Wo sich wünschenswerte Strukturen erzielen lassen, gilt es hier, den Strukturwandel abzufedern und ihn im Sinne des bestehenden Leitbilds zu gestalten. Aber Dinge immer wieder neu zu denken und offen zu sein, hat noch nie geschadet. Faktoren wie das Leben in einem lebenswerten Raum und ökologische Faktoren spielen weiter ausschlaggebende Rollen für leistungsstarke Räume. Diese Faktoren werden auch in dem vom Zukunftsrat dargestellten Zukunftsindikator abgebildet. Es ist richtig: Wir dürfen nicht eindimensional wirtschaftlich denken. Wir müssen alle Leistungen berücksichtigen, die Regionen erbringen können. Diese Stärken der Regionen gilt es künftig verstärkt zu fördern und natürlich Synergieeffekte zu erzielen, indem man die Stärken der einzelnen Regionen vernetzt.
Durch eine so ausgestaltete Entwicklungsstrategie wird es langfristig möglich sein, der Bevölkerung in Bayern standortunabhängig und dauerhaft annähernd gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen zu gewährleisten und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes insgesamt nicht zu beeinträchtigen.
Diesen Weg schlägt übrigens auch das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut in seiner Studie "Wege in die Vollbeschäftigung" vor. Einen gesamtwirtschaftlich vergleichsweise effizienten Einsatz von Mitteln kann die Förderung von potenziellen zukünftigen Wachstumszentren darstellen, von denen langfristig auch ein positiver Wachstumstrend auf die wirtschaftliche Entwicklung der umliegenden Regionen ausstrahlen könnte. In den boomenden Metropolregionen Westdeutschlands tragen heute schon steigende Kosten der Agglomeration wie beispielsweise die hohen Lebenshaltungskosten dazu bei, dass neue Produktionen im ländlichen Raum unweit der Zentren entstehen. Das HWWI sagt konkret:
Es wird jedoch auch Regionen geben, die kaum vom bundesweiten Beschäftigungsaufbau profitieren. Diese Regionen weisen häufig eine periphere Lage auf, haben eine ungünstige Branchenstruktur, ein niedriges Produktivitätsniveau und leiden unter der Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte. Deshalb werden diese Regionen auch künftig für Unternehmen keine attraktiven Standorte darstellen. Dort werden auch wirtschaftspolitische Maßnahmen kaum in der Lage sein, eine solche Entwicklung zu verhindern.
Eine Arbeitskräftewanderung von strukturschwachen hin zu wirtschaftlich prosperierenden Regionen kann insgesamt zu einer Produktivitätssteigerung und zu einer positiven Beschäftigungsentwicklung in Bayern beitragen. Auch das müssen wir sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Staatliche Maßnahmen zur Regionalförderung, welche die Mobilität der Arbeitskräfte bremsen, können diesen Gewinnen entgegenwirken, so das HWWI.
Der Zukunftsrat wie auch das HWWI haben die Grenzen von reinen Metropolregionen, aber auch die Grenzen ländlicher Räume dargestellt. Mir scheint dieser Weg von Entwicklungsregionen mit Leistungszentren ein guter, zukunftsweisender Weg zu sein. Sicher, die Leistungszentren müssen eine gewisse Größe erreichen, damit sie wie in und um München oder auch in und um Regensburg entsprechend auf den lebenswerten ländlichen Raum ausstrahlen können.
Natürlich müssen wir auch, wie schon angesprochen wurde, alle Oberzentren mit einbeziehen. Hier sind wir
konkret gefordert. Meines Erachtens ist gerade daher der Ausbau der Infrastruktur, ob im Verkehr oder im Bereich der technologischen Strukturen, so wichtig. So wird letztlich die mir sehr am Herzen liegende Entwicklung und nachhaltige Stärkung des ländlichen Raumes klappen. Hier müssen wir unsere Schwerpunkte setzen.
Vielen Dank, Herr Kollege Dechant. Als Nächster hat sich Herr Schöffel für die CSU zu Wort gemeldet. Bitte schön.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Rabenstein hat uns schon ein ganzes Stück Arbeit abgenommen: Herr Kollege, Sie haben ja viele CSU-Politiker zitiert, die sich sachgerecht kritisch zum Gutachten des Zukunftsrates geäußert haben. Daraus wurde deutlich: Gerade auch der zweite Teil "Metropolregionen und ländliche Räume" ist alles andere als CSU-Politik. Deswegen können wir das eine oder andere doch etwas abkürzen.
Sie haben im Gutachten auch verschiedene SPD-Positionen wiedergefunden. Kollege Stöttner hat vor allem auf die Position von Hans-Jochen Vogel schon hingewiesen, der in den Siebzigerjahren die Entwicklung von ländlichen Räumen und Metropolen extremst gegen den ländlichen Raum dargestellt hat.
Über den Sinn bzw. Unsinn des Zukunftsrats wurde heute schon viel gesagt. Dabei wurden auch die vier Felder genannt, mit denen er sich beschäftigt hat. Aufgrund der Zusammensetzung des Zukunftsrates sind die Ergebnisse der einzelnen Schwerpunkte auch sehr unterschiedlich zu bewerten. Die Staatsregierung hat mehr oder weniger Mühe damit.
Mentalitätswandel - ein großes Wort - der Bevölkerung hin zu mehr Verantwortung und selbstständigem Handel wäre zu begrüßen. Er entspricht den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft und unserem Politikverständnis. Wir wirken darauf hin. Doch heißt "Mentalitätswandel" zu Ende gedacht nicht, die Menschen ändern zu wollen? - Das ist doch eine sehr theoretische Betrachtung, zu der Politik nur einen Beitrag leisten kann.
Mehr Vertrauen statt Kontrolle durch die staatliche Administration fordert der Zukunftsrat, weg von einer Politik des Verdachtes und überzogener Kontrollen hin zu einer Praxis des motivierenden Vertrauens. Ich habe solche Kritik zuletzt beim Vollzug des BayKiBiG, des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes, gehört. Träger und Leiterinnen von Kindertagesstätten haben dargelegt, wie intensiv ihre Arbeit
Der Zukunftsrat fordert, mehr unternehmerisches Denken bereits bei Schülern zu wecken. Diese Forderung ist zu begrüßen, sind doch Unternehmer wichtigste Pfeiler unserer Volkswirtschaft. Es entspricht der gelebten Praxis in unseren Schulen, dass unternehmerisches Denken gelehrt und gelernt wird. Ein vielfältiges Praxis- und Seminarangebot trägt dazu bei. Wir müssen uns noch mehr einfallen lassen, um Schülern, auch Gymnasiasten, einen Einblick in das Wirtschaftsleben zu eröffnen und den Wunsch zu wecken: Ich will mein eigener Chef werden. Wir sehen es als Daueraufgabe der Politik an, Mittelstand und Unternehmerpersönlichkeiten zu würdigen und Hidden Champions in allen Teilen Bayerns bekannt zu machen und ihre Entwicklung zu unterstützen. Insbesondere im ländlichen Raum gibt es viele Hidden Champions mit hervorragenden Karrieremöglichkeiten. Elitebildung ist für uns etwas Selbstverständliches. Wir stehen zur individuellen Förderung, insbesondere der Schwächsten, aber auch der Starken. Diese Lokomotiven braucht das Land.
Den heftigsten Widerhall fand der Bericht zu den Empfehlungen zu Metropolen und ländlichem Raum. Heute wurde schon mehrfach dargestellt: Das war völlig vergaloppiert. Es ist eine Gefahr für Land und Leute, wenn ein derart besetztes Gremium seine Diskussionsthemen, die am Ende in einem schriftlichen Bericht münden, selbst aufgreifen kann; denn für einen fundierten Vorschlag zur regionalen Entwicklung fehlen in diesem Gremium die Fachleute, die Experten der Landesentwicklung. Der Bericht des Rates zu diesem Thema ist extrem widersprüchlich formuliert.
Je nachdem, welchen Satz oder welche Sätze man zitiert, kann man aus dem Bericht für die Entwicklung des Landes mehrere widersprüchliche Schlüsse ziehen. In unserem Landesentwicklungsprogramm sind das Vorhalteprinzip und das Zentrale-Orte-Prinzip wichtige Säulen der Landesentwicklung. Die Umsetzung dieser Prinzipien wird uns vor große Herausforderungen stellen. Eine Lösung kann sein, eine Vielzahl ländlicher Leistungszentren zu entwickeln, die die Menschen in zumutbarer Zeit erreichen können. Diese müssen im ganzen Land vernetzt sein. Darüber kann diskutiert werden.
Man muss aber im Bericht auch Passagen lesen, die in brutaler Art und Weise empfehlen, staatliche Förderungen und Entwicklungen auf wenige Großstädte
und deren Umland zu konzentrieren und nicht alle Teile Bayerns daran anzuschließen. Das steht so im Bericht. Diese Denkschule ist leider auch mit einer eindrucksvollen Karte dokumentiert, die in keinem Falle hinzunehmen ist und so nie hätte veröffentlicht werden dürfen.
Diese Karte hat die Menschen in manchen Landesteilen in unverantwortlicher Weise ins Abseits gerückt und zu Recht zu einem Aufschrei der Empörung geführt. Nach dem Auftritt des Vorsitzenden Henzler in der Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie bin ich davon überzeugt, dass er einer der Verfechter einer solchen Strategie ist und deswegen, vorsichtig gesagt, nicht der Richtige für diese Aufgabe.
Er hat ausgeführt, dass er glaube, dass der Staat in Ballungszentren Arbeitsplätze günstiger schaffen könne. Er übersieht dabei völlig die Verwerfungen, die dadurch im Land entstehen, und die doppelten Infrastrukturkosten, die zum Aufbau der Infrastruktur im Ballungsraum einerseits und zum Rückbau oder zur Subventionierung auf dem Land andererseits anfallen.
Im Bericht des Zukunftsrats ist ausgeführt, welche sozialen und ökologischen Herausforderungen Großstädte haben. Wir müssen alles versuchen, um die Arbeit zu den Menschen zu bringen und deutlich zu machen, dass der ländliche Raum Karrierechancen und Lebensqualität bietet.
Im Hinblick auf das tägliche Geschäft zur Stabilisierung einer ländlichen Region kann ich nur sagen: Es kommt sehr darauf an, ob Menschen Zutrauen in die Zukunft einer Region haben, ob sie dort eine Stelle annehmen oder nicht, ob sie mit der Familie umziehen oder nicht, ob sie mieten oder kaufen bzw. bauen, ob sie eine Neuinvestition eines Unternehmens hier oder anderswo tätigen. Für diese Entscheidungen genügen in der Regel kleine Signale für eine positive Entwicklung.
Der Zukunftsrat hat das nicht im Blick. Er hat den Eindruck erweckt, als gebe es international wettbewerbsfähige Arbeitsplätze, Unternehmen, Wirtschaft und Schlüsselindustrien nur im großstädtischen Ballungsraum. Der Bericht enthielt eine unvollständige Karte mit Branchen und Unternehmen. Wir haben aber in allen Landesteilen Unternehmen, die auf dem Welt
Uns allen ist wohl bewusst, dass uns sowohl die Entwicklung unserer Großstädte als auch die Entwicklung des ländlichen Raumes vor große Herausforderungen stellt. Natürlich müssen sich Städte weiterentwickeln können; dort müssen ökologische und soziale Probleme in den Fokus genommen werden. Doch auch Gegenden wie das östliche Oberfranken und Niederbayern mit einer sehr hohen Industriedichte, mit Fabriken und Unternehmen in jedem Dorf, die weitab von Großstädten liegen, haben beste Entwicklungschancen, wenn man nur an wenigen Stellschrauben in die richtige Richtung dreht.
Die Staatsregierung, Herr Staatsminister, hat den Bericht des Zukunftsrates klar und unmissverständlich kommentiert und darauf reagiert. Die Unterstützung aller Landesteile war immer bayerische Politik und wird es auch bleiben. Jede Region, insbesondere die strukturschwächeren Regionen, können sich auf die Unterstützung der Staatsregierung verlassen. Das hat auch unser Ministerpräsident in den letzten Wochen überall deutlich gemacht. Ich füge hinzu: und in seiner ganzen Amtszeit.
Unsere Politik stemmt sich gegen die Strömung und unterstützt die Unternehmen, die Arbeit zu den Menschen in den ländlichen Raum bringen. Wir wollen die Potenziale aller Regionen weiter ausbauen und Defizite abbauen. Ein Beispiel dafür ist die Errichtung von Hochschulen in vielen Landesteilen bereits vor Jahrzehnten, die sich bestens entwickeln, erweitert werden, Außenstellen errichten und Fachkräfte vor Ort ausbilden und halten. Die Behördenverlagerungen sind ein weiterer wichtiger Baustein. Für diese Legislaturperiode ist dazu noch vieles angekündigt.
Der Kabinettsausschuss "Ländlicher Raum" wird Lösungen für besondere Herausforderungen im ländlichen Raum beschließen, vor allem dort, wo es im Zuge von Strukturwandel nach Osterweiterung und Globalisierung zu extremen Verwerfungen gekommen ist, wo die Entwicklung Sorge bereitet, wo man aus eigener Kraft vieles nicht mehr leisten kann und wo Regionen die Solidarität des gesamten Landes benötigen und darauf bauen sollen.
Der Zukunftsrat zeigt viele Möglichkeiten auf, den ländlichen Raum zu stärken und seine Attraktivität weiter zu erhöhen. Das sollten wir schnell angehen. Er nennt Strategien zur weiteren Ansiedlung von Unternehmen in allen Regionen Bayerns - da gibt es bei "Invest in Bavaria" noch Potenzial - und Strategien zur Anwerbung von Fachkräften für Unternehmen im ländlichen Raum - da leistet Regionalmanagement
bereits einen wertvollen Beitrag und ist ein wichtiges Instrument. Eine stärkere Wohnbauförderung wird angesprochen, wo sich Investitionen nicht so gut verzinsen und moderner Wohnraum dringend gebraucht wird. Das ist auch für die Anwerbung von Fachkräften ein wichtiges Thema. Wie oft kommt es vor, dass attraktiver Mietwohnraum nicht zur Verfügung steht? Das sollte bei der Verteilung der Wohnbauförderung berücksichtigt werden.
Heute wurde bereits mehrfach auf wichtigste Verkehrsinfrastrukturprojekte zur Vernetzung des ganzen Landes und zum Erhalt des Bestandes hingewiesen. Wir tun in diesem Haushalt Wesentliches für die Staatsstraßen. Aber natürlich fühlen sich verschiedene Regionen bei Straßen- und Schieneninfrastruktur zu Recht vom Bund abgehängt. Ich nenne nur die Strecken von München ins Chemiedreieck, München Lindau - Allgäu und die Anbindung von Ostoberfranken und Ostbayern in Richtung Münchner Flughafen oder von Nordostbayern nach Nürnberg.
Ich stimme mit ihnen durchaus darin überein, dass es bessere Vernetzungen geben muss. Das stellt die ganze Republik vor große Herausforderungen.
Auch beim Ausbau der Breitbandversorgung konnte viel erreicht werden, aber zur Erreichung gleichwertiger Lebensqualität muss in diesem Punkt noch einiges getan werden, weil in Zukunft noch größere Bandbreiten als 1 bis 3 Megabit nötig sein werden. Es wurden bereits Hundert Millionen in dieser Legislaturperiode in die Hand genommen. Der Einsatz der Staatsregierung für die Versorgung der ländlichen Räume mit der LTE-Technik bringt weitere Chancen. Auf den weiteren Ausbau der Glasfasernetze wird es mit Sicherheit ankommen.
Auch die erneuerbaren Energien müssen Arbeitsplätze gerade in strukturschwache ländliche Räume bringen.
Die mediale Diskussion über den Bericht des Zukunftsrates war eine Zumutung für manche Landesteile. Nicht immer ist fair darüber berichtet worden. Die Politik der Staatsregierung handelt aber komplett anders. Manche Probleme des ländlichen Raums wurden vielleicht stärker als bisher in den Mittelpunkt gerückt, und es wurden Lösungen in allen Landesteilen aufgezeigt. Das ist als etwas Positives anzuerkennen.
Vielen Dank, Herr Schöffel. Wir haben noch drei Wortmeldungen: Herr Dr. Piazolo, Herr Dr. Kirschner und Herr Sibler.