Protokoll der Sitzung vom 10.06.2010

Frau Meyer, ich habe dazu noch eine Frage, denn Sie sagten, das Angebot auf Beratung sei vorhanden. Das stimmt, aber das Angebot zur anonymen Geburt ist grottenschlecht und quasi gar nicht vorhanden. Wissen Sie, warum? Weil eine Rechtsunsicherheit besteht. Wir wollen das Angebot der anonymen Geburt den Schwangeren mitteilen, ehe sie sich anders entscheiden. Deswegen wollen wir genau zu diesem Punkt der anonymen Geburt Rechtssicherheit haben und damit auch das Beratungsangebot. Deswegen können Sie eigentlich nicht gegen diesen Kernpunkt des SPD-Antrages sein.

Das sind zwei verschiedene Dinge. Sie reden von dem Beratungsangebot und von Rechtssicherheit. Zum Punkt Rechtssicherheit habe ich mich geäußert und habe gesagt, dass sie in der letzten Koalition leider nicht abschließend behandelt wurde, obwohl sie auch im Koalitionsvertrag stand. Wir haben sie jetzt wieder im Koalitionsvertrag, und ich hoffe, dass wir hier erfolgreicher sein werden.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Da gibt es kein Beratungsangebot!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Meyer. Jetzt kommt eine Äußerung von Frau Staatsministerin Merk. - Entschuldigung Frau Dr. Strohmayr, ich bitte um Entschuldigung, ich habe Sie übersehen. Ihre Meldung war aber noch rechtzeitig. Sie möchten noch eine Zwischenbemerkung machen, Frau Dr. Strohmayr?

Ja. Ich wollte noch nachfassen. Es geht genau darum, nämlich um die anonyme Beratung. Sie ist das Problem. Es gibt zu wenig Beratung zur anonymen Geburt, weil wir die entsprechende Rechtslage nicht geklärt haben und weil wir nicht damit werben können. Stellen, die diese Beratung anbieten, können nicht damit werben, weil die Rechtslage noch unklar ist. Auch aus diesem Grund hatten wir unseren Antrag so formuliert, nämlich etwas weiter gehend, als die Freien Wähler ihren Antrag formuliert haben.

Wir sind uns darin einig, dass die anonyme Beratung weiter forciert und ausgebaut werden soll und dass wir dazu Rechtssicherheit brauchen. Das ist keine Frage. Die Beratungsangebote, die wir hier in Bayern allgemein haben, sind aus unserer Sicht schon sehr stark. Ich kann nicht sagen, dass sie ausreichend sind, weil solche Dinge immer noch besser gemacht werden können, aber wir haben ein breites, bereits bestehendes Netz.

Vielen Dank. Jetzt, Frau Staatministerin, haben Sie das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Im Statement von Frau Dr. Strohmayr von der SPD war eine unrichtige Erklärung enthalten; zum Teil wird von ihr auch der Anschein hervorgerufen, dass nicht alle drei Punkte, die sie angesprochen hat, von uns geteilt würden. Deshalb muss ich hier noch einmal Stellung nehmen.

Ich sage ganz klar: Erstens gibt es keinerlei Zustimmung von uns und kein Verständnis für die Erklärungen des Ethikrates, wenn es um anonyme Geburten oder Babyklappen geht. Dazu haben wir uns klar ge

äußert, die CSU-Fraktion genauso wie Frau Kollegin Haderthauer und ich.

(Beifall bei der CSU)

Zweitens. Wir wollen zum einen die umfassende Beratung beibehalten und sie, wo es notwendig ist, auch breiter aufstellen. Das ist aber derzeit nicht der Fall, wie wir bei unserer Abfrage erfahren haben. Wir wollen selbstverständlich alles dafür tun, die vorhandenen Babyklappen zu erhalten und dort Babyklappen zu eröffnen, wo es entsprechende Initiativen gibt. Dafür ist unsere Unterstützung da. Auch das haben wir explizit gesagt.

Drittens. Ich sage klipp und klar: Die Behauptung, dass ich mich in irgendeiner Weise gegen eine anonyme Geburt ausgesprochen habe ist falsch. Genau das Gegenteil ist der Fall. Dazu muss ich sagen: Wir sind hier rechtlich in einer außerordentlich schwierigen Situation. Denn auf der einen Seite haben Kinder das Recht zu wissen, wer ihre Eltern sind, weil das für ihr Aufwachsen wichtig ist. Auf der anderen Seite ist es selbstverständlich, dass in einer Krisen- oder Notsituation das Leben des Kindes zuallererst zu retten ist. Jedem, der sich gegen einen Antrag gewendet hat, den ich eingebracht habe - das waren mehrere Male -, eine anonyme Geburt auch rechtlich zu regeln, habe ich entgegengehalten: Kein totes Kind interessiert sich dafür, wer seine Eltern sind. Deswegen ist zuallererst einmal wichtig, dass die schwangere Frau, die gebären will, und das Kind, das zur Welt kommt, ärztliche Hilfe haben. Ein Geburtsvorgang muss ärztlich begleitet werden, egal in welcher Situation sich die Mutter befindet, auch wenn sie größte Schwierigkeiten hat. Das muss gewährleistet sein.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen doch, dass man ein Gesetz nur dann auf den Weg bringen kann, wenn man dafür auch die erforderliche Mehrheit hat. Diese Mehrheit gibt es bislang in diesem Land leider nicht. Das Votum des Ethikrates zeigt auch sehr deutlich, dass es noch ganz andere Einschätzungen der Situation gibt. Deswegen haben wir für Bayern das getan, was wir tun können. Frau Kollegin Haderthauer hat das mit dem Bewusstsein getan, dass wir vor allen Dingen im Bereich der Beratung deutlich machen müssen, dass wir Müttern in schwierigen Situationen klarmachen, dass es auch die Möglichkeit einer anonymen Geburt gibt. Das wird gesagt. Zweitens wissen diejenigen, die eine anonyme Geburt gewährleisten, die Ärzte und das Pflegepersonal, wie sie sich verhalten müssen, damit sie eben nicht in einem Graubereich arbeiten und damit sie nicht Gefahr laufen, hinterher in irgendeiner Art und Weise einer Strafverfolgung ausgesetzt zu sein. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass auch hier die

Kontakte bestehen und dass hier vonseiten der Staatsregierung die entsprechenden Informationen und Hilfestellungen gegeben werden. Hier stellen wir uns natürlich auf die Seite der Mütter und der zu gebärenden Kinder.

Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja.

Frau Merk, Sie haben hier behauptet, ich habe hier Falsches geredet. Ich lese hier in der "Süddeutschen Zeitung" - leider habe ich das Datum nicht mehr da -, Sie seien für die vertrauliche Geburt. Da heißt es ausdrücklich: "Vollständig anonyme Geburten im Krankenhaus, bei denen die Kinder die Identität der Eltern ihr Leben lang nicht erfahren, will Merk ebenfalls legalisieren, aber nur in extremen Ausnahmefällen." Das ist genau der Punkt, den ich problematisch finde. Es schreckt nämlich Frauen schon wieder ab, wenn es Bedingungen gibt, die sie erfüllen müssen.

Es geht hier um ein verfassungsrechtliches Prinzip: Kinder haben das Recht, den Namen ihrer Eltern zu kennen. Wir bewegen uns in dem Bereich, sagen zu müssen: Wie wägen wir ab? Wenn eine Mutter nicht in der Lage ist, ihren Namen zu nennen - das ist nun einmal eine Angelegenheit der Mutter, die in jedem einzelnen, konkreten Fall anders gesehen werden kann -, muss es die Möglichkeit der anonymen Geburt geben. In jedem Fall, in dem es der Mutter nicht möglich ist, sich zu offenbaren, muss es die Möglichkeit einer anonymen Geburt geben. Das gilt aber nicht, wenn jemand meint, er mag das jetzt gerade einmal nicht, denn dann würden wir, und das muss ich noch einmal ganz deutlich betonen, die Rechte der Kinder tangieren.

Letztlich geht es darum, dass in allen Fällen die Kinder die Möglichkeit haben, ärztliche Hilfe zu bekommen. Denn wir wissen, wie gefahrvoll eine Geburt sein kann. Es ist dringend notwendig, dass Kinder hier ärztliche Hilfe haben, genauso wie die gebärenden Mütter. Deswegen haben wir auch ganz klar gesagt, dass unsere Präferenz nicht auf der Babyklappe liegt, sondern einen Schritt weiter vorne. Der Zeitpunkt, zu dem die Kinder zur Welt kommen, ist uns wichtig; hier wollen wir ansetzen. Deswegen liegt die Präferenz dabei, allen Müttern die Möglichkeit zu geben, mit ärztlicher Hilfe gebären zu können. Damit gibt es die anonyme, aber auch die geheime Geburt. Der Begriff "geheime Geburt" besagt nach meiner Vorstellung - und so hatte ich auch meinen Gesetz

entwurf ausgestaltet -, dass der Name der Mutter dem Kind nicht bekannt gegeben wird, sondern beim Standesamt hinterlegt wird. Im 16. Lebensjahr sollte das Kind nach dem Namen der Mutter fragen können; vor der Bekanntgabe des Namens sollte aber bei der Mutter noch einmal nachgefragt werden, ob die Situation fortbestehe, in der sie sich nicht offenbaren zu können glaubt. Darauf sollte dann Rücksicht genommen werden. - So war es dargestellt. Das war mein Bemühen. Ich muss aber sagen: Dieses Bemühen war bislang leider erfolglos, weil mir immer wieder das formalistische Argument entgegengehalten worden ist: In jedem Fall ist zuallererst das Kind zu informieren, wie die Eltern heißen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich, dass wir in dieser Hinsicht in diesem Hause Einstimmigkeit haben. Trotzdem muss ich sagen: Ich bedaure sehr, dass von der SPD der Anschein erweckt wird, als ob diese drei Punkte in Bayern so noch nicht gegeben seien. Ich kann bestätigen - und das freut mich auch sehr -, dass sowohl die Beratung als auch die Möglichkeit der anonymen Geburt bei uns vorhanden sind, dass sie gestützt werden und dass wir ebenso die Hand über die Babyklappen halten, wo sie existieren. Die Kinder, ihre Gesundheit und die Gesundheit der Mütter gehen eindeutig vor. Hinter dieser Position stehen wir felsenfest. Das sage ich noch einmal ganz besonders im Namen der Kollegin Haderthauer und unserer Koalition.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Ich lasse zunächst über den Antrag der SPD auf der Drucksache 16/3086 abstimmen, Tagesordnungspunkt 11. Der federführende Ausschuss für Soziales, Familie

und Arbeit empfiehlt die Ablehnung. Wer entgegen dem Ausschuss dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion der Freien Wähler, die SPD und Teile der GRÜNEN. Gegenstimmen? - CSU und FDP. Stimmenthaltungen? - Eine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Nun lasse ich über den Antrag auf Drucksache 16/3240 abstimmen. Das ist der Antrag der Freien Wähler, Tagesordnungspunkt 12. Der federführende Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit empfiehlt die unveränderte Annahme. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Ich fange von links an. Das sind Teile der Fraktionen der GRÜNEN, der SPD, der Freien Wähler, der FDP und der CSU. Gegenstimmen? - Eine bei den GRÜNEN. Enthaltungen? - Keine. Damit wurde dem Antrag zugestimmt.

Ich gebe jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Georg Schmid, Karl Freller und anderer und Fraktion der CSU sowie der Abgeordneten Hacker, Klein, Dr. Kirschner und anderer und Fraktion der FDP, betreffend "Anreizgerechte Gestaltung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs auf den Weg bringen", Drucksache 16/5026, bekannt. Mit Ja haben 99 gestimmt. Mit Nein haben 42 gestimmt. Es gibt zwei Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 5)

Meine Damen und Herren, mit Blick auf die Uhr können wir keinen Tagesordnungspunkt mehr aufrufen. Ich schließe damit die Sitzung und wünsche Ihnen eine gute Heimfahrt sowie ein schönes Wochenende.

(Schluss: 17.42 Uhr)