Protokoll der Sitzung vom 19.10.2010

Vierte Frage: Sie haben meine ganzen Fragen zu möglichen Haftungsausschlüssen mit der Begründung nicht beantwortet, das seien geheimhaltungsbedürftige Tatsachen. Ich mag Ihnen folgen, wenn es um die Höhe einer Abfindung geht, nicht aber, wenn es darum geht, ob wir etwaige Haftungsansprüche gegen Vorstände mit Aussicht auf Erfolg geltend machen können.

Ihre Aussage, dass möglicherweise aufgrund zwingender Vorschriften des Aktienrechts ein derartiger Haftungsausschluss gar nicht wirksam sein könnte, entspricht nicht meiner Frage. Ich habe Sie konkret gefragt, ob derartige Haftungsausschlüsse oder Erleichterungen vereinbart wurden, wer diese Haftungsausschlüsse oder Erleichterungen verhandelt hat, mit wem diese abgeschlossen worden sind und welche Gremien hieran beteiligt waren. Ferner habe ich gefragt, welche sachliche Rechtfertigung es angesichts von Gutachten hierfür gibt, die zur Haftungsfrage erstellt wurden.

(Zuruf von der CSU: Sie haben doch das Gutach- ten gelesen!)

Danke schön, Herr Kollege Pohl. Das Wort hat der Herr Staatsminister.

Lieber Herr Pohl! Zunächst noch einmal zum Thema Haftungsfragen. Dazu kann ich nur festhalten, dass beide Gutachten zu dem Ergebnis kommen, dass die Auflösungsverträge Schadenersatzklagen nicht beschränken. Wir sind also in der Lage, wenn Schadenersatz gefordert werden kann, die Klagen auch einzureichen.

(Bernhard Pohl (FW): Das war nicht meine Frage!)

Zum zweiten Punkt: Sie haben recht: Insgesamt liegen 2.800 Seiten Gutachten zu zwei komplexen Sachverhalten vor, zum einen zu ABS-Geschäften über den Zeitraum mehrerer Jahre und zum anderen über den Erwerb einer Bank im Ausland. Mit dem Thema ABS-Geschäft befassen sich zwei Gutachten, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Diese beiden Gutachten sind daher einander gegenüberzustellen.

Wenn man nun nach dem weiteren Handeln, insbesondere nach der Gefahr der Verjährung fragt, kann man trotzdem nicht umhin, die vertiefte Prüfung, die notwendig ist, auch anzusprechen. Gleichwohl hat der Verwaltungsrat bereits erste Schritte beschlossen. Um keine Zeit verstreichen zu lassen, hat der Verwaltungsrat gestern die Kanzlei Hengeler Mueller beauftragt, bis zur nächsten außerordentlichen Verwaltungsratssitzung am 25. Oktober dem Verwaltungsrat einen Vorschlag für die zu ergreifenden haftungsrechtlichen und dienstvertraglichen Maßnahmen in Sachen HGAA-Erwerb zu unterbreiten.

Von sofortigen weitergehenden Maßnahmen wurde bewusst abgesehen. Ich kann das nur noch einmal wiederholen.

Das gestrige Treffen des Verwaltungsrates war im Übrigen auch nicht dem Gutachten von Flick Gocke Schaumburg zu ABS geschuldet, sondern dem HGAA-Gutachten von Hengeler Mueller. Natürlich haben wir bei der Sitzung auch das weitere Vorgehen hinsichtlich des Gutachtens von Flick Gocke Schaumburg und Hengeler Mueller zu den ABS-Investments der Bank diskutiert.

Hierzu hat sich der Verwaltungsrat gestern auf Folgendes verständigt: Der Verwaltungsrat hat beschlossen, auch die Kanzlei Flick Gocke Schaumburg in den Verwaltungsrat einzuladen und dort das Gutachten zu präsentieren. Auch soll die Kanzlei Hengeler Mueller noch einmal darlegen, aus welchen Gründen sie zu anderen Ergebnissen kommt. Auf dieser Grundlage wird der Verwaltungsrat dann selbstverständlich rechtzeitig vor einer etwaigen Verjährung über das weitere Vorgehen beraten.

Zum Themenkomplex HGAA haben wir auch bereits Maßnahmen ergriffen, damit die Wahrnehmung der Ansprüche an dieser Stelle ohne Zeitverzug aufgenommen werden kann. Deshalb wurde ich gestern Abend durch den Verwaltungsrat ermächtigt, die Kanzlei Hengeler Mueller für den Fall zu mandatieren, dass der Verwaltungsrat weitere zivilrechtliche Maßnahmen beschließt. Nach meiner Einschätzung ist ein solches Vorgehen sehr wahrscheinlich.

Zum Thema ABS-Investment stellt sich diese Frage aber derzeit noch nicht. Zunächst geht es darum, zum Thema ABS die beiden Gutachten miteinander zu vergleichen. Das wird in den kommenden Wochen geschehen, wie ich es Ihnen bereits erläutert habe.

Sind Sie fertig, Herr Minister? - Gut. Dann kommt als Nächste Frau Kollegin Aures.

Sehr geehrter Herr Minister! Sie sind sozusagen ein Triumvirat in sich: Sie sind zunächst der Finanzminister des Freistaates Bayern, dann sind Sie der Verwaltungsratsvorsitzende der Bayerischen Landesbank, und außerdem sind Sie Vorsitzender der Generalversammlung. In all diesen Eigenschaften - man weiß nicht immer, welche gerade zuständig ist - möchte ich Sie fragen, wie die Fragen von Herrn Pohl zu beantworten gewesen wären, wenn Sie die Antworten hätten geben wollen.

(Heiterkeit bei der SPD und den Freien Wählern)

Für mich kann jetzt unter dem Strich das Fazit gezogen werden: Faktisch haben Sie noch nichts unternommen, außer Gutachten zu lesen.

Wenn ich nun von Ihnen auch noch höre, dass Sie die Kanzlei Hengeler Mueller, die eine mögliche Haftung für die Verwaltungsräte ausschließt, sozusagen wieder mandatieren, muss ich mit Verlaub feststellen, wie es Herr Kollege Huber auch gern gesagt hat: Man darf nicht die Frösche fragen, wenn man den Teich trockenlegen will.

(Beifall bei der SPD und den Freien Wählern)

Meine erste Frage an Sie - in welcher Ihrer Eigenschaften auch immer - geht dahin: Haben Sie die Versicherung über den möglichen Schadensfall informiert? Ist die Versicherung im Bereich von Vorstand und Verwaltungsrat darüber aufgeklärt, dass hier Ansprüche geltend gemacht werden können?

Zweitens frage ich Sie: Was haben Sie unternommen, um unsere Haftungsansprüche, unsere Gewährleistungsansprüche, wie immer sie geartet sind, gegen das Land Kärnten bzw. gegen Österreich abzusichern? Die Verjährungsfrist läuft demnächst aus, wie wir mehrmals gehört haben. Das brauche ich nicht zu wiederholen. Und für die HGAA gilt anscheinend das Gleiche wie für die ABS-Papiere.

Drittens habe ich die Frage, ob die Mitglieder der Generalversammlung von Ihnen als dem Vorsitzenden umfassend über alle diese Vorgänge informiert wurden, und wenn ja, wie und wann.

Da Sie nun viertens gesagt haben, die Kanzlei Flicke Gocke Schaumburg solle zu Ihnen kommen, müssen Sie doch die Kommission bitten, Ihnen die Genehmigung zu erteilen. Da bitte ich Sie gleichzeitig, uns auch das Gutachten von Hengeler Mueller zur HGAA zur Verfügung zu stellen.

Dann hätte ich noch eine Frage: Hat die Kanzlei Hengeler Mueller in der Vergangenheit als Rechtsanwaltskanzlei noch andere Geschäftsbeziehungen zur Landesbank gehabt, und wenn ja, welche?

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Frau Abgeordnete Aures, Sie haben recht. Insgesamt liegen seit Freitag neu 1.300 Seiten von Flick Gocke Schaumburg und 900 Seiten von Hengeler Mueller vor. Es ist eine Dreifachbelastung, als Finanzminister, Verwaltungsratsvorsitzender der Bank und Vorsitzender der Generalversammlung zu agieren. Es ist bemerkenswert. Ich gebe unumwunden zu: Übermenschlich sind meine Kräfte nicht. Ich kann über 2.000 Seiten nicht binnen eines Wochenendes verarbeiten. Ich bin auch nicht allein im Verwaltungsrat und auch nicht allein in der Generalversammlung. Ich glaube, dass es insbesondere angesichts der erheblichen Vorwürfe, die die Gutachter gegenüber Vorstand und Verwaltungsrat allein bei der Frage des HGAA-Kaufs entwickelt haben, schlicht und einfach falsch wäre, wenn man gestern in einer Art HauruckAktion Beschlüsse gefällt hätte. Ich glaube, wir sind gut beraten, wenn wir den Gutachten auf den Grund gehen und am Ende zügig - immerhin im Wochentakt - zu entsprechenden weiteren Schritten kommen.

Wir haben selbstverständlich alle Mitglieder der Generalversammlung umfassend informiert; denn Verwaltungsrat und Generalversammlung haben gestern gemeinsam getagt. Genauso wie wir das Gutachten von Hengeler Mueller zum Thema ABS im Juli in einer gemeinsamen Sitzung von Generalversammlung und Verwaltungsrat gemeinsam entgegengenommen haben, haben wir uns auch die Vorlage zum Thema HGAA in einer gemeinsamen Sitzung präsentieren lassen. Wir werden uns auch das Gutachten von Flick Gocke Schaumburg in einer gemeinsamen Sitzung präsentieren lassen. Ich werde selbstverständlich die Präsidentin des Bayerischen Landtags bitten, dass sie uns die Möglichkeit gibt, dieses Gutachten zur Verfügung zu stellen. Ich erinnere allerdings daran - Frau Aures, Sie müssten das wissen -, dass wir in der Landesbankkommission bereits festgehalten haben, dass die Gutachten jeweils gegenseitig ausgetauscht wer

den. Das Gutachten von Hengeler Mueller zum Thema ABS liegt Ihnen bereits vor. Das Gutachten von Hengeler Mueller zum Thema HGAA wird dem Untersuchungsausschuss entsprechend zur Verfügung gestellt. Das haben der Verwaltungsrat und die Generalversammlung der Bayerischen Landesbank gestern bereits beschlossen. Im Übrigen haben wir selbstverständlich das Gutachten zum Thema HGAA, das uns gestern präsentiert wurde, der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt.

Damit glaube ich, dass ich die Fragen zum Thema Generalversammlung, Gutachten, Staatsanwaltschaft und die Frage, wie wir weiter vorgehen, beantwortet habe. Ich warte jetzt auf die nächste Fragestellung.

(Harald Güller (SPD): Geschäftsbeziehungen! Versicherungen!)

Die Kanzlei Hengeler Mueller ist eine der großen deutschen Kanzleien unter anderem für Bankrecht. Insoweit gibt es auch andere Geschäftsbeziehungen. Das steht außer Frage. Die Kanzlei hat aber, wie es standesrechtlich notwendig ist, vor Übernahme des Gutachtenauftrags klar hinterlegt, dass vor dem Hintergrund des Standesrechts keine Gründe gegen eine Beauftragung sprechen.

Die D&O-Versicherung wird selbstverständlich über das Ergebnis des Gutachtens in Kenntnis gesetzt. Deshalb tagt der Verwaltungsrat bereits nächste Woche, damit kein schuldhaftes Zögern eintreten kann.

Dann kommt die nächste Frage. Herr Kollege Hallitzky, bitte.

Sehr geehrter Herr Finanzminister, Sie haben stets betont, ohne Rücksicht auf Personen alle möglichen zivilrechtlichen Ansprüche geltend zu machen. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie:

Erstens. Berichtet der "Münchner Merkur" korrekt, dass Sie am Wochenende in Herrn Seehofers Haus waren, um mit ihm und anderen CSU-Granden das weitere rechtliche Vorgehen gegenüber Verwaltungsratsmitgliedern zu besprechen?

Zweitens. Halten Sie es als Verantwortlicher für das Staatsvermögen für sachgerecht, dass die Frage von Schadenersatzforderungen oder anderen zivilrechtlichen Ansprüchen einer Staatsbank gegen Parteifreunde in eine Parteikungelrunde gehört?

Drittens. Stimmt die Berichterstattung, dass in der CSU ausgelotet werden soll, ob eine Klage gegen Ihre Parteifreunde vermeidbar ist?

Viertens. Ist Ihnen bekannt, dass Ihnen die GRÜNEN, aber auch die Öffentlichkeit mit Recht den Straftatbestand der Begünstigung vorwerfen werden, wenn Sie Ihre Parteifreunde weiter vor Schadenersatzforderungen oder anderen zivilrechtlichen Forderungen zu schützen versuchen?

Fünftens. Ist Ihnen bewusst, dass Sie mit Ihrem Verhalten materielle Ansprüche der Bank gegenüber Ihren Parteifreunden verhindern und Sie damit Schaden am bayerischen Staatsvermögen zu verantworten haben?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Herr Hallitzky, ich habe stets betont, dass ich selbstverständlich die Ergebnisse der Gutachten in die Arbeit des Verwaltungsrats einfließen lasse. Das war immer unstrittig und von jeher meine Festlegung. Das habe ich so getan, und das werden wir auch weiter so verfolgen.

Dass ich den Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern angesichts der besonderen Eigentümerstellung, die die Bürgerinnen und Bürger haben, über das Gutachten von Hengeler Mueller zum Thema Kauf der HGAA und mögliche Schadenersatzforderungen gegen Vorstände informiere, halte ich schlicht und einfach für sachgerecht. Deshalb verweise ich den Begriff Kungelrunde in das Reich der Abgründe.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Wer war dabei?)

- Herr Kollege Joachim Herrmann, der Mitglied des Verwaltungsrats ist und der an dieser Stelle genauso wie ich eine persönliche Verantwortung dafür hat, wie wir dieses Verfahren im Verwaltungsrat weiter betreiben.

Es ist sachgerecht, den Regierungschef über solche Möglichkeiten zu informieren, weil sie zu Recht - Frau Aures hat es vorhin gesagt - damit verbunden sind, dass offensichtlich auch andere Informationen den Freistaat Bayern, genauer gesagt die Bank, in eine Lage versetzen, Schadenersatzansprüche gegen die Verkäufer wegen möglicher arglistiger Täuschung einzuleiten. Wenn ich den Ministerpräsidenten darüber nicht informiert hätte, hätten Sie oder andere mir vorgeworfen: Was ist denn da los? Der Regierungschef weiß offensichtlich nicht, was da alles abläuft.

(Zurufe von den GRÜNEN: Martin Zeil!)

- Kollege Martin Zeil ist von mir auch über die Rahmenbedingungen des Gutachtens informiert worden, allerdings nicht persönlich; denn der Wirtschaftsminister war am Sonntag für das Land unterwegs. Ich habe ihn daher telefonisch informiert. Auch an dieser Stelle halte ich das Vorgehen für richtig und zweckdienlich.

(Beifall bei der CSU)

Mir sind keine Gründe, Herr Hallitzky, bewusst, dass die Information eines Regierungschefs mögliche Schadenersatzansprüche gegenüber den betroffenen Mitgliedern des Vorstands verschlechtern könnte. Ich glaube, dass ein gemeinsames koordiniertes Vorgehen unsere Möglichkeiten eher verbessert.