Protokoll der Sitzung vom 10.02.2011

Ein weiteres Beispiel: Laborärzte wurden gestärkt, Kardiologen dagegen nach unten bewertet. Aus unserer Sicht und aus der Sicht der Patienten ist dies wenig verständlich. Wichtig sind deshalb eine Reform und Verbesserung der Selbstverwaltung, was aber nur auf Bundesebene stattfinden kann.

Außerdem müssen die ambulante und die stationäre Versorgung verbessert werden, weil sie die entscheidende Grundlage darstellen. Krankenhäusern muss die Möglichkeit gegeben werden, dort die Arbeit von niedergelassenen Ärzten zu übernehmen, wo es keine niedergelassenen Ärzte gibt. Umgekehrt müssen niedergelassene Ärzte die Option haben, in Krankenhäusern zu arbeiten, wie das viele Fachärzte und ambulante Operateure bereits tun.

Die Idee von Portal-Kliniken ist hier sehr spannend. Wir diskutieren derzeit auf Bundesebene über MVZs, die von Ärzten getragen werden. Unsere bayerische Position hierzu ist klar: Wir wollen an dieser Stelle Träger der Ärzteschaft oder kommunaler Krankenhäuser sehen, nicht die klassischen Kapitalgesellschaften. Wir dachten, dass wir uns in dieser Frage mit der Bundes-KV einig seien und waren überrascht, dass sich die Vorstände der Kassenärztlichen Vereinigungen mit der Gründung von MVZs selbst an Kapitalgesellschaften beteiligt haben. Die Meinungen, die wir immer hören, sind nicht immer stringent. Ich glaube aber, dass es in diese Richtung geht.

Bei der Bedarfsplanung - das habe ich schon gesagt setzen wir auf Regionalisierung und Flexibilisierung. Wir wollen hier mehr Möglichkeiten zur kommunalen Mitsprache geben.

Die sprechende Medizin wollen wir durch die Honorarstruktur stärken, wie ich das bereits angesprochen habe. Ich könnte mir hier eine klare gesetzliche Regelung vorstellen. Natürlich soll dies auf der Grundlage der Selbstverwaltung geschehen. Ich kann die Honorarreformen, die in den letzten zwei Jahren gelaufen sind, nicht verstehen. Die Akupunktur ist immer eine interessante Sache, war aber über die Jahre nicht der entscheidende Punkt. In den gemeinsamen erweiterten Ausschüssen wurde die Akupunktur dann plötzlich mir nichts dir nichts zu einer freien Leistung gemacht. Das Ergebnis war, dass sich die Verschreibungen von Akupunkturen vertausendfacht haben, weil jeder die Akupunktur für eine interessante Sache hielt. Dann hat man festgestellt, dass es zu teuer wird. Nach einem Quartal wurde diese Leistung wieder gestrichen.

So ist weder für Ärzte noch für Patienten eine saubere Planung möglich. Wir brauchen in diesen Fragen mehr Stringenz. Diese Fragen müssen im Zusammenhang mit dem Versorgungsgesetz diskutiert werden.

Frau Kollegin Schopper, die Forderung, die Versorgung in München radikal abzubauen, halte ich nicht für den richtigen Ansatz. Ich habe mich darüber gewundert, weil die GRÜNEN inzwischen nur noch von Münchnern geführt werden, und die anderen nichts mehr sagen dürfen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Das finde ich unverschämt, Herr Dr. Söder!)

- Das ist nun einmal Realität. Frau Kollegin Gote, Sie helfen zwar der Führung, aber Sie sind nun einmal nicht die Führung.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Ich schicke Ihnen einmal unsere Satzung zu! - Georg Schmid (CSU): Warum regen Sie sich denn so auf? Die haben ein schlechtes Gewissen!)

- Laut ist das eine, richtig ist das andere.

Wir müssen dafür sorgen, dass wir in den ländlichen Räumen eine höhere Attraktivität schaffen. Meine Sorge im Hinblick auf die ländlichen Räume ist eine andere: Wenn man die Studentinnen und Studenten fragt, wo sie nach dem Studium hingehen wollen, ist bei den Studentinnen und Studenten, die aus den ländlichen Räumen kommen, die Bereitschaft vorhanden, dorthin zurückzugehen. Wir müssen uns ein An

reizprogramm überlegen, um in den ländlichen Räumen die Attraktivität des Berufes zu steigern. Wir geben uns hier jede Mühe, müssen uns aber noch mehr überlegen.

Wir brauchen finanzielle Anreizsysteme und wir brauchen Werbung. Ich bin beim Innenministerium vorstellig geworden, um einen Anreiz über die Städtebauförderung zu erreichen. Heute haben wir die Situation, dass ein Arzt, der eine Praxis übernehmen will, sofort eine Million Euro investieren und dort 20 bis 25 Jahre bleiben muss. Dies hält sehr viele angehende Ärzte zurück, eine Praxis zu übernehmen. Wir sollten Möglichkeiten finden, dass zum Beispiel Kommunen oder Beteiligte wenigstens die Räume einer solchen Praxis übernehmen, die dann vom Arzt geleast oder gemietet werden kann. Eine solche Maßnahme könnte uns helfen.

(Theresa Schopper (GRÜNE): MVZs?)

- MVZs wären denkbar, wenn sie von den Kommunen unterstützt werden, zum Beispiel durch die Krankenhäuser.

(Theresa Schopper (GRÜNE): Hausärzte?)

- Hausärzte sind ebenfalls möglich. Wir wollen aber nicht, dass die MVZs vornehmlich von Kapitalgesellschaften allein getragen werden. Das ist unsere klare Position.

Jetzt erteile ich Frau Kollegin Stewens das Wort.

In den Jahren 2009 und 2010 hat der Bayerische Hausärzteverband wahre Lobeshymnen auf den Ministerpräsidenten und den Gesundheitsminister gesungen.

(Dr. Otto Bertermann (FDP): Genau so ist es!)

Der Verband empfand eine große Dankbarkeit, weil der § 73 b SGB V umgesetzt worden ist. Wie beurteilen Sie die Haltbarkeit des § 73 b? Sind Sie der Ansicht, dass eine Aushöhlung des § 73 b durch eine Evaluierung dieses Paragraphen erfolgen wird? Liebe Kolleginnen und Kollegen, letztendlich geht es um die beste Versorgung für die Patientinnen und die Patienten.

(Dr. Otto Bertermann (FDP): So ist es!)

Meine zweite Frage betrifft die Ausstiegsstrategie. Die Freien Wähler haben moniert, dass die Bayerische Staatsregierung Ende letzten Jahres dem Bayerischen Hausärzteverband nicht die notwendige Unterstützung gegeben habe.

(Hubert Aiwanger (FW): Nein, vor dem Ausstieg!)

Wie beurteilen Sie den Wunsch des Bayerischen Hausärzteverbands, aus dem gesetzlichen Krankenversicherungssystem auszusteigen? Wie beurteilen Sie den finanziellen Schaden, den der Bayerische Hausärzteverband für die niedergelassenen Hausärzte angerichtet hat, indem er aus dem gesetzlichen Krankenkassensystem aussteigen wollte?

(Hubert Aiwanger (FW): Die sind nicht ausgestiegen, die sind gekündigt worden!)

Damit wurde den Hausarztverträgen in Bayern die rechtliche Grundlage entzogen, wie dies auch vom Sozialgericht München festgestellt wurde.

Mein dritter Fragenkomplex betrifft die niedergelassenen Ärzte. Seit der Zeit, in der Horst Seehofer Bundesgesundheitsminister war, hat die Zahl der niedergelassenen Ärzte in Deutschland zugenommen. Deutschland ist das Land mit der höchsten Arztdichte und dem zahlenmäßig besten Arzt-Patienten-Verhältnis. Das ist eine Wahrheit, die einmal beim Namen genannt werden muss. Dennoch haben wir Probleme vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung. Herr Minister, sind Sie mit mir der Überzeugung, dass auch die Verbände, Standesvertretungen und Ärztekammern etwas zur Verbesserung des Images des Arztberufes leisten können? Wenn wir in Deutschland und Bayern nur Streit haben, wird der Arztberuf für junge Menschen nicht attraktiver.

(Beifall bei der CSU)

Danke, Frau Kollegin. Man merkt, da spricht jemand, der Erfahrung hat. Ihre Lobeshymnen zu 2009 waren richtig, das muss vor dem Parlament einmal gesagt werden, denn in den Koalitionsverhandlungen benötigten wir allein zehn Stunden für dieses Thema. Es lag dann tatsächlich an drei Personen, dass alles so geblieben ist, nämlich zum einen in den Koalitionsverhandlungen an Barbara Stamm und an mir und zum anderen am Ministerpräsidenten, der das mit der Kanzlerin und auch mit Guido Westerwelle letztlich so vereinbart hat. Das muss einmal so gesagt werden.

Dort wurde übrigens auch die Evaluierung vereinbart. Und das war richtig. Denn unsere eigentliche Begründung der Hausarztverträge bestand darin, die Chance zu bieten, den Nachwuchs zu stärken. Würden die Hausarztverträge nicht die Tätigkeit des Hausarztes für den Nachwuchs attraktiver gestalten, hätten sie auch keinen Sinn. Deshalb war es sinnvoll, eine Evaluierung zu vereinbaren.

Nun haben wir aber keine Ausfüllung bis Mitte 2014, und zwar weder durch die Evaluierung noch durch die Gesetze. Allerdings muss man auch feststellen, dass es keine Ärztegruppe gibt, die eine Honorarstruktur so sicher über die Jahre hinweg entwickeln kann, wie die Hausärzte.

(Dr. Otto Bertermann (FDP): Ja, ganz sicher, wie ein Beamter!)

Jeder Facharzt muss praktisch pro Quartal damit rechnen, dass sich Beschlüsse für Honorare auf Bundesebene verändern. Ich habe vorhin zwei Beispiele angesprochen.

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FW))

Man muss auch das Folgende sehen. Mir sind die Sorgen aller bayerischen Ärzte anvertraut. Da geht es nicht nur um eine bestimmte Gruppe. Wir sind für alle die besonderen Partner. Wir sind für alle Ärzte verantwortlich.

Nun geht der Zeitraum bis Mitte 2014. Die AOK hätte aufgrund der bestehenden Verträge frühestens Ende 2011 kündigen können. Damit habe ich allerdings nicht gesagt, dass es gemacht worden wäre. Dann aber im Jahre 2010 eine solche Strategie zu wählen, ist aus unserer Sicht wenig zielführend gewesen. Deshalb gab es nun bei der Ausstiegsstrategie einen mehrfachen Schaden. Für den Verband war er sehr groß. Das darf man nicht vergessen. Aber er hat auch das Image der Hausärzte beeinträchtigt. Denn man darf nicht vergessen, mit welchen Tonalitäten das Ganze versehen war. Der Patient wird doch sehr verunsichert, wenn er Worte hört wie Rebellion oder Revolution.

(Dr. Otto Bertermann (FDP): So ist es! Genau so!)

Schauen Sie sich doch einmal den Briefwechsel an. Die Diktion war nicht immer eines Akademikers würdig. Deswegen ist der Schaden meiner Meinung nach nicht nur für den Verband sehr groß, sondern auch für das Image insgesamt. Wir haben im Übrigen nicht nachgetreten. Wir wurden in dieser Sache auch persönlich - sagen wir einmal - "gewürdigt". Aber wie gesagt, wir haben nie nachgetreten. Sie müssen auch einmal in die Psychologie eines Gesundheitsministers eintauchen, der bis zum 22.12. heftig attackiert wurde. Und dann ist die Strategie gescheitert; sie musste scheitern, da niemand außerhalb des Rechtes steht.

(Alexander König (CSU): Sehr richtig!)

Keine Staatsregierung, kein Parlament, aber auch kein Verband kann außerhalb des Rechts stehen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Otto Bertermann (FDP))

Dass dann aber nach dem Scheitern der Strategie jemand zurücktritt und wir drei Tage später quasi aufgefordert werden, den Schaden zu reparieren, ist schon ambitioniert. Dass wir es dann trotzdem in verantwortlicher Weise getan haben, ist nicht zu unterschätzen. Das haben uns die Verbände auch gedankt. Und mit der neuen Führung des Verbandes befinden wir uns nun in einem sehr konstruktiven Dialog. Deswegen habe ich auch dieses hausärztliche Hearing gewählt. Davor haben manche geunkt, das werde ein Politspektakel, eine Show.

(Lachen des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FW))

In keinem anderen Land der Welt hätte man eine solche Situation zustande gebracht. Es waren dermaßen verhärtete Fronten. Heute wird wieder verhandelt und es werden Verträge abgeschlossen werden. Das erreicht zu haben, ist ein großer Erfolg für die Politik.

(Beifall bei der CSU)

Eines sei auch noch einmal gesagt. Für 24.000 Ärzte in Bayern gibt es pro Jahr circa fünf Milliarden Euro Honorar. Das ist eine Summe, die von den Patienten aufzubringen ist. Es ist nicht so, dass wir ärztliche Leistungen nicht ordentlich vergüteten; die Ärzte haben in den letzten Jahren höhere Honorare bekommen. Außerdem haben wir mehr Ärzte bekommen. Die entscheidende Frage lautet doch auf Dauer: Wie schaffen wir es, in bestimmten Bereichen die Attraktivität des Arztberufes zu steigern? Da geht es im Wesentlichen um den ländlichen Raum. In der Großstadt ist das kein Problem; dort gibt es genügend Angebote.

Für den ländlichen Raum braucht es dieses Versorgungsgesetz. Es muss uns dabei klar sein, dass wir da auf Bundesebene die härtesten Konflikte haben. Denn auf Bundesebene lautet die Argumentation: Ihr habt zu viele Ärzte, wir brauchen woanders mehr. Da setze ich auf ein faires gemeinsames Miteinander. Sie sind gleich dran, Herr Kollege Bertermann, alles Gute noch einmal zum Geburtstag.

Nur so können wir Entsprechendes erreichen.

Im Übrigen sehe ich mich da in der Tradition meiner Vorgängerinnen, die sehr viel getan haben, um eine menschliche Medizin zu ermöglichen. Allein dass wir in Bayern so viele erfolgreiche Gesundheitsregionen haben zeigt doch, dass wir ein starkes Gesundheitsland sind. Ich werbe dafür, dass weder die Ärzte noch