Protokoll der Sitzung vom 17.05.2011

Das erwarten wir von Ihnen. Grundsätzlich kann man über die Aufnahme der Schuldenbremse auch in die Bayerische Verfassung reden. Wir sollten uns aber darüber im Klaren sein, dass auch einige finanzpolitische Gründe dagegen sprechen könnten. Der föderalistische Gestaltungsspielraum, den das Grundgesetz

schon bis an die Schmerzgrenze einschränkt, würde weiter eingeschränkt, diesmal aber nicht durch eine Fremdfesselung des Föderalismus, sondern es wäre eine Selbstfesselung. Ob wir das alle wollen, müsste man sich gründlich überlegen. Eine Schuldenbremse in der Verfassung würde auch dazu führen, dass die finanzpolitische Ehrlichkeit Stück für Stück abgelegt wird. Denn wenn Sie so hohe Grundsätze in die Verfassung schreiben, garantiere ich Ihnen: Wenn diese Regierungskoalition am Ruder bleibt, werden die finanzpolitischen Verschiebebahnhöfe, die an die Stelle von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit treten, größer statt kleiner.

(Tobias Thalhammer (FDP): Wie ist es in Nordrhein-Westfalen?)

Die versteckte Verschuldung habe ich schon genannt. Last not least: Wir werden nicht zulassen, dass Sie eine Schuldenbremse in die Bayerische Verfassung schreiben, die dann auf dem Rücken der Finanzausstattung der bayerischen Kommunen exekutiert wird.

(Beifall bei der SPD)

Dagegen wehren wir uns mit allem, was wir haben. Wir wollen die Kommunen davor schützen, dass der Staat sagt: Wir machen keine Schulden, aber wir drücken die finanziellen Lasten dieser Grundentscheidung nach unten zu den Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern.

(Tobias Thalhammer (FDP): Schlagen Sie das Modell Nordrhein-Westfalen vor?)

Die SPD-Fraktion wird sich aktiv an dieser spannenden Debatte beteiligen, auch mit eigenen Vorschlägen, aber wir werden einige Dinge nicht mitmachen: Wir werden es nicht zulassen, dass die Diskussion um die Schuldenbremse dazu missbraucht wird, um eine Politik der Kürzungen und der sozialen Streichungen durchzusetzen. Die Schuldenbremse ist keine Ausrede für Sozialabbau. Das ist eine ganz klare Ansage der Sozialdemokratie.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Wir werden die Schuldenbremse dazu nutzen, um auch einmal die Einnahmen des Staates auf den Prüfstand zu stellen. Wir wollen dann festschreiben, dass die Einnahmen des Staates durch eine entsprechende Steuerpolitik sicherzustellen sind, um die Bildungsausgaben zu finanzieren und um die soziale Sicherheit zu gewährleisten. Wir werden auch über eine Reformierung des Steuersystems in Richtung Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuer nachdenken. Wir werden das mit in die Diskussion einbringen.

Drittens: Die versteckte Verschuldung, die mit einer Schuldenbremse nicht verhindert werden kann, werden wir explizit ansprechen.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden keine Verfassungsänderung auf dem Rücken der Kommunen zulassen. Wir wollen nicht, dass die finanziellen Belastungen nach unten weitergegeben werden. Wir wollen, dass die Konflikte dort gelöst werden, wo sie anfallen. Wir wollen weiterhin einen Weg der ökonomischen Vernunft beschreiten; weg von einem Zickzackkurs der Haushalte hin zu einem stetigen und vernünftigen Ausgabenpfad. Wir befürworten Investitionen in die Zukunft, die sich auch amortisieren. Die neoliberalen Instrumente sollen Stück für Stück infrage gestellt werden. Die erfolgreichen Maßnahmen der sozialdemokratischen Bundesregierung, die in der Krise erfolgreich waren, wollen wir fortsetzen. Das sind Investitionen in die Zukunft. Der wirtschaftliche Aufschwung, von dem wir zurzeit profitieren, ist auf diese Investitionen zurückzuführen. Wir wollen einen starken Staat; denn nur der Starke kann sich einen schwachen Staat leisten.

(Beifall bei der SPD)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Pohl. Ihm wird Frau Kollegin Stamm folgen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wozu braucht der Freistaat Bayern einen ausgeglichenen Haushalt? Wozu brauchen wir eine Schuldenbremse in der Bayerischen Verfassung? Diese Frage muss man sich stellen, wenn man den Ausführungen des Kollegen Herrn von und zu Lerchenfeld aufmerksam zuhört. Bayern hat in den vergangenen Jahren eine solide und vernünftige Haushaltspolitik betrieben. Glaubt man Erwin Huber, wird die CSU in Bayern so lange regieren wie die Wittelsbacher. Wozu also brauchen wir eine Schuldenbremse?

Ich will es Ihnen sagen. Wir brauchen die Schuldenbremse, damit sich das Drama um die BayernLB mit einem Nachtragshaushalt in Höhe von 10 Milliarden Euro nicht wiederholt. Meine Damen und Herren, mit diesem 10-Milliarden-Nachtragshaushalt haben wir die Schulden des Freistaats Bayern von 20 auf 30 Milliarden Euro erhöht.

Meine Damen und Herren, wir brauchen die Schuldenbremse in der Bayerischen Verfassung. Deswegen sind die FREIEN WÄHLER für eine Änderung der Bayerischen Verfassung. Schauen Sie nach Europa. Die Finanzprobleme der Staaten sind nicht theoreti

scher Natur. Es ist nicht gottgegeben, dass die Probleme Griechenlands, Irlands, Portugals oder Spaniens nicht auch einmal in Deutschland aufschlagen könnten. Wir tragen die Verantwortung dafür, dieses zu verhindern. Wir brauchen eine nachhaltige Finanzpolitik, die gerade nicht auf Kosten künftiger Generationen wirtschaftet. Wir brauchen keine Finanzpolitik, in deren Rahmen gesagt wird: Irgendwann wird es schon einen Return on Invest geben. Wir erhöhen unsere Schulden und hoffen darauf, dass bessere Zeiten kommen. Wenn bessere Zeiten kommen, dann erhöhen wir unsere Staatsausgaben noch einmal.

Wir brauchen eine Finanzpolitik mit Augenmaß, die nachhaltig ist, uns handlungsfähig macht und erhält sowie eine Krisenreserve für Ereignisse darstellt, gegen die wir und andere nicht gefeit sind. Wir müssen eine solide Haushaltspolitik betreiben. In der Vergangenheit ist das in Deutschland nicht überall der Fall gewesen. Ich würde sogar sagen, dass es überwiegend nicht der Fall gewesen ist. Deswegen ist es ein gutes Zeichen und der richtige Schritt des Gesetzgebers, in die Verfassung eine Schuldenbremse einzubauen.

Das Thema ist wichtig genug, um es in der Verfassung zu verankern, damit sich beliebige Mehrheiten im Parlament der Schuldenbremse nicht entziehen können. Für die Herausnahme der Schuldenbremse aus der Verfassung würden wir eine verfassungsändernde Mehrheit benötigen. Die Schuldenbremse ist ein wesentlicher Grundsatz, der Verfassungsrang beansprucht.

Meine Damen und Herren, die Schuldenbremse darf jedoch nicht dazu führen, dass die finanziellen Probleme dieses Landes wiederum auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen werden. Die FREIEN WÄHLER werden sich für die Wahrung und die Stärkung der kommunalen Rechte einsetzen. Die Schuldenbremse korrespondiert unmittelbar mit dem Konnexitätsprinzip. Das Konnexitätsprinzip müssen wir in diesem Zusammenhang stärken. Eine in der Verfassung verankerte Schuldenbremse, die den Landtag beschneidet, könnte dazu führen, dass der Landtag sagt: Wenn ich meine Probleme nicht lösen kann, schiebe ich sie auf die Ebene der Landkreise, der Städte und der Gemeinden. So etwas darf nicht passieren. Dagegen werden wir uns mit aller Macht wehren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir müssen auch die Rechte der Kommunen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung stärken. Petra Roth hat von einem "kommunalen Existenzminimum" gesprochen. Ich sage: Das ist noch zu wenig.

Die Kommunen brauchen mehr als ein kommunales Existenzminimum. Die vernünftigen Ansätze der Landes- oder Bundespolitik, die es unter anderem gibt, müssen finanziell auf kommunaler Ebene umgesetzt werden, damit nicht gut gemeinte Ideen des Gesetzgebers am Vollzug scheitern.

Wir werden die interessante Diskussion weiter verfolgen. Die FREIEN WÄHLER werden für die Schuldenbremse in der Bayerischen Verfassung eintreten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Stamm. Ihr folgt Kollege Heike.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! "Verantwortungsvolles Handeln für künftige Generationen: Schuldenbremse in die Bayerische Verfassung!" - Ein sehr schöner Titel. Liebe Kollegen und Kolleginnen von der FDP, das war es aber auch schon. Tun Sie etwas dafür. Handeln Sie verantwortungsvoll für die nachfolgenden Generationen.

Schreien Sie nicht reflexartig nach Steuersenkungen, wenn es uns ausnahmsweise oder wieder einmal konjunkturell etwas besser geht. Schrauben Sie nicht mutwillig an unseren Einnahmen, an unserer Haushaltsgrundlage, rum. Solide Haushaltspolitik bedeutet nicht nur die Ausgabenseite zu regulieren, einzuschränken, sondern auch die Einnahmenseite stark zu machen, stark zu lassen. Heute haben wir es schon gehört: Es läuft rund. Uns stehen 1,5 Milliarden Euro mehr für die nächsten zwei Jahre zur Verfügung. Bei dem Doppelhaushalt, den wir erst unlängst verabschiedet haben, hätten Sie Ihre Hausaufgaben machen sollen. Der Doppelhaushalt, der viel zu spät aufgestellt worden ist, hat sich gleich schon wieder überholt, und zwar auf der Ausgabenseite. Der milliardenschwere Energiefonds wurde irgendwo zwischen Fraktion, CSU-Vorstand und Staatsregierung, jedoch nicht hier im Parlament, wo er hingehört, diskutiert. Der Haushalt ist das große Königsrecht des Landtags. Über den Energiefonds hätte das ganze Parlament im Rahmen der Beratungen zur Aufstellung des Doppelhaushalts diskutieren müssen. Auch auf der Einnahmenseite - das war vorherzusehen - hat sich Ihr verspäteter Doppelhaushalt schon längst überholt.

Ich möchte auf Ihren Titel der heutigen Aktuellen Stunde "Verantwortungsvolles Handeln für künftige Generationen: Schuldenbremse in die Bayerische Verfassung!" zurückkommen. Machen Sie es einfach. Die Studie der OECD hat es uns gerade bescheinigt. Nehmen Sie Geld in die Hand. Je früher Geld für Bildung und Betreuung investiert wird, umso effektiver

ist es. Das heißt: Nehmen Sie Geld in die Hand, um den Krippenausbau voranzubringen, um eine Qualitätsoffensive zu starten! Dieses Geld wäre generationengerecht angelegt und es wäre für Chancengleichheit gesorgt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nehmen Sie endlich im Sinne der Generationengerechtigkeit diese ungerechte, diese wahnsinnig ungerechte niedrigere Besoldung derjenigen, die jetzt verbeamtet worden sind, zurück. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen gibt es dafür überhaupt keinen Grund.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Handeln Sie generationengerecht. Halten Sie sich an Ihre eigenen Beschlüsse im Landtag. Veranschlagen Sie endlich genug Geld für den Bauunterhalt, statt diesen mit dem Rasenmäher in diesem Doppelhaushalt um 20 % zu kürzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen klare Regelungen in der Verfassung oder in der Haushaltsordnung. Wir müssen festlegen, wann und in welchen Fällen Ausnahmen gelten können. Ich glaube, das ist eine juristische Angelegenheit, die geklärt werden muss.

In der heutigen Debatte stellt sich eine ganz andere Frage: Was soll das Ganze? - Ein Blick zurück: Die FDP legt koalitionsintern einen Gesetzentwurf zur Schuldenbremse vor. Staatsminister Fahrenschon lehnt ihn ab. Ministerpräsident Seehofer jedoch will die Schuldenbremse im Rahmen der "Stammtischkultur" - der wahren Kultur der CSU, wie letzte Woche ein Kollege im Plenum gesagt hat, als es um "Integration" ging - anderes Thema. Nach dem Politischen Aschermittwoch war zu lesen, dass laut Ministerpräsident Seehofer die Schuldenbremse in die Bayerische Verfassung aufgenommen werden soll.

(Widerspruch bei der CSU)

- Doch.

Noch einmal: Das Thema "Schuldenbremse" kann nicht isoliert betrachtet werden. Eine Schuldenbremse ist sinnvoll. Um sie einhalten zu können, muss der Staat entsprechende Einnahmen haben. Das Mantra der FDP aber ist: Steuern senken, Steuern senken, Steuern senken. Die FDP wollte sich eigentlich laut ihrem Bundesvorsitzenden breiter aufstellen. Bei uns ist das noch nicht angekommen.

Der Ruf nach Steuersenkungen und die gleichzeitige Forderung nach einer Schuldenbremse sind nicht

kompatibel. Wir haben bundesweit erlebt, dass die öffentliche Hand nur in konjunkturell guten Zeiten mit ihren Einnahmen auskommt. Bei einer Schuldenbremse muss sie es aber auch im Durchschnitt können. Die Steuerbasis ist zu gering und wird mit den Steuersenkungsplänen noch geringer. Herr Kollege Klein, Sie haben sehr viele Zahlen genannt. Ich will Folgendes noch einmal herausgreifen: In den letzten 40 Jahren ist die Schuldenstandsquote der öffentlichen Haushalte, also das Verhältnis des Schuldenstands zum nationalen Bruttoinlandsprodukt, von 20 % auf 60 % gestiegen. Ein Schuldentilgungsplan ist vonnöten - ohne Abrede, geht aber nicht mit dem gleichzeitigen Ruf nach Steuersenkungen. Das ist klar.

Am Ende, nachdem die vielen genannten Aufgaben erfüllt sind, also bei der Aufstellung zukünftiger Haushalte oder einem Nachtragshaushalt, wie ihn die GRÜNEN und die SPD fordern, können wir gerne über die Aufnahme der Schuldenbremse in die Bayerische Verfassung reden - also am Ende und nicht am Anfang.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Kollege Heike, und zum Abschluss hat sich Herr Finanzminister Fahrenschon zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege Heike.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Ich kann mich ausnahmsweise Frau Stamm anschließen: Das Thema "Verantwortungsvolles Handeln für künftige Generationen: Schuldenbremse in die Bayerische Verfassung!" hört sich sehr gut an. Ich frage mich aber: Was soll das eigentlich? Wir haben die Situation bereits geregelt. Das wurde in mehreren Beiträgen mitgeteilt. Der Bund hat Artikel 109 des Grundgesetzes geschaffen, und dieser gilt bekanntlich auch für Bayern. Sie selbst, meine Damen und Herren Kollegen von der FDP, haben in Ihrer Vorlage stehen, Bund und Länder müssten ihre Haushalte grundsätzlich ohne Kreditaufnahme ausgleichen. Das ist schon vorhanden. Sie zitieren das sogar: "Die Bayerische Haushaltsordnung beinhaltet ebenfalls die Schuldenbremse", und zwar nicht erst, seit die FDP im Bayerischen Landtag ist, sondern die Bestimmung gab es schon vorher.

Die Haushalte 2011/2012 sind - das ist anerkennenswert - mit beiden Koalitionspartnern abgesprochen. Sie sind der sechste und der siebte Haushalt ohne Neuverschuldung. Also ist Ihr Begehr schon erfüllt. Artikel 12 der Haushaltsordnung existiert auch. Ich muss Ihnen diesen nicht vorlesen. Dort steht das Gleiche.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Ich will auf die sehr schwerwiegenden juristischen Bedenken hinweisen. Das Grundgesetz wie auch die Bayerische Verfassung sind in den Grundforderungen festgeschrieben. Verfassungsrechtler sehen die Verfassung nicht als Manövriermasse, die immer mehr verwässert, weil ausgedehnt oder überdehnt wird. Großenteils und auch in diesem Fall reichen die normalen Gesetze mit ihren konkreten Vorgaben aus. Das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung sind mir persönlich - ich gebe damit eine ganz persönliche Erklärung ab - viel zu wertvoll und zu wichtig, als dass sie immer mehr aufgebläht werden sollen. Grundgesetz und Verfassung sind Dinge, die man nicht nach dem jeweiligen Zeitgeist verändern sollte.