Protokoll der Sitzung vom 01.12.2010

Jürgen Trittin hat als Umweltminister noch gesagt, ich zitiere:

Die hoch radioaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung können nur im Zwischenlager Gorleben aufgenommen werden.

Und weiter:

Gegen diese Transporte sollten GRÜNE in keiner Form sitzend, stehend, singend, tanzend, demonstrieren.

Das sagte er als Umweltminister in seiner Verantwortung für den Rechtsstaat. Was tut er jetzt? - Jetzt fordert er offen zum Rechtsbruch auf. Das ist eine Doppelmoral, unbürgerlich und ein Rückfall in alte SpontiZeiten. Mit dem Denken von 1968 wird man die Probleme von 2020 nicht lösen können.

(Beifall bei der CSU - Ludwig Wörner (SPD): Löst ihn ab!)

Wir müssen jetzt handeln, und zwar nicht nur mit lauen Sprüchen, wie wir sie aus der ersten Bank etwas müde und gequält hören, sondern wir müssen tatkräftig handeln; denn es geht um die Zukunft unserer Kinder. Dieses Thema, über das wir reden, ist vielleicht das Zukunftsthema schlechthin für uns alle.

Es geht auch nicht darum, den bequemsten Weg in der Gegenwart zu finden. Es geht um Strategien, nicht um Stimmungen. Politik funktioniert nicht nur mit Visionen, sondern wir brauchen konkretes Handeln.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FW): Wir brauchen beides!)

Deshalb investieren wir in Bayern schon seit 2008 bis zum nächsten Jahr rund eine dreiviertel Milliarde in den Klimaschutz, mehr als jedes andere deutsche Land. Mit rund 180 Millionen Euro haben wir planmäßig die energetische Sanierung staatlicher und kommunaler Gebäude vorangebracht und damit auch eine Vorbildfunktion im öffentlichen Sektor wahrgenommen. Wir fördern Tiefengeothermie und Wärmenetze. Wir setzen beim Klimaschutz auf viele technische Konzeptionen, aber auch, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf biologischen Umweltschutz.

Wir nutzen die Natur als CO2-Speicher. Derzeit renaturieren wir mit 8 Millionen Euro landesweit 15 Moore, die als CO2-Speicher und zugleich als natürliche Lebensräume eine wichtige Basis bilden. Unser Ziel sind bis 2020 50 solcher renaturierten Moore.

Ein Hektar Wald bindet jährlich 5 bis 10 Tonnen CO2. In Bayern forsten wir derzeit jährlich 1,5 Millionen

Bäume auf und bauen unsere Wälder zu klimaresistenten Mischwäldern um.

(Ludwig Wörner (SPD): Vor allem die Bergwälder!)

Zur Klimaanpassung hat dieses Haus seit 2001 rund 1,3 Milliarden Euro in den Hochwasserschutz investiert. Bis 2020 werden wir vorbehaltlich der finanziellen Entwicklung aber eine weitere Milliarde Euro einsetzen müssen, um die großen Herausforderungen bewerkstelligen zu können. Wir sichern damit die Wasserversorgung für Menschen, Landwirtschaft und Natur.

Ein besonderer Schwerpunkt wird und muss in den nächsten Jahren der Schutz des sensiblen Alpenraumes sein. Die Alpen müssen als Natur-, aber auch als Kulturraum für die Menschen bewahrt werden.

(Maria Noichl (SPD): Waldgesetz!)

Bei aller Bedeutung des Naturschutzes: Zur bayerischen Kultur gehören auch die Almbauern, und deshalb, meine Damen und Herren, muss ein Leben im Alpenbereich möglich sein. Die Alpen dürfen keine No-go-Area werden,

(Hubert Aiwanger (FW): Richtig!)

in der sich kein Mensch bewegen darf.

Deshalb brauchen wir behutsame Entwicklungsperspektiven, einen ökologischen Alpenplan, mit dem wir auf der einen Seite die vielfältige Pflanzen- und Tierwelt bewahren, auf der anderen Seite aber auch den Menschen Schutz bieten können.

Häufig hört man von Touristikern die Sorge, was mit dem Schnee auf dem Berg passiert. Mir macht eher Sorge: Was passiert mit dem Eis im Berg? Denn durch die Abnahme des Permafrosts infolge der Klimaveränderung ist die Gefahr von Georisiken erheblich gewachsen.

(Ludwig Wörner (SPD): Ein einziger Berg in Bayern: die Zugspitze! Sonst nichts!)

Bereits heute überlegen wir, in den verschiedenen Bereichen des Gebirges durch computergestützte Simulation von Messstationen Vorhersagen treffen zu können, zumindest zu versuchen, für die Kommunen und Gemeinden Gefahrenhinweiskarten zur Entwicklung des Alpenraums zu erstellen.

Dies alles, meine Damen und Herren, sind die Beiträge, die wir leisten und von denen es noch viel mehr gibt. Wir haben eine abgestimmte Strategie, die über den Tag hinaus hält, keine Strategie, die nur für den

Moment ist, die sich an einem Wahltag, an einer Demoskopieumfrage oder einem Haushaltsjahr orientiert, sondern eine langfristige strategische Anlage. Dies ist übrigens auch der Beitrag, den wir als Partner in Cancún mit unseren regionalen Freunden im internationalen Bereich einbringen werden, weil wir wissen, dass die internationale Staatengemeinschaft ihrer Verantwortung gerecht werden muss. Deswegen setzen wir uns in Cancún für verlässliche, verbindliche Ziele ein, und auch die Einhaltung muss verbindlich überprüfbar sein. Glauben Sie mir: Dass das möglich ist, hat die Weltgemeinschaft schon einmal gezeigt, nämlich beim weltweiten Vorgehen zum Verbot des Ozonkillers FCKW. Damals ist es uns gelungen, eine gemeinsame Basis zu finden mit guten Ergebnissen. Auch das ist jetzt möglich.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der globale Klimawandel ist Realität. Wir haben aber die Chance, ihn zu begrenzen. Wir brauchen dazu eine technische Revolution mit intelligenten Hightech-Lösungen. Aber ich bin der festen Überzeugung: Das alleine wird nicht reichen. Schon Albert Einstein wusste: "Die gewaltigen Probleme unserer Zeit können nicht mit derselben Denkart gelöst werden, welche jene Probleme verursacht hat."

Wir brauchen also ein grundsätzliches Umdenken. Die Frage ist nur: wie? Es geht in der Zukunft grundsätzlich um die Frage unseres Lebensstils und unserer Lebenskultur, und zwar in einer modernen Industrienation. Wir haben uns einen enormen Wohlstand geschaffen. Kein Land ist weltweit so reich wie Bayern. Die Arbeitsmarktzahlen, die Zufriedenheit der Menschen, all das belegt, dass Bayern ein Land ist, das im internationalen Vergleich sehr stolz sein kann.

Der Preis dafür war nicht nur in Bayern, sondern weltweit ein enormer Raubbau. Wir haben weltweit in 100 Jahren mehr Ressourcen verbraucht, als in Jahrmillionen aufgebaut wurden, und die Entwicklung geht weiter. Wir sind nicht die Einzigen, sondern im Jahr 2050 müssen 9 Milliarden Menschen ernährt werden, die alle für sich ein Recht auf Wohlstand und eigene Lebenschancen einfordern. Ihnen müssen wir ein Beispiel geben, meine Damen und Herren, um unsere Fehler der Vergangenheit zu vermeiden, aber auch im Wettbewerb der Nationen unseren Platz zu finden und zu behalten.

Deswegen wird ein reines "Weiter so" in der Ressourcenentwicklung und im Ressourcenabbau nicht möglich sein. Der Lebensstil wird zu einer Schicksalsfrage unserer Wohlstandsgesellschaft. Ich sage Ihnen: Der Lebensstil kann nicht bloßer Verzicht sein, sondern er bedeutet, sich intelligent zu positionieren und auf nachhaltiges, qualitatives Wachstum zu setzen.

In Bayern gehen wir diesen Weg, indem wir unsere Heimat zu einem echten Lebensland weiterentwickeln. Bayern ist kein gewöhnliches Bundesland. Bayern ist für viele Menschen eine Vision, Bayern ist ein Lebensgefühl. Willy Brandt sagte einmal: "In Bayern gehen die Uhren anders", und Franz Josef Strauß sagte: "Ja, da gehen sie richtig." So soll es auch bleiben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Wir verbinden - und das ist das Besondere an unserer Philosophie, und das ist auch das besondere Credo dieser Regierungspolitik, und zwar über alle Themenfelder hinweg - wirtschaftlichen Wohlstand und Zukunftsperspektive mit gesunder Umwelt und wertbezogenen Traditionen. Zu unserem Lebensgefühl gehört eben auch, immer mit der Natur zu leben und mit der Schöpfung achtsam umzugehen.

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

Unser Ziel ist weder die Steinzeit noch die Apokalypse, sondern eine moderne Gesellschaft, der es gelingt, Menschlichkeit und Modernität, Tradition und Fortschritt miteinander zu verbinden. Anders als andere hier im Haus, die immer darauf setzen, alles allein zu machen und nicht mit internationalen Partnern, sage ich eines - und das gilt jedenfalls für mich -: Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, das das alles belegt.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FW): Wen meinen Sie?)

"Wenn du schnell gehen willst, dann geh allein. Aber wenn du weit gehen willst, dann geh gemeinsam." Wir in Bayern wollen weit gehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich eröffne die Aussprache. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat haben sich die Fraktionen auf 30 Minuten Redezeit pro Fraktion verständigt. Der erste Redner ist Herr Kollege Wörner.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Leider haben wir die Pferde bzw. das Thema gewechselt, weil Herr Söder im letzten Moment bemerkt hat, dass er mit dem Thema, das er ursprünglich behandeln wollte, keinen Blumentopf gewinnen kann. Aber nach der Rede von jetzt gerade sage ich Ihnen: Damit helfen Sie Bayerns Natur und Umwelt keinen Schritt weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben keinen einzigen konkreten Vorschlag gemacht. Nichts haben Sie gebracht außer alten Zahlen, außer altem Zeug, das längst bekannt ist, das Sie einer Rede entnommen haben, die Sie inzwischen zum dritten Mal halten, die letzten beide Male vor Verbänden. Sie haben sie heute wiederholt und präsentieren sie diesem Landtag als Neuerung und als Blick in die Zukunft.

Meine Damen und Herren! Herr Minister, offensichtlich hat ein Teil Ihrer CSU-Kollegen recht, die sagen: Der Söder ist wie ein Atomkraftwerk: ineffizient, nichts als heiße Luft und Dampf und eine gewisse Grundgefahr.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Minister erkennt völlig zu Recht, dass unsere bisherigen Anstrengungen nicht ausreichend waren - da sind wir uns einig und dass wir als kleines Land innerhalb dieser Welt nicht alles alleine stemmen können. Aber wir können eines tun: Wir können Vorreiter sein. Wir können damit Industrie neu zentrieren. Wir können Arbeitsplätze schaffen. Dies ist uns bisher sehr gut gelungen. Nur, Herr Minister, wenn Sie dann mit widersprüchlichen Zahlen operieren - das werde ich Ihnen gleich beweisen -, sollten Sie ein bisschen aufpassen. Ein paar Menschen hören sogar Ihnen zu, und die merken dann, dass etwas nicht stimmt.

Herr Minister, Sie sagen, bundesweit seien die CO2Emissionen zwischen 1990 und 2007 um 21 % zurückgegangen. In Bayern sind sie nach den Auskünften Ihres Hauses - so haben Sie mir geantwortet - um 11 % zurückgegangen. Bravo! Starke Leistung. Bayern vorne.

Dann sagen Sie, wir seien in der Bundesrepublik eingebunden in den neuen Koalitionsvertrag. Da wollen wir bis 2020 40 %. In Ordnung. Man sagt zwar nicht, wie das geschehen soll, aber man sagt es einfach einmal. Die Staatsregierung soll beim Klimaprogramm 2020 eine Minderung von CO2 auf deutlich unter 6 Tonnen pro Kopf festlegen. Das haben Sie heute wiederholt. Wenn man aber weiß - und das schreiben Sie -, dass wir bereits heute bei 6 Tonnen liegen, wo ist dann die Leistung bis 2020? - Toll!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Zuruf von der CSU: Da sieht man mal, wie gut wir sind!)

Sie kriegen es nicht hin, oder Sie haben dem Parlament wissentlich und willentlich auf meine Schriftlichen Anfragen falsche Auskünfte gegeben. Das kann sein. Anders ist es nicht zu erklären, wie Sie das Ziel von 4,5 Tonnen erreichen wollen. Das wäre eine tolle Geschichte. Da machen wir gerne mit. Es ist ja nicht

so, dass wir uns da verweigern. Aber dann müssen Sie auch sagen, wie Sie das erreichen wollen, und nicht sanfte Töne anstimmen, die nichts weiterbringen. Herr Minister, so geht es nicht. Eines ärgert mich aber ganz besonders. Sie setzen sich hier einen Hut auf, der Ihnen überhaupt nicht zusteht: Es ist richtig, dass wir in Bayern bei den regenerativen Energien vorne liegen. Aber wenn Sie Ihre eigenen und die Leistungen der Staatsregierung in der Frage betrachten, was an regenerativen Energien tatsächlich generiert worden ist, dann sehen Sie: Wir liegen im unteren Mittelfeld der Bundesländer, wenn wir die Wasserkraft herausnehmen. Die Nutzung der Wasserkraft ist nicht unser Verdienst, sondern da waren viel Klügere als wir viel früher dran, die das gemacht haben. Das können Sie sich nicht zurechnen. Im Übrigen frage ich Sie: Wer war denn der Kämpfer gegen das EEG, das Erneuerbare-Energien-Gesetz? Wer hat das EEG bekämpft bis aufs Messer, bis zum letzten Tag? - Das waren doch Sie in der Bundesregierung. Sie haben das bekämpft.