Protokoll der Sitzung vom 09.06.2011

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Kollege Aiwanger für die Freien Wähler.

(Karl Freller (CSU): Nicht schon wieder!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser Antrag beweist, wie arm die Koalition auf dem Gebiet der Energiepolitik mittlerweile geworden ist. Am 11. Mai hat der Petitionsausschuss des Bundestags mit schwarz-gelber Mehrheit die Petition der Bürger von Vilsbiburg abgelehnt. 1.551 Bürger haben diese Petition unterschrieben und gefordert, ein Windkraftrad bauen zu dürfen. Diese Petition ist in Berlin abgelehnt worden. Jetzt bringen Sie dieses Thema in den Landtag ein und fordern die Staatsregierung auf, ihre Freunde in Berlin irgendwie in die Gänge zu bringen.

Die zweite Peinlichkeit, meine Damen und Herren: Sie schreiben in der Begründung, laut Zeitungsberichten solle es sich in Bayern derzeit um 15 Projekte handeln, die wegen des Flugkorridors nicht gebaut werden könnten. Sie planen die Energiewende. Sie haben für Mai ein Konzept versprochen, wie Sie in Bayern die Energiewende durchführen wollen. In der Zeitung müssen Sie aber lesen, wie viele Korridore mit ihren Windkraftanlagen kollidieren. Das müssten Sie längst wissen. Sie bräuchten nur jemanden damit zu beauftragen, die Flugkorridore und den Windatlas übereinanderzulegen, um zu schauen, wie die Höhen sind. Sie müssten hinausgehen und die Kommunen auf diese Probleme hinweisen. Sie sollten die Fakten aber nicht aus der Zeitung entnehmen, um hier einen neunmalklugen Antrag zu stellen.

Unter dem Strich kann man nur feststellen: An Peinlichkeit ist der Antrag nicht zu überbieten. In Berlin stimmen Sie dagegen, in Bayern tun Sie so, als würden Sie sich dafür einsetzen. Aus der Zeitung aber beziehen Sie die Fakten. Ich muss schlichtweg sagen: Das ist peinlich. Trotzdem stimmen wir dem Antrag zu, weil wir wollen, dass sich diese Peinlichkeit fortsetzt und dass Sie die Fakten eruieren, was Sie hätten längst tun sollen. Dazu fordern Sie sich nun selber auf. Unseren Segen haben Sie dazu. - Bitte schön.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Das Wort wird immer noch von hier oben erteilt. Ich entnehme Ihrer Äußerung aber, dass Sie jetzt fertig sind. Ich wusste nicht, wann Sie fertig werden.

Ich bin fertig.

(Zuruf von der CSU: Fix und fertig!)

Fix und fertig bin ich noch lange nicht.

Deswegen darf jetzt Kollege Thalhammer noch eine Zwischenbemerkung abgeben.

Herr Kollege Aiwanger, wenn im Bayerischen Landtag eine Petition behandelt wird, zu deren Thematik es auch ein laufendes Gerichtsverfahren gibt, wird diese Petition nicht abgelehnt, sondern wegen Eingriffs in ein laufendes Gerichtsverfahren nach § 80 Nummer 1 der Geschäftsordnung nicht behandelt. Dieses Faktum möchte ich klarstellen, damit auch hier im Plenum die Wahrheit zu Protokoll gegeben wird.

Das können Sie gerne so sehen, trotzdem ist in der politischen Bewertung die Peinlichkeit nicht zu übersehen. Ihre Leute in Berlin haben die Petition abgelehnt.

(Tobias Thalhammer (FDP): Nicht abgelehnt, sondern § 80 Nummer 1! Das kennen Sie!)

Sie wollen den Leuten vor Ort suggerieren, Sie würden sich für die Sache einsetzen. Dort, wo wirklich darüber entschieden werden soll, geht es in die Binsen.

Die nächste Wortmeldung kommt von Dr. Magerl für die GRÜNEN.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Aiwanger, Sie haben völlig recht. Sie müssten es längst wissen. Zur Thematik Radar und Windenergieanlagen bzw. Tiefflug gibt es zwei Schriftliche Anfragen umfassender Art von mir. Die eine Anfrage stammt vom 4. Mai, die anderen vom 11. Mai. Eigentlich sind wir schon am Rande der Frist für die Antwort. Wenn die beiden Anfragen, die im Übrigen weit über das hinausgehen, was in dem Antrag steht, bearbeitet worden wären, hätte die Antwort schon längst vorliegen müssen. Wir wüssten dann, worum es bei dieser Problematik geht. Es geht nicht nur um die Tiefflugschneisen wie zum Beispiel im Vilstal. Es gibt auch die Tiefflugareas, die LANIAs und die TRtracks, also eine ganze Menge von Gebieten, in denen Gefahr für Windkraftplanungen droht. Es gibt Probleme sowohl mit dem zivilen als auch mit dem militärischen Radar. Im Landkreis Freising liegt eine Anlage auf Eis, die 13 km von einem Radar entfernt ist. Bei einem Radius von 13 km würde ein Viertel des Landkreises von einer einzigen Anlage blockiert. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Eigentlich hätte dieses Problem im Windatlas und im Energieatlas abgearbeitet werden müssen. Das ist nicht geschehen. Man sieht daran die Defizite in den Energiekonzepten der Bayerischen Staatsregierung, die für Mitte Mai vollmundig ein Konzept angekündigt hat. Bei diesem

Konzept besteht Fehlanzeige. Es ist noch nichts erledigt.

Der Kollege Blume hat ein wahres Wort gesagt: Die Windkraft hat es schwer genug gehabt. Woran das liegt, brauchen wir an der Stelle nicht zu erwähnen. Ich war bis 2008 im Wirtschaftsausschuss und habe fast jede Sitzung eine Philippika von einem namensgleichen Kollegen gegen die Windkraft hören müssen. Wir werden dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Staatsregierung hat Herr Staatsminister Zeil das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Respekt vor dem Haus gebietet, dass sich die Staatsregierung wenigstens kurz zu Wort meldet und einen Teil der erbetenen Auskünfte gibt.

Nach der Information der Luftfahrtbehörden bei der Regierung von Mittelfranken und der Regierung von Oberbayern aus den Jahren 2006 bis 2011 sind insgesamt vier Fälle bekannt, in denen der Genehmigung von Windkraftanlagen aus flugbetrieblicher Sicht der Bundeswehr nicht zugestimmt werden konnte, weil die vorgesehenen Standorte innerhalb von Tiefflugkorridoren lagen. Für weitere neun Fälle aus dem Jahr 2011 steht eine abschließende Beurteilung der militärischen Dienststellen - das sind hier das Amt für Flugsicherung der Bundeswehr und die Wehrbereichsverwaltungen - noch aus.

Die bayerischen Luftämter werden bei Windkraftprojekten nicht federführend tätig. Die Errichtung einer Windkraftanlage bedarf einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. In diesen Verfahren, die in der Regel bei den Kreisverwaltungsbehörden angesiedelt sind, reichen die Luftämter die Planungsunterlagen an die Deutsche Flugsicherung bzw. die zuständigen Dienststellen weiter. An die Beurteilung dieser Fachdienststellen sind die Luftämter ebenso gebunden wie die Kreisverwaltungsbehörden als Genehmigungsbehörden. Gleichwohl schalten sich die Luftämter bereits heute als Vermittler zwischen Antragstellern, den genannten Fachdienststellen und der Genehmigungsbehörde ein, wenn Windkraftprojekte aus ihrer Sicht mit geringfügigen Modifikationen noch möglich wären, zum Beispiel, wenn es um geringe Standort- oder Höhenänderung der Windkraftanlagen geht. Luftämter können jedoch nicht die Notwendigkeit der militärischen Tiefflugkorridore an sich infrage stellen.

Im Falle der im Dringlichkeitsantrag angesprochenen Windkraftanlage in Vilsbiburg muss jedenfalls vor weiteren Überlegungen der Ausgang eines beim Bayeri

schen Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens abgewartet werden. Dabei spielen neben flugbetrieblichen Aspekten auch baurechtliche und naturschutzrechtliche Einwände eine Rolle.

Selbstverständlich werden wir uns, Kollege Thalhammer, als Moderator einschalten, soweit das möglich ist. Die Notwendigkeit der Vorhaltung militärischer Infrastruktur muss auch laufend mit dem Bundesministerium der Verteidigung diskutiert werden. Die sinnvolle und notwendige Hinwendung zu erneuerbaren Energien darf aber nicht ohne Rücksicht auf andere wichtige Belange, wie hier die Landesverteidigung, vorgenommen werden. Der Bund ist letztlich derjenige, der darüber zu entscheiden hat, ob und inwieweit existierende Tiefflugkorridore zugunsten von Windkraftprojekten eingeschränkt werden sollen.

Insofern kann ich sagen: Selbstverständlich haben wir das Thema auf dem Schirm, aber die Abwägung ist im Einzelfall natürlich außerordentlich schwierig.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Staatsminister. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/8851 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Auch wenn das schleppend verläuft, scheinen das alle Fraktionen einschließlich Frau Kollegin Dr. Pauli zu sein. Gibt es Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Auch keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag einstimmig angenommen.

Jetzt gebe ich noch das Ergebnis der dritten namentlichen Abstimmung bekannt, und zwar über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Hans Joachim Werner, Dr. Christoph Rabenstein u. a. und Fraktion der SPD, betreffend "Informationsvielfalt und -qualität vor Ort sichern: Neues Förderkonzept für das Lokalfernsehen in Bayern entwickeln", Drucksache 16/8874. Mit Ja haben 43 gestimmt, mit Nein 101. Es gab vier Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 5)

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Georg Schmid, Karl Freller, Dr. Otto Hünnerkopf u. a. und Fraktion (CSU), Dr. Andreas Fischer, Prof. Dr. Georg Barfuß, Dr. Otto Bertermann u. a. und Fraktion (FDP)

Bericht zu EHEC-Infektionen in Deutschland und Bayern (Drs. 16/8852)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Kathrin Sonnenholzner, Sabine Dittmar u. a. und Fraktion (SPD) Informationen über den Verlauf von EHEC/HUS in Bayern (Drs. 16/8876)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bessere Koordination der zuständigen Behörden im Falle von Lebensmittelkrisen, klare Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern, klar strukturierte Einsatzleitung (Drs. 16/8877)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist Kollege Dr. Hünnerkopf für die CSU. Bitte, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Viele Menschen sind seit Anfang Mai durch eine sehr aggressive Mutante des Darmkeims Ehec erkrankt, bundesweit circa 2.000. Das hämolytisch-urämische Syndrom, HUS genannt, verursacht nicht nur einen äußerst schmerzhaften Krankheitsverlauf, sondern führte in einigen Fällen auch zum Tode. Den betroffenen Menschen, den Mitbürgerinnen und Mitbürgern, gilt unser tiefes Mitgefühl.

Die aufgerufenen Anträge greifen dieses Thema auf. Wir können feststellen, dass Bayern bisher nur am Rande betroffen ist. Die Infektionsquellen liegen, so die bisherigen Erkenntnisse, vor allem in den nördlichen Bundesländern. Dennoch sind die Gesundheitsbehörden in Bayern äußerst aktiv. Auch am Wochenende, an Sonn- und Feiertagen beraten sie Bürgerinnen und Bürger. Die Gesundheits- und Veterinärbehörden arbeiten eng zusammen, und eine TaskForce des LGL, des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, steht beratend zur Verfügung. Die genannten Behörden arbeiten unter Federführung des Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit erfolgreich zusammen. Die nötigen Informationen werden den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern über das Internet und durch das Ministerium gegeben.

Als Fazit will ich feststellen, dass diese außergewöhnliche Situation bisher hervorragend bewältigt wurde. Unser Dank gilt besonders dem zuständigen Ressort

minister Dr. Markus Söder und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Behörden.

(Beifall bei der CSU)

Nach den bisherigen Erkenntnissen werden Infektionsherde vor allem im Frischgemüsebereich vermutet. Bayern hat hierauf reagiert und das Landesuntersuchungsprogramm "Bayerisches Gemüse" aufgelegt. Untersucht werden Gurken, Tomaten, Salate, Sprossen und Sprossensaatgut. Inzwischen sind fast über 500 Proben am LGL eingegangen, 342 wurden untersucht. Bisher waren alle Ergebnisse negativ. Die Kontrollen werden weiterhin intensiv durchgeführt.

Von all dem sind vor allem auch unsere bayerischen Gemüsebauern betroffen. Bayern hat mehrere bedeutsame Gemüseanbauregionen, von Niederbayern angefangen über das Knoblauchsland Nürnberg bis hin zu Unterfranken. Alle in bayerischen Betrieben gezogenen Proben sind negativ. Dennoch sind diese Betriebe wirtschaftlich erheblich betroffen. Wenn noch länger keine Gurken, keine Tomaten, kein Salat, keine Kresse und dergleichen mehr abzusetzen ist, werden die Betriebe in den Ruin getrieben. Ich weiß, wovon ich rede; denn ich habe mit etlichen Gärtnern in meinem Landkreis Kitzingen Kontakt. Sie berichten, dass sie zum Beispiel bei Tomaten und Gurken die Arbeit weiter leisten müssen; denn man muss die Tomaten und Gurken ernten, um die Pflanzen vital zu erhalten, um sie weiter zu nutzen und vielleicht in den nächsten Tagen, wenn der Verbrauch wieder anzieht, Einnahmen zu erzielen.

Ich möchte ganz bewusst Landwirtschaftsminister Brunner und Finanzminister Fahrenschon für das bisher Initiierte und Erreichte danken. Der Finanzminister hat im Rahmen der Möglichkeiten steuerliche Erleichterungen zugesagt; der Landwirtschaftsminister hat mit erreicht, dass Europa 150 Millionen Euro an Entschädigungsleistungen zahlt. Wir sind der Meinung, 210 Millionen Euro und mehr sind erforderlich, um am Ende alle Betroffenen angemessen finanziell zu unterstützen. Es gilt, die Entschädigungssätze von 30 %, wie sie bisher vorgesehen sind, zu erhöhen. Sätze von 50 % sind hier nötig. Ich bitte die Staatsregierung, weiter und vor allem dafür zu sorgen, dass diese Gelder nicht nur oder vorwiegend nach Spanien gehen, sondern auch unseren bayerischen Landwirten bzw. Gemüsebauern zugute kommen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Otto Bertermann (FDP))

Ein Weiteres noch: Die Entschädigung darf nicht bis Ende Juni befristet sein, sondern muss vom weiteren Schadensverlauf abhängig gemacht werden. Das wird