Protokoll der Sitzung vom 06.04.2011

In Bayern wird es mit uns keinen Anschlag auf das Gymnasium und die Realschule geben. Die berufliche Bildung leistet einen großen Beitrag zur Durchlässigkeit und Chancengerechtigkeit. Man kann die Zahl gar nicht oft genug wiederholen: 40 % der Hochschulzugangsberechtigungen werden über die berufliche Bildung erworben. Insofern leistet die berufliche Bildung einen riesigen Anteil zur Chancengerechtigkeit und Durchlässigkeit. Wir werden uns dem Thema "Kooperationen an den Übergängen" widmen. Die individuelle Förderung ist dem Minister ein großes Anliegen. Wir werden Sie weiter verbessern. Wir werden uns um die Inklusion kümmern, um noch mehr Kinder mit Behinderung in das Regelschulsystem aufnehmen zu können.

Sie sehen, wir haben Konzepte und Ziele. Mit diesem Haushalt stellen wir Geld zur Verfügung.

Lassen Sie mich am Schluss noch auf zwei Punkte eingehen. Bildung ist nicht nur die Aufgabe des Staates, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ich mache mir vor allem um die Familien Sorgen, in denen der Stellenwert der Bildung nicht hoch ist oder in denen der Stellenwert der Bildung möglicherweise gar nicht vorhanden ist. Der Staat muss Chancen bieten. Das ist unsere Aufgabe. Die Chancen muss aber jeder Einzelne selbst nutzen. Ich bin viel in Schulen unterwegs. Unter den besten Schülern einer Schule sind immer auch Kinder mit Migrationshintergrund. Das sind Familien, die in das Land gekommen sind, die die Chancen sehen und gewillt sind, diese Chancen zu nutzen. Andererseits gibt es Eltern, die sich nicht für die Kinder und ihre Bildung interessieren, bei denen das Fernsehgerät den Platz der Eltern eingenommen hat, egal, ob dann die Schüler stundenlang auf Deutsch, Englisch oder Türkisch fernsehen. Nach fünf Stunden ist alles weg, was die Schüler am Vormittag gelernt haben.

(Eva Gottstein (FREIE WÄHLER): Was tun Sie dagegen?)

Deswegen müssen wir mit Blick auf den Bildungshunger in weiten Teilen dieser Welt in unserem Land darauf dringen, dass die Einstellung zur Bildung besser wird. Sonst werden wir überholt.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Wie machen Sie das?)

Dies kann der Staat nur zum Teil leisten. Einen Beitrag müssen auch die Familien, Eltern und Schüler selbst leisten.

(Eva Gottstein (FREIE WÄHLER): Das ist eine Armutserklärung! - Zuruf des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Uns ist es wichtig, pragmatische Bildungspolitik zu machen. Deswegen ist uns der Dialog mit allen Beteiligten sehr wichtig.

(Eva Gottstein (FREIE WÄHLER): Das ist ein bildungspolitischer Offenbarungseid!)

Dazu gibt es gute Beispiele. Eines davon ist das Dialogforum bei der Einführung der Mittelschulen oder die Begleitung des jetzigen doppelten Abiturjahrgangs.

(Christa Naaß (SPD): Das ist lachhaft!)

Wir werden die Schülerinnen und Schüler begleiten, bis der letzte Schüler, die letzte Schülerin Abitur geschrieben hat. Uns ist enorm wichtig, dass diese beiden Jahrgänge die gleichen Chancen haben wie die früheren Jahrgänge.

Ein gutes Beispiel ist auch die interfraktionelle Arbeitsgruppe zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Sie bedeutete für alle Beteiligten intensive Arbeit mit einem sehr guten Ergebnis. Ich kann Ihnen zusichern: Wenn die Opposition auf Ideologie und realitätsferne Forderungen verzichtet - wie in dieser Arbeitsgruppe - und wenn stattdessen pragmatisch und lösungsorientiert gearbeitet wird - wie in dieser Arbeitsgruppe -, dann sind wir gern bereit, gemeinsam mit Ihnen weitere Themen anzugehen und zu bearbeiten.

Ich danke den Lehrern, den Eltern und den Schülern. Sie können sich darauf verlassen: Wir tun unser Bestes, um die Rahmenbedingungen an unseren Schulen zu verbessern. Dieser Haushalt ist der beste Beleg dafür.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Eisenreich, bleiben Sie bitte noch am Redepult. Kollege Gehring hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege Gehring.

Herr Kollege Eisenreich, ich mag es nicht, wenn man mich der Ideologie bezichtigt, aber selbst jeden Ideologieverdacht von sich weist. Wir sollten uns auf ein Level einigen: Entweder sind wir beide Ideologen oder keiner, je nachdem.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Niemandem ist damit gedient, wenn die Regierungsparteien die Probleme, die im Land durchaus bestehen, durch Schönfärberei kaschieren wollen. Wir dürfen nicht so tun, als ob in Bayern alles super laufe, obwohl wir vor Ort die Probleme sehen.

Dass Probleme bestehen, konnten wir heute Morgen wieder erleben. Wir haben eine Petition entgegengenommen, die von dreieinhalbtausend Eltern von Schülerinnen und Schülern an Gymnasien unterzeichnet worden ist. Die Initiative entstand innerhalb kürzester Zeit und ohne Verbände. Daran sieht man: Vor gibt es Probleme, vor Ort ist Druck da. Den Eltern brennen die Probleme an den Schulen ihrer Kinder auf den Nägeln. Darauf müssen wir reagieren.

Das widerspricht aber nicht dem, was ich gesagt habe.

Ich glaube, ich habe zwei Minuten Redezeit.

Eine Minute haben Sie noch.

Ich komme zum Thema Lehrerstellen: Der Minister hat uns eine MathematikIntensivierungsstunde angeboten. Die nehme ich gern in Anspruch; denn ich bin auf seine Erklärung gespannt. Aber ich denke, hier geht es nicht um Mathematik, sondern um Sprache. Vielleicht brauchen wir eine Deutsch-Intensivierungsstunde.

Worin liegt das Problem? Sie reden von zusätzlichen Stellen, erwähnen aber nie die wegfallenden Stellen. Das muss man jedoch zusammen sehen. Wenn Sie einen Raum verlassen und ich hineingehe, dann bin ich, Thomas Gehring, zwar zum ersten Mal in diesem Raum, aber es sind insgesamt nicht zusätzliche Personen in diesem Raum. Genauso verhält es sich mit den Stellen, die laut Haushalt vorgesehen sind. Sie haben einfach Stellen umgeschichtet. Sagen Sie das doch so; damit wäre allen besser gedient.

Ich möchte etwas zum Thema Ganztagsschule sagen. Auch Sie kennen die Probleme; wir müssen die Qualität verbessern. Kennen Sie die Stellungnahme des Bayerischen Städtetages, in der auf die bei der gebundenen Ganztagsgrundschule bestehenden Probleme hingewiesen wird? Wissen Sie, dass die Stellen nicht ausreichen, um diese Schulen überhaupt auszustatten? Darauf müssten Sie reagieren. In Ihrem Haushalt reagieren Sie darauf nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein letztes Wort -

Herr Gehring, danke schön. Sie haben die Redezeit bereits überschritten. - Herr Eisenreich, Sie haben das Wort zur Beantwortung.

Sehr geehrter Herr Kollege Gehring, Sie wissen - bei aller Diskussion zwischen uns -, dass ich Sie sehr schätze. Insofern weiß ich auch, dass wir auf sachlicher Grundlage gute Diskussionen im Interesse einer guten Politik führen können.

Zu den Stellen: Selbstverständlich gibt es hier wie in jedem Haushalt Umschichtungen; denn die Situation im Schulbereich ändert sich ständig. Das betrifft zum Beispiel die Schülerzahlen und die Pensionierungen. Deswegen wird es auch immer Änderungen geben.

Uns ist es wichtig, dass wir für die Erfüllung zusätzlicher Aufgaben und für die Verbesserung der Rahmenbedingungen zusätzliche Lehrer haben, und die haben wir.

Man kann formalistisch argumentieren wie Sie. Es ist jedoch nicht redlich, wenn Sie Folgendes nicht erwähnen: Wenn ein kompletter Jahrgang am Gymnasium wegfällt - das ist ein Sonderereignis -, entfällt damit auch die entsprechende Unterrichtspflichtzeit. Der Wegfall dieser Stellen ist also neutral. Darauf weisen wir ausdrücklich hin. Das berücksichtigend sehen wir für zusätzliche Aufgaben und zusätzliche Verbesserungen 1.000 zusätzliche Stellen vor. Daran ändern die Rechenbeispiele von Ihnen und anderen Kollegen nichts.

Die Stellungnahme zum Thema Ganztagsschule kenne ich. Dazu gibt es Gespräche zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und der Bayerischen Staatsregierung. Das nächste Gespräch findet nächste Woche statt. Insofern sind wir ständig im Dialog. Es freut mich, dass den Kommunen und den kommunalen Spitzenverbänden das Thema Ganztagsschule besonders wichtig ist; uns ist es auch wichtig. Deswegen haben wir einen entsprechenden Schwerpunkt im Haushalt gesetzt.

Danke schön, Herr Kollege Eisenreich. - Damit ist die Aussprache beendet. Jetzt hat noch Herr Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen über eines der zentralen Gebiete der Landespolitik: die Zukunft unserer jungen Menschen, die uns zu treuen Händen anvertraut ist. Das ist der Auftrag, den wir wahrnehmen und verantworten. Wir

wollen die Zukunft unserer jungen Menschen, die Entwicklung ihrer Talente und Fähigkeiten unter Berücksichtigung der Fördernotwendigkeiten nach bestem Wissen und Gewissen politisch gestalten. Darum ringen alle Fraktionen in diesem Haus. Ich bin deshalb auch für die Intensität der Debatte dankbar.

Wir haben unterschiedliche Grundauffassungen. Lassen Sie mich diese an einigen Beispielen verdeutlichen.

Für die Koalitionsfraktionen ist Grundprinzip, dass das einzelne Kind in seiner Unverwechselbarkeit im Mittelpunkt unseres bildungspolitischen Arbeitens und Planens steht. Deshalb gehen wir davon aus, dass wir mit der Förderung des einzelnen Kindes in einem differenzierten Bildungswesen die richtigen Grundantworten geben. Warum? Wir glauben, dass mit unterschiedlichen Angeboten in einem differenzierten Bildungswesen, dessen Qualität bei gleichzeitiger Beachtung des Themas Teilhabegerechtigkeit stets fortentwickelt wird, die Bildungschancen der jungen Menschen besser entwickelbar sind als in dem Grundentwurf, der auf eine einheitliche Schulform setzt.

Die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen benennen zu Recht die Punkte, die zeigen, dass die Entwicklung in unserem Bildungswesen in die richtige Richtung geht. Wir sind in den vergangenen Jahren auf diesen Themenfeldern entscheidende Schritte vorangekommen. Ich verweise auf einen Vergleich der Leistungsfähigkeit junger Menschen in diesem Land, der die 9. Klassen aller Schularten - Hauptschulen, Wirtschaftsschulen, Realschulen, Gymnasien - umfasste. Es hat sich gezeigt, dass wir in Bayern, was die abgefragten Bereiche angeht, unter allen 16 Ländern nicht ganz hinten liegen.

Auf der anderen Seite - das nehme ich auch für mich persönlich in Anspruch - habe ich von Anfang an, seit Übertragung der Verantwortung für die Bildungspolitik in Bayern auf mich, die Problemstellen benannt, also von den Eltern benannte Schwachstellen und Bereiche, in denen wir besser werden müssen. Ich habe auch darauf hingewirkt, dass wir an der Lösung dieser Probleme - denn wo Licht ist, ist auch Schatten - gemeinsam weiterarbeiten.

Die Gesamtstrategie der Bildungspolitik des Freistaates Bayern - ein wichtiges Politikfeld! - schlägt sich in einem Doppelhaushalt natürlich nieder. Wir nehmen genauso für uns in Anspruch, dass wir dem Prinzip "Klarheit und Wahrheit" folgen. Bereits im Koalitionsvertrag haben wir Festlegungen zur Bildungspolitik getroffen; Frau Kollegin Will hat dazu ausgeführt. Beide Parteien verfügen über profilierte Vorstellungen

und programmatische Gedankengebäude zur Fortentwicklung der Bildungspolitik, die wir in einem sehr guten Koalitionsvertrag zusammengeführt haben. Dazu zählt unter anderem, dass wir in Bildung massiv investieren. Wenn die Zahlen, die Sie heute beschließen werden, schlicht und einfach zur Kenntnis genommen werden, stellt man fest, dass der Bildungshaushalt seit Beginn dieser Legislatur um etwa 1 Milliarde Euro gewachsen ist. Dass darin auch die Aufwendungen für Pensionslasten und Ähnliches geführt werden, ist Allgemeingut und nachvollziehbar.

Die weiteren Festlegungen des Koalitionsvertrages, zum Beispiel 1.000 Planstellen für die Erfüllung zusätzlicher Aufgaben, werden in diesem Doppelhaushalt umgesetzt.

Genauso deutlich ist - das haben wir zu jedem Zeitpunkt öffentlich dargelegt -, dass wir im Zusammenhang mit dem Wegfall des neunten Gymnasialjahres eine bildungsgeschichtlich einmalige Situation; 1953 war das neunte Gymnasialjahr wieder eingeführt worden - einen Wegfall von Unterrichtsverpflichtungen im Umfang von 1.819 Planstellen zu vollziehen haben. Dass der Kultusminister und Bildungspolitiker an dieser Stelle natürlich weiterhin entsprechende Akzente setzen möchte, ist doch nachvollziehbar.

Die Frage der Planstelleneinzüge haben wir genauso präzise deutlich gemacht. Wir haben eine auf die Schularten heruntergebrochene Darstellung der Entwicklung der Vollzeitlehrereinheiten seit 2008 mit entsprechenden konkreten und präzisen Fundstellen in einem komplexen Haushaltswerk auf den Tisch gelegt. Wenn man die Bilanzsumme von 9,8 Milliarden Euro eines Unternehmens mit etwa 110.000 Beschäftigten darstellt, dann ist das nicht auf einer A4-Seite möglich. Deshalb haben wir die Zahlen ganz präzise öffentlich vorgestellt.

Man kann zu Recht darum ringen, inwieweit das alles ausreicht. Herr Kollege Eisenreich hat gesagt: Natürlich sind Bildungspolitiker von Amts wegen dazu verpflichtet, beim Einsatz von Planstellen und Haushaltsmitteln auf mehr angelegt zu sein.

Trotzdem kann in diesem Haushalt die Dualität der Ziele erreicht werden. Das eine Ziel ist die Generationengerechtigkeit mit einer entsprechend nachhaltigen Haushaltspolitik, die ohne Nettoneuverschuldung auskommt. Das andere Ziel ist das kraftvolle Investieren in Bildung.

Wir stellen das einzelne Kind in den Mittelpunkt. Wir müssen mit unterschiedlichen sozialen Startbedingungen umgehen. Auch das gehört zur Beschreibung der Bildungswirklichkeit in diesem Land, die von mir