Protokoll der Sitzung vom 14.07.2010

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes und weiterer Vorschriften (Drs. 16/4707) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsanträge von Abgeordneten der Fraktion Freie Wähler auf den Drucksachen 16/4850 mit 4853; von Abgeordneten der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drs. 16/4872

Dazu gibt es eine Aussprache. Im Ältestenrat wurde die Redezeit auf 20 Minuten pro Fraktion verabredet.

Erster Redner ist der Herr Kollege Eisenreich. Ihm folgt Herr Kollege Güll. - Herr Kollege Eisenreich, Sie haben das Wort.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Auch wenn wir das Thema wechseln, bitte ich um Ihr Gehör für den Redner.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor einem Jahr hat unser Kultusminister Ludwig Spaenle in seiner Regierungserklärung zu Qualität und Gerechtigkeit nachdrücklich den Dialog in der Bildungspolitik betont, und zwar den direkten Dialog mit allen an der Bildung Beteiligten mit Lehrern, Eltern, Schülern und den Kommunen. Heute liegt uns ein Ergebnis dieses Dialoges vor, und zwar ein umfangreicher Gesetzentwurf mit wichtigen zentralen bildungspolitischen Reformprojekten. Einige der zentralen Projekte möchte ich herausgreifen.

Erstes Reformprojekt ist die Weiterentwicklung der Hauptschule zur Mittelschule. Obwohl niemand gezwungen ist und niemand angewiesen worden ist, d.h.

jeder frei entscheiden kann, wollen fast alle Hauptschulen Mittelschulen werden. Warum? Das ist ganz einfach. Der Grund liegt darin, dass das Konzept gut ist und viele die Chancen für die Schülerinnen und Schüler sehen.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch lächerlich!)

- Jetzt beruhigen Sie sich doch einmal. Sie haben nachher noch Gelegenheit, Ihre Gedanken in die Diskussion einzubringen. Ich glaube, Ihnen tut etwas mehr Gelassenheit gut.

Warum ist dieses Konzept gut und warum wird es angenommen? Der Grund liegt darin, dass wir hingehört haben, dass wir denen zugehört haben, die in der täglichen Praxis stehen und wissen, wo die Stärken und Schwächen liegen und wo Verbesserungen notwendig sind sowie neue Chancen bestehen.

(Harald Güller (SPD): Weil Sie die Kommunen erpresst haben, das ist der einzige Grund!)

- Vielleicht schaffen Sie es einfach einmal, sich zu beruhigen. Ich höre Ihnen nachher auch ganz gelassen zu. Sortieren Sie Ihre Gedanken doch wieder.

Der Redner setzt sich schon durch; da habe ich volles Vertrauen in Sie, Herr Kollege Eisenreich.

Vielleicht muss man einfach ein bisschen Zeit geben, damit sich die Opposition beruhigt.

Das Ergebnis dieses intensiven Dialoges mit Schulleitern, Lehrern, Eltern und Schülern ist das Konzept der neuen Mittelschule. Es ist deshalb gut, weil es keine Kopfgeburt der Bürokratie war, sondern ein Konzept ist, das von Praktikern in Zusammenarbeit mit den Bildungsexperten der CSU-Landtagsfraktion und des Kultusministeriums für die Praxis entwickelt worden ist. Mich freut besonders, dass die Freien Wähler das in der Weise anerkennen, dass sie dieses Konzept von uns abgeschrieben haben. Sie haben von den Richtigen abgeschrieben. Dafür herzlichen Dank.

Wir brauchen auch weiterhin die wohnortnahe Hauptschule, wir brauchen die Hauptschüler und ihre Kompetenzen. Ich möchte mich ausdrücklich bei denen bedanken, die -

(Zurufe von der SPD)

Langsam wird die ganze Versammlung etwas wacher. Trotzdem bitte ich um Aufmerksamkeit für den Redner, da ihm

diese zusteht. Bitte schön, Herr Kollege Eisenreich. Sie haben überwiegend das Wort.

Anscheinend ist etwas Falsches in das Frühstück der SPD gekommen, wenn in der Diskussion so reagiert wird.

Ich wiederhole diesen zentralen Satz, weil er wirklich wichtig ist: Wir brauchen auch weiterhin die wohnortnahe Hauptschule, wir brauchen die Hauptschüler und ihre Kompetenzen. Ich möchte mich ausdrücklich bei denen bedanken, die das in der Öffentlichkeit auch klar sagen, zum Beispiel bei der Handwerkskammer.

(Beifall bei der CSU)

Den anderen, zu denen auch Sie gehören, die diese Schulart immer schlechtreden, muss ich sagen: Hören Sie endlich auf, auf dem Rücken der Kinder Politik zu machen.

(Beifall bei der CSU)

Wir brauchen die Hauptschule - zukünftig die Mittelschule -, weil sie die richtige pädagogische Antwort für Schülerinnen und Schüler dieser Schulart bietet: Klasslehrerprinzip, eine Bezugsperson, die Beziehungsarbeit leistet und besonders wichtig ist, sowie die praxisbezogene Vorbereitung auf Ausbildung und Beruf durch die Berufsorientierung. Genau auf diesen beiden Stärken haben wir aufgebaut und das Konzept der Mittelschule entwickelt. Wir wollen, dass das, was Hauptschule leisten kann, allen Schülerinnen und Schülern bayernweit angeboten wird. Deswegen können sich die Schulen, die drei berufsorientierende Zweige anbieten, die ein Ganztagsangebot vorhalten, eine Kooperation mit der Wirtschaft, den Betrieben vor Ort, eingehen und die Möglichkeit zum Erwerb des mittleren Bildungsabschlusses bieten, zu Mittelschulen weiterentwickeln. Sie haben, wenn sie dieses besondere qualitätsvolle Bildungsangebot haben, mit der Mittelschule ein Qualitätssiegel. Ich bin überzeugt - die Praxis zeigt es auch -, dass die Hauptschulen sowie die Kommunen vor Ort dieses Angebot wirklich gerne und gut annehmen.

Wir wollen mit diesem Konzept noch ein zweites Ziel erreichen, nämlich die Sicherung von Hauptschulstandorten. Wo keine Schüler sind, kann keine Schule sein. Wir haben aber das erklärte Ziel, dass so viele Schulen so lange wie möglich erhalten werden, weil eine wohnortnahe Schule, d.h. Schule vor Ort, über den Aspekt der Bildung hinaus für die Gemeinschaft vor Ort ein ganz wichtiges Gut ist. Deswegen ist das Konzept der Mittelschulverbünde eine gute Antwort, um sowohl Mittelschule werden zu können als auch den Standort vor Ort erhalten zu können.

Ein Drittes: Wir investieren in die Hauptschule, wir investieren in die Mittelschule. Die demografische Rendite bleibt in den Jahren 2009 und 2010 im Umfang von 1.300 Stellen für Grund- und Hauptschule erhalten. Wir haben in den letzten Jahren die Klassengrößen deutlich gesenkt. Inzwischen liegen wir bei einem Schnitt von 20,5. Wir haben eine Teilung von Klassen eingeführt, wenn mehr als 50 % der Kinder einen Migrationshintergrund haben. Dies ist ein Riesenerfolg für die Bildungspolitik. Wir stellen Stellen zur Verbesserung der individuellen Förderung zur Verfügung.

Genau das ist das, was die Menschen von uns erwarten, nämlich nicht theoretische oder ideologische Debatten, sondern pragmatische, flexible Konzepte und konkrete Verbesserungen. Genau das legen wir mit diesem Konzept vor und genau deswegen wird die Mittelschule ein Erfolg.

(Beifall bei der CSU)

Die Diskussionsbeiträge, die wir wahrscheinlich jetzt gleich hören werden, sind schon seit Monaten überholt. Es ist richtig, dass vor einem Jahr, als dieses Konzept vorgestellt worden ist, selbstverständlich über die Richtigkeit dieses Konzeptes diskutiert worden ist. Es ist bei bildungspolitischen Reformprojekten immer so, dass es Für und Wider gibt. Aber seit einem halben Jahr - ich glaube, Sie haben das verschlafen - wird vor Ort nicht mehr über das Ob diskutiert, sondern im Wesentlichen nur noch über die Fragen: Wann wird umgesetzt? Wie wird umgesetzt? Insofern hat Sie die Realität längst überholt. Ich bin sicher, dass dieses Konzept gut ist und dass dieses Konzept weiter gut angenommen wird. Viele sehen diese Chancen für Schülerinnen und Schüler und viele wollen diese Chancen nutzen. Es wäre schön, wenn die Opposition dies auch tun würde.

Ein zweites großes Projekt dieses Gesetzentwurfs ist der konsequente Ausbau der Ganztagsschulen. Auch hierbei haben wir zugehört. Die Eltern wollen Wahlfreiheit. Die einen wollen weiterhin am Nachmittag die Betreuung und Förderung ihrer Kinder selber übernehmen. Es gibt aber auch viele, die ein schulisches Angebot wollen, weil sie Beruf und Familie miteinander vereinbaren wollen und weil sie ein hochwertiges, qualitätsvolles Bildungsangebot sowie eine effektive pädagogische Unterstützung wünschen. Mit diesem Entwurf wird Realität, was die kommunalen Spitzenverbände und die Staatsregierung vor einem Jahr beschlossen haben, nämlich das Bekenntnis, dass der Ausbau der Ganztagsschulen eine gemeinsame Aufgabe von Staat und Kommunen ist.

Zweitens. Es gibt eine einheitliche Trägerschaft für offene und gebundene Angebote; es gibt eine einheitli

che Finanzierung. In der öffentlichen Diskussion geht immer wieder unter, dass die Eltern bei den offenen Angeboten anders als früher nichts mehr, also keinen eigenen Elternbeitrag mehr leisten müssen. Das ist eine große Unterstützung der Eltern. Dieses Konzept enthält auch ein Sonderförderprogramm zur Unterstützung der Kommunen bei Baumaßnahmen.

Sie sehen, dass wir den Ausbau der Ganztagsangebote massiv vorantreiben und dass wir auf einem wirklich guten Weg sind, diese große gemeinsame Aufgabe im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu lösen.

(Beifall bei der CSU)

Wir machen in diesem Gesetzentwurf auch eine Entscheidung rückgängig: Die Vorverlegung des Einschulungsstichtags hat sich nicht bewährt. Hier haben wir auch auf die Eltern gehört, von denen viele einen Antrag auf Verschiebung der Einschulung gestellt haben. Deswegen ist es richtig und konsequent, dass wir die vor einigen Jahren getroffene Entscheidung zurücknehmen. Sie sehen: Uns fällt auch kein Zacken aus der Krone, wenn wir Entscheidungen zurücknehmen, die sich nicht bewährt haben.

Der letzte Punkt, der wichtig ist, weil er in den letzten Wochen die Diskussionen beherrscht hat, sind die Privatschulen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte klarstellen: Die Privatschulen sind eine wichtige Ergänzung des staatlichen Bildungsangebots, und sie sind eine Bereicherung. Deshalb brauchen wir die Privatschulen. Wir brauchen selbstverständlich auch eine Privatschulfinanzierung, die es ermöglicht, dass Privatschulen weiterhin bestehen können. Wir brauchen aber auch eine Neuordnung der Privatschulfinanzierung. Wer sich mit dem System der Privatschulfinanzierung auseinandergesetzt hat, der weiß, dass es mehr als kompliziert ist und zu vielen Streitfällen geführt hat. Deshalb ist es richtig, wichtig und notwendig, dass wir jetzt ein Konzept haben, das mehr Vereinheitlichung bietet und das auch eine Vereinfachung darstellt.

Wir haben aber auch hier hingehört. Es war schwer zu überhören, dass es an diesem Bereich des Gesetzentwurfs Kritik gegeben hat. Wir als Bildungspolitiker haben in den letzten Wochen im Dialog, insbesondere auch mit den Montessorischulen, eine ganze Reihe von Verbesserungen eingebracht.

Insofern liegt jetzt ein gutes, tragfähiges Konzept vor. Die staatlichen Lehrkräfte, die jetzt an den staatlich genehmigten Volksschulen sind, völlig egal, ob befristet oder unbefristet, können dort weiterhin bleiben. Wir haben für die Volksschulen im Aufbau zwei Regelungen getroffen. In den ersten beiden Jahren werden für

die Berechnung des Personalkostenzuschusses die tatsächlichen Schülerzahlen herangezogen. Wir haben für die Schulen - das war in den letzten Tagen der größte Diskussionspunkt -, die jetzt genehmigt sind, die sich jetzt im Aufbau befinden, eine Regelung getroffen, sodass sie sich darauf verlassen können, dass wie bisher die tatsächlichen Schülerzahlen für die Finanzierung maßgeblich sind. Die Schulen können nun gemäß der bei Genehmigung bestehenden Finanzierungsbedingungen aufgebaut werden. Ich glaube, das war der letzte wichtige Punkt, den wir im Sinne der Privatschulen, insbesondere der Montessorischulen, verbessert haben. Das ist echter Vertrauensschutz.

Als Bildungspolitiker wird man nicht so oft gelobt. Daher freue ich mich, dass heute in einer Zeitung aus der Oberpfalz ein ausdrückliches Lob von einem Träger einer Montessorischule für die Bildungspolitiker zu lesen ist, nämlich dafür, dass wir diese Regelung getroffen und diesen Vertrauensschutz gegeben haben, der uns in den nächsten fünf Jahren noch einmal fast sechs Millionen Euro kostet.

(Beifall bei der CSU)

So sieht echter Dialog aus, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich fasse zusammen. Wir hören zu, wir hören genau zu; wir diskutieren mit allen Beteiligten. Wir lassen unseren Worten auch Taten folgen, und wir investieren in die Bildung. Deswegen ist das ein großartiger Gesetzentwurf. Wir sind auf diese wichtigen Reformprojekte auch zu Recht stolz.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und hoffe, dass die Diskussion nachher vielleicht etwas maßvoller als zu Beginn ist. Ich freue mich darauf.

(Beifall bei der CSU)

Die Restredezeit für die CSU-Fraktion beträgt 5:40 Minuten. Nächster Redner ist Herr Kollege Güll. Bitte schön, Herr Güll, ich darf Ihnen das Wort geben.