Wir beraten nun den zweiten Doppelhaushalt in Ihrer Zeit als Minister, oder sollte ich lieber "Regentschaft" sagen? Denn manchmal habe ich den Eindruck, Sie residieren eher nach Art eines Markgrafen, als dass Sie regieren wie ein Minister. Dieser Doppelhaushalt würde Ihnen die Gelegenheit bieten, Perspektiven Ihrer Hochschul-. Kunst- und Forschungspolitik aufzuzeigen. Dies könnte eine im Wortsinn liberale Politik sein. Sie, dessen Fachbereiche weitgehend von Kürzungen verschont geblieben sind und von allen als Zukunftsfelder der Entwicklung Bayerns angesehen werden, hätten damit die beste Ausgangslage im Kampf um knapper werdende Mittel. Sie wären derjenige im Kabinett, der am besten gestalten könnte.
Sie könnten ein buntes, innovatives, ja ein visionäres Bild malen von der Zukunft von Hochschule, Forschung und Kunst in Bayern anhand dieses Doppelhaushaltes. Sie könnten, ja Sie müssten aufzeigen, wie sich die Hochschullandschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten, entwickeln sollte, welche Freiheiten Sie der Wissenschaft gewähren wollen, welche Verantwortung Sie ihr zuschreiben wollen und wie Kultur und Kunst sich entfalten sollen.
Das alles könnten Sie in diesem Haushalt skizzieren; Sie müssten Pflöcke einschlagen, Orientierungspunkte setzen und Entwicklungskorridore in diesem Haushalt für die Zukunft freiräumen.
Von alledem sehen wir nichts in diesem Doppelhaushalt. Es mangelt in allen Bereichen an dem, was unverzichtbar wäre und was Voraussetzung für eine gute Zukunft wäre. Es mangelt an Konzepten und an Nachhaltigkeit.
Der Einzelplan 15 ist ein kleinkarierter technokratischer Verwaltungshaushalt, der ausschließlich auf die tagesaktuellen Probleme reagiert. Er ist ein Haushalt des "Weiter so", als ob Sie sich über die Zeit retten wollten. Die Probleme und Herausforderungen der Zukunft türmen sich derweil immer weiter auf. Das ist beispielsweise am Investitionsstau in den Bibliotheken und Archiven festzumachen und an den kaum noch zu bewältigenden Sanierungskosten für diverse sogenannte Leuchttürme der Münchner Kultur, der unverminderten Unterfinanzierung der Hochschulen, an der sich auch dadurch nichts ändert, dass Sie das Ausbauprogramm ansprechen, das nicht von Ihnen ist wir hatten das bereits in der letzten Legislaturperiode beschlossen -, noch so oft abfeiern. Das ändert daran nichts, dass wir hier keinen Fortschritt sehen und keine Nachhaltigkeit entdecken.
Herr Minister, vielleicht erinnern Sie sich, dass mein Kollege Dr. Sepp Dürr von Ihnen einen Bericht zu den Leitlinien Ihrer Kulturpolitik erwirkt hat. Fehlanzeige! Sie haben den von mir hochgeschätzten Kulturbürokraten Toni Schmidt geschickt, den Bericht zu geben. Er hat diese Aufgabe im Rahmen seiner Rolle als Spitzenbeamter der Kulturverwaltung nicht schlecht gemacht, aber wir haben nichts über Ihre Leitlinien zur Kulturpolitik gehört, kein Konzept. Es war eine Bestandsaufnahme des Vorhandenen und eine Fortschreibung des Altbekannten.
Dabei muss man sagen, dass der Begründer dieser neueren bayerischen Kulturpolitik, Hans Zehetmair, als Konservativer schon eher eine liberale Kulturpolitik gemacht hat, während Sie, Herr Minister Heubisch, als Liberaler eine durch und durch konservative Kulturpolitik machen.
Das hat zur Folge, dass Sie ein Getriebener sind. In die Sanierung des Gärtnerplatztheaters müssen die bayerischen Bürgerinnen und Bürger 70 Millionen Euro stecken, ohne dass Sie ein Konzept dafür haben, in welche Richtung sich dieses Theater überhaupt entwickeln soll. Bleibt es ein Münchner Stadttheater oder soll es echte, landesweite Bedeutung erringen?
Ich erinnere an die verfahrene Diskussion um einen neuen Konzertsaal für München, natürlich und am besten gleich in Schwabing. Diese Diskussion haben Sie zu verantworten, denn Sie lassen das Thema immer weiter auswuchern, ohne eine realisierbare Perspektive zu entwickeln oder eben auch keine, die Nulllösung nämlich, also eine klare Absage zu erteilen. Eines von beiden müssen Sie irgendwann tun. Da betreiben Sie Ihr persönliches Hobby und alle anderen sollen am Ende dafür geradestehen und zahlen. Kein Konzept, Herr Minister!
Die Lähmung setzt sich fort. Auch bei den Museen entwickeln Sie keinen Gestaltungsspielraum, obwohl mein Kollege Dr. Sepp Dürr Ihnen schon umfassende Hilfestellung mit der Museumsinterpellation der GRÜNEN geleistet hat.
Jetzt, ganz aktuell, stehen Sanierungskosten in Höhe von 60 Millionen Euro für die Neue Pinakothek im Raum. Da haben auch Ihre Vorgänger nicht nachhaltig gewirtschaftet. Das ganze restliche Land wird weiter konzeptionell und finanziell in die Röhre gucken. Keine Nachhaltigkeit, Herr Minister!
In der Forschungspolitik setzen Sie unreflektiert fort, was Stoiber begonnen hat, nur mit viel weniger Geld. Die Drittmittelabhängigkeit degradiert die Forschung immer mehr zur Dienerin von Wirtschaftsinteressen. Geforscht wird, wofür es Geld gibt, weder zweckfrei noch gesteuert durch die wirklich wichtigen Herausforderungen unserer Zeit oder durch die brennenden Fragen, auf die unsere Gesellschaft Antworten braucht. Als Beispiel sei hier nur die Agro-Gentechnik genannt. Obwohl eine Mehrheit der Menschen sie nicht will und obwohl wir wissen, dass mit dieser Forschung kein Beitrag zur Lösung des Welternährungsproblems, sondern einer zur Gewinnmaximierung der großen Agro-Konzerne geleistet wird, wird hier munter weitergefördert.
Sie haben gestern im Hochschulausschuss berichtet, dass Sie sich auf EU-Ebene für Grundlagenforschung stark machen. In Ihrem eigenen Haushalt findet man nichts dazu. Auch hier keine Nachhaltigkeit.
Im Gegenteil. Durch die Degradierung der Wissenschaft zur Dienstleisterin der Wirtschaft - das war das Einzige, was gestern in der Sondersitzung des Hochschulausschusses wirklich ganz klar herausgearbeitet wurde - liegt der Schwerpunkt nun ganz und gar bei den MINT-Fächern. Daneben vernachlässigen Sie das, was mindestens genauso wertvoll wäre, aber eben auf dem liberalisierten Markt keinen schnellen Euro bringt: Kultur- und Sozialwissenschaften und die Etablierung und Förderung einer nachhaltigen Wissenschaft. Auch hier gibt es bei Ihnen keine Nachhaltigkeit.
Herr Minister Heubisch, wo sehen Sie unsere Hochschulen im Jahr 2020, im Jahr 2050? Was ist Ihre Vision für die Entwicklung unseres Hochschulraums? Welche Rolle sollen die Hochschulen in unserer Gesellschaft und für unsere Gesellschaft spielen? Welche Verantwortung sollen sie übernehmen? Wie viel Freiheit werden Sie ihnen gewähren? Wie wollen Sie unseren wissenschaftlichen Nachwuchs bilden? Werden sich die Hochschulen zu nachhaltigen Institutionen entwickeln, die einen Beitrag zu den Herausfor
Klimawandel und globale Gerechtigkeit, Energiewende, nachhaltiges Wirtschaften, Demokratisierung, soziale Gerechtigkeit, Konfliktlösung und Friedenssicherung - auf alle damit verbundenen Fragen finden wir im Haushalt keine Antwort, noch nicht einmal einen kleinen Hinweis. Sie werden sagen: Dazu ist der Haushalt auch nicht da. Aber da täuschen Sie sich, Herr Minister. Der Haushalt ist das Instrument, mit dem Sie steuern können und steuern müssen. Aber auch hier kein Konzept.
Ein anderes Beispiel ist die Internationalisierung. Dafür gibt es sogar die Titelgruppe 81. Aber was steht darin? Ein Sammelsurium von Dingen, die irgendwann einmal irgendwie entstanden sind, und Fördermittel vom Bund. In Presse-Statements bekennen Sie sich in schöner Prosa zum Ziel der Internationalisierung, konkret erschöpft sich das dann in einem Topf mit wenig Geld, mit dem Köpfe aus dem Ausland angeworben werden sollen. Glauben Sie ernsthaft, dass sich die Hochschulen so zu internationalen, zu weltoffenen Institutionen entwickeln lassen? - Kein Konzept auch hier, Herr Minister, und vom Umfang her ist das zu gering, als dass sich Nachhaltigkeit entfalten könnte.
Das nächste Beispiel ist die Inklusion, ein großes Zukunftsthema. Hierzu gibt es leider gar nichts, obwohl Ihnen der Landtag schon aufgetragen hat, ein Konzept zu entwickeln. Unseren Antrag, wenigstens schon einmal einen Titel im Haushalt dafür zu schaffen, haben Sie, Kolleginnen und Kollegen von FDP und CSU, abgelehnt. Also gibt es auch hier kein Konzept.
Der Einzelplan 15 ist ein reaktiver Haushalt. Sie setzen ausschließlich fort, was andere begonnen haben. Noch nicht einmal die eigenen Ankündigungen aus dem Wahlkampf und der Koalitionsvereinbarungen sind vollständig abgebildet. So kann man verwalten, aber nicht gestalten.
Wir verharren auf dem Niveau des Jahres 2005. Mittlerweile droht der bayerische Hochschulstandort gegenüber der Konkurrenz in den anderen Bundesländern abzurutschen. Bayern ist nicht mehr Spitzenreiter in allen Disziplinen.
Erst kürzlich habe ich Ihnen an dieser Stelle - die Kollegen haben es heute auch wieder getan - die Ergeb
nisse verschiedener Vergleichsstudien vorgetragen. Keine Nachhaltigkeit bei den Erfolgen der Vergangenheit, Herr Minister.
Was mir aber nach all dem am meisten Sorgen macht, ist der Eindruck, dass Ihrer Hochschulpolitik die Perspektive für die Studierenden fehlt. Wenn Sie über die Hochschulen reden, dann reden Sie - so auch heute wieder - über außeruniversitäre Forschung, über Transferzentren, über Hochschulbauten, über die Konkurrenz mit der Wirtschaft um die besten Köpfe; Sie reden selten oder nie über die Studierenden.
Sie reden vielleicht gerade noch über die Studierendenzahlen, aber Sie reden nicht über die jungen Menschen, über Männer und Frauen, die Sie in den Mittelpunkt Ihrer Hochschulpolitik stellen müssten. Ohne diese Perspektive ist Ihre Hochschulpolitik, ist dieser bayerische Hochschulstandort nicht zukunftsfähig. Sie sollten beginnen, die Studierenden in das Zentrum Ihrer Politik zu rücken.
Immer deutlicher wird, dass sich die Studiengebühren zu einem Hemmschuh entwickeln. Wenn die grün-rote Regierung in Baden-Württemberg demnächst die Studiengebühren abgeschafft haben wird,
dann bleiben nur noch die Länder Niedersachsen und Bayern, die diese unsoziale Hürde vor ein Hochschulstudium setzen. Das wird dann zum regelrechten Standortfaktor. Sie sollten diese Entwicklung nicht verschlafen und schnell handeln. Schaffen Sie die Studiengebühren ab. Das, Herr Minister, wäre ein gutes Konzept, und dieses Konzept wäre nachhaltig.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Von diesem Haushalt geht ein starkes Signal aus.
(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Aber welches? - Dr. Hans Jürgen Fahn (FREIE WÄHLER): Wohin? - Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Wohl das falsche!)
Sicherlich, wir kommen aus einer der größten Wirtschaftskrisen der deutschen Nachkriegszeit. Sicher ist auch, dass der doppelte Abiturjahrgang zu unseren Hochschulen strömt, und sicher ist auch, dass die Studierendenzahlen in den nächsten Jahren hoch bleiben werden. Aber es gibt auch einen Lichtschimmer am Horizont. Wir kommen aus dieser Wirtschaftskrise heraus, und Gott sei Dank haben wir sie, diese gut ausgebildeten jungen Menschen, diese jungen Menschen des doppelten Abiturjahrgangs. Sie stellen für unsere Gesellschaft ein Reservoir an Mut, an Kraft, an Stärke, an Optimismus und an Lebensfreude dar. Damit sind sie ein ganz wichtiger Faktor in einer überalternden Gesellschaft. Sie sind uns wichtig.
Natürlich müssen diese vielen Studierenden auch pfleglich behandelt werden. Dessen sind wir uns bewusst. Aber wir müssen für sie auch eine lebenswerte Zukunft in Bayern ermöglichen mit all den vielen Aspekten, die damit zusammenhängen.
Jetzt möchte ich auf den Haushalt des Wissenschaftsministeriums zu sprechen kommen, der in der Tat viele Dinge umsetzt, die den Jugendlichen, den Studierenden in Bayern eine Zukunft ermöglichen sollen.