Protokoll der Sitzung vom 13.07.2010

(Beifall bei der CSU)

Damit ist die Aussprache zu diesem Gesetzentwurf geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz als federführendem Ausschuss zu überweisen. - Es besteht Einverständnis. Damit ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 d auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Eva Gottstein u. a. und Fraktion (FW) zur Änderung des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes und des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 16/5284) - Erste Lesung

Auch dieser Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Ich erteile Frau Kollegin Gottstein das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier um einen Gesetzentwurf, der Ihnen vielleicht bekannt vorkommt. Er ähnelt dem Gesetzentwurf, den die SPD vor einiger Zeit vorgestellt hat. Wir fanden ihn das haben wir schon damals gesagt - von der Grund

richtung her gut und richtig, hielten aber die Vorschläge zur Umsetzung für nicht korrekt. Deswegen legen wir jetzt einen Gesetzentwurf vor, der fast das Gleiche wie der der SPD will, aber andere Konsequenzen nach sich zieht.

(Heiterkeit bei der SPD)

- Sie lachen, liebe Kollegen von der SPD. Die Konsequenzen sind andere. Sie wollten, dass die Finanzierung über den Staatshaushalt erfolgt, wir hingegen wollen, dass die Finanzierung so bleibt wie bisher. Wir wollen für die betroffenen Schülerinnen und Schüler aber sehr wohl das Gleiche erreichen. Bei den Vorschlägen zur Finanzierung unterscheiden wir uns von Ihnen.

Schauen Sie in den Gesetzentwurf. Wir haben uns mit den Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP schon darüber unterhalten. Der Sachverhalt ist eigentlich nicht mehr strittig. Dass sich die Lernmittelfreiheit nur auf Schulbücher bezieht, ist heute nicht mehr zeitgemäß und in hohem Maße unsozial. Heute gibt es Schulbücher, Lehrwerke - ich nenne speziell die Fächer Mathematik, Deutsch und Englisch -, die ohne die entsprechenden Arbeitshefte nicht benutzt werden können. Sie müssten sonst dem Schüler oder den Eltern jeden Tag erklären, dass zwar in dem Schulbuch steht "Hausaufgabe: siehe Arbeitsheft sowieso" oder "Übung: siehe Arbeitsheft, Seite sowieso", aber dass Sie das dazugehörige Arbeitsheft nicht haben, dass also diese Aufgaben nicht gemacht werden können. Sie können heute Englisch oder Deutsch - in Mathe bin ich nicht ganz so sattelfest, aber auch da wird es mir so berichtet - nicht nach modernen Lehrwerken unterrichten, außer Sie nehmen eben das Arbeitsheft dazu - dieses Arbeitsheft kostet heute um die 10 Euro - oder Sie kopieren es, und dann machen Sie sich strafbar.

Wenn Sie also heute moderne Lehrwerke verwenden wollen, müssen letztendlich die Arbeitshefte vom Schulträger mit angeschafft werden. Das Gleiche gilt für die Formelsammlungen und für den Atlas. Nach unserer Meinung ist nach wie vor nicht einzusehen, warum man vor zehn oder zwölf Jahren auf einmal gemeint hat, der Atlas sei ein Schulbuch, das man selber kaufen könne. Sie wissen: Der Diercke-Weltatlas kostet inzwischen rund 50 Euro. Was machen Sie dann bitte schön bei drei Kindern? Und Sie sagen noch, das sei sozial gerechtfertigt.

Es geht aber, wie gesagt, auch noch um andere Lernmittelfreiheit. Sie gehen heute im Rahmen des Deutschunterrichts ins Schultheater, Sie holen sich das ist doch löblich und wird vonseiten des Ministeriums heute auch immer wieder gefordert - Musikgrup

pen ins Haus und holen sich zum Beispiel Zeitzeugen ins Haus.

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

Für alles muss letztlich gelöhnt werden. Dann bekommt halt der Schüler wieder einen Zettel mit nach Hause: Bitte 3 Euro, bitte 5 Euro, bitte 10 Euro. Ich habe zum Beispiel zu Beginn eines Schuljahres ausrechnen lassen: Allein die Arbeitshefte eines Fünftoder Sechstklässlers kosteten oft 40 Euro bis 50 Euro, die man den Eltern hat zusätzlich zumuten müssen, weil es nicht anders möglich war.

Insoweit ist unser Gesetzentwurf noch mit dem Gesetzentwurf der SPD identisch. Wir wollen, dass der heutige Schüler, ganz gleich, wie reich sein Elternhaus ist, nach modernen Gesichtspunkten unterrichtet werden kann. Dazu gehört die entsprechende Ausstattung. Das ist heute eventuell auch eine CD-ROM, das ist eben ein Arbeitsheft, eine Formelsammlung oder der Besuch eines Schultheaters.

Wir wollen aber weder die Mittel erhöhen, noch wollen wir eine Umverteilung.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Also gar nichts!)

Wir wollen, dass das nach wie vor so bleibt, wie es ist, und wir reden auch aus der Praxis. Ich weiß, wie oft wir seitens der Schulleitung ein Buch, weil es noch nicht zerfleddert war und weil es noch absolut den Anforderungen entsprochen hat, gerne behalten hätten. Wir hätten das neue Buch gern nicht gekauft, aber wir haben es gekauft, weil der Etat da war. Stattdessen hätten wir gerne ein Arbeitsheft gekauft. Wir durften das Arbeitsheft nicht kaufen, weil es dem Träger verboten ist, es zu finanzieren.

Wir sind nach wie vor sehr wohl für die Selbstverwaltung im Bereich des Budgets der Schulen, der Schulträger. Die Schulfamilie entscheidet in dem Fall doch auch mit dem Schulforum, mit dem Elternbeirat in äußerst demokratischer Weise, ob ein Lesebuch zusätzlich angeschafft wird, ob ein Erdkundebuch neu angeschafft wird usw. Hierbei besteht sehr viel Ermessensspielraum. Dieser Ermessensspielraum kann bislang nicht im Sinne der modernen Arbeitsmittel genutzt werden. Das möchten wir durch unseren Gesetzentwurf erreichen. Deswegen verstehen wir nicht, warum man ihm nicht zustimmen kann. Es liegt im Sinne eines modernen Unterrichts, es liegt im Sinne einer sozialen Ausgewogenheit. Umgekehrt möchten wir einem Schüler heute nicht zumuten, soundso viel noch zusätzlich zu zahlen.

In diesem Sinne bitten wir um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Danke schön, Frau Kollegin. Nächster Redner ist Herr Kollege Ländner. Ihm folgt Kollege Pfaffmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es war an sich anzunehmen und es ist auch durchaus legitim, dass bei den Beratungen über das Schulfinanzierungsgesetz, über das BayEUG, in die wir ja morgen intensiv einsteigen werden, auch die Frage der Lernmittelfreiheit intensiv diskutiert wird. Ich habe durchaus Verständnis, wenn die SPD, wie geschehen, die Lernmittelfreiheit ausweiten möchte.

Es ist das übliche Spiel: Die Opposition fordert kostspielige Dinge, die Regierung muss es verweigern. Die handelnden Parteien sind hier austauschbar. Wir haben das erst in der letzten Woche diskutiert und aus Kostengründen ablehnen müssen. Ich bin überzeugt, dies war auch richtig; denn wir haben im Bereich der Bildung durchaus auch andere kostenintensive Aufgaben zu erledigen, Aufgaben, auf die wir uns konzentrieren müssen. Dabei geht es um Inklusion, dabei geht es um Jugendsozialarbeit an Schulen, dabei geht es um die Ausweitung von Ganztagsangeboten und vieles mehr. Dies sind alles Dinge, die wichtig sind und vermutlich sehr viel Geld kosten werden. Ich glaube nicht, dass die absolute Lernmittelfreiheit, wie sie hier wieder gefordert wird und auch letzte Woche gefordert wurde, in der Abwägung, wo man Geld einsetzen soll, oberste Priorität genießen muss, zumal sich das jetzige System meines Erachtens bewährt hat.

Ich gebe zu: Man kann hier und da nachfordern, man kann mehr fordern, man kann auch immer wieder sagen, unsere Gesellschaft sei eine Gesellschaft der Mittellosen. Das sind wir nicht. Ich bin dankbar dafür, dass in Artikel 21 Absatz 3 Satz 2 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes gerade auch der soziale Ausgleich sichergestellt ist, auch wenn wir nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts durchaus nachbessern müssen, was die Versorgung mit schulischen Mitteln, was die Bedürfnisse der Kinder von sozial Schwachen angeht. Ich glaube nicht, dass diese Frage über das Schulfinanzierungsgesetz gelöst werden kann.

Ich wiederhole: Unser jetziges System hat sich bewährt. Ich sehe nicht die logische Konsequenz, die Sie sehen, sehr geehrte Frau Kollegin Gottstein, wie Sie unter Punkt D Ihres Antrages steht: Frage: Kosten? Antwort: Keine. Sie haben auf das Budget hingewiesen. Dieses Budget stellt der Sachaufwandsträger, unterstützt durch Mittel des Freistaats Bayern, für Bü

cher zur Verfügung. Sie wollen nun dasselbe Budget nicht höher, nicht niedriger - nicht nur für Schulbücher verwenden, sondern auch für Atlanten, Lektüren, Arbeitsblätter, Schreibzeug, Taschenrechner und Kosten für verbindliche Schulveranstaltungen darunter subsumieren.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte sehr, Frau Gottstein.

Ich möchte wirklich noch einmal darauf hinweisen, dass keine Kosten entstehen. Keine Kosten - das habe ich erklärt. Ich glaube, Sie haben nicht verstanden, dass man Ermessensspielräume ausnutzen muss. Sie zeigen durch Ihre Beispiele gerade, dass Sie von der Praxis draußen nicht viel Ahnung haben.

(Beifall der Abgeordneten Maria Noichl (SPD))

Liebe Frau Kollegin Gottstein, Sie zeigen, dass Sie überhaupt nicht zugehört haben.

(Beifall bei der CSU)

Sie hatten sich erstens bereits zur Zwischenfrage gemeldet, ohne dass ich auf Seite 4 meines Manuskriptes und damit auf diese Frage überhaupt eingegangen bin. Zweitens war ich jetzt gerade mittendrin, und ich wiederhole mich: Sie haben null Kosten und wollen dasselbe Budget, das Sie bisher haben, nicht nur für Schulbücher verwenden, sondern zusätzlich für Atlanten, Lektüren, Arbeitsblätter, Schreibzeug, Taschenrechner und Kosten für verbindliche Schulveranstaltungen. So weit gehen wir doch konform. So weit war ich bis jetzt im Text. Also kann ich gar nicht nichts verstanden haben; denn ich war noch nicht weiter.

Jetzt kommt der zweite Satz - Frau Gottstein, da stehen Sie mir sicherlich auch noch in Freundschaft bei -: Die Verantwortung für die Verteilung der Kosten liegt dann beim Schulaufwandsträger. Wir werden also in diesem Wettbewerb mehrere Mitspieler haben. Es geht nicht nur um Bücher, sondern es geht mit demselben Budget auch um die genannten Dinge. Sie werden also in der Schulfamilie darüber diskutieren Sie gestatten, dass ich jetzt etwas extremer formuliere -: Ausflug oder Füllfederhalter, Taschenrechner oder Diercke-Atlas, oder nehmen wir doch ein neues Schulbuch her?

Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, diese Frage in der Schulfamilie zu diskutieren, insbesondere dann, wenn vor allem kommunale Sachaufwandsträger durchaus noch andere Dinge berücksichtigen wollen oder müssen. Ich sage nur: Alle sechs Jahre ist Kommunalwahl. Was machen wir dann, wenn vor lauter Begeisterung für Taschenrechner und Diercke-Atlanten unsere Bücher zerfleddern? Dann wird sehr schnell der Ruf laut - und das ist die Befürchtung, die dahintersteht -: Unsere Mittel langen nicht, Freistaat, hilf uns, unsere Bücher zerfleddern. Dann kommt wieder die Aussage, die wir natürlich vermeiden wollen, dass mehr Geld erforderlich ist.

Ich komme zum Schluss mit der Feststellung, dass es sicherlich nicht sinnvoll ist, den Kuchen der Lernmittelförderung in immer kleinere Stücke aufzuteilen.

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Das ist abschließend auch dem Kuchen nicht zuträglich, weil ein Kuchen, der in immer kleinere Stücke zerteilt wird, letztendlich zerbröselt.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP - Georg Schmid (CSU): Bravo!)

Herr Kollege Pfaffmann äußert sich für die SPD.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir lange überlegt, ob man zu diesem Gesetzentwurf überhaupt etwas sagen soll.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich empfehle Ihnen, liebe Frau Gottstein, doch bitte mit völlig unnötigem Papier nicht den Landtag aufzuhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie diskutieren im Bildungsausschuss über die Lernmittelfreiheit, lehnen aber alles ab, was Lernmittelfreiheit bedeutet. Dann warten Sie 14 Tage und singen hier das Hohelied auf die Lernmittelfreiheit. Das ist doch nichts anderes als der Versuch eines Beschäftigungsnachweises für Ihre eigenen Wähler, was Sie hier treiben. Sie erreichen mit diesem Gesetzentwurf gar nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CSU)

Ich darf noch einmal erinnern: Vor 14 Tagen im Bildungsausschuss haben wir dieses Thema ausführlich diskutiert. Sie, liebe Frau Gottstein, und Ihre Fraktion

bei der CSU und der FDP ist es klar, weil sie Regierungsfraktionen sind - haben vor 14 Tagen die Lernmittelfreiheit abgelehnt. Sie haben jeden Versuch unterbunden, die mittlerweile höchst teuren Kopierkosten und was Sie jetzt wieder angeführt haben sozusagen in die Kostenpflicht der Sachaufwandsträger hineinzugeben. Das haben Sie alles abgelehnt. Und jetzt, 14 Tage später, versuchen Sie, den Menschen und Zuhörern zu vermitteln, dass Sie die Kämpfer für die Lernmittelfreiheit sind. Liebe Kollegin Gottstein, bei allem Respekt: Das kann nicht verfangen. Damit werden Sie keine Legitimation für diesen Landtag generieren, auf diese Art und Weise nicht.