Protokoll der Sitzung vom 06.04.2011

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Schließlich sind auch die heutigen Anforderungen an die Schule andere. Sie soll ganztags sein. Im Vergleich zu den anderen Ländern ist es ohnehin ein Wunder, wie wir immer noch flächendeckend ohne Ganztagsschulen zurechtkommen. Schule soll heute Werte vermitteln, wiederum, weil das teilweise daheim nicht erfolgt. Wenn es aber zu Hause nicht erfolgt, muss jemand anderer einspringen.

Wir fordern von der Schule heute ein hohes Fachwissen, andererseits wollen wir nach wie vor ein breites Allgemeinwissen haben. Wir trauern den Schlüsselkompetenzen nach. Das muss alles geleistet werden, und dazu sagen Sie: Es gibt doch mehr Lehrer als früher. Ja, das stimmt; aber es sind nach wie vor zu wenige.

Sie vergleichen bei Ihren Rechenmodellen inzwischen einfach Äpfel mit Birnen. Ich kann das nur darauf zurückführen, dass Sie im Biologieunterricht wahrscheinlich unter Unterrichtsausfall gelitten haben. Vielleicht waren Sie im Gymnasium. Dort heißt das

Fach ja nicht mehr "Biologie", sondern "Natur und Technik"; vielleicht kommen dort Äpfel und Birnen auch gar nicht mehr vor.

Wir brauchen einfach mehr Lehrer. Das ist die Basis unseres gesamten Bildungssystems. Wir brauchen mehr Lehrer für kleinere Klassen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir haben einen entsprechenden Antrag - jetzt auch wieder als Änderungsantrag - zumindest für die 5. Klassen gestellt, damit es, wie uns das die FDP so wunderbar vorgestellt hat, in dieser Gelenkklasse eine modulare und individuelle Förderung geben kann. Schauen Sie doch bitte in den Haushalt. Mit dieser Lehrerzahl können Sie nicht individuell fördern und Sie können auch nicht modular fördern. Damit können Sie vielleicht gerade einmal den normalen Unterrichtsbetrieb aufrechterhalten.

Wir brauchen mehr Lehrer für Projektarbeit. Sie reden immer von dem, was alles in der Schule geschehen muss. Natürlich sind die Projekte wichtig, weil sie wirklich Schlüsselqualifikationen und nachhaltiges Wissen vermitteln. Aber wie soll das geschehen, wenn jeder Lehrer, der in einem Projekt steckt, andererseits Unterrichtsausfall bedeutet?

Bezüglich des Unterrichtsausfalls hat mir Ihr Minister wunderbar geantwortet. Auf die Frage, warum in unserer Statistik nur der Fall, dass der Schüler nach Hause geschickt wird, als Unterrichtsausfall geführt wird, nicht aber der Fall, dass er mitgeführt wird, was bedeutet, dass die Tür seines Klassenzimmers offen ist und der Lehrer der Nachbarklasse das dritte Auge darauf wirft, habe ich eine wunderbare Begründung bekommen, die man wirklich verinnerlichen muss. Nur die Eltern und Schüler haben es anscheinend noch nicht kapiert. Das Mitführen von Klassen ist nach Aussage unseres Ministeriums wertvoll, weil der Lehrer, der krank ist oder aus anderen Gründen fehlt, eine Aufgabe vorbereitet hat, die die Schüler in dieser Zeit selbstständig lösen können und dadurch das selbstständige Arbeiten der Schüler gefördert wird. Deswegen ist bei uns Unterrichtsausfall sinnvoll. - Das muss man sich einmal vorstellen!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN - Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Man muss nur eine gute Begründung finden!)

Wir brauchen mehr Lehrer, damit die mobile und integrierte Lehrerreserve endlich an allen Schularten eingeführt werden kann. Auch ich, Kollege Strobl, habe natürlich erfreut gelesen, dass der Minister vorgestern oder vorvorgestern angekündigt hat, dass es jetzt am Gymnasium diese Reserve geben wird. Ich

weiß nicht, woher sie stammen soll. Aber vielleicht ist in dem komplizierten Rechenmodell, das man anscheinend nur mit Intensivierungsstunden in Mathematik versteht, doch noch eine Reserve enthalten, die wir nur noch nicht erkannt haben. Wir freuen uns nächstes Schuljahr darauf.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir brauchen natürlich auch mehr Lehrer für Ganztagsklassen, die nicht so zögerlich weitergeführt werden sollten; denn sie werden angenommen. Wo es die Ganztagsklassen gibt, erkennt man, wie wichtig sie in der heutigen Zeit sind. Deswegen muss das schneller gehen, und dazu brauchen wir mehr Lehrer.

Lehrer ist immer noch ein pädagogischer Beruf. Pädagogik hat mit Erziehen zu tun. Erziehen hängt mit Zuwendung zusammen. Zuwendung zu einem Kind erfordert Zeit. Diese Zeit geben wir unseren Schulen und ihrem Personal nicht mehr, auch nicht mit diesem Haushalt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der Ab- geordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD))

Pädagogisches Personal an Schulen heißt mehr Zeit für die Beratungslehrer. Wir unterstützen Sie ja in Ihrem vielgliedrigen Schulsystem; aber dieses vielgliedrige Schulsystem darf natürlich nicht schwierig werden und nicht schon bei Kindern zu Magengeschwüren führen. Insoweit gebe ich den Kollegen auf der anderen Seite recht. Darum muss ich zumindest ein Beratungssystem haben, das das Kind und die Eltern an die Hand nimmt. Das ist aber mit einer Anrechnungsstunde für 500 Schüler nicht möglich.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der Ab- geordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD))

Auch hierzu haben wir im Übrigen einen Antrag gestellt, der natürlich abgelehnt wurde.

Die schulpsychologischen Dienste müssen ebenfalls ausgebaut werden. Das gilt - jetzt schließe ich mich wieder dem Kollegen Strobl an - auch für den Schulsozialarbeiter. Es besteht ein gewisser Betrug im System. Die Jugendsozialarbeit ist nach wie vor für Einzelfälle gedacht und darf nicht flächendeckend für Streitschlichter und so weiter genommen werden, die wir aber im Schulsystem brauchen. Sie wollen Schulentwicklung, Sie wollen eine moderne Schulfamilie, Sie wollen die Identifikation der Betroffenen mit der Schule. Dann geben Sie doch bitte auch das dafür nötige Personal. Hierzu brauche ich auch offiziell den Schulsozialarbeiter, der nicht von der Ministerin Ha

derthauer finanziert wird, sondern für den das Geld aus dem Kultusministerium kommt, wo es auch hingehört.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir brauchen mehr Verwaltungspersonal, auch eine Schulsekretärin. Jeder, der als Elternteil oder Schüler - nicht unbedingt als Minister nach Ansage - eine Schulfamilie besucht hat, weiß, dass die Schulsekretärin das Hansaplast hat, das sie die Beschwerden heranwachsender Schülerinnen in dringenden Fällen lindern kann. Diese Schulsekretärin ist heute auch pädagogisches Personal. Das Verwaltungspersonal kommt als Letztes, arbeitet auf der Kippe und kann mit so wenigen Stunden für so viele Schüler und inzwischen auch bei so vielen Problemen nicht weitermachen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Leider wurde auch dieser Antrag von Ihnen abgelehnt.

Auch zu Sport und Musik haben wir einen Antrag gestellt und gefordert, dass man die Sportvereine nicht nur mit Bitten und Betteln in die Schule bringt, sondern auch einen gewissen Etat dafür zur Verfügung stellt. Auch dieser Antrag wurde leider abgelehnt.

Wir brauchen insgesamt viel weniger Reformen meistens sind es ohnehin nur Reförmchen -, wir müssen uns auf die wesentlichen Schwachstellen konzentrieren, sprich auf die flexible Eingangsklasse. Sie ist gut. Geben Sie doch zu, dass Sie sie nicht flächendeckend einführen, weil Sie das Geld dafür noch nicht in die Hand nehmen wollen. Sie hat sich bewährt. Das wissen wir aus anderen Bundesländern.

Konzentrieren Sie sich auf den flexiblen Abschluss unserer Hauptschüler und Mittelschüler. Momentan leisten wir uns im Berufsschulbereich fünf verschiedene Formen für Schüler, die ohne Abschluss aus der Schule kommen. Das ist doch Luxus. Investieren wir es bitte an der richtigen Stelle, an der Haupt- und Mittelschule.

Das berufliche Schulwesen kommt von Haus aus zu kurz. Wir reden von G 8, wir reden von G 9, aber von den Problemen, die die anderen haben, ist überhaupt nicht die Rede. Für sie ist auch in diesem Haushalt nur ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein zu sehen.

Zur Lehrereinstellung wurde schon gesagt: Wir brauchen dauerhaft gute, qualifizierte Lehrer.

Visionen sind in diesem Haushalt sowieso nicht zu erkennen. Wenn Sie, was Ihr Koalitionspartner FDP dauernd so groß herausstellt, wirklich eine autonome Schule wollen, dann brauchen Sie auch die entsprechenden Stellen für die mittlere Führungsschiene und nicht wieder nur ein kleines Modell und noch ein kleines Modell, nur damit das Kind einen Namen hat.

Wir brauchen eine kindgerechte Schule. Wir haben zumindest gefordert - auch das wurde leider abgelehnt -, dass die Sportstätten entsprechend gefördert werden, damit wenigstens die Warteliste für die Fördergelder nicht mehr so lang ist. Aber auch das wird hier nicht geleistet.

Die Einbeziehung der Eltern ist im Haushalt überhaupt nicht vorgesehen, obwohl wir, wie gerade Ihre Zwischenrufe gezeigt haben, doch wissen, dass die Eltern mehr einbezogen werden müssen, damit sie ihre Aufgabe zu Hause besser erfüllen können. Für Elternarbeit gibt es keinen Pfennig.

Dieser Haushalt geht sicher in die richtige Richtung; das bezweifeln wir in gar keiner Weise. Die Schritte sind aber zu klein, zu zögerlich, und so kommt man eben nicht oder zu spät ans Ziel.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Jedes Unternehmen weiß, dass Investitionen nötig sind, um später eine entsprechende Amortisation zu haben bzw. Gewinn einzufahren. Wir wissen, jeder in die Bildung investierte Euro bringt sieben Euro zurück, aber wir verhalten uns hier nicht betriebswirtschaftlich, nicht volkswirtschaftlich,

(Zurufe von der CSU)

auch nicht menschlich. Der Hinweis auf NordrheinWestfalen ist nachgerade lächerlich. Wir brauchen menschlich und fachlich gut ausgebildete Kinder. Dafür bräuchten wir andere Zahlen in diesem Haushalt, und die fordern wir. Wir bedauern, dass Sie unsere Anträge und unsere Aufforderungen nicht ernst nehmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Frau Kollegin Gottstein. - Als Nächster hat Herr Kollege Thomas Gehring das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bildung ist die Zukunftsaufgabe, die große Herausforderung für unsere Gesellschaft. Darin sind wir uns alle einig; wir hören diese Äußerung jeden Tag hundert Mal. Aber wenn wir

diese Herausforderung annehmen und sagen: bessere frühe Förderung, mehr Ganztagsangebote, kleinere Klassen, dann müssen wir uns auch über die finanziellen Dimensionen dieser Aufgabe, der wir uns stellen wollen, klar werden. Sie hat eine ungeheure Dimension.

Die Prognos AG hat in einer Studie für die RobertBosch-Stiftung ausgerechnet, dass wir bundesweit, um den Bedarf im schulischen Bereich zu erfüllen, knapp 16 Milliarden Euro zusätzlich ausgeben müssten.

Wenn wir uns anschauen, dass die Bundesregierung versucht hat, einen Anteil von 7 % am Bruttosozialprodukt für Bildung zu erreichen, und die grandios gescheiterten Bildungsgipfel zwischen Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten, dann relativiert sich das, was in diesem Haushalt jetzt veranschlagt und als Zuwachs verkauft wird, ganz gewaltig.

Wir müssen feststellen: Bund und Länder sind ihrem Anspruch nicht gerecht geworden und werden ihrem Anspruch nicht gerecht, die Bildungsausgaben in der Zukunft zu finanzieren. Sie können jetzt gern wieder auf den Länder-Finanzausgleich rekurrieren. Wir GRÜNEN haben einen Vorschlag gemacht, wie man den Finanzausgleich zwischen den Ländern reformieren kann. Sie, liebe Kollegen von der CSU, machen keinen Vorschlag. Bei Ihnen gehört das Jammern und das Nörgeln über den Finanzausgleich irgendwie zum Argumentationskasten, den Sie weiterhin brauchen. Deswegen verweigern Sie sich da auch Reformen und machen keine Vorschläge.

Was ich schon ärgerlich finde, ist: Ich habe noch nie gehört, dass man sich darüber beklagt, dass in den Empfängerländern Geld für Straßenbau oder unsinnige Bauprojekte ausgegeben wird. Nein, Sie reden dann immer von den Bildungsausgaben, die angeblich mit dem bayerischen Geld finanziert werden. Ich muss Ihnen sagen: Mir ist lieber, die Empfängerländer geben ihr Geld für gute Bildung aus; das ist insgesamt gut für die soziale Gerechtigkeit in diesem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen uns dieser gesamtstaatlichen Verantwortung stellen, und wir müssen auch überlegen, mit welchen Instrumenten, differenziert zwischen Bund und Ländern, wir diesen Aufgaben gerecht werden. Wir müssen auf Landesebene - das haben wir Ihnen mit unseren Haushaltsanträgen deutlich gemacht - zusätzliche Mittel zielgerichtet an wesentlichen Punkten in den Haushalt einbringen und auch diese zusätzlichen Mittel mit entsprechenden neuen Finanzierungsinstrumenten verbinden, um damit auch mehr Qualität zu erreichen.

Die Haushälter sprechen immer von den Prinzipien Wahrheit und Klarheit. Wie schaut es mit der Wahrheit in diesem Kultushaushalt aus? Was sagen diese Zahlen über die Wahrheit an den Schulen? Wie wird der Haushalt der Forderung nach Wahrheit an den Schulen gerecht?