Mir sind keine Gründe, Herr Hallitzky, bewusst, dass die Information eines Regierungschefs mögliche Schadenersatzansprüche gegenüber den betroffenen Mitgliedern des Vorstands verschlechtern könnte. Ich glaube, dass ein gemeinsames koordiniertes Vorgehen unsere Möglichkeiten eher verbessert.
Wenn ich schon die Gelegenheit habe, über die Verbesserung von Möglichkeiten zu reden: Sie haben Herrn Professor Hoffmann-Becking am Donnerstag auf der Zeugenliste des Untersuchungsausschusses. Ich kann das Parlament nur bitten, angesichts der Faktenlage des Gutachtens diese Befragung in geheimer, nichtöffentlicher Sitzung durchzuführen, denn eine öffentliche Sitzung würde offensichtlich möglichen Beklagten die Möglichkeit geben, über Informationen und Strategien einer Schadenersatzklage Wissen zu erhalten, was nicht in unserem Interesse ist. Deshalb bitte ich die Fraktion, sich die Fragestellung zu überlegen, ob die Befragung von Herrn Professor Hoffmann-Becking, dem Autor des Gutachtens, zur Frage, ob Schadenersatzansprüche aus dem Kauf der HGAA abzuleiten sind, in geheimer, nicht öffentlicher Sitzung erfolgt.
Herr Staatsminister, Sie sind mit Ihrer Beantwortung fertig? - Okay. Dann hat als Nächste Frau Kollegin Dodell das Wort.
Herr Staatsminister, sind in dem Gutachten von Hengeler Mueller zu der Thematik HGAA-Erwerb amtierende Mitglieder der Staatsregierung betroffen?
Frau Abgeordnete Dodell, aktuelle Mitglieder der Staatsregierung sind von dem Gutachten der Kanzlei Hengeler Mueller zu der Thematik HGAA-Erwerb nicht betroffen. Das Gutachten geht zwar auf einige Ereignisse ein, die nach dem sogenannten Clo
sing des Kaufvertrags zum Erwerb der HGAA lagen. Hierzu gehören zum Beispiel die Entscheidung des Verwaltungsrats über die Kapitalerhöhung im Dezember 2007 sowie der Kauf restlicher Anteile der Mitarbeiter-Privatstiftung. In diesem Zeitraum waren die Kollegen Staatsministerin Müller und Staatsminister Herrmann Mitglied des Verwaltungsrats. Das Gutachten stellt aber eindeutig fest, dass hinsichtlich dieser erst nach dem Closing des HGAA-Erwerbs in den Verwaltungsrat eingetretenen Verwaltungsratsmitglieder keine Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung vorliegen.
Herr Staatsminister Fahrenschon, ich habe zwei konkrete Fragen an Sie. Erstens. Welche Schritte sind bis zum 31.12.2010 geplant, um der Verjährung der Schadenersatzansprüche entgegenzuwirken? Allein ein einziger Mahnbescheid für die genannten Beträge von 200 Millionen Euro würde 3 Millionen Euro Gebühren verursachen. Eine verlorene Klage würde unter Umständen bis zu 5 Millionen Euro pro Betroffenen kosten. Denken Sie an einen Verzicht der Verjährungseinrede bei den betroffenen Organen?
Zweitens. Was wird unternommen, um das Handeln der Verwaltungsratsmitglieder aufgrund des Gutachtens von Flick Gocke Schaumburg als fahrlässig bzw. grob fahrlässig hinsichtlich der Genehmigung der Liquiditätsfazilitäten zugunsten der Zweckgesellschaften zu bewerten?
Lieber Herr Abgeordneter Kirschner, jedem im Haus ist klar, dass die Vermeidung einer Verjährung eine zentrale Aufgabe darstellt, der sich der Verwaltungsrat und der Vorstand zu stellen haben. Ich habe deshalb bei den von der Bank angestoßenen Prüfungen Wert darauf gelegt, dass gerade die Verjährungsfragen intensiv geprüft werden. Ich habe bereits festgestellt, dass der Verwaltungsrat bislang aus gutem Grund derzeit noch keine Maßnahmen beschlossen hat. Zuerst muss der Verwaltungsrat die Gutachten vertieft prüfen und auswerten. Dabei hat der Verwaltungsrat selbstverständlich auch die gegebenenfalls drohende Verjährung zum Jahresende 2010 im Blick.
Soweit man dies vor diesem Hintergrund heute bereits sagen kann, kommen folgende Maßnahmen grundsätzlich in Betracht, um eine Verjährung zu verhindern: Die betroffenen Personen können aufgefordert werden, auf die Einrede der Verjährung - jeden
falls befristet - zu verzichten. Der so gewonnene Zeitraum könnte genutzt werden, um Gespräche über die Leistung von Schadenersatz mit den Vorstandsmitgliedern und deren D&O-Versicherung nicht nur zu führen, sondern zum Abschluss zu bringen. Soweit sich die betroffenen Personen zu einem Verzicht auf die Einrede der Verjährung nicht bereit erklären, kommt zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung vor allem die Erhebung einer Klage in Betracht. Für diesen Fall empfiehlt es sich meines Erachtens, vorsorglich eine Klageschrift vorzubereiten. Sie haben aus meiner Antwort vorhin entnommen, dass wir bezogen auf die HGAA mit Hengeler Mueller bereits unterwegs sind.
Herr Abgeordneter Kirschner, ein Mahnbescheid erscheint mir angesichts der Komplexität des Sachverhalts und der hohen Beträge, die im Raum stehen, nicht als angemessenes Mittel zur Verjährungsunterbrechung. Ich sage Ihnen aber zu, dass wir das mit den Juristen in der Bank und seitens der Fachanwälte prüfen. Weitere verjährungshemmende Maßnahmen stehen derzeit nicht in der Diskussion. Ich will aber noch einmal versichern, dass wir die Frage der Verjährung sehr genau im Auge behalten werden und uns insofern von der Kanzlei Hengeler Mueller entsprechend beraten lassen.
Zu Ihrer zweiten Frage, inwieweit wir die Einschätzung des Gutachtens von Flick Gocke Schaumburg als grob fahrlässig hinsichtlich der Genehmigung der Liquiditätsfazilitäten bewerten, kann ich nur noch einmal sagen: Uns liegt das Gutachten der Landesbankkommission seit Freitag vor. Jeder wird und jeder muss Verständnis dafür haben, dass man sich angesichts des Umfangs des Gutachtens und der Kürze der Zeit bis heute nur einen ersten Überblick verschaffen kann. In weiteren Verfahren ist deshalb sorgfältiges Handeln gefragt. Daher sollte zunächst eine vertiefte Prüfung des Gutachtens von Flick Gocke Schaumburg erfolgen. Erst danach können wir uns mit den rechtlichen Fragen im Einzelnen auseinandersetzen. In diesem Zusammenhang muss ich darauf hinweisen, dass das Gutachten von Flick Gocke Schaumburg zu einem diametral anderen Ergebnis kommt als das bisher vorgelegte Gutachten von Hengeler Mueller zu derselben Fragestellung.
Wir haben deshalb gestern im Verwaltungsrat beschlossen, die Kanzlei Flick Gocke Schaumburg in den Verwaltungsrat einzuladen und uns das Gutachten präsentieren zu lassen. Dabei wird sich der Vorstand, der für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen zuständig ist, ein Bild davon machen müssen, welche Argumente Flick Gocke Schaumburg für ein wirklich grob fahrlässiges Verhalten vorbringt.
Herr Minister, in den letzten Tagen gab es einige Berichte über gewisse Unregelmäßigkeiten. Inwieweit prüfen Sie die Schadenersatzanforderungen des Freistaats Bayern gegen die Republik Österreich?
- Das habe ich übersehen. Ich bitte um Entschuldigung. Sehen Sie es so, dass Ihnen Herr Kollege Radwan eine weitere Gelegenheit gegeben hat, eine Antwort zu erhalten.
Erste Berichte über Unregelmäßigkeiten im Vorfeld des Verkaufes - Sie erinnern sich - gab es Anfang des Jahres. Daraufhin habe ich den Vorstand der Bank aufgefordert, notwendige rechtliche Vorkehrungen zu treffen. Seit Anfang des Jahres ist eine österreichische Kanzlei damit beauftragt, sich mit dem Vorwurf der Täuschung der Käufer durch die Verkäufer auseinanderzusetzen. Die Kanzlei kommt zu dem Ergebnis, dass zivilrechtliche Ansprüche der BayernLB gegen die Verkäufer sowohl bei vorsätzlicher Vorspiegelung falscher Tatsachen als auch beim bewussten Verschweigen relevanter Tatsachen folgen können. In Deutschland heißt es arglistige Täuschung, in Österreich gibt es den Fachbegriff List.
Darüber hinaus genügt Verschweigen nur, wenn nach Grundsätzen des redlichen Verkehrs eine Aufklärungspflicht bestand. Der Verkäufer steht auch für ein absichtlich falsches Erklären eines ihm zurechenbaren Gehilfen ein, wenn es vom Aufgabenbereich des Gehilfen gedeckt erscheinen müsste. Die Kanzlei Schönherr kommt im Übrigen zu dem Ergebnis - das ist für das weitere Verfahren von wesentlicher Bedeutung -, dass die Regelungen der Kaufverträge und des sogenannten Sideletters der Kärntner Landesholding Ansprüchen der Bayerischen Landesbank gegen die Verkäufer aus List - arglistiger Täuschung - nicht entgegenstehen, da diese nicht wirksam im Voraus vertraglich eingeschränkt werden können.
Sie sehen also, wir sind auch an dieser Stelle bei den Vorbereitungen gut aufgestellt und unternehmen alles in unserer Macht Stehende, um mögliche Ansprüche gegenüber der Verkäuferseite vorzubereiten und ohne Verjährung der Fristen handlungsfähig zu sein.
Sehr geehrter Herr Staatsminister, stimmt die Berichterstattung in dem Punkt, dass Sie bei Ihren Gesprächen auch ausgelotet haben, ob eine Klage gegen Ihre Parteifreunde vermeidbar ist?
Sie haben auf die bestellte Frage der CSU eine Antwort gegeben. Mir haben Sie keine Antwort gegeben. Das macht nichts; Hauptsache, es steht hinterher im Protokoll. Ich möchte Frau Dodell die Antwort geben, die Sie ihr nicht gegeben haben. Damals standen der jetzt amtierende Fraktionschef, Herr Schmid, der damals der zuständige Staatssekretär war, und als Mitglied des Verwaltungsrates der damalige Minister Huber, der jetzt Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses ist, in der Verantwortung und in der Haftung. Im Übrigen möchte ich Sie noch einmal darauf hinweisen, dass wir vonseiten der SPD auf jeden Fall alles mit Argusaugen betrachten und alles unternehmen werden, um für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler das Geld wieder zurück in die Kassen des Freistaats Bayern zu holen. 10 Milliarden Euro sind in die Bayerische Landesbank versenkt worden.
Sie sind seit zwei Jahren Finanzminister und sagen immer, Sie wollten aufklären und etwas tun. Hauen Sie endlich auf den Tisch und unternehmen etwas, damit die Landesbank nicht wieder Silvester in New York feiert und sich über uns kaputtlacht!
Liebe Frau Aures, ausweislich des heutigen Kalenders ist heute der 19. Oktober und nicht der 30. Dezember. Als stellvertretende Vorsitzende der Landesbankkommission sind Sie umfangreich über die Maßnahmen, die wir bereits im ersten Halbjahr eingeleitet haben, um mögliche Schadenersatzforderungen in alle Richtungen vorzubereiten, informiert worden. Ich kann vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehen, dass Sie heute mit dem pauschalen Vorwurf argumentieren, wir seien nicht in der Lage, die Fristverjährung, die Ende des Jahres droht, zu bekämpfen.
Ich kann noch einmal festhalten: In Bezug auf die Gutachten haben wir dafür gesorgt, dass wir handlungsfähig sind. Die Kanzlei, die das Gutachten zur HGAA angefertigt hat, wurde vom Verwaltungsrat vorbehaltlich der Beschlüsse am nächsten Montag bereits beauftragt, Vorbereitungen zu treffen. Die Kanzlei, die dafür zuständig ist, die Ansprüche gegen die Verkäufer zu prüfen, ist seit Anfang des Jahres damit beauftragt. Diese Prüfung ist deshalb enorm wichtig, weil wir es den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern und auch der Bank schuldig sind, dass wir allen Anhaltspunkten nachgehen, auf deren Grundlage wir gegebenenfalls einen Teil des Geldes zurückerhalten können. Wir werden die Gutachten sehr schnell, aber auch sehr genau prüfen, um dann im Verwaltungsrat und auch im Vorstand die nötigen Maßnahmen einzuleiten. Ich sehe zum heutigen Stand keine Gefahr, dass wir durch Fristverjährung der Schadenersatzmöglichkeiten beraubt würden.
Sehr geehrter Herr Minister! Hengeler Mueller ist einer der großen Lobbyisten beim Handel mit strukturierten Wertpapieren. Diese Kanzlei hat auch die BayernLB bei der Konstruktion der Zweckgesellschaften beraten, über die dann die Verkäufe abliefen. Deshalb wurde unter Ihrer Führung mit Hengeler Mueller nicht ein unabhängiger Gutachter beauftragt, sondern der Bock zum Gärtner gemacht.
Dies zeigt sich an vielen Stellen des Gutachtens von Hengeler Mueller, das ich hier nicht zitieren kann, weil es geheim ist. Es zeigt sich insbesondere dort, wo die Kontrollpflichten der Verwaltungsräte angesprochen werden. Diese werden von Hengeler Mueller nahe der Nulllinie angesiedelt. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie:
Erstens. Welchen Wert messen Sie dem Gefälligkeitsgutachten von Hengeler Mueller zu den ABS-Papieren bei?
Zweitens. Teilen Sie die Auffassung, dass nach Hengeler Mueller Vorständen und Verwaltungsräten bei den ABS-Geschäften kein Vorwurf zu machen ist?
Viertens. Hengeler Mueller hat sich bei den ABS-Papieren erwartungsgemäß als Gefälligkeitsgutachter erwiesen. Wie können Sie dann bei dem HGAA-Gutachten von Hengeler Mueller davon ausgehen, dass dort das Weißwaschtestat gegenüber den Verwaltungsratsmitgliedern inhaltlich tragfähig ist?
Fünftens. Sowohl bei den strukturierten Wertpapieren als auch bei der HGAA wurden - ich zitiere - "auf der Grundlage völlig unzureichender Information" Milliardenbeträge freigegeben. Das findet sich bei Hengeler Mueller genauso wie bei Flick Gocke Schaumburg. Wenn das eine mutmaßlich grob fahrlässig gewesen ist, muss es auch das andere gewesen sein. Welchen Unterschied sehen Sie in der Beurteilung des gleichen Verhaltens der Verwaltungsräte sowohl bei den ABS-Papieren wie auch bei der HGAA außer der einen Tatsache, dass bei der HGAA lediglich ein Hofgutachten existiert und der Persilschein deswegen gutachterlich unwidersprochen blieb?
Sechstens. Welche Schritte werden Sie unternehmen, um das Gutachten von Hengeler Mueller bezüglich des Persilscheins für die Verwaltungsräte einer Kontrolle und Überprüfung zu unterziehen?
Siebtens. Was unternehmen Sie, um die Verjährung bei den Verwaltungsräten sowohl beim HGAA-Erwerb als auch beim ABS-Erwerb auszuschließen? Das gilt vor allem für den HGAA-Erwerb, bei dem Sie sagen, nach Hengeler Mueller sei alles paletti. Nichts ist paletti!