Ja, ich komme schon zur Frage. Betreiben Sie nicht durch diese Relativierung der geistesgeschichtlichen Wurzeln eine Unterscheidung zwischen Links- und Rechtsextremismus, obwohl Sie selbst sagen, dem Opfer ist es egal? Sagen Sie hier denn nicht, es sind zwei unterschiedliche Qualitäten? Und vor allem: Wenn Sie sagen, der Linksextremist ist nicht links, warum können Sie dann sagen, der Rechtsextremist ist rechts? Das ist genau dasselbe.
Herr Dr. Fischer, ich sage noch einmal das, was ich versucht habe, zum Ausdruck zu bringen, was mir möglicherweise nicht ganz gelungen ist: Ich wehre mich gegen - ich habe gesagt - die simple Gleichstellung, es sei alles extremistisch. Wenn ich mich bemühe, Prävention zu betreiben, habe ich den verschiedenen Geisteshintergrund mit zu bedenken. Ich sage noch einmal, zum dritten Mal, dass das überhaupt keine Auswirkungen haben kann auf die gesellschaftliche Ächtung von Gewalt, ob von links oder von rechts.
Aber wenn ich Prävention betreiben will, so muss ich mir doch die Freiheit nehmen, etwas genauer hinzuschauen. Das war der Sinn meiner Worte. Anders konnte und sollte man sie auch nicht verstehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, obwohl Sie entgegen Ihrer sonstigen Gewohnheit mit diesem Antrag keine Gesetzesverschärfungen fordern, was wir durchaus zur Kenntnis nehmen, werden wir ihm nicht zustimmen, und zwar deswegen, weil er einerseits, wie ich meine, Selbstverständlichkeiten enthält.
Ich habe versucht, sie herauszuarbeiten. Ansonsten fordert er Glaubensbekenntnisse ein, was Sie natürlich machen können, was uns aber nicht weiterhilft, weil der Antrag im Forderungsteil ein bisschen schwammig bleibt und den Eindruck erweckt, als müsste im Bereich der Aufklärungs- und Präventionsarbeit gegen Linksextremismus generell nachtgerüstet werden, weil man zu wenig hingeschaut hat. So ist es nicht, im Gegenteil. Ich halte es für geboten, bei der Beobachtung und Bewertung, zum Beispiel von VVN
BdA, aber auch von a.i.d.a. etwas mehr Augenmaß anzuwenden, als man es in der Vergangenheit gemacht hat.
Letzte Bemerkung, meine Damen und Herren, zur Begründung, warum wir nicht zustimmen können: Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass im Rahmen der vorhandenen Haushaltsmittel die Aufklärungs- und Präventionsarbeit usw. mit derselben Intensität jetzt auch gegen Linksextremismus wie gegen Rechtsextremismus vorgenommen werden solle. Das bedeutet, dass es keinen müden Euro mehr gibt. Wenn ich es von der einen Seite wegnehme, dann fehlt es dort, weil ich es für die andere Seite gebe. Das wollen wir nicht.
Ich komme darauf zurück, was MdB Bosbach gesagt hat: das eine nicht mit dem anderen relativieren. Deswegen, und nur aus diesem Grund, stimmen wir diesem Antrag nicht zu.
Herr Schindler, vielen Dank. - Ich habe eine Wortmeldung zu einer Zwischenbemerkung von Herrn Kollegen Professor Dr. Barfuß.
Geschätzter Herr Kollege Schindler, ich möchte nur wissen: Wie sähe denn bei Ihnen die Prävention aus? - Ich habe Ihren Vortrag verstanden, aber Sie heben auf die Prävention ab. Das würde ich gerne erklärt wissen. Danke.
Der wichtigste Punkt der Prävention - ich glaube, Herr Dr. Fischer hat es auch schon gesagt - ist, dass wir überhaupt keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass Gewalt kein Mittel der politischen Auseinandersetzung in unserer parlamentarischen Demokratie ist, egal von wem. Erstens.
Der zweite Aspekt der Prävention muss sein, dass wir uns, wenn es stimmt, dass die Gewalttaten im Wesentlichen oder in großer Anzahl von Minderjährigen, von 14-, 15- oder 16-Jährigen, ausgehen, dieser Bevölkerungsgruppe auch im Besonderen zuwenden. In der Tat muss man wohl in der Schule ansetzen. Man muss fragen, aus welchen Schichten diese Kinder kommen, die am Wochenende sozusagen touristisch irgendwo hinfahren und dann ihre Grenzen nicht mehr kennen. Da, meine ich, gilt es anzusetzen, stärker als bisher, aber nicht zulasten der Prävention gegen Rechtsextremismus. Das war der Sinn meiner Rede. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Schindler. - Für die Fraktion der Freien Wähler: Herr Kollege Pohl. Bitte schön.
Herr Präsident! Herr Staatsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal zum Antrag der CSUFraktion. Wir, die Freien Wähler, stimmen diesem Antrag uneingeschränkt zu. Er ist richtig und wichtig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, selbstverständlich müssen wir gegen Extremismus jeglicher Art kämpfen. Auch mir ist es so gegangen wie dem Kollegen Dr. Fischer: Ich dachte, als Sie, Herr Kollege Schindler, Ihren Redebeitrag begannen: Oh, da hat sich was verändert! Aber gegen Ende hin musste ich feststellen, das war eine trügerische Hoffnung.
Eigentlich wollte ich meinen Redebeitrag mit den Worten beginnen: Liebe Kollegen von CSU und FDP, versuchen wir doch künftig, solche Anträge fraktionsübergreifend zu stellen.
Denn das Ziel dieses Hauses, Kollege Dr. Beyer, muss es sein, dass wir einheitlich, ganzheitlich gegen Links- und Rechtsextremismus auftreten, und zwar ohne Gewichtung, was jetzt schlimmer oder weniger schlimm ist; denn das nutzt nur denen, die links und rechts außen ihre Spiele spielen. Die freuen sich doch geradezu, wenn wir Demokraten darüber diskutieren, was denn im Einzelfall schlimmer ist, der Links- oder der Rechtsextremismus.
Aber, Herr Kollege Meißner, in Ihrem Redebeitrag habe ich eines vermisst: Sie haben sich ausschließlich mit der Gewalt auseinandergesetzt; Ihr Antrag beinhaltet aber mehr. Er sagt, man solle sich mit den Wurzeln des Linksextremismus auseinandersetzen. Wenn man das Ganze nur auf die Gewalt reduziert, dann hat Kollege Schindler schon recht: Nun ja, dass wir alle gegen Gewalt sind, von links oder von rechts, ist eine Banalität. Ich unterstelle keinem hier im Haus, dass er heimlich mit einem sympathisiert, der Molotowcocktails wirft. Ich denke, das ist tatsächlich eine Banalität.
Also ich meine, dieser Antrag geht weiter: Aufklärung und Prävention gegen Linksextremismus. Da muss ich schon sagen: Prävention und Aufklärung gegen Linksextremismus beginnen damit, dass man linksextremes Gedankengut ächtet, und dann müssten wir einmal darüber diskutieren, was linksextremes Gedankengut ist.
Da fange ich einmal mit Sahra Wagenknecht an, die im Deutschen Bundestag sitzt; da fange ich mit der Linkspartei an, die mit 10 % im Deutschen Bundestag sitzt. Das ist eine Realität.
Ich muss nicht nur auf irgendwelche verwirrten Menschen schauen, die Molotowcocktails werfen; wir haben eine gesellschaftliche Bedrohung von Linksaußen, und das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Dagegen müssen wir alle als Demokraten mutig und entschlossen vorgehen.
Das fehlt mir. Das fehlt mir auf breiter Basis. Deswegen halte ich es für sehr wichtig, was Sie hier fordern: Aufklärungs- und Präventionsarbeit gegen Linksextremismus zu betreiben, alle präventiven Mittel zu ergreifen, um Entwicklungen im Bereich des Linksextremismus wirksam entgegenzuwirken. Dazu gehören natürlich auch Wahlergebnisse linksextremer Parteien, meine Damen und Herren. Jedes Mal, wenn irgendeine Wahl ist und die Linkspartei erneut in einen Landtag eingezogen ist oder zweistellige Ergebnisse bekommt oder gar, wie in den neuen Bundesländern, um Platz eins kämpft, nimmt man das mit einem Achselzucken hin.
Wenn aber in Sachsen die NPD in den Landtag kommt, dann sagt jeder zu Recht: Um Gottes willen, was ist da passiert?!
Meine Damen und Herren, wenn wir wirksam gegen Linksextremismus kämpfen wollen, dann müssen wir diesen Linksextremismus bekämpfen, dann müssen wir in den Schulen weitermachen, dann müssen wir der Gesellschaft deutlich zeigen, was denn die Wurzeln des Linksextremismus sind.
Sehr geehrter Kollege Schindler, ich habe mich schon gewundert, dass Sie sagen, die Herrschaft der Gemeinschaft über das Individuum sei ausschließlich rechtsextremes Gedankengut. Herr Kollege Schindler, die Herrschaft des Proletariats über das Individuum, das ist Karl Marx in Reinkultur.
Das Gegenmodell zu Karl Marx ist unser Grundgesetz mit Artikel 1: "Die Menschenwürde ist unantastbar." Das sind die beiden Antipoden, das sind die beiden Gegensätze.
Hier haben wir als Demokraten unsere Aufgabe und unsere Pflicht, zu kämpfen. Deswegen, meine Damen und Herren, volle Zustimmung von den Freien Wählern für Ihren Antrag.
Vielen Dank, Herr Kollege Pohl. - Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Tausendfreund für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Auf das doch sehr verschrobene Weltbild des Herrn Pohl und seine speziellen Feindbilder möchte ich jetzt nicht eingehen,
Der erste Teil des Antrags ist ganz vernünftig, aber natürlich eine Selbstverständlichkeit. Wir beobachten schließlich alle die Kriminalitätsentwicklung in allen Bereichen. Egal, aus welcher Richtung die Gewalttätigkeiten motiviert sind - sie müssen verurteilt und geächtet werden.
Die Anzahl der linksextremistisch motivierten Gewaltund Straftaten ist nach der Statistik 2009 deutlich angestiegen. Das bereitet auch uns Sorgen. Die Entwicklung muss aber genau analysiert werden, um darauf richtig reagieren zu können. Ein Blick in den Bundesverfassungsschutzbericht und auch in den Landesverfassungsschutzbericht gibt hier einen ersten Überblick. Für eine genaue Beurteilung der Qualität der Delikte muss man sich aber die einzelnen Straftaten doch genauer ansehen.