Protokoll der Sitzung vom 25.01.2011

Ich wiederhole vor dem Parlament: Die Staatsregierung wird wie bisher auch in Zukunft für gleichwertige Lebensverhältnisse in Bayern handeln. Das war und ist unser Weg zum Erfolg. Daran ändern wir nichts. Wir wollen gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Bayern. Alles andere, was dazu gesagt wird, ist falsch.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Der Zukunftsrat gibt uns eine ganze Bandbreite an Denkanstößen. Entschieden wird im Landtag und in der Bayerischen Staatsregierung. Wir können nicht einerseits sagen, wir wollen den Dialog, und andererseits, wenn er stattfindet, sagen, wir lehnen ihn ab. Ich wiederhole: Die Entscheidung bleibt im Landtag und bei der Staatsregierung. Wir müssen aber mit den Experten, die zur Elite Bayerns gehören, einen ernsthaften Dialog führen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Das Ganze wird mit einem Kabinettsausschuss ergänzt, den ich leite. Dort werden wir die Folgen der demografischen Entwicklung und der Bundeswehrreform behandeln und über die zukunftsfähige Verwaltung reden. Wir werden uns damit beschäftigen, wie wir angesichts der demografischen Entwicklung die Fördermittel zielgenauer einsetzen können. Wir sagen nicht "entweder - oder", sondern wir sagen "sowohl als auch". Wir schreiben keine Region ab. Wir wollen, dass alle Menschen in allen Teilen Bayerns gut leben können.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus unserer Liebe zum Land wächst unsere Verantwortung für die Zukunft. Wir wissen, was Bayern stark und sozial macht: Es sind die Menschen mit ihrem Können und ihrem Einsatz. Das ist Bayern. Wir stärken diese Menschen.

Wir haben ein klares Zukunftsangebot: Wir machen keine Schulden. Wir investieren für morgen und übermorgen. "Aufbruch Bayern" heißt, für Familie, Bildung und Innovation einzutreten. Wir wollen, dass aus jungen Menschen Eltern werden, aus kleinen Entdeckern große Erfinder, aus Ideen Unternehmen und aus Megatrends Arbeitsplätze, damit Bayern das Fünf-Sterne-Land des Südens bleibt.

(Widerspruch bei der SPD, den Freien Wählern und den GRÜNEN)

Den Menschen in Bayern steht die Zukunft offen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, packen wir es an für unser einzigartiges Bayern. Packen wir gemeinsam an für das Zukunftsland Bayern!

(Lang anhaltender lebhafter Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Ich eröffne die Aussprache. Im Einvernehmen mit den Fraktionen wurde eine Redezeit von 30 Minuten pro Fraktion vereinbart. Der erste Redner ist der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Kollege Markus Rinderspacher. Bitte schön, Herr Kollege Rinderspacher.

Verehrter Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Bayerns Frauen und Männer haben Bayern zu dem gemacht, was es heute ist: ein wunderbares und starkes Land, ein wunderschönes Fleckchen Erde.

(Beifall bei der SPD)

Unsere Heimat lebt vom starken Charakter und vom unbändigen Fleiß ihrer Menschen. Der Ministerpräsident hat heute die Stärken der Menschen in Bayern richtig beschrieben: Wertebewusstsein, Verantwortungsbereitschaft, Ideenreichtum. All das ist in Bayern daheim. Ich füge hinzu: Die Menschen in Bayern sind auch bodenständig. Sie packen an. Sie lieben ihr Land. Sie nehmen ihr Leben in die Hand. Weil das so ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen, erwarten sie von der Politik Authentizität. Darauf haben sie Anspruch. Dazu gehört, den Grundoptimismus der Menschen aufzugreifen. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass ein SPD-Oberbürgermeister in Fürth die parteiübergreifende Zusammenarbeit lobt. Wenn man gut zusammengearbeitet hat, darf man das auch betonen. So ist unser Selbstverständnis als konstruktive SPDOpposition im Bayerischen Landtag.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört aber auch, die tatsächlichen Probleme im Land mit der notwendigen Gewissenhaftigkeit ernsthaft zu erörtern. Hier muss ich Ihnen vorhalten, Herr Ministerpräsident: Ihre heutige Rede erinnerte mich stellenweise an die blutleere City-light-Rhetorik von Düsseldorfer Unternehmensberatern und Werbefachleuten.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CSU)

Wohl selten, Kolleginnen und Kollegen, hat es im Bayerischen Landtag eine dermaßen selbstzufriedene und selbstvergessene Regierungserklärung gegeben,

die mit der Realität so wenig in Einklang zu bringen ist, wie die heutige Regierungserklärung von Herrn Seehofer.

(Beifall bei der SPD)

Wenn die Menschen in Bayern mit ihrer Bodenständigkeit für eines ganz gewiss ein sehr feines Gespür haben, dann dafür, dass man mit der Überheblichkeit aus dem Phantasialand und der selbstgefälligen Phraseologie eines Marketingkatalogs die komplexen politischen Probleme unserer Zeit nicht glaubhaft aufzeigen, geschweige denn lösen kann.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Rede, Herr Ministerpräsident, beginnt mit einer dreisten Unwahrheit: Sie behaupten wider besseres Wissen, Bayern würde zum sechsten und siebten Mal in Folge ohne neue Schulden auskommen. Richtig ist vielmehr: Durch das CSU-Versagen bei der Landesbankaufsicht ist die Verschuldung des Freistaats schlagartig um 40 % angestiegen.

(Unruhe bei der CSU)

Richtig ist: Es mussten insgesamt 10 Milliarden Euro an neuen Kreditmarktschulden aufgenommen werden, um den Zusammenbruch der BayernLB zu verhindern. Das waren 833 Euro neue Verbindlichkeiten für jeden Bayern, und zwar auf einen Schlag pro Kopf, also vom Kleinkind bis zum Senior. Allein im Jahr 2009 hat Bayern sagenhafte 8,5 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen müssen. Allein in diesem Jahr hat Bayern damit ein Drittel der Schulden aller 16 Bundesländer aufgenommen. Meine Damen und Herren, das ist ein Schuldenrekord ohne Beispiel!

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CSU)

Rein rechnerisch ist damit in jedem Haushaltsjahr vom Jahr 2006 bis 2012 eine Neuverschuldung von 1,42 Milliarden Euro erfolgt. Glauben Sie im Ernst, Herr Ministerpräsident, die bayerische Bevölkerung hat das Jahrhundertdesaster um die Bayerische Landesbank vergessen und lässt sich von Ihnen hier im Hohen Haus etwas anderes vorgaukeln? - Das kann ich mir nicht vorstellen.

(Beifall bei der SPD)

Die Menschen in Bayern haben in der Tat den Aufbruch des Jahres 2007, den Sie organisiert haben, nicht vergessen. Es gab nigelnagelneue Staatsstraßen, ein kostenfreies Kindergartenjahr, tausend Euro Begrüßungsgeld für führerscheintaugliche Jugendliche, eine neues Fußballstadion, einen modernisierten Flughafen. Sie haben diesen Aufbruch nämlich mit

der Hypo Alpe Adria im österreichischen Bundesland Kärnten organisiert und ihn mit bayerischen Steuergeldern bezahlt!

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion hat gestern die Schuldenzinsuhr zur Bayerischen Landesbank veröffentlicht. Die Steuerzahler mussten bislang satte 390 Millionen Euro allein für die Schuldzinsen für das von der CSU zu verantwortende Landesbankdesaster aufbringen.

(Zuruf von der SPD: Protzig, protzig!)

Von diesen Zinsen allein hätten wir in Bayern 250 Kilometer neue Staatsstraßen finanzieren können. Das ist fast das 20fache des sogenannten FrostschadenSonderprogramms des Innenministers in Höhe von 20 Millionen Euro. Wir hätten damit 11.000 Kleintraktoren zum Räumen und Streuen von Geh- und Radwegen finanzieren können, und das wären für jede bayerische Gemeinde fünf neue hochmoderne Schneeräumer gewesen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zurufe von der SPD: Bravo, bravo! - Thomas Kreuzer (CSU): So viel Schnee gibt es gar nicht!)

Wir hätten damit 6.500 neue Lehrerstellen finanzieren können und fast 1.000 neue Schulbusse. Wir hätten damit für 750.000 Kinder ein komplettes Jahr an der Musikschule in Höhe von 540 Euro pro Kind und Jahr finanzieren können.

(Beifall bei der SPD)

Das sind bittere Zahlen. Jeden Tag zahlt jeder bayerische Steuerzahler 940.000 Euro nur für Zinsen. Und diese Zinsen sind nur für das Landesbankdesaster. Doch die CSU-Schuldenuhr tickt jede Sekunde weiter: Sekunde für Sekunde, Minute für Minute und Stunde um Stunde.

(Unruhe bei der CSU)

Ich habe großes Verständnis dafür, dass Sie, Herr Ministerpräsident, heute aus Ihrer Sicht zumindest rhetorisch in die Zukunft aufbrechen wollen. Politisch tun Sie das aber ganz gewiss nicht.

(Beifall bei der SPD)

Ich verstehe, dass Sie mit der Vergangenheit nichts mehr zu tun haben wollen. Die Schatten der Vergangenheit holen Sie aber ein, solange es keinen Tilgungsplan für die Schulden der Landesbank gibt, solange die Zinsuhr unaufhörlich und in rasantem Tempo tickt. Die Steuerzahler aber wollen endlich

wissen, wann sie ihr Geld von der Landesbank zurückbekommen!

Im Dezember 2010 haben wir uns leider einen Bericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofs vergegenwärtigen müssen, der deutlich machte, dass es offensichtlich erhebliche, milliardenhohe Risiken für den bayerischen Steuerzahler gibt, und zwar durch den massenhaften Ausfall von Schrott-Papieren. Das Ende der Fahnenstange bei der Verschuldung der Landesbank ist offensichtlich noch immer nicht erreicht. Im Jahr 2014 droht der Steuerzahler über die gegebenen Bürgschaften und Garantien in erheblichem Umfang in Anspruch genommen zu werden. Das wird in einem Maße der Fall sein, wie es der bayerischen Öffentlichkeit bislang verschwiegen wurde. Die SPD-Fraktion hat deshalb heute eine Ministerbefragung zu diesem Thema beantragt. Im Anschluss an diese Aussprache wird der Finanzminister unsere Fragen beantworten müssen wie beispielsweise: Was kommt auf uns Steuerzahler noch zu? Was ist an dem ORH-Bericht dran? Warum haben Sie uns, den Bayerischen Landtag, über die neu erkennbaren Milliardenrisiken bei der Landesbank nicht informiert?

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, in Ihrer Regierungserklärung legen Sie nicht dar, wie Sie Vorsorge für den Fall leisten wollen, dass neue Landesbankausfälle auf uns zukommen, wie das der ORH befürchtet. Bei Ihnen werden keine Rückstellungen gebildet, im Gegenteil. Die letzten Rücklagen werden von CSU und FDP mit einer Selbstverständlichkeit geplündert, dass es einem die Sprache verschlägt. Im Übrigen gibt es auch diesmal keinen ausgeglichenen Haushalt. Auch den Doppelhaushalt 2011/2012 können Sie eben nicht ohne neue Kredite ausgleichen.

(Christa Naaß (SPD): So ist es!)

Sie nehmen vielmehr beim Allerheiligsten neuen Kredit auf, nämlich beim Grundstockvermögen. Die sogenannte rückzahlbare Ablieferung beim Grundstock beträgt insgesamt 960 Millionen Euro. Das ist fast eine Milliarde Euro! Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang von einem ausgeglichenen Haushalt zu sprechen, das kann nur ein Rechenkünstler der ganz besonderen Art!

(Beifall bei der SPD)