Protokoll der Sitzung vom 28.06.2011

auch das australische Modell ins Leere. Der Kontrollaufwand würde sich allerdings erhöhen. Ergebnis: höhere Bürokratieaufwendungen, aber keine preisdämpfende Wirkung.

Es wird übrigens bezweifelt, dass das in Österreich angewandte Modell dort preissenkend gewirkt hat. Im Gegenteil, es ist zu vermuten, dass die Tankstellen vorsorglich am Vormittag die Preise über den Marktpreis hinaus erhöhen, weil sie nach 12 Uhr keine Möglichkeit zur Preiserhöhung mehr haben.

Eine Einschränkung der freien Preisbildung wäre nur dann vertretbar, wenn sie tatsächlich zur Verbesserung der Orientierung der Verbraucher führen würde. Aber auch das ist nicht zu erwarten, weil durch die jederzeit bestehende Möglichkeit von Preissenkungen die Preise auch weiterhin variieren würden.

Wir dürfen auch nicht übersehen, dass für mehr als die Hälfte - nahezu 60 % - des Kraftstoffpreises in Deutschland der Staat verantwortlich ist. Rechnet man die Steuern heraus, kommt man zu dem Ergebnis, dass die deutschen Kraftstoffpreise im EU-Vergleich am unteren Rand liegen; der Kraftstoff selbst ist also preisgünstig.

Dazu trägt sicherlich in Deutschland ein mit rund 35 % noch vergleichsweise hoher Anteil mittelständischer Tankstellen bei. Die freien Tankstellen sind das Korrektiv, weil sie die Preise der Markentankstellen unterbieten. Der Verbraucher kann entscheiden, wo er tankt; er kann auf preiswerte Angebote der freien Tankstellen achten. Gerade die mittelständischen Tankstellenbetreiber dürfen wir nicht durch einen Eingriff in die freie Preisbildung schwächen. Ein Fehler in der Preisgestaltung um 12 Uhr wirkt sich auf die Gewinnmarge einer kleinen Tankstelle weitaus massiver aus als auf die einer Konzerntankstelle. Laut Bundesverband Freier Tankstellen verbleibt den Betreibern freier Tankstellen eine Marge von gerade einmal 4 Cent pro Liter. Die kapitalstarken Markengesellschaften können geringere Margen über Stunden wesentlich besser verkraften. Ich betone: Wir müssen zuallererst aufpassen, dass die freien Tankstellen als Korrektiv nicht zurückgedrängt werden.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Mit einer Tankstellenverordnung, ähnlich dem österreichischen oder dem australischen Modell, nehmen wir jedoch gerade den freien Tankstellen die Möglichkeit, ihre Preise korrigierend flexibel zu gestalten. Deshalb lehnen wir die Anträge ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN darf ich nun die Kollegin Anne Franke ans Mikrofon bitten. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vorschlag, eine Regulierung wie in Österreich einzuführen, ist zwar ganz nett, aber sicherlich nicht zielführend. Die Situation stellt sich doch wie folgt dar: Fünf Konzerne beherrschen den Benzinmarkt und treiben mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern ihr längst bekanntes Spiel: Zu Ferienbeginn, an den Wochenenden und zu bestimmten Feiertagen gehen die Preise hoch.

Neu ist nur, dass das Kartellamt - nach fünf Jahren Eruierung! - einen Bericht vorgelegt hat und darin wieder nicht klar von Preisabsprachen spricht. Wir alle wissen doch längst, dass sich die Tankstellen gegenseitig beobachten. Ich habe neulich bei meiner Tankstelle die Auskunft bekommen: Wir sehen, was die anderen machen, und melden das nach Hamburg. Bald danach bekommen wir die Erlaubnis, den Preis anzugleichen, das heißt, zu erhöhen oder zu senken. - Man spricht zwar offiziell nicht von Preisabsprachen, aber wir alle wissen, was es ist. Damit nutzen die fünf großen Konzerne ihre marktbeherrschende Stellung zur Erhöhung ihrer Gewinnmargen aus. Wenn die Rohölpreise sinken, reagieren sie erst einmal nicht.

Es gibt in Deutschland in diesem Bereich keinen funktionierenden Markt. Wir haben fünf Konzerne, die den Wettbewerb behindern. Deren Gesamtmarktanteil liegt bei über 70 %. Angesichts dessen muss man sich fragen, warum das Kartellamt das zugelassen hat.

Es muss gesetzlich alles getan werden, damit der Wettbewerb wieder zu funktionieren beginnt. Wir brauchen vor allem mehr Transparenz. Dazu gehört eine Offenlegung der Preiskalkulation. Auch müssen wir uns ein Stück weit unabhängiger von den Öllieferanten zu machen. Wir GRÜNE sind seit Jahren der Auffassung, dass der heutige Verbrauch von fossilen Energieträgern nicht zukunftsfähig ist. Diese Einschätzung gilt auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Rohstoffvorräte begrenzt sind.

Wir wollen intelligente Nutzung und intelligente Organisation von Mobilität, und das in einem funktionierenden Wettbewerb. Dafür müssen wir alle zielführenden gesetzlichen Möglichkeiten nutzen, um den Wettbewerb im Tankstellenbereich zu stärken.

Wir werden uns zu beiden Anträgen der Stimme enthalten, da wir die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht für wirklich zielführend halten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen herzlichen Dank, Frau Kollegin. - Für die FDP-Fraktion darf ich nun Herrn Dr. Kirschner das Wort geben. Bitte schön.

(Zuruf von der CSU: Die Geheimwaffe der FDP!)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich musste gerade schauen, ob Herr Rohde noch dort oben sitzt oder ob er schon unter der Last seiner Tat zusammengebrochen ist. - Ich bin Vielfahrer, weil ich vom Land komme. Vorausschicken möchte ich: Ich ärgere mich wie jeder andere maßlos darüber, was die Tankstellen mit uns treiben. Insofern bin ich völlig bei den Antragstellern. Wenn man allerdings einen Hebel ansetzt, dann so, dass er auch die gewünschte Wirkung herbeiführt.

Ich habe mich bei Tankstellen erkundigt, wie die Preisbildung dort funktioniert. Bei einer freien Tankstelle vollzieht sie sich anders als bei einer preisgebundenen Konzerntankstelle. Letztere bekommt den Sprit praktisch auf Kommission, unabhängig vom täglichen Spotpreis am Weltmarkt. Der Tankinhalt wird ohnehin schon 20-mal gehandelt, bis er überhaupt in Rotterdam ankommt, und dann noch 50-mal mit Leerverkäufen und Ähnlichem hin- und hergeschoben. Das ist ja kein richtiger Preis mehr, der dann entsteht.

Das Öl landet in Rotterdam oder in Ingolstadt oder sonst irgendwo, dann wird daraus Sprit hergestellt, zum Beispiel Diesel oder Superbenzin. Dann kommt das Benzin zu den Tankstellen. Der Tankstellenbesitzer bekommt dann zum Beispiel eine Rechnung über 20.000 Euro. Die Rechnung stammt vom Ölkonzern. Der Tankstellenbesitzer bekommt pro Liter 2 oder 3 Cent; das ist sein Geschäft. Somit hat der Tankstellenbesitzer überhaupt keine Einwirkung auf den Tankstellenpreis. Der Tankstellenpreis wird bei den gebundenen Tankstellen zu über 90 % über das Internet organisiert. Um 10.00 Uhr wird auf den Knopf gedrückt; dann ist der Preis ein anderer als um 09.50 Uhr. So läuft das momentan ab.

Völlig anders - jetzt komme ich auf das Problem - verhält es sich bei den freien Tankstellen. Der freie Tankstellenbesitzer lässt sich seinen Sprit liefern oder holt ihn sich selbst bei der OMV in Burghausen ab und fährt ihn heim. Dort leitet er den Sprit in den Erdtank. Er hat dann einen Einkaufspreis und somit einen fixen Preis. Er muss hoffen, dass der Tankstellenbesitzer nebenan nicht mit dem Preis nach unten geht und dass er nicht gezwungen ist, unter Preis zu verkaufen, oder aber er muss warten, bis die Preise wieder steigen, damit wieder Leute zu ihm zum Tanken kom

men. Insofern haben wir keine gleichgeschalteten marktwirtschaftlichen Verhältnisse.

Der Ablauf ist folgender. In der Früh gibt es vom Konzern eine Mitteilung, zum Beispiel über Internet, dass der Preis X Euro beträgt. Dann erkundigt man sich in der Region, welche Preise die Nachbartankstellen von JET bis ARAL verlangen. Dann wird der Preis um 0,2 oder 0,3 % variiert. So sprechen sie sich auch regional ab, um keine Verwerfung hervorzurufen. Das kann sich der freien Tankstellenbesitzer in der Regel nicht leisten, weil es nicht so viele gibt, außer im Fall, dass sich an einem Ort fünf oder sechs befinden.

Mit dem Antrag bewirken Sie Folgendes: Die Großen werden um 12.00 Uhr einen maximalen Preis ausrufen. Je nachdem, wie sich der Markt am Ort oder darum herum entwickelt, gehen sie mit dem Preis herunter oder aber lassen ihn gleich. Das ändert an der Spielweise der Großkonzerne nichts. Wir müssen wirklich einen völlig anderen Ansatz suchen. Ich zwar bin FDPler, aber doch der Meinung, es müsste eine Preiskontrolle stattfinden. Das ist natürlich schwierig, weil die Einkaufspreise nicht definiert sind, weil sie nicht vergleichbar sind. Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Ich unterstelle auch ganz klipp und klar, dass die Preise intern abgesprochen sind. Davon muss man wohl ausgehen. Wir lösen das Problem mit dem Antrag aber leider nicht.

Es tut mir leid. Insofern können wir beiden Anträgen nicht zustimmen. Das war auch im Wirtschaftsausschuss so. Bei dieser Gelegenheit, weil die Stunde schon fortgeschritten ist, habe ich mir gedacht, dass ich nächste Woche den Antrag stelle, dass die Münchner Bierpreise zum Oktoberfest auch kontrolliert werden.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Zuruf von der CSU: Jawohl!)

Herr Kollege Kirschner, ich darf Sie nochmals zurück bitten? In der Zwischenzeit macht sich Kollege Aiwanger zu einer Zwischenbemerkung bereit, zu der er jetzt das Wort hat. Bitte schön.

Herr Kirschner, Sie haben gesagt, dieser Vorschlag brächte nichts. Was brächte dann etwas? Was würden Sie von folgendem Vorschlag halten? Es ist ja bekannt, dass von der Erdölförderung über die Raffinerie bis zum Tankstellenbetrieb vieles an Wertschöpfung in einer Hand liegt - natürlich nicht bei den freien Tankstellen, die in der Raffinerie des Gegners oder des Wettbewerbers einkaufen müssen. Was hielten Sie davon,

diese durchgehende Wertschöpfungskette zu zerschlagen?

Herr Aiwanger, ich sage Ihnen ganz offen, ehrlich und unparteiisch meine Meinung. Um eine Wertschöpfungskette zu zerschlagen, benötigt man einen rechtlichen Ansatz. Wir sind nicht in der DDR und wollen auch nicht in die DDR zurück, indem wir die Dinge einfach auseinanderschneiden.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Die Dinge gefallen uns nicht. Ich weiß, dass für Sie alles, was mit Konzernen zu tun hat, ein heißes Eisen ist. Wir brauchen aber auch Konzerne, um international bestehen zu können. Wir können uns alle noch an die Zeit zurückerinnern, in der es eine Menge freier Tankstellen gab. Ich erinnere an Deltin. Es handelte sich um eine Familie aus Landshut. Deltin musste aufgeben, weil sie mit der Kreditkartenproblematik nicht mehr fertig wurden. Deltin musste aufgeben, weil Tankstellen gasfreie Zapfsäulen bekamen. Sie haben gesagt, dass dies Investitionen sind, die sich nur ein Konzern leisten kann. Das sind vernünftigerweise gesetzlich vorgegebene Dinge. Daraus folgt dann die Organisation oligopolistischer Strukturen. Ich bin grundsätzlich ein strikter Gegner, solche Dinge auf diese Weise zu lösen. Wesentlich vernünftiger - da bin ich eher bei der Kollegin von den GRÜNEN - wäre es, dass das Kartellamt, wenn es schon prüft, auch die Kalkulation der Konzerne - vielleicht macht es das auch; ich weiß es nicht - in Augenschein nimmt.

(Beifall bei der FDP)

Zum Abschluss der Debatte darf ich nun Staatssekretärin Katja Hessel das Wort geben. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wettbewerb regelt vieles - Herr Schuster würde sagen, der Markt regelt alles. Wir haben in allen Wortbeiträgen gehört, dass es hier keinen Wettbewerb gibt. Dementsprechend sind das einzige Stück Wettbewerb, das wir haben, die 35 % freien Tankstellen. Von meinen Vorrednern ist ordentlich dargelegt worden, dass die beiden Anträge nicht dazu dienen würden, den Wettbewerb zu stärken, sondern eher unsere mittelständischen freien Tankstellen schädigen würden, die noch dafür sorgen, dass ein Rest an Wettbewerb vorhanden ist.

Ich glaube, diese Anträge sind, obwohl wir uns alle gemeinsam über die Spritpreise ärgern, nicht zielführend. Sie helfen nicht, mehr Wettbewerb zu erzeugen. Mehr Wettbewerb würde entstehen, wenn wir das Oli

gopol zerschlagen würden. Das heißt, sie müssten in diese Richtung gehen. Deswegen bitte ich, beide Anträge abzulehnen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit kommen wir zur Abstimmung. Dazu werden die beiden Anträge getrennt. Weil zum Antrag der FREIEN WÄHLER, Tagesordnungspunkt 8, namentliche Abstimmung beantragt worden ist, schlage ich vor, zunächst über den SPD-Antrag abzustimmen. - Ist das d’accord? - Kein Widerspruch; dann verfahre ich so.

Ich lasse also abstimmen über den Antrag der Abgeordneten der SPD-Fraktion auf Drucksache 16/8042 Tagesordnungspunkt 9. Der federführende Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie empfiehlt auf Drucksache 16/8651 die Ablehnung. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Vielen Dank. Das sind die Kollegen der FREIEN WÄHLER und der SPD sowie Kollegin Pauli. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - Danke schön. Das sind die Kollegen der CSU und der FDP. Enthaltungen bitte ich anzuzeigen. - Das ist die Fraktion der GRÜNEN. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 16/7121 - Tagesordnungspunkt 8. Der federführende Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie empfiehlt auf Drucksache 16/8649 die Ablehnung des Antrags. Sie haben die Stimmkärtchen. Die Boxen sind aufgestellt. Ich eröffne die Abstimmung. Wir haben fünf Minuten Zeit.

(Namentliche Abstimmung von 22.28 bis 22.32 Uhr)

Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen, damit wir gleich mit der nächsten Debatte fortfahren können. Meine Damen und Herren, die fünf Minuten sind um. Ich schließe die Abstimmung. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Wir werden Ihnen das Ergebnis so schnell wie möglich bekannt geben.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Antrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Thorsten Glauber u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Das Bundesgesetz zur unterirdischen Einlagerung von Kohlendioxid (CO2) aus Kohlekraftwerken

verhindern und gefährliche CCS-Endlager von Bayern fernhalten (Drs. 16/7464)

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Dr. Fahn von den FREIEN WÄHLERN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auf den ersten Blick ist das eine prima Idee: Kraftwerke blasen das CO2 nicht mehr in die Luft, sondern sie trennen und sammeln es und pressen es dann unter die Erde. Das ist in Kurzform die Idee dieser CCS-Endlager. Allerdings gibt es auch Probleme. So hat zum Beispiel der Bundesrat Ende Mai grundsätzliche Bedenken gegen diese neue Technologie vorgebracht. Er betont, dass es gegenüber dieser neuen Technologie eine sehr erhebliche gesellschaftliche Skepsis gibt. Im Moment wird darüber diskutiert. Bundesweit gibt es 408 mögliche Standorte, davon neun in Bayern.

(Unruhe)

Einen Moment, Herr Kollege Dr. Fahn. Ich bitte Sie, dem Redner die nötige Aufmerksamkeit zu schenken, auch zu dieser späten Stunde. Dies ist der letzte Tagesordnungspunkt. Wenn Sie noch Gesprächsbedarf haben, gehen Sie doch nach draußen. Herr Dr. Fahn, bitte fahren Sie fort.