Protokoll der Sitzung vom 15.06.2010

Wie kann diese Kontrolle wirksam ausgestaltet werden? Wie es in der Vergangenheit war bzw. jetzige Rechtslage noch ist, ist dies absolut unzureichend. Das Parlamentarische Kontrollgremium ist bisher nur ein Berichtsempfänger, und die Berichte kommen zudem immer nur über den Filter Innenministerium. Die Staatsregierung kann nach diesem Gesetz, selbst wenn sie unsere Fragen natürlich immer beantwortet, wenn auch nicht umfassend - es bleiben schon immer noch Fragen offen -, die Inhalte bestimmen. Es ist also Handlungsbedarf.

Deshalb haben wir auch mit Blick auf Berlin im Herbst unseren Gesetzentwurf eingebracht. Er orientiert sich an der Rechtslage auf Bundesebene, sieht aber zusätzliche Informationsrechte für die einzelnen Mitglieder des Gremiums sowie weitere Verbesserungen vor.

Weil ich versucht habe, interfraktionell einen Vorschlag auf den Weg zu bringen, bin ich auf die anderen Fraktionen zugegangen. Wir haben es auch geschafft - Dank auch an Herrn Dr. Weiß -, die interfraktionelle Arbeitsgruppe unter seiner Leitung ins Leben zu rufen. Ich denke, wir haben auch ein paar Dinge von GRÜNEN-Seite in diesen interfraktionellen Entwurf hineingebracht. Wir haben den Anstoß zu einer deutlichen Verbesserung gegeben. Insoweit bin ich durchaus zufrieden, dass dieser Gesetzentwurf heute vorgelegt worden ist.

Aber wichtige Punkte halten wir nicht für ausreichend. Wesentliche Unterschiede sind die starke Position für die Kontrolleure, das Akteneinsichtsrecht für jedes einzelne PKG-Mitglied, das Betretungsrecht der Behörde, die Berichte auf Verlangen eines einzelnen Mitglieds. Nach eurem Vorschlag müsste, wenn es Streit gibt, eine Mehrheitsentscheidung getroffen wer

den, ob über ein bestimmtes Thema überhaupt berichtet wird oder dieses untersucht wird, und das gilt auch für die Erlaubnis für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesamts, sich an die einzelnen Mitglieder des Gremiums zu wenden und nicht an das Gesamtgremium, ohne dienstliche Nachteile befürchten zu müssen.

Was wir nicht vorgesehen haben, weil wir das für überflüssig halten, sind Zweidrittelmehrheiten für wichtige Entscheidungen bezüglich Geheimhaltungspflicht oder Einschaltung externer Sachverständiger. Da reicht uns eine einfache Mehrheit.

Wir haben aber auch zusätzliche Regelungen aufgenommen: die Möglichkeit, die Geheimhaltung von Sitzungen herabzustufen oder Fraktionsvorsitzende über Dinge zu informieren, die politische Auswirkungen haben können, oder personelle Unterstützung zusätzlich mit hineinzunehmen. Wir haben die Eröffnung des Rechtsweges zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof ausdrücklich erwähnt, mit hineingeschrieben und als Minderheitenrecht ausgestaltet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Fazit: Der Gesetzentwurf geht zwar in die richtige Richtung. Wir hätten interfraktionell mitgemacht, wenn noch einige unserer Punkte aufgenommen worden wären. So bleiben wir jetzt bei unserem Gesetzentwurf. Aber dennoch freue ich mich, dass unser Anstoß wenigstens zu dieser Verbesserung führen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDP bitte ich Herrn Dr. Fischer ans Pult.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Um Sicherheit durch Prävention zu erreichen, brauchen wir die Arbeit des Verfassungsschutzes. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich diese Arbeit im Geheimen bewegt. Eine wehrhafte Demokratie braucht einen leistungsfähigen Verfassungsschutz. Sie braucht aber auch eine funktionierende parlamentarische Kontrolle.

Lassen Sie mich in der Ersten Lesung drei Aspekte näher beleuchten. Zum einen: Es freut auch mich ganz besonders, dass wir hier ein gemeinsames Handeln von Regierungs- und Oppositionsparteien erleben. Das ist Ausdruck eines neuen Politikstils, und ich glaube, es ist nicht unangemessen, wenn ich an dieser Stelle betone, dass das vielleicht durch die Anwesenheit zweier neuer Fraktionen im Bayerischen Landtag möglich geworden ist.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der Freien Wähler)

Da spielt es keine Rolle, welche Idee von wem ist, sondern nur, ob sie gut ist. Es ist ein Beitrag gegen Politikverdrossenheit, gegen das Gefühl in der Bevölkerung, "die da oben" machen, was sie wollen, oder streiten bloß.

Der zweite Aspekt betrifft den Inhalt. Das PKG-Gesetz bringt eine Reihe von wesentlichen Verbesserungen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Auch ich fühle mich im Augenblick durch das Bayerische Staatsministerium des Innern gut informiert. Wenn wir im PKG Fragen haben, bekommen wir die nötigen Informationen und Materialien. Aber für mein Selbstverständnis als Parlamentarier reicht es eben nicht aus, auf den Goodwill der Exekutive angewiesen zu sein, auch nicht, wenn dieser Goodwill vorhanden ist. Ich möchte nicht am Informationstropf des Ministeriums hängen und gnadenhalber mit Inhalten gefüttert werden. Ich halte es für angemessen, wenn wir das auch als gesetzlichen Anspruch ausgestalten. Darin liegt der wesentliche Unterschied.

(Beifall des Abgeordneten Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer (FW))

Betonen möchte ich aber auch, dass wir ein PKG schaffen werden, das im Vergleich zu den meisten anderen Bundesländern erheblich mehr Rechte besitzt. Wir werden eine ganze Reihe zusätzlicher Rechte einführen. Die Zeit reicht nicht aus, das alles bei der Ersten Lesung zu beleuchten.

Lassen Sie mich aber zum Dritten noch ganz kurz auf einige Kritikpunkte der GRÜNEN eingehen, die bedauerlicherweise den fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf nicht mittragen. Um es gleich deutlich zu sagen: Ich teile diese Kritik auch nicht im Ansatz, und zwar nicht aus Koalitionsräson, die es bei diesem Thema sowieso nicht gibt, sondern aus Überzeugung.

Der erste Einwand betrifft das Erfordernis von Zweidrittelmehrheiten. Hier muss man deutlich sagen, dass diese qualifizierte Mehrheit nur zweimal vorgesehen ist, nämlich bei der Ausnahme von der Pflicht zur Geheimhaltung zur Beratung und Bewertung von Vorgängen und bei der Beauftragung von Sachverständigen. Sie gilt beispielsweise - und das ist anders als im Bundesrecht - nicht für das viel wichtigere Klagerecht des Gremiums und auch nicht für sonstige Rechte. In der Praxis spielt dieser Kritikpunkt kaum eine Rolle.

Der zweite Einwand betrifft den Aspekt, dass alle Rechte - Frau Tausendfreund hat es ausgeführt - nur dem Gremium als Ganzem und nicht den einzelnen

Mitgliedern zustehen. Hier gibt es zwei Argumente. Das eine: Solche Individualrechte passen nicht in das System. Das ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist für mich das Zweite: Wir haben das Glück, dass in diesem Bayerischen Landtag nur Parteien und Gruppierungen vertreten sind, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Wir müssen aber in Betracht ziehen, dass sich so etwas ändern kann, dass hier auch eine rechts- oder linksextremistische Gruppierung sitzen könnte, auch wenn wir alle das nicht hoffen. Dann bestünde ganz massiv die Gefahr, dass einzelne Abgeordnete, wenn man ihnen solche Rechte einräumen würde, das PKG für ihr persönliches Ziel, ja vielleicht sogar für ihre verfassungsfeindlichen Ziele missbrauchen. Das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, möchte ich nicht.

Deswegen meine ich, dass unser gemeinsamer Gesetzentwurf der vier Fraktionen übergreifend eine vernünftige, eine tragfähige Lösung ist, und ich freue mich über dieses positive Signal in diesem Haus.

(Beifall bei der FDP)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir haben im Ältestenrat beschlossen, diesen Gesetzentwurf dem federführenden Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit zu überweisen. Besteht damit Einverständnis, dieser Beschlusslage zu folgen? - Gegenstimmen? - Sehe ich keine. Enthaltungen? - Auch nicht. Dann wird so verfahren.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Abstimmung über Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. a. Anlage 1)

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(Siehe Anlage 1)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Auch nicht. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Antrag der Abgeordneten Franz Schindler, Horst Arnold, Prof. Dr. Peter Paul Gantzer u. a. (SPD)

Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP im Bereich Jugendstrafrecht nicht umsetzen (Drs. 16/2937)

Ich eröffne die Aussprache. Der erste Redner ist Herr Kollege Arnold von der SPD.

Frau Präsidentin! "Zeigen, wo der Hammer hängt." Immer, wenn in dieser Zeit gravierende Straftaten von Jugendlichen oder Heranwachsenden begangen werden, setzt in Teilen der Politik, gleichsam wie ein Pawlowscher Reflex, hektische Aktivität zur Reparatur eines vermeintlichen Missstands ein. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft sagt dazu, dass es sich hier um AlibiPolitik handle.

Im Koalitionsvertrag wird gefordert, bei Mord eine Jugendstrafe von 15 Jahren zu verhängen. Neben der Jugendstrafe soll ein sogenannter Warnschussarrest eingeführt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Jugendstrafrecht dient vornehmlich der Erziehung und, das ist wahr, auch der Abschreckung. Kriminologen und vor allem alle Praktiker sind sich einig: In diesem Land wäre kein Mord durch eine erhöhte Strafandrohung verhindert worden.

Welche Erziehungserfolge würden sich bei einem tatsächlichen Vollzug von 15 Jahren einstellen? Eine Erziehung über einen Zeitraum von 15 Jahren ist schwer vorstellbar. Ihnen geht es also um Sühne oder, deutlicher gesagt, um Rache. Sie wollen populistisch zeigen, wo der Hammer hängt. Das ist weder sach- noch fach- oder menschengerecht. Ich sage: Im Rahmen dieses Zweckes ist das auch unchristlich. Deswegen lehnen wir von der SPD eine Jugendstrafe von 15 Jahren ab.

Zum Warnschussarrest: Die meisten kriminellen Karrieren beginnen mit der Verhängung von Freizeitarresten. Diese Arreste sind nach dem Strafrecht zu verhängen, wenn keine sogenannten schädlichen Neigungen vorliegen. Laut einer Statistik des Bundesjustizministeriums ist der Effekt dieser Arreste eine Rückfallquote von 70 %. Wie sieht es aus, wenn eine Bewährung verhängt wird? Der Richter verkündet das Urteil: "Allein, es bedarf nicht des Strafvollzuges, um aus dem Verurteilten einen rechtskonformen Menschen zu machen." Im gleichen Moment wird ein Arrest verhängt. Kann dies einem jungen Menschen die Logik des Rechtsstaats vermitteln oder ist das die antizipierte Garantie einer Rückfallquote von 70 %?

Wenn schädliche Neigungen ausgeprägt sind, macht der Arrest aus dem Arrestanten in seinem Umfeld nach der Entlassung einen kleinen Helden oder einen Tycoon. Diese jungen Leute teilen ihrerseits ihrem

Umfeld mit, sie hätten der Justiz gezeigt, wo der Hammer hängt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie begründen Ihren Vorstoß mit einer verbesserten pädagogischen Reaktionsmöglichkeit. Dazu ist zu sagen, dass in den Arrestanstalten nach übereinstimmender Meinung die pädagogischen Betreuungsmöglichkeiten mehr als dürftig sind. Außerdem liegen zwischen der Anordnung und dem Vollzug des Arrestes häufig mehr als zwei Monate. Der pädagogisch richtige Ansatz einer solchen Maßnahme wäre - wenn überhaupt: Die Strafe folgt auf dem Fuß. Das verhindert jedoch Ihre missratene Personalpolitik. Über diese wollen Sie mit diesem Antrag hinwegtäuschen.

(Beifall bei der SPD)

Als Praktiker muss ich sagen: Ihre Vereinbarung im Koalitionsvertrag ist auch eine Misstrauenserklärung gegenüber den im Jugendstrafrecht Praktizierenden. Die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Gerichtshilfe, der 64. Deutsche Juristentag und die Deutsche Richtervereinigung, allesamt bestehend aus Praktikern, lehnen diesen Vorstoß mit dem Argument ab, dass das Jugendstrafrecht als solches genüge. Nicht ausreichend sind jedoch die Präventionsmaßnahmen, sozialpädagogische Maßnahmen und insbesondere die Stellung der Opfer, die verbessert werden muss.

Ministerpräsident Seehofer ist häufig in Berlin, um den koalitionären Burgfrieden - eigentlich müsste man "Ruinenfrieden" sagen - zu wahren oder herzustellen. Wir glauben, dass er diese Argumentation akzeptiert und auf die FDP einwirken wird, damit dieser Punkt des Koalitionsvertrags nicht umgesetzt wird. Wir als Praktiker und als diejenigen, die dem sozialen Gedanken verbunden und verpflichtet sind, sagen deshalb: Hände weg vom Jugendstrafrecht.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich Herrn Kollegen Dr. Rieger das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass auf Wunsch der CSU zu diesem Antrag eine namentliche Abstimmung stattfinden soll. Ich gebe das jetzt bekannt, damit wir die 15-Minuten-Frist einhalten können.

(Christine Kamm (GRÜNE): Sind die Brüder wieder nicht da?)

Ich habe keine Ahnung, welches Fußballspiel gerade läuft.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Keines!)

Ich erteile Herrn Kollegen Dr. Rieger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade lauter schöne Worte gehört, die aber leider an der Realität vorbeigehen. Realität ist, dass wir ein sehr flexibles Jugendstrafrecht haben. Hier stimme ich Herrn Kollegen Arnold zu. Wir haben alle Möglichkeiten für Sanktionen. Wir können Weisungen und Auflagen verhängen. Der Jugendrichter kann einen Jugendarrest oder eine Jugendstrafe verhängen. Er kann soziale Dienste oder Geldauflagen anordnen.