Protokoll der Sitzung vom 19.10.2010

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Lieber Herr Hallitzky, ich sehe den Vorwurf, es handle sich bei den Gutachten von Hengeler Mueller um Gefälligkeitsgutachten, den Sie in den Raum stellen, dezidiert nicht. Die Tatsache, dass Hengeler Mueller die Fakten sowohl bei den ABS-Papieren als auch bei der HGAA sachgerecht aufbereitet hat, zeigt doch, dass wir nicht von einem Gefälligkeitsgutachten ausgehen können. Ich will noch einmal festhalten: Die Kanzlei Hengeler Mueller ist aus meiner Sicht nicht befangen. Beim ABS-Gutachten der Kanzlei geht es darum, ob der Vorstand oder der Verwaltungsrat für die Verluste aus den Investments der Bank in ABSPapiere haften. Hengeler Mueller hat die Bank bei Investitionen in ABS-Papieren nie beraten. Zwar hat die

Kanzlei die Bank in der Vergangenheit wiederholt zu Fragen des Bank- und Kapitalmarktrechts beraten, zu keiner Zeit aber zu ABS-Investitionen.

Herr Hallitzky, am Ende brauchen Sie für ein solches Gutachten auch eine Kanzlei, die sich in solchen Fragen auskennt. Eine Kanzlei, die damit erst anfängt, hilft Ihnen nicht weiter. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Hengeler Mueller hat die Bank nicht bei ABS-Investitionen beraten. Umgekehrt ist es mir wichtig, mit Hengeler Mueller eine Kanzlei zu haben, die sich in der äußerst komplexen Materie des ABS-Geschäfts auskennt. Eine Kanzlei, die die Marktumgänge und -standards und damit den regelmäßig anzulegenden Sorgfaltsmaßstab in diesem Geschäft nicht kennt, hätte uns nicht geholfen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Haben Sie Vertrauen in die Kanzlei des Landtags!)

Hengeler Mueller hat im Übrigen schon aus standesrechtlichen Gründen kein Interesse an einer möglichen Interessenkollision. Die Kanzlei hat daher diese Frage sehr intensiv und auf meine Bitte und auf Bitte der Bank hin zu Beginn des Auswahlprozesses nochmals geprüft und uns schriftlich bestätigt, dass weder im Hinblick auf frühere Mandate der Bayerischen Landesbank noch aus sonstigen Gründen ein Interessenkonflikt besteht, der der Mandatierung von Hengeler Mueller für das Haftungsgutachten entgegenstehen könnte.

Dass Hengeler Mueller im Übrigen einen hervorragenden Ruf bei der Aufarbeitung schwerer Organhaftungsfragen hat, brauche ich an dieser Stelle nicht extra betonen. Ich denke, der Fall Siemens ist allen bekannt.

Auf die Frage, wie wir mit der drohenden Verjährung umgehen, kann ich nur wiederholen: Wir arbeiten mit Hochdruck. Wir haben die Gutachten, die am Freitag fertiggestellt wurden, am Montag dem Verwaltungsrat präsentiert. Wir haben sie den Verwaltungsräten auch zur Verfügung gestellt. Wir werden zum Komplex HGAA schon am nächsten Montag die nächste Sitzung haben. Aufgrund der Abwägung, dass sich die Verwaltungsräte einerseits in die Materie einarbeiten müssen, dass die Materie andererseits auch zügig abgearbeitet werden muss, ist Ihr Vorwurf verfehlt.

Bei den weiteren Arbeiten ist das Vorgehen angesichts unterschiedlicher Gutachten zu den ABS-Geschäften auch sachgerecht. Wir müssen jetzt das zweite Gutachten studieren und dann den Gutachtern die Gelegenheit geben, den Verwaltungsräten zu Fragen und Nachfragen zur Verfügung zu stehen. Dann werden wir die beiden Gutachten nebeneinander legen und unabhängig voneinander sowohl im Ver

waltungsrat als auch im Vorstand eine Bewertung erarbeiten. Bei der HGAA rechne ich mit einem Abschluss der Bewertung noch in den nächsten Wochen.

Jetzt hat sich noch einmal Herr Kollege Pohl für eine Frage gemeldet. Ihnen stehen noch 16 Sekunden zur Verfügung.

Herr Staatsminister, Sie haben eine große Chance, dazu beizutragen, dass an den Freistaat Bayern Geld zurückfließt, welches wir einlegen mussten. Sie tragen aber auch ein großes Risiko. Wenn Sie es pflichtwidrig unterlassen, Haftungsansprüche geltend zu machen, machen Sie sich wegen Untreue strafbar und auch schadenersatzpflichtig. Ist Ihnen das bewusst? Ist Ihnen bewusst, dass wir notfalls auch diese Karte spielen werden?

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Herr Abgeordneter Pohl, alle Mitglieder des Verwaltungsrats einschließlich meiner Person sind sich der besonderen Verantwortung, in der wir jetzt für den bayerischen Steuerzahler stehen, bewusst.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Seit wann? - Zuruf von der SPD: Waren Sie das auch schon früher?)

Danke schön, Herr Staatsminister. Ich sehe keine weiteren Fragen mehr. Damit ist die Ministerbefragung beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der FDP-Fraktion "Eigenverantwortung und Solidarität im Länderfinanzausgleich sichern - Keine Benachteiligung Bayerns!"

In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen.

Erster Redner ist nun Herr Kollege Karsten Klein.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Länderfinanzausgleich spielt in den Diskussionen immer wieder eine prominente Rolle. Wir in Deutschland unterziehen dieses wichtige Thema, bei dem es um so viel Geld geht, immer wieder einer konstruktiven und kritischen Diskussion. Das ist auch richtig und hat mit Populismus wenig zu tun.

(Hubert Aiwanger (FW): Wenn es von der FDP kommt, schon!)

- Das muss jeder für sich selbst bewerten.

Wir wollen in dieser Diskussion von vornherein feststellen, dass es uns nicht darum geht, die Solidarität zwischen den Bundesländern in der Bundesrepublik Deutschland in irgendeiner Form aufzulösen. Wir bekennen uns klipp und klar zum Bundesstaatsprinzip. In der deutschen Politik gilt die durchgängige rote Linie, dass den Bedürftigen geholfen werden muss. Dafür steht auch die FDP in der Diskussion über den Länderfinanzausgleich.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich muss aber trotzdem die Veränderungen, die seit der Schaffung des Länderfinanzausgleichs eingetreten sind, skizzieren. Wenn wir uns das Volumen des Länderfinanzausgleichs ansehen, stellen wir fest, dass er in geradezu dramatischer Weise angewachsen ist. In gleicher Weise hat sich das Verhältnis zwischen den Nehmer- und Geberländern verändert. Nur einem einzigen Bundesland ist es bislang gelungen, vom Nehmer- zum Geberland zu werden. Das wissen Sie bereits aus den vorigen Debatten.

Ein weiterer Punkt ist die zunehmende Neuverschuldung der allermeisten Bundesländer. Sie wissen, dass wir im Grundgesetz mit der Schuldenbremse einen deutlichen Kontrast gesetzt haben. Dies reicht jedoch nicht aus und bedeutet keine Beendigung der Diskussion über den Länderfinanzausgleich. Hinzu kommen Diskussionen über Begünstigungen beim letzten kostenfreien Kindergartenjahr und bei Studienbeiträgen in finanziell schlecht aufgestellten Nehmerländern. Die Diskussion wird verschärft durch Haltungen wie die des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Herrn Wowereit, der sich sehr locker geäußert hat und der Meinung ist, dass die Mittel, die er seit Jahren aus Bayern bekommt, eine Selbstverständlichkeit seien.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das zeigt, dass es richtig ist, diese Diskussion zu führen. Die drei Fraktionen der FDP im Hessischen Landtag, im Landtag

von Baden-Württemberg und im Bayerischen Landtag haben zu diesem Thema eine Studie in Auftrag gegeben. Wir sind der Meinung, dass in dieser Studie berechtigte Fragen gestellt werden.

Die Idee des Länderfinanzausgleichs ist es, bundesstaatliche Eigenverantwortung und bundesstaatliche Solidarität in Übereinstimmung zu bringen. Ich möchte ausdrücklich den ersten Teil hervorheben, die bundesstaatliche Eigenverantwortung. Bisher ist der Länderfinanzausgleich dadurch gekennzeichnet, dass die Beträge ausgehandelt werden und deshalb sehr viel vom Verhandlungsgeschick der einzelnen Länder und von der Austarierung der Machtverhältnisse im Bund abhängt. Das wissen Sie aus den zurückliegenden Diskussionen.

Wir kommen deshalb zu dem Urteil, dass der aktuelle Länderfinanzausgleich in seiner Ausgestaltung verfassungswidrig ist. Das fängt bereits beim Umsatzsteueraufkommen an. Hier brauchen wir sachgerechte Indikatoren und ein Verfahren, das sich an den Aufgaben und Ausgaben orientiert und Zuordnungen enthält.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Erschwerend kommt hinzu, dass eine ganze Reihe von Prüf- und Reparaturaufträgen des Bundesverfassungsgerichts nicht umgesetzt wurden. Nach wie vor gibt es unzureichende Definitionen, zum Beispiel in Bezug auf die Finanzkraft. Bei diesem Thema führt es auch nicht weiter, über die Bevölkerungsdichte in der Weise zu diskutieren oder Feststellungen zu treffen, wie dies momentan geschieht. Das Thema Ballungszentren kontra ländlicher Raum ist ein weiteres Beispiel. Hier stellen wir fest, dass gerade die Geberländer wie Bayern beide Bereiche vorzuweisen haben. Dies bleibt aber unberücksichtigt.

Bei den Bundesergänzungszuweisungen haben wir deutliche Hinweise darauf, dass das Nivellierungsverbot missachtet wird. Das derzeitige System des Länderfinanzausgleichs ist insgesamt nicht geeignet, sowohl bei den Geber- als auch bei den Nehmerländern dafür zu sorgen, ein Interesse an der Steigerung der eigenen Finanzkraft zu wecken. Dies läuft dem Grundgedanken des Länderfinanzausgleichs zuwider.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Besonders bedenklich ist es, dass von 16 Bundesländern zehn der Meinung sind, die Mittel für die eigene politische Führung nicht aufbringen zu können. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es ist bezeichnend, wenn hierfür Mittel aus den Bundesergänzungszuweisungen verwendet werden. Ich halte es für angebracht, dass wir nachdrücklich und konstruktiv zwi

schen den Bundesländern diskutieren. Wir müssen uns aber auch den Klageweg offenhalten.

An dieser Stelle möchte ich auf einen Punkt zurückkommen. Ich habe bereits anfangs erwähnt, dass der Länderfinanzausgleich von der Einnahmenseite getrieben ist. Wenn jedoch verschiedene Bundesländer aufgrund politischer Entscheidungen bestimmte Einnahmen nicht generieren, die wir als Geberländer unseren Bürgerinnen und Bürgern zumuten müssen, muss dies im Finanzausgleich berücksichtigt werden.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich spreche hier von den Studienbeiträgen, und ich spreche vom letzten kostenfreien Kindergartenjahr. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass autonom getroffene Entscheidungen beim Länderfinanzausgleich nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Sie müssen in die Berechnung einfließen. Das sehen wir momentan nicht gegeben. Hier besteht Nachbesserungsbedarf. Es kann nicht sein, dass andere Länder etwas, was wir unseren Bürgerinnen und Bürgern nicht zugestehen können, aus unseren Finanztöpfen finanzieren. Das ist abzulehnen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Deshalb werden wir an diesem Thema dranbleiben. Das hat wenig mit Populismus zu tun, sondern mit Sachorientierung und damit, dass wir nicht den Weg verlieren, sodass die Solidarität zwischen den Bundesländern irgendwann infrage gestellt würde. Wir sprechen uns explizit für einen horizontalen Länderfinanzausgleich aus. Die Erfahrungen, die wir mit dem vertikalen Finanzausgleich gemacht haben, entsprechen weder der Struktur unseres Föderalismus noch werden dadurch die Probleme gelöst. Wir haben ein deutlich besseres System.

Wir müssen dieses System reformieren. Wir müssen endlich den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nachkommen. Dazu haben die drei Fraktionen der FDP in den Südstaaten einen Vorschlag geliefert. Ich weiß, dass die CSU bei diesem Thema an unserer Seite ist. Wir werden gemeinsam dafür kämpfen, den Länderfinanzausgleich sachgerecht zu reformieren. Wir würden uns freuen, wenn wir dabei die Vertreter der GRÜNEN in Berlin, die zwischen 1998 und 2005 an der Regierung waren, und der SPD, die bis 2009 regierte, an unserer Seite hätten. Sie sollten mit uns einen gemeinsamen Vorstoß machen, um bei diesem Thema zu einer sachgerechten Lösung zu kommen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Georg Schmid für die CSUFraktion. Ihm wird Herr Kollege Halbleib folgen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir heute das Thema des Länderfinanzausgleichs erneut aufgreifen. Wir haben bereits im Juni dieses Jahres hierzu einen Dringlichkeitsantrag unter dem Leitgedanken "Anreizgerechte Gestaltung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs" eingereicht. Eigentlich hatten wir damals die Hoffnung, dass wir zu einem interfraktionellen Antrag mit der SPD und den GRÜNEN kommen würden. Leider ist dieses Vorhaben seinerzeit gescheitert. Ich glaube aber, dass wir hier gemeinsam bayerische Interessen zu vertreten haben. Das ist die Aufgabe des bayerischen Parlaments. Deshalb wäre ich dankbar, wenn alle Fraktionen dieses Landtags dieses Anliegen unterstützen würden.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Thomas Mütze (GRÜNE): Was sollen wir denn unterstützen?)

Ich möchte nicht das gesamte Ausgleichssystem infrage stellen. Das will niemand von uns. Herr Kollege Hacker, deshalb bin ich dankbar, dass Sie in der Formulierung des Themas die Worte "Eigenverantwortung und Solidarität im Länderfinanzausgleich sichern - keine Benachteiligung Bayerns" aufgenommen haben. Darum geht es nämlich. Wir wollen uns nicht aus diesem solidarischen System verabschieden, das auch uns einmal getragen hat.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Und zwar sehr lange!)