Protokoll der Sitzung vom 12.05.2011

Wir werden diesem Gesetzentwurf trotzdem zustimmen, obgleich wir ihn für eine Übergangslösung halten, ja dafür halten müssen. Wie Herr Kollege Arnold bereits ausgeführt hat, machen zwei Kontrollstellen nämlich schlicht und einfach keinen Sinn. Die Bürgerinnen und Bürger unterscheiden bei Datenschutzverletzungen nicht, ob diese von einer öffentlichen Stelle, von einer Behörde begangen wurden oder von einem Unternehmen. Es gibt Abgrenzungsprobleme, bei denen selbst die Datenschutzbeauftragten beider Behörden diskutieren müssen, ob sie zuständig sind oder nicht. Ich denke hier beispielsweise an die Debatten über Datenschutzverletzungen von städtischen Tochtergesellschaften. Die Zusammenlegung beugt diesem Zuständigkeitsgezerre bei allem Einvernehmen, das die jetzigen Datenschutzbeauftragten besitzen, in jedem Fall vor. Sollte es einmal nicht so gut gehen, gibt es eine klare Zuständigkeit in einem Bereich. Beide Bereiche beziehen sich auf die gleichen Rechtsgrundlagen. Es gibt immer wieder Themenüberschneidungen, die man damit aufheben kann, beispielsweise beim Arbeitnehmerdatenschutz. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in öffentlichen Behörden sind vom Datenschutz genauso betroffen wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft. Oder nehmen wir die Vorratsdatenspeicherung, die sowohl öffentliche Stellen als auch Private betrifft. Die Grundsätze des modernen Datenschutzes gelten für beide, eine Trennung ist anachronistisch und inadäquat.

Ich würde vorschlagen, wir stimmen der Übergangslösung zu und begeben uns allesamt, denn bisher habe ich noch keine Absagen an eine Verfassungsänderung gehört, gemeinsam auf den Weg zu einer Verfassungsergänzung, die 2013 durchaus möglich wäre.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Florian Streibl (FREIE WÄHLER))

Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Fischer. Ich glaube, auch Herr Staatsminister Herrmann hat sich gemeldet. - Jawohl, das ist so. Dann erst Herr Dr. Fischer, dann Herr Staatsminister Herrmann.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Bedeutung des Datenschutzes im nichtöffentlichen Bereich ist in Anbetracht der Skandale, die wir dort erlebt haben, bei allen Fraktionen dieses Hauses unbestritten. Ich glaube, unbestrit

ten ist auch, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. März 2010, das die Unabhängigkeit der Regelungen bei der Datenschutzaufsicht in allen deutschen Bundesländern beanstandet hat, beachtet werden muss. Gleichzeitig ist klar, dass dieses Urteil keinen zwingenden Weg vorschreibt, der einzuschlagen wäre. Deshalb stellt sich jetzt die Frage, welches der zweckmäßige Weg ist. Ich meine, in dieser Frage muss man sehr wohl überlegen, ob es sich aus Anlass einer zwingend vorgeschriebenen Neuorganisation anbietet, zwei Bereiche zusammenzulegen, die bisher getrennt sind: den Datenschutz im öffentlichen Bereich und den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich.

Ich verhehle nicht, dass ich für die Zusammenlegung eine nicht geringe Sympathie empfinde. Es gibt gute Argumente, die für eine Zusammenlegung sprechen. Zum einen lassen sich die Bereiche nicht vollständig trennen, denn öffentliche Organisationsformen und nichtöffentliche Organisationsformen greifen häufig ineinander über. Denken Sie nur an ein kommunales Krankenhaus, das als GmbH organisiert sein kann oder eben auch nicht. Noch deutlicher zeigt sich das Ganze, wenn die Bürgerinnen und Bürger entscheiden müssen, an welche Stelle sie sich wenden. Gehen sie zum öffentlichen Datenschutzbeauftragten oder zum nichtöffentlichen Datenschutzbeauftragten? - Ich sage, viele Bürgerinnen und Bürger wissen nicht, wer zuständig ist, deshalb gibt es hier Reibungsverluste. All das spricht für deutliche Synergieeffekte, und dafür spricht auch, dass ein solches Kompetenzzentrum auch fachlich Kompetenzen bündeln könnte, den technischen und den juristischen Sachverstand. Schließlich gilt es zu bedenken, dass in allen Bundesländern, in denen die Zusammenlegung bisher vollzogen wurde, über positive Erfahrungen berichtet wurde. All das sind Argumente, die wir hier bedenken müssen.

Auf der anderen Seite gibt es kritische Überlegungen. Frau Kollegin Guttenberger hat einige davon angesprochen. Es gibt auch die Überlegung, ob man das verfassungsrechtlich machen kann oder ob man die Verfassung ändern muss. Ich bin mir in dieser Frage noch nicht endgültig sicher, denke aber, eine Erweiterung der Befugnisse des Landesbeauftragten für den Datenschutz um einen Bereich, der nicht in der Verfassung steht, bedürfte nicht automatisch einer Verfassungsänderung.

(Beifall des Abgeordneten Horst Arnold (SPD))

Wir werden sicherlich spannende Ausschussberatungen erleben. Ich wünsche mir, dass diese Diskussion ergebnisoffen geführt wird. Ich habe eine gewisse Sympathie für den Entwurf, das kann ich nicht verheh

len, schließlich hat die FDP in ihren Positionspapieren immer eine ähnliche Haltung vertreten.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Franz Schindler (SPD))

Ich darf das Wort Herrn Staatsminister Herrmann geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich auf einige wenige Anmerkungen zu der Debatte beschränken. Ich muss sagen, dass ich die Ausführungen von Herrn Kollegen Arnold, aber auch die von Frau Kollegin Stahl, überhaupt nicht nachvollziehen kann.

Verfassungsrechtlich ist die Situation aus meiner Sicht völlig klar: Es gibt eine klare Aussage in der Bayerischen Verfassung und es gibt einen Landesdatenschutzbeauftragten, der hier, beim Bayerischen Landtag, angesiedelt ist. Er ist für den Datenschutz im öffentlichen Bereich zuständig und sonst für gar nichts. Eine Interpretation der Verfassung nach dem Motto: "Es gibt jemanden, der wird vom Parlament gewählt für eine bestimmte Aufgabe, der könnte doch auch eine beliebige andere Aufgabe wahrnehmen", erachte ich als sehr problematisch. Das entspricht auch nicht der bisherigen Interpretation dieser Verfassungsvorschrift.

Sie, Frau Kollegin Stahl, sagen, es spräche schon etwas für die verfassungsrechtlichen Bedenken, deshalb könnte jetzt das Gesetz beschlossen und die Verfassung dann, zwei Jahre später, dem gesetzlichen Zustand angepasst werden. Das ist ein Verfassungsverständnis, dem ich nicht zustimmen kann. Selbst bei allem, was ich bisher von Ihnen gehört habe, wundert mich das. So kann man mit Gesetzgebung nicht umgehen.

(Beifall der Abgeordneten Petra Guttenberger (CSU))

Verfassungsrechtlich ist der Gesetzentwurf, so wie er vorliegt, nicht machbar. Ich mache aber keinen Hehl daraus, dass ich den Gesetzentwurf auch sachlich für falsch erachte. Es gibt gute Gründe dafür, dass wir nach wie vor eine Trennung haben, denn in der Struktur der Arbeit gibt es große Unterschiede. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz, der beim Bayerischen Landtag angesiedelt ist, nimmt im Auftrag des Parlaments eine Kontrollfunktion gegenüber der gesamten öffentlichen Verwaltung wahr, und zwar gleichgültig, ob es sich um Landesbehörden oder kommunale Behörden handelt. Er hat die Aufgabe, die Datenschutzinteressen der Bürgerschaft gegenüber öffentlichen Stellen, staatlichen wie auch kom

munalen Behörden, wahrzunehmen. Er hat keinerlei Eingriffsbefugnisse gegenüber der staatlichen Verwaltung, sondern er berichtet dem Landtag, wenn er etwas für nicht in Ordnung hält. Dann obliegt es dem Parlament im Rahmen seiner Kompetenz, die Exekutive in unserem Land zu kontrollieren, gegebenenfalls darauf hinzuwirken, dass sich in dieser oder jener Behörde in Bayern etwas ändert.

Demgegenüber ist der Datenschutz in der Privatwirtschaft, das heißt im nichtöffentlichen Bereich, ein typisches Feld der staatlichen Eingriffsverwaltung. Diese staatliche Aufsicht und Kontrolle ähnelt der Tätigkeit der Finanzämter, der Gewerbeaufsichtsämter und vieler anderer Behörden, die Gesetze vollziehen und darauf zu achten haben, ob sich Firmen, sonstige private Einrichtungen und die einzelnen Bürger an das halten, was Bundes- oder Landesgesetze vorschreiben. Das Landesamt für Datenschutzaufsicht kann gegebenenfalls unmittelbar eingreifen, Firmen oder Einzelpersonen bestimmte Tätigkeiten verbieten, Bußgeldbescheide erlassen und vieles andere mehr. Das ist eine völlig anders geartete Tätigkeit als diejenige, die der Landesbeauftragte für den Datenschutz gegenüber den Behörden des Freistaates Bayern wahrnimmt. Es gibt also sehr gute Gründe, die verschiedenen Tätigkeiten unterschiedlichen Behörden zuzuweisen.

Lieber Herr Kollege Arnold, Sie haben von positiven Erfahrungen in anderen Ländern gesprochen. Ich weiß nicht, ob das nur ein rhetorisches Feigenblatt sein sollte, aber Sie haben ausdrücklich bestätigt, dass Sie keinerlei Kritik an der bisherigen Arbeit des Landesamtes für Datenschutzaufsicht in Ansbach üben.

(Horst Arnold (SPD): Kein Feigenblatt!)

Wenn dem so ist, dort also gute Arbeit geleistet wird, dann frage ich Sie, welchen Grund es gibt, dort jetzt etwas zu ändern. Wir hatten uns entschlossen, in dieser Legislaturperiode das Landesamt personell aufzustocken - das ist schon geschehen -, weil die Herausforderungen gewachsen sind und in diesem Bereich noch wesentlich mehr zu tun ist. Das Landesamt hat schon die volle Unabhängigkeit erhalten. Der Gesetzentwurf der Staatsregierung wird dem Landtag demnächst zugeleitet. Dann, denke ich, können wir in dieser Hinsicht auch bessere rechtliche Rahmenbedingungen schaffen.

Dritte und letzte Bemerkung: Lieber Herr Kollege Arnold, wenn es um den Standort Ansbach geht, kommt es bei Ihnen zu einem fürchterlichen Herumgeeiere. Natürlich können Sie aufgrund Ihrer Herkunft hier kaum dafür plädieren, das Landesamt in Ansbach auf

zulösen. Daher haben Sie eine großartige Konstruktion gewählt: Sie wollen das Landesamt für Datenschutzaufsicht mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz zusammenlegen, den Standort Ansbach aber erhalten. Das bisher selbstständige Landesamt in Ansbach soll nach Ihrem Gesetzentwurf zu einer Außenstelle des Landesbeauftragten, der hier in München seinen Sitz hat, werden.

Spätestens an dieser Stelle, Herr Kollege Arnold, wird wirklich alles, was Sie ansonsten zu diesem Punkt gesagt haben, ad absurdum geführt. Sie werden wohl niemandem ernsthaft nahebringen können, im Ergebnis der Zusammenlegung werde es zu einer Effizienzverbesserung kommen. Die Mitarbeiter der Außenstelle in Ansbach müssten sich nämlich mit dem Landesbeauftragten hier in München permanent abstimmen oder ständig hin- und herfahren. Das würde die Arbeit des Landesbeauftragten nicht stärken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, von daher plädiere ich nachdrücklich dafür - das wird Sie nicht überraschen -, dass wir diesen Gesetzentwurf nicht weiter befördern. Er ist völlig ungeeignet, die Lösung der wichtigen Aufgaben des Datenschutzes im nichtöffentlichen Bereich wirklich voranzubringen und den Datenschutz zu stärken. Das aber wollen wir in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes tun. Der Gesetzentwurf, den die Staatsregierung dem Hohen Haus in allernächster Zeit vorlegen wird, wird dies auch entsprechend darstellen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Staatsminister, einen Moment, bitte. Sie müssen noch etwas verweilen; denn Frau Kollegin Stahl und Herr Kollege Schindler haben Zwischenbemerkungen angemeldet.

Aber gern doch.

Zuerst Frau Kollegin Stahl.

Herr Staatsminister, Sie wundern sich sicherlich nicht, dass ich mich berufen fühle, noch einmal gegenzuhalten.

Sie werden verstehen, dass ich mir von jemandem, der seit 1995 einen rechtswidrigen Zustand duldet, keinen Vortrag über die Verfassungsmäßigkeit bestimmter Vorschläge halten lasse.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Sie sollten erst einmal schauen, dass hier in Bayern rechtmäßige Zustände hergestellt werden. Dann kann man weiter diskutieren.

Sie werden mir auch zugestehen, dass es angesichts der Vielzahl von Vorschlägen, die es in den vergangenen Monaten zu Verfassungsänderungen gab - die Vorschläge von Herrn Seehofer sind angesprochen worden -, durchaus legitim ist, nachzufragen, ob die Verfassung ausgerechnet in diesem Punkt statisch sein muss; denn die vorgesehene Änderung hätte bei Weitem nicht den Umfang wie die Änderungen, die Herr Seehofer zur Integration, zum Wahlrecht usw. vorgeschlagen hat.

Ich gehe davon aus, dass wir hier sehr wohl noch einmal darüber diskutieren sollten. Die von Ihnen gerade angeführten Argumente, die für eine Teilung sprechen, ziehen überhaupt nicht. Behörden haben die verschiedensten Aufgabenbereiche, auch mit den verschiedensten Sanktionsmöglichkeiten. Das steht dem Vorschlag überhaupt nicht entgegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Herr Staatsminister, bitte.

Frau Kollegin Stahl, Ihre erste Anmerkung bezog sich offensichtlich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Wir haben es zu respektieren; das ist gar keine Frage. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass mein persönlicher Rechtsstandpunkt zu dieser Frage immer ein anderer war. Ich sehe es nach wie vor so, dass man die gezogene Folgerung keineswegs zwingend aus dem geltenden europäischen Recht ableiten muss. Aber wir respektieren das Urteil. Frau Kollegin Stahl, Sie wissen aber auch, dass es in Deutschland weder der Bund noch auch nur ein einziges Land - auch nicht eines, das in den vergangenen 15 Jahren von den GRÜNEN mitregiert wurde - so gesehen hatte, wie der EuGH im vergangenen Jahr entschieden hat.

(Christine Stahl (GRÜNE): Die GRÜNEN schon!)

Deshalb nehme ich den Vorwurf, wenn er sich darauf beschränkt, dass wir bislang eine Regelung hatten, die den - überraschenden - Vorgaben des EuGH vom vergangenen Jahr nicht entsprach, gern auf mich.

Frau Kollegin Stahl, was die Verfassungsänderung anbetrifft, so habe ich nicht gesagt, dass Sie die Verfassung nicht ändern könnten. Ich habe jedoch klar zum Ausdruck gebracht, dass Ihre Auffassung, die Sie zur Begründung für Ihr jetziges Abstimmungsver

halten hier kundgetan haben - der Gesetzentwurf stehe zwar nicht ganz im Einklang mit der Verfassung, aber die GRÜNEN stimmten ihm jetzt erst einmal zu; die Verfassung könne in zwei Jahren, sozusagen nachträglich bzw. rückwirkend geändert werden -, mit Sicherheit verfassungsrechtlich völlig indiskutabel ist. So kann man Gesetzgebung natürlich nicht handhaben.

Danke, Herr Staatsminister. - Es liegt noch eine Zwischenbemerkung vor. Herr Kollege Schindler.

Herr Staatsminister, nachdem Sie gemeint haben, das Verfassungsverständnis der SPD infrage stellen zu müssen, muss ich Ihnen entgegenhalten, dass Sie offensichtlich die verfassungsrechtliche Diskussion im Zusammenhang mit der Aufnahme von Artikel 33 a in die Bayerische Verfassung nicht verfolgt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Damals war überhaupt keine Rede davon, dass mit dieser Formulierung eine Exklusivität zum Ausdruck gebracht werden solle.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Selbstverständlich entspricht unser Vorschlag, wie er auf dem Tisch liegt, der Bayerischen Verfassung. Die Erweiterung der Befugnisse des Landesbeauftragten für den Datenschutz stellt keinen Verstoß gegen Artikel 33 a der Bayerischen Verfassung dar.

(Beifall bei der SPD)