen, nahekommen.
Wir wollen einige weitere Elemente aufgreifen und zum Beispiel im Bereich der Privatschulfinanzierung die Anwartschaftszeiten senken. Wir wollen den Pflichteinschulungstermin auf den 1. Oktober bzw. auf den letzten Tag im September rückverlegen, um den Eltern nach diesem Stichtag die Möglichkeit zu eröffnen, der Entwicklung ihres Kindes gemäß die entsprechenden Anträge auf Einschulung zu stellen. Wir bleiben damit unserer Strategie, individuelle Betreuung statt Einheitsschule zu leisten und Qualität im differenzierten Schulsystem mit Gerechtigkeit in besonderer Weise zu verbinden, treu und folgen ihr in diesem zentralen Punkt.
Danke schön, Herr Staatsminister. Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Erster Redner ist Herr Kollege Güll. Ihm folgt Herr Kollege Taubeneder. Herr Kollege Güll, Sie haben das Wort. Fünf Minuten Redezeit pro Fraktion sind möglich. Bitte sehr.
Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Dinge fallen mir bei dem Gesetzentwurf sofort auf, obwohl es immerhin 168 Seiten sind. Kosten für die Kommunen: keine. Alternativen: auch keine. Nun kennen wir das schon. Bei der R 6 hieß
es damals auch, Kosten für die Kommunen: keine. Millionen Euro sind mittlerweile aufgelaufen. Immer wenn ein Gesetzentwurf erarbeitet wird, muss es wohl so sein, dass keine Alternativen vorhanden sind. Aber an diesem Punkt sieht man, dass Sie sich keine Mühe gemacht haben, das Kernproblem dieses Gesetzentwurfs -
- In der Schule würde man jetzt ein bisschen warten, bis der Minister Zeit hat, zuzuhören. Vielleicht muss ich das aber auch nicht, vielleicht ist er multitaskingfähig.
Um zurückzukehren zu dem Gesetzentwurf: Ich will mich heute nur auf den Teil der Einführung der Mittelschule beziehen. Es gibt eine Reihe von anderen Dingen, die noch dazugehören.
Bezogen auf das neue Mittelschulkonzept, das Konzept der Schulverbünde und die Dialogforen kann man jetzt schon feststellen - der Gesetzentwurf trägt immerhin das Datum 27. April -, dass keine Alternativen wirklich gesucht worden sind.
Herr Dr. Spaenle hat wie immer in das Kultusministerium hineingerufen und nach der Lösung für ein Problem gefragt, das zweifellos da ist - das bestreiten wir gar nicht -: nämlich der Rückgang der Schülerzahl aus demographischen Gründen, das Verhalten der Eltern beim Übertritt, der Abzug der Schüler aus den Hauptschulen. Herausgekommen ist eine Alternative oder Lösung innerhalb der Leitplanken des Artikels 32 BayEUG. Man darf nämlich keine wirklichen Alternativen nennen, sondern sie müssen innerhalb der Leitplanken des Artikels 32 sein. Man hat es ganz schlau gemacht. Nachdem man gemerkt hat, dass die Proteste immer größer werden, hat man gesagt, dass man den Artikel 32 belässt und einen Artikel 32 a einfügt. Je nachdem, wer sich mit den Mittelschulen nicht arrangieren kann, der wird nach Artikel 32 BayEUG behandelt und möglicherweise Gefahr laufen, dass seine Schule aufgelöst wird, und der Rest muss sich entwickeln.
Warum sage ich das? - Weil damit für die Kommunen ganz schnell ein Druck entstanden ist, den Sie immer bestreiten. Sie bestreiten, dass das Kultusministerium diesen Druck jemals wollte. Aber die Kommunen und die Schulämter haben daraus gelesen: Wenn sie nicht noch schnell vor der Beratung des Gesetzentwurfs im Parlament dieses auf den Weg bringen, dann werden sie abgehängt.
Sehr geehrte Damen und Herren, ein normales Verfahren wäre folgendermaßen: Man stellt fest, dass man ein Problem hat, eine Baustelle, die beseitigt werden muss. Dann sucht man nach Lösungen. Das ist vollkommen legitim. Es ist vollkommen in Ordnung, dass das Ministerium das macht. Dann stellt man diese Lösungen zur Diskussion. Wenn man zu einem Ergebnis gekommen ist, ändert man das Gesetz. Dann geht man in die Fläche und versucht, das umzusetzen. Ich würde sagen, wir haben immer noch die Arroganz der Macht.
Es wird ein Vorschlag gemacht, und man ist davon überzeugt, dass das, was man als Gesetzentwurf einbringt, sowieso beschlossen wird. Also kann man es gleich einführen, man muss gar nicht mehr warten, bis es umgesetzt wird.
Die Kommunen haben aber ein Riesenproblem. Sie schließen Zweckvereinbarungen, ohne dass das Gesetz beschlossen ist. Mittlerweile sagen viele, wir lassen die Finger davon, und beurteilen die Umsetzung durchaus kritisch. Ich bin sehr gespannt, was die parlamentarische Beratung tatsächlich noch bringt. Unserer Erkenntnis nach sind die Anhörungen der Verbände durchaus sehr kritisch verlaufen. Eigentlich hört man landauf, landab nur negative Erkenntnisse und große Zweifel, dass das tragfähig ist, große Zweifel, dass diese Bildungsreform wirklich das Ziel erreicht, nämlich die Attraktivität der Hauptschule zu stärken und die Schulstandorte zu erhalten.
Auch hier gilt - deshalb haben wir das als Opposition immer wieder eingefordert -, man hätte die Baustelle in Ruhe beleuchten, gemeinsam nach einer tragfähigen Lösung suchen und mit den entsprechenden Partnern die Lösung ausarbeiten sollen; denn eines gilt in der Bildungspolitik nach wie vor: Nur was auf breiter Basis konsensfähig ist, kann man in der Gesellschaft wirklich durchsetzen. Damit hätte man wahrscheinlich die letzte Chance nicht vertan, in unserem bayerischen Bildungssystem eine Spur nach vorn zu kommen.
Was jetzt durch den Gesetzentwurf passiert, ist ein Rückschritt. Das ist keine Weiterentwicklung der Hauptschule. Ich muss eigentlich fast dankbar sein. Denn dieser Gesetzentwurf wird sicherlich eine Kernauseinandersetzung im nächsten Wahlkampf 2012 sein. Wenn man sieht, dass die Umsetzung nicht klappt, dann werden wir das hier ernsthaft diskutieren. Da kann ich jetzt schon sagen, vielen Dank für diese Wahlkampfauseinandersetzung, die wir von Ihnen geschenkt bekommen.
Ich freue mich auf eine interessante Debatte in den Ausschüssen, die aber wahrscheinlich fruchtlos sein wird. Denn nach Ihren Vorstellungen wird ohnehin
nichts mehr geändert. Trotzdem werden wir um jedes Komma streiten, um im Interesse der Kinder bessere Lösungen zu suchen.
Danke schön, Herr Kollege Güll. Herr Kollege Taubeneder ist schon auf dem Weg zum Rednerpult. Die nächste Rednerin nach ihm ist Frau Gottstein.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Güll, wir haben große Angst vor der nächsten Wahlkampfauseinandersetzung, ganz große Angst.
Herr Güll, Sie wissen, dass wir gerade über die Mittelschule einen intensiven Dialog geführt haben. Da von "Arroganz der Macht" zu reden, ist weit überzogen. Das möchte ich deutlich zurückweisen.
Kernpunkt dieser Gesetzesänderung sind die bayerische Mittelschule und vor allen Dingen die daraus resultierenden Schulverbünde. Das Bildungsangebot der Hauptschule muss weiterentwickelt werden - daran gibt es, denke ich, keinen Zweifel -, um den gesamtgesellschaftlichen Anforderungen und den spezifischen Herausforderungen auch gerecht zu werden. Ich nenne nur zwei Punkte: Wissensgesellschaft und Fachkräftemangel.
Die jetzt geltende Regelung sieht die Auflösung von Hauptschulen vor, wenn dauerhaft nicht mehr genügend Schüler in einer Klasse sind, nämlich wenn die Klassenstärke auf eine Zahl unter 15 zurückgeht. Aufgrund der aktuellen Zahlen muss man davon ausgehen, dass ein großer Teil der Schulen von dieser Prognose betroffen ist und somit geschlossen bzw. benachbarten Schulen angeschlossen werden müsste. Gerade der ländliche Raum hätte dann viele Hauptschulstandorte weniger, und die Schulwege würden länger werden.
Neben dem Erhalt der Schulstandorte geht es vor allem um die fachlich-inhaltlichen Herausforderungen, nämlich Schülerinnen und Schülern durch ein begabungsgerechtes und differenziertes Angebot mit praxisbezogener und berufsorientierter Schwerpunktsetzung die bestmöglichen Chancen auf eine berufliche Ausbildung oder eine weitere schulische Laufbahn zu geben. Wahlmöglichkeiten im Bereich vertiefte Berufsorientierung, Ganztagsangebote und ein mittlerer Bildungsabschluss - das sind die Schwerpunkte - können kleine Hauptschulstandorte nicht mehr anbieten. Das geht
einfach nicht mehr. Darum ist es notwendig, eine qualitative Verbesserung durch Optimierung der Schulstrukturen zu erreichen. Darum können sich Hauptschulen zu bayerischen Mittelschulen weiterentwickeln, es können Schulverbünde als institutionalisierte Form der Zusammenarbeit benachbarter Hauptschulen gegründet werden. Ein einheitlicher Sprengel erreicht dann, dass allen Schülerinnen und Schülern dieses breite Angebot ermöglicht wird, und das ist schließlich die Hauptaufgabe. Zuständigkeiten und Verfahren zur Entscheidungsfindung werden dabei so geregelt, dass ein Höchstmaß an Verantwortung vor Ort verbleiben kann.
Übrigens kommt das Dialogforum - Herr Güll, das wissen Sie auch - sehr gut draußen, gerade bei den Sachaufwandsträgern, an.
- Sicher. Bestens kommt sie an. Ich war doch dabei. Wir haben uns abgesprochen. Alle Bürgermeister sagen: Das ist eine neue Form der Entscheidungskultur, die wir haben wollen. Und Kosten - damit wir uns auch darüber unterhalten - haben die Hauptschulen auch jetzt im Sachaufwand, und die sind nachher nicht viel mehr.