Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die Debatte verfolge, dann bin ich entsetzt, weil ich feststelle, dass sich in der Qualität der Argumente in den letzten zwei Wochen nicht viel verändert hat.
Auf der anderen Seite möchte ich Sie schon bitten zu sehen, dass jeder dazulernen kann. An dieser Stelle ist mir wichtig zu sagen: Wir haben es erlebt - Herr Minister Söder hat es gesagt -, dass sich die Welt nach Japan verändert hat. Wenn wir zu einer Neubewertung kommen, weil wir sehen, dass Ereignisse eintreten können, die zuvor keiner auf dem Schirm hatte, und zu der Erkenntnis kommen, dass alles, was eine potenzielle Nichtbeherrschbarkeit zur Folge hat, für uns nicht verantwortbar ist, dann würde ich Sie bitten, dass Sie uns die Möglichkeit geben, die Dinge erneut zu prüfen.
Ein Zweites: Ich will nicht verhehlen, dass ich überrascht bin: Wir haben gelernt, dass die Kernenergie möglicherweise gar nicht so unverzichtbar ist, wie man bisher immer den Eindruck hatte. Ich kann an dieser Stelle für mich persönlich sprechen: Ich bin überrascht zu sehen, dass wir sieben Kernkraftwerke in Deutschland vom Netz nehmen können, ohne dass viel passiert.
Aber eines ist grundfalsch, sich nämlich immer nur hinzustellen und Forderungen zu erheben. Herr Glauber, auch Sie haben es eben getan; übrigens hat "Glauber" nichts mit Glaubwürdigkeit zu tun, auch das ist heute wieder klar geworden. Wir wollen die Energiewende, und zwar nicht erst seit zwei Wochen. Die CSU war in der Tat in der Frage der Kernenergie nie ideologisch oder fanatisch. Die Entscheidung für die Nutzung der Kernenergie in Bayern war historisch richtig, denn nur dadurch war es möglich, dass Bayern den Weg des wirtschaftlichen Erfolgs und der Industrialisierung überhaupt gehen konnte. Wir haben in den letzten Jahren - das ist erkennbar im Energiekonzept und anderem dokumentiert - für uns die Energie
wende vollzogen, weil wir auf den energiepolitischen Dreiklang setzen, der darin besteht, Energie zu sparen, Energie aus erneuerbaren Energieformen zu erzeugen und aus der Möglichkeit, Energie intelligent in das Netz zu bringen und zu speichern. Ich bitte Sie, das zu sehen und nicht fortgesetzt herumzukrakeelen.
Wir brauchen auch eine vernünftige Strategie für die beschleunigte Energiewende. Ich kann nur davor warnen, dass wir uns auf ein einziges Ziel verlegen, nämlich so schnell wie möglich aus der Kernenergie auszusteigen. Wir sind uns einig, dass wir raus möchten. Allerdings haben wir vor einem Jahr hier noch groß diskutiert, dass wir in Bayern einen Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen. Es soll eine CO2-Reduzierung in größtmöglichem Umfang erfolgen. Wir haben diskutiert, dass wir Aspekte der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und des Gleichklangs berücksichtigen müssen. Wir wollen Bayern energieautark halten und wir wollen uns nicht wieder in neue Abhängigkeiten von neuen Energieträgern, die wir von außerhalb importieren müssen, begeben. Deswegen brauchen wir ein Gesamtkonzept, das in sich konsistent ist und einen vernünftigen, bezahlbaren und verantwortbaren Weg in das postfossile und postnukleare Zeitalter weist.
Ich komme zum Schluss. Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Konsens. In diesem Zusammenhang ist das, was Sie, Herr Wörner und Herr Hartmann in einem verbalen GAU, einem größten anzunehmenden Unsinn, verbreiten, nicht hilfreich, diesen gesamtgesellschaftlichen Konsens zu erreichen. Wir müssen den Menschen sagen, was die Energiewende bedeutet. Sie bedeutet, dass Bayern sein Gesicht verändert. Sie bedeutet auch, dass sich für jeden Einzelnen die Lebensverhältnisse verändern. Es wird sich dabei ändern, was wir an Komfortansprüchen haben, weil jeder Einzelne seinen Beitrag leisten muss. Das setzt voraus, dass wir die Menschen mitnehmen und gemeinsam etwas formulieren, hinter das sich alle gemeinsam stellen können und wo wir gemeinsam an einem Strang ziehen können.
Es geht nicht um Stimmungen, sondern um eine vernünftige Strategie. Wir sollten uns die Zeit nehmen, vernünftig über die Aspekte zu diskutieren, ein Energiekonzept auszuarbeiten und dann gemeinsam auf den Weg zu bringen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Das Thema heute lautet "Energiewende jetzt!". Sie tun damit so, als wäre in den letzten zehn Jahren nichts passiert. Damit stellen Sie Ihre eigene Politik unter den Scheffel.
(Zuruf der Abgeordneten Claudia Stamm (GRÜ- NE) - Hubert Aiwanger (FW): Die Laufzeitverlängerung ist verkündet worden!)
Herr Kollege Hartmann, Sie haben Bayern angesprochen. Sie waren damals noch nicht im Landtag, und vielleicht ist Ihnen das deshalb entgangen: Wir haben in Bayern ein Klimaprogramm geschaffen, wie es kein anderes Bundesland hat.
Das Klimaprogramm enthält Elemente der Klimaforschung und hat als Schwerpunkt die energetische Sanierung. Tun Sie doch nicht so, als wäre in Bayern nichts passiert. Die Staatsregierung hat angekündigt, jetzt ein überarbeitetes Energiekonzept vorzulegen, das all die Elemente enthält, über die wir diskutieren.
(Hubert Aiwanger (FW): Es wäre doch mehr gegangen, wenn man gewollt hätte! - Zuruf der Abgeordneten Claudia Stamm (GRÜNE))
Meiner Meinung nach ist es notwendig, Herr Kollege Wörner - schade, dass ich nur fünf Minuten Redezeit habe - ,
Das haben Sie in Ihrer Novelle zum Atomgesetz vorgesehen, und das ist auch völlig richtig. Wir sind also schneller vorangekommen, als Sie geglaubt haben. Jetzt muss ausgelotet werden, was technologisch und was finanziell zusätzlich möglich ist. Da muss man Ross und Reiter nennen und klar sagen, welche Beträge woher kommen sollen. Ich denke dabei an die energetische Sanierung, die das größte Potenzial birgt, aber eben sehr teuer ist.
Wir müssen bei der Auslotung in Betracht ziehen, dass wir auf dem Weg der erneuerbaren Energien auch erhebliche Rückschläge erlitten haben. Denken Sie an E 10 und an die Strategie so mancher Investoren bei den Windrädern, die inzwischen nicht mehr offshore investieren, sondern das Repowering onshore betreiben wollen, weil sich der bisherige Weg als nicht gangbar und finanziell nicht vernünftig erwiesen hat.
Meine lieben Freunde, ganz grundsätzlich wird es darum gehen, die Rahmenbedingungen neu zu definieren; ich nenne die Stichworte Klimaschutz, Versorgungssicherheit, Stromleitungen, Pumpspeicherkraftwerke, Kosten der Energie und Importstrom. All diese Dinge müssen wir neu bewerten. Wir müssen auch die Rechtssituation ins Auge fassen, liebe Freunde. Wir haben bisher noch wenig darüber diskutiert, was diese Laufzeitgeschichten im Atomgesetz rechtlich bedeuten werden.
(Ludwig Wörner (SPD): Das war eure Laufzeitverlängerung! - Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)
Wir können die Laufzeiten verkürzen, und wir können Atomkraftwerke vom Netz nehmen, wenn wir das aus
Sicherheitsgründen und anderen Gründen für erforderlich halten. Dann müssen wir der Bevölkerung aber auch sagen, was das kostet.
Meine Damen und Herren, es wird immer gesagt, wir wollen aus Japan lernen. Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass wir von Tepco sehr wenig lernen können.
(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP - Hubert Aiwanger (FW): Die sind unter unserem Niveau. Wir sind viel besser!)
Da ich am Anfang Ihre Art der Diskussion kritisiert habe, möchte ich zum Schluss sagen: Gehen Sie auf das Angebot der Bundeskanzlerin ein und versuchen Sie, gemeinsam mit uns eine Strategie zu entwickeln. Wir sind nämlich alle gefordert. Wir sind gefordert, weil wir die eine oder andere Position korrigieren müssen. Sie sind gefordert, weil Sie ebenfalls die eine oder andere Position korrigieren müssen. Wir stehen vor einer nationalen und vielleicht noch mehr vor einer internationalen Herausforderung, der wir uns gemeinsam stellen sollten, weil wir nur so am Ende zu einer sinnvollen Energiestrategie und zu einem Konsens in der Gesellschaft kommen werden, wie wir mit diesem schwierigen Thema umgehen können.
(Beifall bei der CSU und der FDP - Hubert Aiwan- ger (FW): Nicht einmal den Bundesrat haben Sie gefragt, und jetzt ist von Konsens die Rede!)