Protokoll der Sitzung vom 22.02.2011

Man hat damals dem Bayerischen Landtag statt einer Reform, wie sie der Verfassungsgerichtshof gefordert hat, ein Reförmchen vorgestellt. Im Prinzip blieb alles so wie zuvor. Man hat praktisch nichts geändert. Der Verfassungsgerichtshof hat uns alle dazu aufgefordert, den kommunalen Finanzausgleich auf neue, verfassungsrechtlich einwandfreie Beine zu stellen. Die alten Beine haben gewackelt und waren nicht mehr verfassungsgemäß. Leider wackelt Ihr neuer Finanzausgleich genauso wie der alte. Sie haben nämlich den Finanzausgleich nicht wirklich auf neue Beine gestellt, sondern Sie haben den Tisch mit den alten Beinen belassen und nur die fehlerhaften Stellen ein bisschen überpinselt. Das ist leider die Wahrheit, und wir müssen sie nun schon zum fünften Mal erzählen. Sie hätten eigentlich schon beim ersten Mal reagieren müssen und können,

(Beifall bei der SPD)

dann müssten die oberbayerischen Landkreise nicht noch einmal vor den Verfassungsgerichtshof ziehen, weil Sie nicht in der Lage waren, ein verfassungsgemäßes Gesetz hinzubekommen.

Ich kann Ihnen prophezeien: Sie werden vor dem Verfassungsgerichtshof wieder Schiffbruch erleiden. Sie haben damals schon die Anforderung der Transparenz nicht beachtet. Es ist beim bisherigen Dunkelkammerverfahren geblieben. Die Aushandlung des Finanzausgleichs ist ein absolut intransparentes Verfahren. Sie haben einfach den CSU-Politikern in dieser Dunkelkammer einen weiteren hinzugefügt. Das war Ihr Zugeständnis an die Anforderung der Transparenz.

Die Beteiligung der Kommunen ist ein verfassungsmäßiges Recht, auf das der Verfassungsgerichtshof zu Recht abgestellt hat. Sie haben dieser Forderung nicht Rechnung getragen. Sie haben sie nach meiner festen Überzeugung zu Unrecht auf die kommunalen Spitzenverbände übertragen, die zwar eine legitime Aufgabe haben, aber nicht die verfassungsmäßige Stellung der bayerischen Kommunen ersetzen können. Diese verfassungsmäßige Stellung haben Sie in Ihrem Finanzausgleichsgesetz nicht berücksichtigt; auch das steht fest.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben die notwendige Differenzierung des Finanzbedarfs der unterschiedlichen kommunalen Ebenen und bei unterschiedlichen kommunalen Ausgangssituationen nicht berücksichtigt. Im Prinzip haben Sie die Regelung so fortgeführt wie zuvor, obwohl der Verfassungsgerichtshof massive Anmerkungen gemacht hat. Sie scheren wieder alles über einen Kamm. Der kleinste gemeinsame Nenner, der in den Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden erreicht wurde, entscheidet darüber, wie der Finanzausgleich in Bayern ausschaut. Das kann es nicht sein, insbesondere dann nicht, wenn man die Verfassung im Blick hat.

Es ist gut, dass eine erneute Klärung durch den Verfassungsgerichtshof stattfindet. Wir hätten uns auch ein qualifizierteres Verfahren im Parlament selbst gewünscht. Leider war die parlamentarische Kraft aufseiten der CSU und der FDP nicht so stark, um das Parlament an dieser Stelle zu stärken. Das ist sehr bedauerlich.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe kein Verständnis dafür, dass auch ein Bericht abgelehnt wurde, anhand dessen wir einmal pro Legislaturperiode über die Struktur des Finanzausgleichs hätten qualifiziert debattieren und Änderungsvorschläge machen können. Auch das haben Sie damals abgelehnt.

Wir sind der festen Überzeugung, dass die Verfassungsklage der oberbayerischen Landkreise angezeigt und begründet ist, weil Ihre Neuregelung des FAG den Anforderungen des Verfassungsgerichts und der Bayerischen Verfassung nicht Rechnung trägt.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für die CSU-Fraktion darf ich Kollegen Jürgen W. Heike ans Mikrofon bitten. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Lieber Kollege Halbleib, es ist ja schön, wenn ein Jurist versucht, sich hier als Hellseher darzustellen. Warten wir einmal ab, was diese Popularklage ergeben wird. Das Gesetz ist jedenfalls im Jahr 2007 nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs geändert worden. Mit den kommunalen Spitzenverbänden hat es eine weitgehende Übereinstimmung und im Endeffekt auch eine Zusammenarbeit gegeben. Dabei wurde die heutige Regelung gefunden.

Was ist der Hintergrund der ganzen Geschichte? Zehn oberbayerische Landkreise möchten gerne den

Finanzausgleich überprüfen lassen. Sie verlangen das sollte man sich einmal vorstellen-, dass der Finanzbedarf für jede einzelne Kommune berechnet und berücksichtigt wird. Sie verlangen weiterhin, dass nicht die kommunalen Spitzenverbände beteiligt werden, sondern jede einzelne Kommune. Die Entscheidungsgrundlage für die parlamentarische Beratung des Gesetzentwurfs darf nicht überwiegend - so wird es verlangt - auf staatlichem Datenmaterial beruhen. Letzteres ist zwar schön und gut, aber leider schon wieder falsch. Tatsache ist zunächst, dass es fraglich ist, ob die Popularklage überhaupt zulässig ist, weil nicht die Verbände, sondern zehn einzelne Landkreise die Klage führen.

Es ist die große Frage, ob daher überhaupt die Möglichkeit des Angriffs über die Popularklage gegeben ist. Außerdem würde dann die Verfahrensbeteiligung jeder einzelnen Kommune gelten. Meine Damen und Herren, stellen Sie sich einmal vor, was das bedeutet: Wir haben sieben Bezirke, 71 Landkreise und 2.056 Gemeinden. Jede Einzelne soll dann den Antrag stellen, jede Einzelne soll geprüft werden, und daraus resultierend werden die einzelnen Finanzausgleichsbeträge zusammengezimmert. - Beinahe hätte ich etwas anderes gesagt. Das ist meines Erachtens gar nicht möglich. Wir würden den Kommunen dann Steine statt Brot geben. Wann würde denn eine solche Berechnung fertig sein?

Vorhin habe ich vom staatlichen Datenmaterial gesprochen. Es trifft nicht zu, dass das ausschließlich staatliches Material ist. Richtig ist vielmehr, dass es bei der Berechnung dieses Materials um die Einnahmeerwartungen aus der Statistik geht. Dazu werden die letzten verfügbaren Steuerschätzungen herangezogen, und zusätzlich werden Neuentwicklungen oder Verlagerungen im staatlichen oder kommunalen Aufgabenbestand, die sich im Zeitpunkt der Abfassung des Entwurfs des kommunalen Finanzausgleichs bereits konkret abzeichnen, dazugefügt. Im Übrigen sind in der Gruppe "Steuerschätzung" auch die Kommunen vertreten.

Das heißt, meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammenfassend: Diese Popularklage ist, wie im Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz mehrheitlich festgestellt worden ist, nicht begründet, wahrscheinlich sogar unzulässig. Deshalb bitten wir bei der Entscheidung zu bleiben, die im Ausschuss getroffen wurde.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Für die Fraktion der Freien Wähler darf ich nun Herrn Mannfred Pointner ans Mikrofon bitten. - Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde es angesichts der fortgeschrittenen Zeit sehr kurz machen. Kollege Halbleib hat die wesentlichen Gründe für die Verfassungsbeschwerden genannt. Ich möchte kurz auf die Aussagen des Kollegen Heike eingehen.

Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden dürfte auf jeden Fall gegeben sein, sonst wären die Klagen der Landkreise und Bezirke, die 2007 alle für sich geklagt haben, unzulässig gewesen. Es waren nicht die Verbände, sondern die Kreise, die geklagt haben. Ich weiß das, weil ich beteiligt war. Zur Begründetheit: Die oberbayrischen Landkreise tragen nur vor, was der Verfassungsgerichtshof gefordert hat. Sie übernehmen das, was wörtlich im Urteil steht.

Mir ist klar, dass die Umsetzung problematisch ist, weil es schwierig ist, über 2.000 Gebietskörperschaften zu beteiligen. Das Verfahren hätte man aber doch in verschiedenen Bereichen verbessern können. Das hat man nicht gemacht, sondern man hat die bisherige Praxis in das Gesetz gegossen und dies so im Landtag vertreten. Nun wird sich zeigen, was passiert. Bereits bei der Debatte in der Plenarsitzung am 16.12.2009 habe ich Ihnen prophezeit, dass es wieder Klagen geben und das Gericht die Verfassungswidrigkeit des neuen Gesetzes feststellen wird. Wir haben vorhin über Wetten gesprochen, und wir können jetzt gleich eine abschließen. Ich bin davon überzeugt, dass der Verfassungsgerichtshof diese Regelung aufhebt, es sei denn, er ändert seine Rechtsprechung, was bei Gerichten auch immer wieder vorkommt. Die gesetzliche Regelung entspricht nicht dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs.

Ich glaube, das reicht für heute. Ich bedaure, dass die Verfassungsbeschwerden im Verfassungsausschuss als nicht begründet erachtet wurden. Die Freien Wähler haben die Verfassungsbeschwerden für begründet gehalten, weil es vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof so festgelegt worden ist.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Für die GRÜNEN darf ich nun Frau Christine Kamm an das Mikrofon bitten.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 2006 haben über 200 Gemeinden und alle Landkreise Schwabens und Oberbayerns gegen den Finanzausgleich geklagt. Die Folge war, dass sich der Verfassungsgerichtshof zwar materiell nicht zum Finanzausgleich äußern wollte, sehr wohl aber das völlig intransparente Mauschelverfahren beim Zustandekommen des Finanzausgleichs in Bayern heftig kriti

siert und den Landesgesetzgeber in Bayern aufgefordert hat, Änderungen vorzunehmen. Die Änderungen sind minimal gewesen und haben leider nicht bewirken können, dass wir einen verfassungskonformen Finanzausgleich haben. Das Zustandekommen des Finanzausgleichs ist nach wie vor durch die Mauschelrunden zwischen der Staatsregierung und den kommunalen Spitzenverbänden gekennzeichnet. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Vorsitzende des Haushaltsausschusses neuerdings bei der Mauschelrunde dabeisitzen darf.

Den überschuldeten Kommunen in Bayern nützt es überhaupt nichts, wenn das Finanzministerium mit geschönten Berechnungen darlegt, dass die bayerischen Kommunen im Durchschnitt vor zwei Jahren eine freie Spitze zur Verfügung gehabt haben. Dadurch werden deren Probleme nicht gelöst. Vielmehr bedarf es einer differenzierteren Betrachtung der Finanzsituation der Kommunen Bayerns. Hinzu kommt die Problematik, dass sich das Land nicht ausreichend stark macht, damit der Bund seine eigenen Haushaltsprobleme nicht zulasten der Kommunen löst. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele, die wir hier schon vielfach diskutiert haben.

(Zurufe von der CSU)

Vom Kindergeld bis zum Wohngeld entlastet sich der Bund zulasten der Kommunen.

Ich fasse zusammen: Die Popularklage ist zulässig. Das Finanzausgleichsgesetz und dessen Zustandekommen sind nicht zulässig. Daher werden wir gegen den Mehrheitsbeschluss des Verfassungsausschusses stimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDPFraktion hat nun Herr Professor Dr. Georg Barfuß das Wort.

Herr Präsident, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht verwundern, dass ich das anders sehe. Ich habe versucht, die Begründung von 2007 zu lesen. Darin heißt es - ich zitiere: "Der gedanklich vorausgehende Schritt, bei dem der Umfang dieser Gesamtmittel festzustellen ist, ….." Es geht also um die Gesamtmittel.

Jeder muss einsehen, dass es nicht praktikabel ist, mit 2.056 Kommunen oder 71 Landkreisen oder sieben Regierungsbezirken reden zu müssen. Den Ausdruck "Mauschelrunde" weise ich zurück. Die Gremien können als Art Clearingstelle auftreten und herausfinden, wo der Schuh drückt und wo Strukturveränderungen angebracht sind. Dagegen ist nichts einzuwen

den. Solche Zusammenkünfte aber rundweg als "Mauschelrunden" zu bezeichnen, Frau Kollegin Kamm, finde ich nicht angemessen. Ich bin also der Meinung, dass das Gesetz durchaus verfassungskonform sein wird. Allerdings bitte ich das Finanzministerium, dass die Transparenz so gestaltet wird, dass jeder nachvollziehen kann, warum der Schritt so und nicht anders erfolgt ist.

Ich bin froh, in einem Land zu leben, wo man solche Popularklagen einreichen kann. Das spricht für unser Staatsgefüge. Ich bin mir aber sicher, dass wir kein schlechtes Gesetz gemacht haben.

Ich war lange genug Bürgermeister und kann deshalb beurteilen, dass es auch einen Eigenanteil an Verschuldung gibt. Immer nur zu sagen, der Staat sei schuld, ist nicht richtig. Man kann auch vor Ort viele Fehler machen. Ich sage Ihnen einige Beispiele, die nur in die Zuständigkeit der Stadträte fällt, nämlich ob sie kostendeckende Gebühren erheben, welche Hebesätze für die Kommunalsteuern festgelegt werden, mit wie viel Personal gearbeitet wird, welche Aufgabenschwerpunkte gewählt werden, mit welcher Intensität Aufgaben erfüllt werden usw.. Außerdem hat jede Kommune ihren eigenen Bürgermeister oder eine eigene Bürgermeisterin und einen Stadtrat, der das festlegen soll.

Mir geht es darum, dass man sich fair über die FAGMittel auseinandersetzt, die den Gemeinden zustehen. Sie sind keine milde Gabe des Staates, sondern stehen den Kommunen gemäß Artikel 28 des Grundgesetzes zu. Das muss transparent zugewiesen werden. Da bitte ich das Finanzministerium, das zu tun. Ich bin überzeugt, dass es so kommen wird.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Vielen Dank Herr Kollege, das Finanzministerium kann auch direkt darauf antworten. Staatssekretär Franz Josef Pschierer hat das Wort. - Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben uns in diesem Hohen Hause mit diesem Thema schon mehrfach beschäftigt. Frau Kamm, man bemerkt, dass Sie weit von der kommunalpolitischen Wirklichkeit entfernt sind, da Sie den Ausdruck "Mauschelei" benutzen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich halte das Verfahren im Freistaat Bayern für eines der transparentesten in der gesamten Bundesrepublik Deutschland.

Wir haben uns intensiv mit dem Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs befasst und die Vorgaben des Urteils gänzlich umgesetzt. Das Urteil kritisiert nicht die Verteilungsregeln. Sie werden vom Verfassungsgerichtshof nicht in Frage gestellt. Lediglich der Gesamtumfang wird thematisiert. Er muss plausibel dargestellt werden. Es geht also nicht um die Regeln an sich, sondern um das Verfahren und die Transparenz.

Einen weiteren Vorwurf weise ich zurück, weil damit anklingt, als hätten sich einige Damen und Herren der Staatsregierung gemeinsam mit der Mehrheitsfraktion etwas ausgedacht. Meine Damen und Herren, dem war nicht so. Es gab eine staatlich-kommunale Arbeitsgruppe mit Fachleuten aus dem Finanz- und dem Innenministerium sowie dem Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung. Dieser Arbeitsgruppe haben auch Vertreterinnen und Vertreter der kommunalen Spitzenverbände angehört.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Das Ergebnis waren objektive und langfristig vergleichbare Entscheidungsgrundlagen. Wenn Sie die Zahlen kritisieren, so muss ich Ihnen sagen. Diese Zahlen haben wir uns nicht aus den Fingern gesaugt. Das sind keine staatlichen Zahlen, es sind vielmehr Zahlen des Statistischen Landesamtes. Wie kommen diese Zahlen zustande? - Es gibt ein Finanz- und Personenstatistikgesetz, und nach diesem melden die Kommunen ihre Zahlen. Wir haben nichts anderes getan, als uns auf diese Zahlen zu beziehen.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜ- NE))