Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Ländner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es ist wichtig und richtig, dass wir heute im Parlament in großer Übereinstimmung über die Situation der Polizeibeamtinnen und -beamten nach gewalttätigen Einsätzen sprechen und entsprechende Anträge einbringen. Es ist mir im Zusammenhang mit der Beratung dieser Anträge ein Anliegen, Dankeschön zu sagen und Respekt auszudrücken für die Frauen und Männer in Uniform, die tagtäglich auf den Straßen unseres Staates für Sicherheit sorgen und die erst vor wenigen Tagen bei einem Großeinsatz in Norddeutschland bis an die Grenze des Erträglichen gefordert wurden.

Es ist wichtig und richtig, dass wir als Parlament Respekt ausdrücken, und es ist auch wichtig und richtig, dass wir uns als Parlament damit beschäftigen, negative Folgen dieser Einsätze so klein wie möglich zu halten und die Beamten zu entlasten. Wir sind uns darin einig, dass es wichtig ist - ich ergänze, was Kollege Fischer gesagt hat -, eine optimale Nachsorge, eine optimale Betreuung von Einsätzen und eine optimale Einsatznachbereitung im psychologischen, aber auch im rechtlichen und fiskalischen Sinne sicherzustellen. Unsere Polizeibeamtinnen und -beamten haben ein Anrecht auf psychologische Betreuung und auf rechtliche Beratung. Ich bin froh darüber, dass wir

übergreifend der Meinung sind, und dies auch dokumentieren, dass Gewalt kein Ausdruck politischer Willensfreiheit sein kann.

Wir werden daher auch, um diese Gemeinsamkeit darzustellen, den Antrag der Freien Wähler mittragen - Ausschluss von Gewalt. Wir sind der Überzeugung, Herr Kollege Hanisch, dass das, was Sie im dritten Spiegelstrich wünschen, bereits im Neuen Dienstrecht verwirklicht wird. Wir respektieren es, dass Sie darüber einen Bericht wollen. Daher wurde in den dritten Spiegelstrich ein Berichtsauftrag aufgenommen..

Wir hätten gerne auch, lieber Herr Kollege Schneider, dem Antrag der SPD zugestimmt. Wir sind überzeugt, dass er von seinem Inhalt und seiner Intention her in die richtige Richtung geht, genauso, wie es in den anderen Anträgen zum Ausdruck gebracht wird. Leider können wir uns mit dem Wegfall der Subsidiaritätsklausel nicht anfreunden. Hier brauchen wir eine nähere rechtliche Überprüfung, und hier ist die Frage des Mehrwertes zu stellen. Ebenso ist die Frage zu stellen, ob man den Gewerkschaften wirklich einen Gefallen tut, wenn die Subsidiaritätsklauseln entfallen.

Ich darf sagen, dass es sich um eine richtige Reaktion des Freistaates Bayern handelt, und ich darf gleichzeitig mit Blick auf die zuständigen Ministerien - Finanzministerium und Innenministerium - zum Ausdruck bringen, dass die Kolleginnen und Kollegen des Landtags, die diese Anträge einbringen, genau darauf achten werden, wie sie umgesetzt werden. Ich darf insbesondere auf den letzten Satz unseres Antrags hinweisen, der den Eintritt des Staates in den Schadenersatz überprüfen lässt. Ich weiß natürlich um die juristische Problematik, aber ich möchte im Hohen Hause feststellen: Es ist nicht richtig, wenn dem Schadenersatzanspruch eines Polizeibeamten, der von jemandem verletzt wird, von dem nichts zu holen ist - Sie gestatten die umgangssprachliche Ausdrucksweise -, nicht entsprochen wird.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir sollten alles tun, um rechtliche Barrieren zu beseitigen und den Polizeibeamtinnen und -beamten diesen Schadenersatzanspruch zuzugestehen. Es darf nicht sein, dass zwischen einer Verletzung, die durch einen Menschen verursacht wurde, der Geld hat, und einer Verletzung durch einen Menschen, der kein Geld hat, unterschieden wird. Die Schmerzen sowie die psychischen und physischen Belastungen sind in beiden Fällen gleich groß.

(Beifall bei der CSU, der FDP und der SPD)

Jetzt darf ich Herrn Kollegen Schneider das Wort erteilen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir beschäftigen uns jetzt schon zum dritten Mal - ich erinnere daran, es war im Januar 2009, im Juli 2009, und heute wieder - mit der besseren Fürsorge für die bayerische Polizei. Außer, dass wir jedes Mal kübelweise Lob für die bayerische Polizei aussprechen, hat sich seit dieser Zeit nichts, gar nichts geändert.

(Beifall bei der SPD)

Aus diesem Grund muss jetzt endlich gehandelt werden. Ich verstehe die Polizisten Bayerns, dass sie langsam die Schnauze voll haben. Was nutzt das Lob bei Weihnachtsempfängen, die jetzt wieder bevorstehen, wenn sich an der Situation nichts ändert? Im Gegenteil, es hat sich manches sogar verschlechtert statt verbessert. Ich weise auf die Schadenersatzrichtlinien hin, die im letzten Jahr geändert worden sind. Wenn es darum geht, dass der Polizist Schadenersatz erhält, wenn im Dienst private Gegenstände wie sein Handy oder seine Uhr beschädigt werden, hat man die Bagatellgrenze von 5 Euro auf 75 Euro angehoben. Das heißt, die Polizistinnen und Polizisten bekommen bis zu diesem Betrag keinen Ersatz mehr. Wenn die maroden Funkgeräte, die der Dienstherr zur Verfügung stellt, nicht mehr funktionieren, nutzen die Polizistinnen und Polizisten immer mehr ihr Privathandy. Wird dieses im Dienst beschädigt, bekommen sie dies nicht ersetzt. Kollege Ländner, so ist das.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Mir ist bekannt, dass die Änderung der Bagatellrichtlinien auf eine Anordnung des Obersten Rechnungshofes zurückgehen. Ich weiß nicht, ob Sie ähnliche Informationen haben.

Ist Ihnen bekannt, dass im Neuen Dienstrecht wesentliche Maßnahmen gerade in der Nachsorge, beispielsweise bei der Verarbeitung posttraumatischer Störungen, bereits umgesetzt wurden und wir gemeinsam mit dem heutigen Antrag weitere Verbesserungen fordern?

Herr Kollege Ländner, wir haben schon viele Forderungen des Obersten Rechnungshofes ignoriert.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb sehe ich kein Problem. Außerdem ist das Neue Dienstrecht noch nicht in Kraft getreten. Wir warten zunächst die Umsetzung ab. Wir werden sehen.

Die Anhebung der Bagatellgrenze von 5,11 Euro auf 75,00 Euro hat viele Kollegen bereits viel Geld gekostet. Eine durch die Demonstrationen rund um den Castortransport gerissene Hose muss der Polizist selber zahlen, weil der Schaden unter der 75- EuroGrenze liegt. Neben der zerrissenen Hose gibt es ebenfalls Handys, Uhren und sonstige Dinge, die während des Einsatzes beschädigt werden. Nach wie vor werden die Polizisten mit ihren Schmerzensgeldforderungen allein gelassen. Einige Kollegen mussten Prozesskosten in Höhe von 5.000 Euro selber tragen, ohne einen einzigen Cent Schmerzensgeld zugesprochen erhalten zu haben. Viele Polizisten mussten wegen erlittener Verletzungen vorzeitig in den Ruhestand treten. Die Täter sitzen im Gefängnis. Von ihnen ist kein Cent zu holen. Den Kollegen Dr. Fischer und Ländner gebe ich recht: Hier muss dringend geholfen werden. Hier muss etwas passieren.

Herr Minister, jetzt muss gehandelt werden. Sie dürfen nicht länger zusehen, wenn Polizisten den Glauben an den Staat und an die Gerechtigkeit verlieren. Hier muss endlich etwas geschehen. Diese Woche waren wir mit unserem Arbeitskreis beim Zentralen Psychologischen Dienst in München. Dort arbeiten elf Kolleginnen und Kollegen der Polizei, die 4.000 Überstunden haben, weil sie Tag und Nacht im Dienst für die Polizei eingespannt sind. An dieser Stelle muss ebenfalls nachgebessert werden. In diesem Punkt gebe ich dem Antrag der CSU und der FDP recht. Die Betreuung im Zentralen Psychologischen Dienst muss erheblich verbessert werden. Der Zentrale Psychologische Dienst braucht mehr Personal, um ordentliche Arbeit leisten zu können.

Herr Minister, eine Strafverschärfung mit dem § 113 StGB war ein Schritt in die richtige Richtung. Ende des Jahres wird uns ein düsteres Bild aufgezeigt werden, da fast 6.000 Delikte gegen Polizisten in Bayern im Jahre 2010 verübt worden sind. Deshalb muss jetzt gehandelt werden.

Aus diesem Grund bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag, der sich im Wesentlichen auf drei Punkte konzentriert: die Verbesserung des Zentralen Psychologischen Dienstes, die Änderung der Schadenersatzrichtlinien und der Wegfall der Subsidiaritätsklausel zur Verbesserung des Rechtsschutzes.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Pohl.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der beste Ausdruck der Wertschätzung, die wir unserer Polizei entgegenbringen, ist, dass wir ihren berechtigten Anliegen entsprechen. Ich freue mich, dass die Fraktionen der CSU, der FDP, der SPD und der Freien Wähler dies so sehen. Ob die GRÜNEN diesen Anträgen zustimmen, weiß ich nicht.

Hier geht es um berechtigte Anliegen unserer Beamten, die für uns, für die Menschen in Bayern, den Kopf hinhalten und für die Sicherheit garantieren. Es kann nicht angehen, dass diejenigen, die im Kampf für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung verletzt werden, im Regen stehen gelassen werden. Deswegen ist eine Vorfinanzierung von Schadenersatzprozessen und Schmerzensgeldprozessen gegen die Täter das Mindeste. Die Polizistinnen und Polizisten sollten das Schmerzensgeld auch dann erhalten - das hat Herr Kollege Dr. Fischer ausgeführt -, wenn dies von den Tätern nicht zu erlangen ist.

Ein kleiner Seitenhieb auf das Innenministerium sei mir allerdings gestattet. Eigentlich ist es die originäre Aufgabe des Dienstherren, seiner Fürsorgepflicht nachzukommen, dafür bedürfte es eigentlich keiner Initiative des Bayerischen Landtages. Das müssten Sie eigentlich von selber tun. Ich würde mich darüber freuen, wenn die Anträge, die von uns heute beschlossen werden, ihre Umsetzung fänden. Damit wäre den Bedürfnissen der Beamten hier im Freistaat Bayern Genüge getan.

Wir müssen ebenfalls bei der Bildung und Erziehung darauf achten, dass wir unseren Kindern und Jugendlichen präventiv Respekt und Achtung vor der Polizei beibringen. Gleichzeitig sollten sie in gewaltfreier Konfliktbewältigung geschult werden, damit Gewalt gegen Polizeibeamte im Erwachsenenalter im geringeren Maße auftritt.

Wir werden allen drei Anträgen zustimmen. Alle Anträge haben ihre Ecken und Kanten. Im Antrag der CSU und der FDP steht der Begriff "Vorfinanzierung". Dieser Begriff ist etwas schief. Man könnte interpretieren, dass diese Gelder nur darlehensweise gewährt werden und sie, falls die Täter nicht zahlungsfähig sind, zurückgezahlt werden müssen. Herr Kollege Dr. Fischer hat mir jedoch gesagt, dass dies so nicht gemeint sei. Deswegen können wir diesem Antrag zustimmen. Im Ausschuss müssen wir über die Subsidiaritätsklausel noch genauer beraten. Jedoch ist es ein gutes und richtiges Zeichen, wenn wir allen Anträgen

zustimmen. Die Fraktion der Freien Wähler wird das tun.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Als Nächste hat das Wort Frau Kollegin Tausendfreund für die Fraktion der GRÜNEN.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Pohl, ich kann Sie beruhigen. Wir werden allen drei Anträgen zustimmen. Allerdings muss ich betonen, dass sich die notwendige Wertschätzung gegenüber den Polizeibeamtinnen und -beamten nicht darin erschöpfen darf, alle paar Monate eine Debatte im Landtag zu führen, ohne dass sich etwas ändert. Die Anträge, die hier gestellt werden, dürfen nicht nur aus Prüfungsaufträgen an das Innenministerium bestehen. Irgendwann sollten wir endlich Nägel mit Köpfen machen und tatsächlich die Fürsorge für die bayerischen Polizeibeamtinnen und -beamten verbessern.

Im Freistaat Bayern bestehen erhebliche Defizite hinsichtlich der Fürsorgepflicht. Die Seitenhiebe gegenüber dem Innenministerium sind durchaus angebracht.

Ich möchte nochmals betonen, dass unsere Fraktion das Thema der Gewalt gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten hier immer wieder aufs Tapet gebracht und Maßnahmen eingefordert hat. Aber die Staatsregierung hat sich bisher mit den Ursachen und dem Ausmaß der Gewalt gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten eigentlich viel zu wenig beschäftigt. Ich möchte insofern auf unsere Anfrage vom 07.09. des letzten Jahres auf Drucksache 16/2016 verweisen. Die Antwort darauf war absolut entlarvend. Die Staatsregierung hat über die Anzahl und die Schwere der Verletzungen der Beamtinnen und Beamten, über die Folgen für die Betroffenen, über die Kosten, die den einzelnen Beamten entstanden sind, und über das Ausmaß der offenen Schmerzensgeldoder Schadenersatzansprüche, die nicht beigetrieben werden können, weil bei den Schädigern nichts zu holen ist, keine oder kaum Kenntnisse. Da brauchen wir eine Basis, damit wir darüber vernünftig diskutieren und Entscheidungen treffen können.

Aus dieser Antwort auf unsere Anfrage ist auch ersichtlich, dass die Staatsregierung auf die Frage, die jetzt mit dem CSU/FDP-Antrag gestellt wird, eigentlich keine Antwort hat. Wir wollten nämlich mit unserer Anfrage Möglichkeiten des Freistaats erfragen, für die Geschädigten bei Forderungen in Vorleistungen zu treten. Die einzige Antwort war der Verweis auf die Verwaltungsvorschrift, die am 01.08.2009 in Kraft getreten ist. Diese Vorschrift sieht zwar ein paar Verbes

serungen vor, aber keine wesentlichen. Es gibt im Grunde nur einen Vorschuss oder ein Darlehen dafür, dass man seine rechtlichen Interessen durchsetzen kann. Aber wenn man auf den eigentlichen Ansprüchen sitzen bleibt, passiert eben nichts.

Aus der Anfrage hat sich auch ergeben, dass bezüglich der Kenntnisse über Täterprofile, Tatanlässe und Tatorte Fehlanzeige herrscht. Man muss doch differenzieren können, wo die Taten stattfinden, welches Ausmaß sie haben und wie die Täterinnen und Täter verurteilt worden sind. Auch darüber hat es keine Erkenntnisse gegeben.

Ferner haben wir einen Berichtsantrag gestellt. Dieser Berichtsantrag wurde angenommen, der Bericht ist gegeben worden. Aber auch aus diesem Bericht vom 3. September dieses Jahres ergeben sich keine Erkenntnisse über Ursachen und Ausmaß des Problems der Gewalt gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Das Einzige, das wir jetzt bekommen werden, ist ein hoffentlich einigermaßen ausführliches Lagebild zu diesem Problem.

Bedauerlich ist außerdem, dass Bayern aus der Studie des Kriminologischen Instituts Niedersachsen, also des Instituts von Prof. Dr. Pfeiffer, ausgestiegen ist. Aus dieser Studie ergeben sich zumindest die Anlässe. Man kann einigermaßen Rückschlüsse auch für Bayern ziehen. Ich hoffe, dass wir dazu kommen, in Bayern wenigstens noch eine eigene Studie in Auftrag zu geben. Dazu gibt es einen Antrag, über den bisher noch nicht entschieden worden ist.

Wir brauchen tatsächlich Maßnahmen, nicht nur Prüfungsaufträge. Wir brauchen echte Hilfestellungen statt symbolischer Gesetzesänderungen. Die Verschärfung von § 113 des Strafgesetzbuches bringt unter dem Strich keine härteren Bestrafungen, weil diese Delikte durch die Körperverletzungsdelikte abgedeckt werden. Das war eine reine Symbol-Politik, die uns unter dem Strich nicht weiterhilft.

Wir brauchen für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten menschliche Arbeitsbedingungen statt Dienst bis zur Erschöpfung. Sie haben in Ihrer Begründung auch auf die Castor-Transporte hingewiesen. Es ist unzumutbar, dass hier die Einsatzkräfte bis zu 24 Stunden und zum Teil länger im Einsatz bleiben, ohne ausgewechselt zu werden. Es gehört auch zur Fürsorgepflicht, dass diese langen Einsatzzeiten nicht stattfinden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie uns also Maßnahmen ergreifen, die den Beamten wirklich helfen, ohne hierfür nur weitere Prü

fungsanträge zu stellen und uns im Kreise zu drehen. Die Zeit ist dafür wirklich reif.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Staatsregierung liegen mir jetzt zwei Wortmeldungen vor: zunächst Herr Staatssekretär Pschierer und anschließend Herr Staatsminister Herrmann. Bitte sehr, Herr Pschierer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nur zwei kurze Vorbemerkungen zu den Vorrednern.