Protokoll der Sitzung vom 25.05.2011

Deshalb wollen sie die Bürgerbeteiligung verhindern, obwohl die Regierungskoalition auf Bundesebene aus CDU, CSU und FDP sie gerade eingeführt hat. Also, mein Gott! Das verstehe einer. Die GRÜNEN verstehen dieses Verhalten überhaupt nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Scharfenberg. Der nächste Redner ist Herr Dr. Fischer. Wenn ich es richtig beurteile, schließt sich daran die namentliche Abstimmung an. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Eine stärkere Bürgerbeteiligung ist für unsere Demokratie nicht nur wichtig, sie ist vielleicht sogar überlebenswichtig. Ich verweise nicht nur auf das Wort von den "Wutbürgern", sondern beispielsweise auch auf die sinkende Wahlbeteiligung. Denken Sie nur an die Wahlbeteiligungsquote von 54 % in Bremen, und das - das möchte ich betonen trotz des Wahlrechts für die Sechzehn- bis Achtzehnjährigen. Es hat nicht viel genützt.

(Hans Joachim Werner (SPD): Die ganzen FDPWähler sind daheimgeblieben!)

Niemand hat Ihnen vorgeworfen, Kollege Werner, dass es sich hier um einen Schaufensterantrag handle. Im Gegenteil. Ich gestehe ausdrücklich zu, dass das Ziel wichtig ist und dass es auch wichtig ist, sich darüber Gedanken zu machen. Aber Sie müssen uns schon auch gestatten, dass wir Argumente anders gewichten, als Sie es tun. Das ist keine Frage der Koalition, sondern das ist eine Frage der Überzeugung.

Ist die Petition der richtige Ansatzpunkt für ein Mehr an Bürgerbeteiligung? - Schauen wir uns doch einmal an, was die Petition in der Historie war. Die Petition ist in einer Zeit entstanden, in der es noch keine effektive verwaltungsgerichtliche Kontrolle gab. Sie war ein Beschwerderecht für denjenigen, dem der Staat Unrecht getan hat.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die Petition ist höchst dringend notwendig! - Christa Naaß (SPD): Das gilt immer noch!)

Der Bereich für diesen klassischen Anwendungsfall ist heute schmal geworden, weil wir eine effektive verwaltungsgerichtliche Kontrolle haben. Ich sage ausdrücklich dazu: Gott sei Dank ist der Anwendungsbereich schmal geworden. Aber soll man deswegen nun bei der Petition ansetzen, um diesen Anwendungsbereich zu erweitern? Schauen Sie sich die Erfolgsquote an; Kollege Werner hat sie bereits angesprochen: 2 % waren es; jetzt ist die Erfolgsquote auf 0,8 % zurückgegangen.

Auf Bundesebene hat man den Anwendungsbereich der Petition erweitert. Es ist natürlich durchaus be

rechtigt, zu überprüfen, ob man das nicht auch auf Länderebene und nach Bayern übertragen kann.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich habe Zweifel, ob sich das übertragen lässt. Worum geht es bei den öffentlichen Petitionen? Schauen Sie sich die Beispiele auf Bundesebene an. Dann stellen Sie fest: Meistens sind es Gesetzesvorschläge oder Vorschläge, Gesetze zu unterlassen.

Wie sieht es in Bayern aus? - Bayern hat die Möglichkeit der Volksgesetzgebung. Nicht nur auf kommunaler Ebene - hier sind es Bürgerbegehren und Bürgerentscheid -, sondern auch auf Landesebene gibt es diese Möglichkeit mit Volksbegehren und Volksentscheid.

Nehmen Sie nur das Beispiel Rauchverbot: Hier gab es zahlreiche Petitionen, auch hier im Bayerischen Landtag. Aber in Bayern gibt es eben auch Volksbegehren und Volksentscheid. Wäre das ein geeigneter Anwendungsfall für eine öffentliche Petition gewesen? - Nein. Kollegin Jung hat es angesprochen; ein Seismograph ist wichtig. Dieser Auffassung stimme ich vollkommen zu. Aber diesen Seismographen brauchen wir nicht in Form der öffentlichen Petition. Denn die Bürgerinnen und Bürger können in Bayern nicht nur mitdiskutieren, sie können über Volksbegehren und Volksentscheid mitgestalten. Und das ist viel mehr wert.

(Beifall bei der FDP)

Hinzu kommt der Zweifel, welches Thema sich überhaupt für eine öffentliche Petition eignet. Diese ist natürlich mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden.

(Lachen des Abgeordneten Hans Joachim Wer- ner (SPD))

Ich spreche nicht gegen diesen Aufwand, aber man muss überlegen, ob er sich für diesen Zweck rentiert.

(Hans Joachim Werner (SPD): Der Ausschuss muss doch bloß Ja oder Nein sagen; wo ist da Bürokratie?)

Lassen Sie uns noch einmal auf den Zweck zu sprechen kommen. Kollege Schindler hat in der Ersten Lesung gesagt

(Unruhe bei der SPD)

- hören Sie einmal zu; vielleicht lernen Sie noch etwas -, das Ziel sei, dass möglichst viele sich in einem öffentlichen Diskussionsprozess einmischen können. Das sei ein Beitrag zum Abbau von Verdrossenheit

wohl wissend, dass man nicht jedem wird recht geben können. Schauen Sie sich doch die Erfolgsquote von Petitionen an: 0,8 %. Glauben Sie, dass sich das ändert? Ist die öffentliche Petition nicht eher mit der Gefahr verbunden, zu Frustration zu führen? - Ich glaube, es gibt bessere Wege, um die Bürgerinnen und Bürger stärker einzubinden.

Die Einbindung im Rahmen der Petition kommt schlichtweg zu spät. Denn das Gesetzgebungsverfahren ist in aller Regel abgeschlossen. Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir früher ansetzen.

(Christa Naaß (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)

Ich wünsche mir ausdrücklich eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am Gesetzgebungsverfahren. Warum ersetzen wir nicht beispielsweise die Verbändeanhörung, eine Anhörung von Spezialisten, durch eine Bürgeranhörung? Auch hier könnte man eine Plattform schaffen.

Mein Fazit: Das Ziel ist richtig; das gestehe ich gerne zu. Den Weg aber, den Sie vorschlagen, halten wir als FDP-Fraktion für falsch. Deswegen lehnen wir den Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Diese erfolgt wie angekündigt in namentlicher Form. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf auf Drucksache 16/2430 zugrunde. Der federführende Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 16/8680 die Ablehnung. Wir haben die Abstimmungsurnen wie üblich an den gewohnten Plätzen aufgestellt; fünf Minuten stehen zur Verfügung. Die Zeit beginnt; die namentliche Abstimmung kann beginnen.

(Namentliche Abstimmung von 15.57 bis 16.02 Uhr)

Wir fahren in der Tagesordnung fort. Die Stimmen werden außerhalb des Saals ausgezählt. Das Ergebnis erfahren Sie zu einem späteren Zeitpunkt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Alexander Muthmann u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) über den Ladenschluss im Freistaat Bayern

(Bayerisches Ladenschlussgesetz - BayLadSchlG) (Drs. 16/5177) - Zweite Lesung Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Der erste Redner ist für die FREIEN WÄHLER Herr Kollege Muthmann. Alexander Muthmann (FREIE WÄHLER): Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Inhalte des Gesetzentwurfs stellen nach unserer Überzeugung keine Grundsatzdebatte zu der Frage des künftigen Ladenschlusses dar. In unserem Gesetzentwurf bleibt gegenüber der jetzigen Rechtslage nahezu alles beim Alten. Wir haben hinsichtlich der Verfahrensweise erhebliche Vereinfachungsvorschläge gemacht. Wir wollen aufwendige Genehmigungsverfahren, die bis vor einem halben Jahr noch in das zuständige Ministerium hineingetragen werden mussten, vereinfachen. Mittlerweile sind in einem Akt der Vereinfachung seitens der Staatsregierung die Genehmigungsverfahren vom zuständigen Ministerium auf die Regierungen verlagert worden. Das alles wollen wir den Kommunen, dem Einzelhandel sowie allen Beteiligten und Interessierten ersparen. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir erreichen, dass die aufwendigen Verfahren für die sogenannten EventShopping-Abende vereinfacht werden. Die Gemeinden sollen in Abstimmung mit dem Einzelhandel an ihrem jeweiligen Ort bis zu zweimal im Jahr - das ist wahrlich nicht viel - Event-Abende bis maximal 24.00 Uhr festlegen. Das passiert jetzt schon. Das wird gesamtgesellschaftlich akzeptiert. Diese Regelungen schaden allen Beteiligten auch nicht, einschließlich der Arbeitnehmer. Das haben wir auch vorsichtig an die Kollegen der SPD adressiert. Mit dem Gesetzentwurf haben wir versucht, die Interessen der Arbeitnehmer zu wahren. Ich bin davon überzeugt, dass uns dies gelungen ist. Bereits heute sind zwei Event-Abende im Jahr möglich.

In den bisherigen Debatten in der Ersten Lesung, im federführenden Wirtschaftsausschuss sowie in den mitberatenden Ausschüssen ist kein wirklich sachliches Argument gegen unseren Gesetzentwurf vorgebracht worden. Im Gegenteil, im Rahmen der Beratungen im federführenden Wirtschaftsausschuss hat Herr Kollege Breitschwert für die CSU-Fraktion das Wort ergriffen und die Position der CSU zu diesem Entbürokratisierungsvorschlag dargelegt. Er sagte, manchmal sei es ganz gut, wenn etwas ein bisschen komplizierter sei. Herr Kollege Breitschwert und liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, draußen in den Veranstaltungen, wo wir über Wirtschaftspolitik sprechen, sage ich, dass wir uns bemühen, ein Stück weit

von den Überregulierungen wegzukommen, um die Verfahren zu vereinfachen.

Im Koalitionsvertrag zwischen der CSU- und FDPFraktion ist zu lesen, dass die Staatsquote gesenkt und Vorschriften abgeschafft werden sollen. Das liest sich fein. Was wir mit unserem Gesetzentwurf inhaltlich vorgelegt haben, ist nicht der große Wurf. Für die Entbürokratisierung und die Reduzierung staatlicher Vorschriften kann es keinen großen Wurf geben. Wir können nicht jeden zweiten Paragrafen streichen. Das geht nicht. Das ist ein mühsamer Weg. Sie sind jedoch noch nicht einmal an dieser kleinen Stelle in der Lage, die Vereinfachung von Regeln mitzutragen. Demzufolge sind Sie noch sehr viel weniger in der Lage, im Großen und Ganzen für Vereinfachungen zu sorgen. Das ist ein Offenbarungseid der Regierungsfraktionen. An dieser Stelle könnten Sie unter Beweis stellen, dass es auch mit weniger Staat und weniger Vorschriften ginge. Den Voten in den mitberatenden Ausschüssen ist zu entnehmen, dass sich auch die SPD-Fraktion mit Vereinfachungen schwertut. Leider bleibt es nur bei Sonntagsreden.

Seitens der Staatsregierung hören wir immer wieder, wie wichtig es wäre, die Regelungen zum Ladenschluss zu vereinfachen. Das Wirtschaftsministerium hat die Event-Abende immer gelobt. Ich zitiere: "Gerade die Kundenevents des Modehauses Garhammer erfreuen sich außerordentlicher Beliebtheit." Das stammt aus einem Papier des Wirtschaftsministeriums zum Thema "Erfolgsstrategien für den mittelständischen Einzelhandel". Auf Seite 49 des tourismuspolitischen Konzepts der Bayerischen Staatsregierung, das im Oktober 2010 veröffentlicht worden ist, ist zu lesen: "Es gilt die touristische Attraktivität der bayerischen Städte zu erhalten, weiter auszubauen und zu erschließen. Hierzu können neben infrastrukturellen Aspekten auch erweiterte Spielräume bei Ladenöffnungszeiten, insbesondere die Möglichkeit von herausgehobenen Event-Abenden beitragen."

Herr Kollege, der Geräuschpegel hat sich verstärkt. Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Frau Präsidentin, unser Problem ist auch, dass die größeren Fraktionen leider kein besonderes Interesse am Bürokratieabbau haben.

(Ingrid Heckner (CSU): Wir waren nicht gemeint! - Weitere Zurufe von der CSU)

Es war diesmal wirklich das linke Ohr, Herr Muthmann. Bitte, Herr Muthmann, Sie haben das Wort.

Sowohl die Kollegen auf der linken Seite als auch die Kollegen auf der rechten Seite widmen, wie die Beratungen ergeben haben, dem Thema nicht die gehörige Aufmerksamkeit. Leider, leider haben Sie bislang die Zustimmung für die Umsetzung versagt. Noch haben Sie die Möglichkeit, Ihre Haltung zu ändern. Das wäre vernünftig. Das wäre einfach. Ihnen wären viele dankbar, wenn in den Ministerien die üppigen und aufwendigen Genehmigungsverfahren gestrichen werden könnten und wir, wie wir uns in Diskussionen frei bekennen, wenn es nicht um Entscheidungen geht, Zuständigkeiten und Verantwortung auf die unteren Ebenen verlagern würden.

Die Entscheidung, wann ein solcher Event-Abend stattfinden soll, wie lange er gehen soll - bis maximal 24.00 Uhr - können wir durchaus den Kommunen zutrauen. Wir müssen von den einzelnen Unternehmen nicht verlangen, dass sie ausführliche Aufsätze schreiben und darlegen, warum ein besonderer Ausnahmefall vorliegt. Das können wir voraussetzungslos zweimal im Jahr zulassen.

Sie haben in den bisherigen Beratungen nichts Vernünftiges vorzutragen gewusst, warum das nicht gehen soll. Ich fürchte, dass auch an dieser Stelle der zentrale Grund der Ablehnung nur ist, dass dieser vernünftige Vorschlag nicht von der richtigen Stelle und nicht aus der richtigen Richtung kam; denn an der Sache wissen Sie in der Tat nichts zu verbessern, sondern allenfalls zu sagen: Manchmal ist es gar nicht so schlecht, wenn etwas ein wenig kompliziert ist, Herr Kollege Breitschwert. Ein solches Bekenntnis zum Staatsverständnis ruft bei allen, denen ich das erzähle - und ich erzähle es vielen - nur Verständnislosigkeit hervor.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf über den Ladenschluss im Freistaat Bayern. Sie würden inhaltlich keine Änderungen vornehmen, aber vielen Beteiligten das Leben vereinfachen. Das sollte und müsste unser aller Anliegen sein.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Für die CSU bitte ich Herrn Breitschwert ans Mikrofon.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Muthmann, ich stimme Ihnen in der Tat zu, dass der Gesetzentwurf nicht der große Wurf ist. Darin haben Sie