Wir vergrätzen ein großes Potenzial an Bürgerinnen und Bürgern, weil wir sagen: Das geht uns nichts an, wir haben unsere Kriterien. Nein: Demokratie muss sich bewegen. Hier wäre Bewegung sinnvoll. Sie würden damit die Eltern unterstützen. Vor allem im ländlichen Bereich ist dieses große Thema immer auf der Tagesordnung.
Bei den zahlreichen Petitionen für den Bereich des öffentlichen Dienstes - das ist auch sehr interessant zeigt sich, dass sich viele junge Menschen, die sich für eine Tätigkeit in der Verwaltung entschieden haben, durch die Absenkung der Einstiegsgehälter demotiviert fühlen. Das wollen Sie doch auch nicht, meine Damen und Herren. Der Staat sollte sich bei der Konkurrenz um kluge und motivierte Köpfe nicht vornehm zurückhalten. Solche Menschen werden Sie nicht wieder einfangen können, sie gehen dann in die Wirtschaft.
Ach so, ja. - Meine Damen und Herren, es sind also Alternativen angesagt. Auch ich danke den Mitarbeitern des Landtagsamtes für die angemessene Behandlung und Bearbeitung der Anliegen unserer Bürgerinnen und Bürger. Dass das alles so gut vorbereitet wird, ist eine große Aufgabe, und dafür vielen Dank. In diesem Sinne wollen wir uns dafür einsetzen, dass der Petitionsausschuss noch besser wird.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Werner, Ihnen gebührt unser ganz spezieller Dank für Ihren wirklich ausführlichen und aufschlussreichen Bericht über diesen wichtigen Ausschuss. Sie haben aufgezeigt, dass das Petitionsrecht für die Bürgerinnen und Bürger im Lande das Tor zum Parlament darstellt. Es ist wichtig, dass staatliche Verwaltung und staatliches Handeln kontrolliert und überwacht werden können.
Der Ausschuss für Eingaben und Beschwerden ist nahe am Bürger, nahe an seinen Sorgen und Nöten. Deshalb haben wir als Landtagsneulinge intern den etwas ungewöhnlichen Beschluss gefasst, dass jeder, der parallel keinen Ausschuss hat und es gerne möchte, ein Jahr lang Mitglied in diesem Ausschuss sein kann, denn dieser direkte Draht der Menschen zu ihren Abgeordneten ist für uns Liberale ein besonders hohes Gut. Die Strategie war eindeutig. Nirgendwo können wir den Menschen stärker mit konkreten Hilfen zur Seite stehen als im Petitionsausschuss. Diese Rückkoppelung ist für eine lebendige Demokratie immens wichtig. Das zeigt auch schon die Bandbreite der ganz unterschiedlichen Petitionen. Sie umfasst das gesamte bayerische Verwaltungshandeln. Die Petitionen sind oftmals Spiegelbild der großen und kleinen Probleme in unserem Lande.
Manchmal gibt es Probleme, die anfangs nicht so groß erscheinen, aber sehr viele Menschen betreffen. Im Hochschulausschuss, in dem beispielsweise auch das Thema Medien behandelt wird, finden sich viele Petitionen zu den Rundfunkgebühren. Wir haben letzte Woche den Rundfunkänderungsstaatsvertrag in Erster Lesung behandelt. Ich denke, dass er im Großen und Ganzen auch durchkommen wird. Damit gehen wir dann weg von einer Geräteabgabe hin zu einer Haushaltsabgabe. Das bewirkt, dass fast alle diesbezüglichen Petitionen in Zukunft hinfällig sind, weil man nicht mehr überlegen muss, ob ein Computer oder ob ein Handy ein Empfangsgerät ist, und weil die GEZ-Beauftragten nicht mehr als ungebetene Gäste in der Wohnung erscheinen können.
Es gibt auch Petitionen, bei in denen sehr unterschiedliche Interessen einzelner Bürger miteinander kollidieren. Da geht es nicht nur um Bürger gegen die Verwaltung, sondern es geht darum, unterschiedliche Interessen von Bürgern unter einen Hut zu bringen.
Herr Werner hat schon das Beispiel eines Spielplatzes an der Kunstakademie genannt. Da gab es einen Anbau an der Kunstakademie, durch den ein Spielplatz zunächst wegfiel. Es gab Ortstermine in diesem Garten. Ich kenne ihn, weil ich dort nebenan auch Kunstgeschichte studiert habe. Es war dort sonst kaum ein Mensch zu finden. Aber während des Ortstermins gab es dort Aktmalerei, sodass auch Nackte herumgelaufen sind. Das war im Grunde ein echtes Happening, doch letzten Endes bin ich klar der Meinung, dass es keine sinnvollere Beschäftigung für Kinder und Jugendliche gibt, als zeitgenössische Kunst beim aktuellen Entstehungsprozess zu erleben. Inzwischen konnte man die Interessen in Einklang
bringen; es gibt dort bald einen Spielplatz; er ist abgegrenzt und liegt nicht direkt im Akademiegarten, aber doch in direkter Nachbarschaft. Das war ein vernünftiger Kompromiss.
Es gibt auch manchmal Petitionen zu kleineren Problemen in unserem Land. Wenn manchmal ganz viele Anliegen in einer Petition vorgetragen werden, ist das häufig ein Indiz dafür, dass die Bedeutung der Anliegen möglicherweise indirekt proportional zu ihrer Anzahl steht. Das ist sehr oft in Haftanstalten der Fall. Ich kann es verstehen: Die Häftlinge haben nur zu uns einen direkten Kontakt und können uns ungeöffnete Post schicken. Wenn sich allerdings ein Häftling beschwert, weil er keine Nike-Turnschuhe bekommt, gibt das doch Anlass zu sagen, dass das mit Erklärung der Staatsregierung in der Tat erledigt ist. Jedoch ist es in solchen Fällen häufig so, dass wir ganze Strafregister erhalten. Das könnte unsere Entscheidung möglicherweise beeinflussen. Aufgrund solcher Fälle haben Herr Thalhammer und Frau Ackermann gemeinsam an den Datenschutzbeauftragten mit dem Vorschlag geschrieben, in solchen Fällen nicht das gesamte Strafregister an die Ausschussmitglieder zu versenden. Anders gestaltet sich das natürlich bei Gnadengesuchen. Dazu komme ich gleich.
Der Petitionsausschuss hat auch Einblicke in verschiedene Gefängnisse genommen. Wir haben uns die Situation angesehen. Das waren sehr interessante Erfahrungen.
Wir haben unter anderem auch folgende Erfahrung gemacht: Manchmal bekommt man eine Petition, bei der man auf den ersten Blick meint, diesem Anliegen könne man nicht nachkommen.
Ich nenne als Beispiel die Petition eines zweifachen Mörders. Er hatte sich an uns gewandt; denn er wollte nicht abgeschoben werden. Wenn man da liest "zweifacher Mörder", so ist der erste Gedanke: Was sollen wir ihm helfen? Den Opfern kann auch niemand mehr helfen.
In diesem Fall hat es sich aber wirklich gelohnt, sich näher mit dem Petenten zu beschäftigen. Er konnte nach fünf Fluchtversuchen und sämtlichen Schikanen durch die Securitate aus Rumänien im Alter von 17 Jahren endlich fliehen und ist zunächst in der französischen Fremdenlegion gelandet. Sein Leben wäre Stoff für mehrere Kriegsfilme und anschließend auch für mehrere Gangsterfilme gewesen. Es ist unglaublich, was in diesem Lebenslauf zu lesen ist. Der Petent ist in die kriminelle Szene abgerutscht und war auch während der Haft disziplinarisch so schwierig zu betreuen, dass er zunächst Einzelhaft bekam. Er hat
sich dann aber so gewandelt, dass er sich schließlich mit seiner Schuld auseinandergesetzt hat, das Abitur im Gefängnis gemacht hat und der erste bayerische Strafgefangene wurde, der einen Hochschulabschluss zum Thema Finanzwirtschaft und Banken im Gefängnis machte.
(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): Ausgerechnet! Das passt ja! Vielleicht wird er Mitarbeiter bei der Landesbank!)
In diesem Fall hat der Ausschuss dann so entschieden: Natürlich muss er seine Haftstrafe absitzen, denn er muss bestraft werden. Aber wir wollen ihn nicht abschieben. Ich fand es gut, dass der Ausschuss da einmal Mut zeigte, über die Parteigrenzen hinweg eine solche Entscheidung zu fällen.
Manchmal ist bei den Petitionen auch schnelleres Handeln gefordert. Ich erinnere nur an die Petitionen im Zusammenhang mit der Gemeinschaftsunterkunft in der Baierbrunner Straße. Das Thema wurde auch von der Vorsitzenden Frau Meyer im Sozialausschuss behandelt, und zwar ebenso stark wie es im Petitionsausschuss geschah. Die Anwohner hatten sich beschwert, weil die Verhältnisse dort sehr beengt waren und die Flüchtlinge nicht menschenwürdig untergebracht worden waren. Es waren dort einfach zu viele Flüchtlinge untergebracht. Damit kam es dort zu einer besonderen Lautstärke und auch zu Auseinandersetzungen. Wir haben gesagt, dass die Zahl der dort wohnenden Asylanten von 400 auf 230 reduziert werden müsse. Es sind immer noch 335 Menschen dort. Allerdings muss man festhalten, dass sich die Zahl der Asylbewerber in Oberbayern seither fast verdoppelt hat. Nichtsdestotrotz müssen wir an diesem Fall dranbleiben; denn wir fordern eine menschenwürdige Unterbringung. Ich freue mich, dass es jetzt gelungen ist, die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge auch das war ein Anliegen des Ausschusses -, die dort untergebracht waren, in einer wesentlich besseren Einrichtung unterzubringen, und zwar in der Bayernkaserne, wo es auch Freiflächen gibt. Das ist ein Erfolg sowohl des Sozialausschusses als auch des Petitionsausschusses, die eine entsprechende Entscheidung gefällt haben. Auch hier haben wir parteiübergreifend an einem Strang gezogen.
Der Sozialdienst soll personell aufgestockt werden. Auch das haben wir mit erreicht. Was mir ein persönliches Anliegen bei einem Ortstermin in der Baierbrunner Straße war, ist Folgendes: Wir haben gesehen, wie Kinder in einem Streusandkasten auf einem tris
ten Hinterhof ohne Baum und Strauch gespielt haben. Das war sozusagen Feinstaub pur. Dort ist inzwischen eine Spielecke geschaffen worden. Und die Flüchtlinge haben eine Tischtennisplatte bekommen.
Das sind Kleinigkeiten. Aber es ist für die einzelnen, oft traumatisierten Menschen wichtig, dass sich die Unterbringung ändert. Natürlich appellieren wir weiter an die Verwaltung, hier wirklich eine sinnvolle Lösung zu finden, rasch zu handeln und zu sehen, dass man auf die Zahl 230 kommt, dass ein alternativer Standort gesucht und diese Einrichtung langfristig geschlossen wird.
Wir stehen bei den Petenten im Wort. Wir wollen, dass die Bürger das Vertrauen in die Politik nicht verlieren.
Zum Thema Transparenz: Herr Wörner, ich finde Ihren Vorstoß sehr gut. Wir müssen uns mit diesem Thema intensiv auseinandersetzen. Das werden wir in der Koalition tun. Die Bürger sollen durchaus wissen, was umgesetzt wurde.
Ein großer Dank gilt an der Stelle natürlich auch dem Landtagsamt; denn die Petitionen sind immer sehr gut aufbereitet. Ich möchte mich aber auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien bedanken, denn sie informieren uns hervorragend. Ein ganz besonderer Dank gilt Herrn Klotz. Ich bedanke mich aber auch bei den beiden Ausschussvorsitzenden, Herrn Werner und Frau Sylvia Stierstorfer. Ich möchte an Sie appellieren, bei diesen Petitionen zu überlegen, was wir in Gesetze umwandeln können. Ich möchte an Sie appellieren, dass es in den Ministerien kein großes Zimmer mit der Aufschrift "Material" gibt, sondern dass wir hier ein lernendes Parlament sind und bleiben.
Vielen Dank, Frau Kollegin Sandt. Auch Ihnen und allen anderen Rednerinnen und Rednern nochmals ein herzliches Dankeschön für die Würdigung des Petitionsrechts und für Ihre Arbeit im Petitionsausschuss.
Weitere Wortmeldungen liegen mir jetzt nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen und dieser Tagesordnungspunkt erledigt. Vielen Dank dafür.
Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (Drs. 16/7135) - Erste Lesung
Dieser Gesetzentwurf soll ohne Aussprache an den federführenden Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit überwiesen werden. Andere Wünsche und Vorschläge gibt es nicht. Dann können wir über die Zuweisung abstimmen. Wer mit der Überweisung an den federführenden Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit einverstanden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist das so beschlossen.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Isabell Zacharias, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern Weiterentwicklung der Verfassung mit dem Ziel der Verankerung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund (Drs. 16/7032) - Erste Lesung
Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Isabell Zacharias, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. und Fraktion (SPD) eines Bayerischen Integrationsgesetzes und zur Änderung von Landesgesetzen zur Unterstützung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund (Drs. 16/7033) - Erste Lesung
Beide Gesetzentwürfe werden begründet. Das Wort hierzu hat Herr Kollege Pfaffmann. Herr Pfaffmann, Sie haben in der Redezeit auch gleich Zeit für die Aussprache, die damit eröffnet wird. Bitte, Herr Kollege Pfaffmann.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise müsste meine Kollegin Isabell Zacharias hier stehen, die sich bei der Entstehung dieses Gesetzes sehr engagiert hat, aber aus vielleicht bekannten Gründen leider nicht hier sein kann.
Deswegen habe ich es gerne übernommen, die beiden Gesetzentwürfe hier darzustellen und zu begründen.
Zunächst einmal geht es um einen verfassungsändernden Gesetzentwurf. 19 % der bayerischen Gesamtbevölkerung sind mittlerweile Migrantinnen und Migranten. Die Integration dieser Menschen in die Gesellschaft halte ich in Bayern - in den Städten, Gemeinden, Landkreisen und dem Land - für eine der entscheidenden und wichtigsten Zukunftsaufgaben schlechthin. Das ist eine Herausforderung an die Politik. Gestatten Sie mir an dieser Stelle zu sagen: Ich habe den Eindruck, dass die Politik in Bayern dieses Problem bisher verschlafen hat.
Wir wollen mit einer Verfassungsänderung dokumentieren, dass uns dieses Thema ein sehr wichtiges Anliegen ist. Wir wollen sozusagen in den grundsätzlichen Rahmen der Gesetzgebung schreiben, dass für uns die Integration in die Gesellschaft von enormer Bedeutung ist. Das ist der Grund für die Verfassungsänderung.