Protokoll der Sitzung vom 13.07.2010

bei der CSU und der FDP ist es klar, weil sie Regierungsfraktionen sind - haben vor 14 Tagen die Lernmittelfreiheit abgelehnt. Sie haben jeden Versuch unterbunden, die mittlerweile höchst teuren Kopierkosten und was Sie jetzt wieder angeführt haben sozusagen in die Kostenpflicht der Sachaufwandsträger hineinzugeben. Das haben Sie alles abgelehnt. Und jetzt, 14 Tage später, versuchen Sie, den Menschen und Zuhörern zu vermitteln, dass Sie die Kämpfer für die Lernmittelfreiheit sind. Liebe Kollegin Gottstein, bei allem Respekt: Das kann nicht verfangen. Damit werden Sie keine Legitimation für diesen Landtag generieren, auf diese Art und Weise nicht.

Und jetzt zu Ihrem Gesetzentwurf. Sie sagen nichts anderes, als dass die Kommunen in die Lage versetzt werden sollen, können, dürfen, Kopierkosten zu bezahlen. Liebe Frau Gottstein, Sie reden immer von der Praxis. Das dürfen sie heute schon. Wenn heute ein Gemeinderat entscheidet, wir bezahlen Kopierkosten, darf er das entscheiden. Und wenn er kein Geld hat und beschließt es trotzdem, dann wird er von der Regierung beanstandet. Wenn er aber Geld hat, der Gemeinderat, darf er das machen. Dazu brauchen wir nicht die Freien Wähler.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zum Zweiten formulieren Sie Ausnahmemöglichkeiten, Befreiungstatbestände für Familien mit niedrigem Einkommen. Darf ich Sie auch hier daran erinnern: Das gibt es bereits. Auch dafür brauchen wir keinen Gesetzentwurf der Freien Wähler, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wer es mit der Lernmittelfreiheit ernst meint, der muss dafür sorgen, dass die Familien von den Schulkosten entlastet werden, und zwar von den Schulkosten für alles, was die Schule als Schulveranstaltung deklariert und feststellt. Wenn die Schule sagt, es ist eine Pflichtveranstaltung, ins Schullandheim zu fahren, und dafür den Eltern 50 Euro abnimmt, dann, bin ich der Meinung, gehört das in den Katalog der Lernmittelfreiheit und nichts anderes. Dafür brauche ich auch keinen Gesetzentwurf der Freien Wähler. Das kann ich heute schon machen.

Insofern versuchen Sie hier doch nichts anderes, als den Menschen glauben zu machen, die Freien Wähler wären die Vorreiter der Lernmittelfreiheit. Kolleginnen und Kollegen, darauf können wir verzichten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir würden uns auf der Tagesordnung des Bildungsausschusses viel Zeit und viel Diskussion und viel Geld ersparen, wenn wir mit solchen Gesetzentwürfen verschont bleiben würden. Hätten Sie vor 14 Tagen auch wenn es nichts genützt hätte, weil wir die Mehrheit nicht gehabt hätten, das stimmt schon - der Lern

mittelfreiheit zugestimmt, wären Sie heute glaubwürdiger.

Zum Kollegen Ländner noch einen Satz. Herr Kollege Ländner, es ist immer das gleiche Totschlagargument, das Sie anführen, das werden wir morgen auch wieder hören. In Ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des EUG steht bei Kosten auch "keine". Das brauchen Sie den Freien Wählern nicht vorzuwerfen, das machen Sie genauso. Das Totschlagargument, dass man kein Geld habe und deswegen nicht für bessere Bildung sorgen könne, mag zwar für Kleingeister und Finanzpolitiker das richtige Argument sein, aber es ist sicherlich kein bildungspolitisches Argument für dieses Land. Wir haben Riesendefizite und deswegen müssen wir auch bereit und in der Lage sein, in bildungspolitische Innovationen zu investieren. Da kann man nicht bei jedem Vorschlag herkommen und sagen: Das kann man nicht finanzieren. Das ist ein Totschlagargument und letztendlich die Kapitulation vor notwendigen bildungspolitischen Reformen. Das werden wir morgen bei der Zweiten Lesung auch noch einmal deutlich erleben.

Kolleginnen und Kollegen, ein Landtagskompromiss oder von mir aus ein allgemeines Ziel -

Herr Kollege, denken Sie bitte -

Ich weiß schon. Die CSU hat um eine Minute und zehn Sekunden überzogen.

Ja.

Ich bin auch gleich fertig. Ein gemeinsames Ziel, die Bildung voranzutreiben, kleine Klassen, mehr Ganztagsschulen, was auch immer, braucht mehr Finanzmittel, nicht immer wieder das stupide, gleich vorgetragene Argument: Wir haben kein Geld. Da sage ich nur: Landesbank.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Tolle für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, Herr Pfaffmann, ging es mir ähnlich wie Ihnen. Ich habe mich gefragt: Um was könnte es hier gehen? Wenn man gutwillig ist, könnte man meinen, die Absicht sei es, die Eltern bzw. die volljährigen Schülerinnen und Schüler zu entlasten oder mehr Flexibilität für die Sachaufwandsträger herzustellen.

Ich will Ihnen sagen, was die GRÜNEN wollen, wenn es um Lernmittelfreiheit geht. Ich denke, wir sollten uns alle einmal überlegen, was wir tun können, um mehr Bildungsgerechtigkeit in Bayern herzustellen. Und ein bisschen, habe ich mir gedacht, geht es vielleicht auch um die selbstständige Schule.

Wenn ich mir jetzt den Gesetzentwurf anschaue, stelle ich fest, Frau Gottstein: Das Ziel Gerechtigkeit ist nicht erreicht. Sie geben ja nicht mehr Geld aus. Wenn Sie den Befreiungstatbestand "ohne Kosten" für die Kommunen ernst meinen, dann, erinnere ich Sie daran, müssten Sie den Artikel 22 ändern, der 12 bzw. 26 Euro pro Jahr für die Schülerinnen und Schüler zuweist. Da frage ich Sie, wie das in Wirklichkeit ausschaut. Muss ich dann entscheiden, ob Ausflug oder Bücher?

Und dann kommt das Nächste, Frau Gottstein. Das Schulforum gibt nur eine Stellungnahme ab, entscheiden tut die Kommune. Da ist zumindest für unsere Fraktion das Schulforum entscheidend ausgehebelt. Wenn wir da hinkommen, dass die Gemeinderäte, die Stadträte und die Kreisräte sich in Zukunft auch noch darüber streiten, ob wir ein Schulbuch kaufen, den Ausflug bezahlen oder Arbeitshefte, Frau Gottstein, dann könnte man gleich Ganztagsstadtratsparlamente aufmachen. Das geht nicht. Wenn Sie es ehrlich meinen, müssen Sie Artikel 22 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes ebenfalls ändern. Sie müssen sich in diesem Fall jedoch immer noch die Frage stellen, ob Sie damit Bildungsgerechtigkeit erreicht haben.

Einen anderen Punkt habe ich schon angesprochen. Wir reden viel über die selbstständige Schule. Diese selbstständige Schule kann nicht eigenständig darüber entscheiden, was sie will. Eine Stellungnahme kann ein Gremium nicht entscheidend beeinflussen. Letzten Endes entscheidet es ohnehin, wie es will. Wir wollen, dass die Schulfamilie bei ihren eigenen Angelegenheiten entscheidet. Dies ist mit Ihrem Gesetz mitnichten der Fall.

Wenn Sie es ernst meinen, benötigen wir mehr Geld. In Zeiten knapper Mittel ist dies für uns jedoch keine Maßnahme für Bildungsgerechtigkeit. In Zeiten knapper Mittel müssen Sie das Geld ebenfalls an die Kinder ausschütten, die es wirklich brauchen. Wenn wir mit der Gießkanne das Arbeitsheft der Zahnarzt- oder Abgeordnetentochter bezahlen, ist den armen Kindern nicht geholfen. Deswegen sprechen wir uns für eine vermehrte Differenzierung aus. Auf Bundesebene betrifft dies die Anhebung der Regelsätze für Hartz-IVKinder.

Ursula von der Leyen hat einen neuen Vorschlag eingebracht. Wir sollten darüber diskutieren, wie Bayern diesen aufstocken kann, damit der Kultusminister nicht nach jedem Bildungsbericht schreiben muss: Bayern ist zwar spitze, aber an der Teilhabegerechtigkeit müssen wir noch arbeiten. Zwar gibt es viel zu tun, dies ist jedoch die falsche Stelle. Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf nicht nähertreten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die nächste Rednerin für die FDP-Fraktion ist Frau Kollegin Sandt. Bitte schön.

Sehr geehrter Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist unbestritten, dass wir alle die Lernmittelfreiheit für Schulbücher befürworten. Ich finde es richtig und wichtig, dass es diese Härtefallregelung gibt, die Sie in Ihrem Vorschlag aufgeführt haben. Kinder aus kinderreichen Familien und von Hartz-IV-Empfängern werden finanziell entlastet. All dies ist bereits der Fall. Dies ist richtig und nur zu unterstützen. Die Finanzierung der Klassenfahrten wird bereits weitgehend von der öffentlichen Hand unterstützt. In vielen Fällen gewähren die Schulen weitere Zuschüsse. Dies alles ist zu unterstützen.

Ich war jedoch erstaunt darüber, dass die SPD-Fraktion, die den ersten Anstoß zur Lernmittelfreiheit gegeben hat, die Befreiungstatbestände offensichtlich nicht kennt. Das war beeindruckend. Die SPD, die immer so tut, als sei sie so sozial, hat einen Antrag gestellt, den wir aus gutem Grund abgelehnt haben. Darauf sind Sie selber eingegangen. Die SPD wollte mit ihrem Antrag erreichen, dass es für alle alles umsonst gibt, inklusive Schutzkleidung.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

- Nein, erst im Anschluss. Die SPD hat die Übernahme der Kosten von Klassenfahrten ohne Kostenobergrenze gefordert. Dies hätte die Kommunen in hohem Maße belastet. Letzten Endes hätte die Reinigungskraft mit ihren Steuergeldern die Skifreizeit für den Millionärssohn bezahlt. Das ist in höchstem Maße unsozial. Deswegen haben wir diesen Antrag ganz klar abgelehnt. Schutzkleidung bräuchte man eigentlich gegen so einen Unsinn.

Ich räume ein, der Antrag der Freien Wähler ist klüger als der Antrag der SPD. Das ist gar keine Frage. Sie wollen den Kommunen selbst die Entscheidung über die Übernahme der Kosten bestimmter Lernmittel überlassen. Sie erwähnen in diesem Zusammenhang vor allem die Arbeitsblätter, die Arbeitshefte und Papierstapel. Sie haben eben gesagt, moderne Lernmit

tel seien Bücher. Ich gehe selber an die Schulen und habe festgestellt, dass dort durchaus mit neueren Medien gearbeitet wird. Dieser Aspekt wird in Ihrem Antrag ausgespart. Wir müssen Papierstapel verhindern und die Abzocke mit den Arbeitsheften beenden. Interaktive Medien können die Schwächen der Schüler noch stärker berücksichtigen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Das Urheberrecht gilt auch im Internet!)

- Natürlich werden die Urheberrechte bei einer Lernplattform berücksichtigt und der Urheber entsprechend bezahlt. Die Urheberrechte der Softwareprogramme werden entsprechend gewürdigt. Das ist gar keine Frage.

Es gibt schülergerechte Computer, sogenannte Classmates, die nur 200 bis 300 Euro kosten, Tendenz fallend. An der Hauptschule Geretsried konnten die Schüler zusammen mit den Eltern selber darüber entscheiden, ob sie eine Laptop-Klasse besuchen. Dieses Angebot ist kostenpflichtig. Die Nachfrage war sehr viel höher als das Angebot. In diesem Fall ist die Laptop-Klasse von den Eltern bezahlt worden. Immerhin sind diese dazu bereit gewesen. Die Schulen sollten unabhängig von den Kommunen ihr eigenes Budget erhalten. Das wollen wir erreichen. Dies muss jedoch gesetzlich mit der eigenverantwortlichen Schule verankert werden. Zudem müssen wir die Sachaufwandsträger mit ins Boot nehmen.

Ihrem Antrag können wir in seiner jetzigen Form nicht zustimmen. Nicht die Kommunen, sondern die Schulen - Lehrer, Eltern und Schüler - sollten darüber entscheiden, welche Lernmittel eingesetzt werden. Sicherlich werden sie dann erkennen, dass es nicht alles für alle umsonst geben kann. Natürlich werden sie diese Mittel wirtschaftlich einsetzen müssen. Das ist klar. Selbstverständlich kann es vorkommen, dass die Schüler einen Teil der Kosten selbst übernehmen müssen. Wir haben alle unsere Lektüre selber bezahlt. Die Sommerferien stehen vor der Tür. Holen Sie Ihren Hamlet oder Faust aus dem Schrank, und gehen wir mit neuer Inspiration nach den Sommerferien gemeinsam an das Projekt eigenverantwortliche Schule, indem die Schulen ein Budget bekommen, indem die Schulen Freiheiten bekommen und indem sie dann bestimmte Dinge in einem bestimmten Rahmen für die Schüler finanzieren können. In diesem Rahmen könnten die Schulen auf der Grundlage ihres eigenen Budgets und ihrer Freiheiten viele Kosten für die Schüler übernehmen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin, bitte bleiben Sie am Mikrofon. Die Zwischenbemer

kung von Herrn Kollegen Pfaffmann steht noch aus, die Sie freundlicherweise nach hinten verschoben haben. Herr Kollege Pfaffmann, bitte schön.

Liebe Frau Kollegin Sandt, Sie haben uns vorgeworfen, wir hätten einen unsozialen Gesetzentwurf eingebracht. Wer einer Partei angehört, die Hotelsteuern senkt und Gesundheitskosten erhöht, sollte mit dem Vorwurf, andere Fraktionen seien unsozial, vorsichtig sein.

(Beifall bei der SPD)

Offensichtlich sind Sie nicht lernfähig. Im Bildungsausschuss habe ich Ihnen bereits gesagt, dass die SPD mit ihrem Gesetzentwurf nicht die Finanzierung des Skiurlaubs des Millionärskindes beabsichtigt hat. Dies haben Sie schon mehrmals wiederholt. Ich fordere Sie noch einmal auf, diese Behauptung zu unterlassen. Sie versuchen hier den Eindruck zu erwecken, als wären Sie allein die Vorkämpferin für die Schülerinnen und Schüler. Sie sind bereits zwei Jahre an der Regierung. Ich habe von Ihnen in diesen zwei Jahren in diesem Parlament noch keinen Antrag gesehen, der Ihren mündlichen Forderungen entspricht. Es gibt keinen einzigen parlamentarischen Antrag. Legen Sie endlich einen Antrag auf den Tisch.

(Beifall bei der SPD)

Sie fordern mehr Selbstständigkeit für die Schulen. Wo ist Ihr Antrag? Sie fordern ein Budget für die Schulen. Wo ist Ihr Antrag? Sie fordern Laptops für die Schule. Wo ist Ihr Antrag? Liebe Frau Sandt, schöne Worte bringen uns in diesem Land nicht weiter.

(Beifall bei der SPD)

Sie sollten sehr vorsichtig sein. Ich sage es Ihnen noch einmal: Wir wollen, dass Kopierkosten und Kosten im Zusammenhang mit verpflichtenden Schulveranstaltungen - nicht Skiurlaub, sondern Schulveranstaltungen - von der Lernmittelfreiheit abgedeckt sind.

Herr Kollege, die zwei Minuten sind um.

Nicht mehr und nicht weniger. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie es waren, die das immer wieder abgelehnt haben.

(Beifall bei der SPD)

Frau Sandt, Sie haben zwei Minuten.

(Zuruf von SPD: Viele Fragen!)

- Genau, es waren jede Menge Fragen. Es war keine konkrete Frage - das wäre eigentlich interessanter gewesen. Es war ein Sammelsurium an Aussagen.