Protokoll der Sitzung vom 13.07.2011

Integration kann also über Sport geschehen. Sport ist ein Teil der Bildung. Die Bildung ist im Kultusministerium angesiedelt. Wenn man sich die Zahlen, die es dort gibt, anschaut, erkennt man, dass die Zahl der Schulabbrecher gesunken ist, dass die Zahl der Abschlüsse gestiegen ist und dass die Zahlen der Abiturienten und der Realschulabgänger insbesondere bei den Kindern mit Migrationshintergrund gestiegen sind.

Wir sind auf einem richtigen Weg. Wir brauchen bei der Integrationsdebatte aber auch Zeit und Geduld.

Es wird immer von der Sprache gesprochen. Okay, Sprache ist immer ein ganz großes Thema. Aber Sprache allein nützt nichts. Was wir brauchen, ist Bildung.

Ich habe am Montag in Regensburg das Programm "Fitis Regensburg" gesehen. Da ging es um Deutsch als Zweitsprache und darum, mit kleinen Kindern zwei Sprachen spielerisch anzugehen. Das ist ein Modell.

Da wird natürlich auch die Kostenfrage aufgeworfen. Wir brauchen Partner aus der Wirtschaft, die dabei mitmachen. In Regensburg funktioniert es zum Beispiel mit einer Bank, die die Maßnahmen mitfinanziert.

Wir brauchen bei Bildung und Sprache noch jemanden dazu. Wir brauchen bei allen Projekten und Programmen, die wir aufbauen, die Eltern dazu. Wir können ohne Eltern, ohne die Mütter, nichts machen. Deshalb ist mein großer Wunsch die Installierung der Elternschule. Ich weiß, dass es dazu schon viele Projekte gibt. Es sind aber immer nur Einzelprojekte. Diese Projekte müssen wir zusammenführen, um die Eltern zu qualifizieren, damit sie Verantwortung übernehmen können. Ich kenne Projekte, die gut sind. In Erlangen gibt es die Begleiter, die die Kinder in den letzten zwei oder drei Jahren der Hauptschule von der Schule in den Beruf begleiten, weil die Eltern die Verantwortung dafür nicht sehen und sie auch nicht haben wollen.

In Bayern gibt es sehr viele gute Projekte. Die Elternschule soll nicht an einer Moschee oder einer Kirche angegliedert werden. Die Elternschule muss neutral an einer Volkshochschule eingerichtet werden. Sie muss den Leuten die Wege aufzeigen, wie sie ihre Kinder in eine gute Zukunft bringen können.

Gleichzeitig sind wir auch zur Willkommenskultur verpflichtet. Wir brauchen eine Willkommenskultur für diejenigen, die unsere Werte und unsere Gesetze akzeptieren. Wer dies akzeptiert, gehört auch zu uns. Diese Leute müssen wir willkommen heißen. Das müssen wir wertschätzen und anerkennen. Dazu brauchen wir auch Teilhabe. Für alle Möglichkeiten der Integration brauchen wir aber Zeit und Geduld.

Die Einbürgerungsfeiern sind ein Teil der Willkommenskultur. Wir haben in allen Städten Bayerns nachgefragt, wo es Einbürgerungsfeiern gibt. Sie werden überrascht sein, wo es diese Feiern mittlerweile überall gibt. Sie werden überrascht sein, in welch festlichem Rahmen diese Feiern mittlerweile ablaufen. Ich war am Freitag in Neuburg an der Donau. Dort gab es eine phantastische Willkommensfeier. Zwanzig junge Menschen sind dort mit Freude Deutsche geworden. Man kann wirklich etwas bewegen, und dazu bitte ich Sie um Unterstützung.

Über die Grundwerte ist bei aller kultureller Diversität nicht zu verhandeln. Die Grundwerte stehen. Arbeit schafft Integration, Bildung schafft Integration, und die Werte schaffen Integration. Werte wie Demokratie, Selbstbestimmung, Toleranz, Gleichberechtigung und Freiheit schaffen Integration. Natürlich gehört auch die Religion dazu. Allerdings habe ich ein großes Problem damit, wenn wir Politiker religiöse Themen behandeln. In der Interpellation wird auch das Thema Religion angesprochen. Wir Politiker können keine religiösen Probleme lösen. Das ist in einem säkularen Staat nicht unsere Aufgabe. Das müssen wir den Kirchen und den Religionsgemeinschaften überlassen.

Ich glaube, wir lehnen uns dabei zu weit hinaus und nehmen uns zuviel heraus. Bei den Debatten über Religion und Glaube sind wir auch gefragt, aber bei diesen Themen müssen die Verantwortlichen der Kirchen und Religionsgemeinschaften die Hauptrolle spielen.

Herr Kollege, lassen Sie eine weitere Zwischenfrage von Frau Ackermann zu?

Frau Ackermann, dann bitte.

Herr Kollege Neumeyer, Sie sagen, Sie wollen sich nicht bei Fragen der Religion einmischen. Darin gebe ich Ihnen vollkommen recht. Wollen Sie sich dann einmischen, wenn Menschen, die sich hier einbürgern wollen, unverhältnismäßige Schwierigkeiten auf dem Weg zur Einbürgerung gemacht werden? Auch diese Menschen würden gerne das Einbürgerungsfest feiern.

Ich verstehe jetzt den Bezug nicht. Was hat das mit Religion zu tun?

Um das eine müssen wir uns wirklich nicht kümmern, aber um das andere müssen wir uns kümmern. Ich habe Sie gefragt, ob Sie dazu einen Beitrag leisten wollen.

Bei Einbürgerungsfeiern bin ich immer gerne dabei. Ich habe jedoch Ihre Frage nicht verstanden. Ich verstehe nicht den Bezug zur Religion.

Ich bitte um Entschuldigung, Herr Neumeyer, aber das geht von Ihrer Redezeit ab. Ich schlage vor, Frau Ackermann macht anschließend eine Zwischenbemerkung und wir machen jetzt weiter.

Es geht mir darum, dass Menschen bei ihrem Einbürgerungsprozess nicht unnötig bürokratisch behindert werden, wie das Beispiel gezeigt hat, das ich genannt habe. Ich könnte Ihnen unzählige andere Beispiele nennen.

Das Beispiel mit den Kosovaren ist deshalb ein Problem, weil hier zwei Staatsbürgerschaften hereinspielen, die serbische und die kosovarische. Die Serben entlassen ihre Bürger nicht aus der serbischen Staatsbürgerschaft, während dagegen die Kosovaren das machen. Das ist die Crux. Zwei Bundesländer, Bayern und Thüringen, regeln es noch so, wie Sie es gesagt haben, die anderen Län

der machen es anders. Das Problem sind die zwei Staatsbürgerschaften. Viele wollen Deutsche werden. Ich kenne das Problem. Ich diskutiere auch mit den Verantwortlichen über dieses Problem, aber wir haben momentan noch keine Lösung gefunden. Ich kenne die Sondersituation mit den zwei Staatsbürgerschaften. Das bitte ich auch so zu sehen. Wir bemühen uns um eine Lösung, aber wir können nicht mehr als Gespräche anzubieten. Trotzdem sind wir dabei, dieses Problem zu lösen, und ich bin Ihnen auch dankbar, dass Sie es erwähnt haben.

Die letzten zwei Minuten darf ich noch nutzen, um etwas zum Integrationsbeauftragten bzw. zum Bayerischen Integrationsrat zu sagen. Der Bayerische Integrationsrat wurde gegründet, um das soziale Forum zum Thema Integration abzulösen. Die Staatsregierung wollte, dass es nicht drei, vier oder fünf runde Tische gibt, die sich gegenseitig Papiere zuschieben. Deswegen wollen wir das Thema Integration nur im Integrationsrat behandeln. Wenn das Kultusministerium einen speziellen schulischen runden Tisch hat, behandeln wir im Integrationsrat dieses Thema nicht, um über ein Thema nicht mehrfach, sondern nur einmal gescheit zu beraten. Die Handlungsempfehlungen, die wir herausgeben, sind mit den Parteien, den Ministerien, den verschiedenen Organisationen und auch Menschen mit Migrationshintergrund abgestimmt. Teilweise werden sie von den Ministerien angenommen, teilweise noch nicht. Ich wünschte mir hier auch manchmal mehr.

Heute vor einer Woche hatte ich ein Gespräch mit dem Bayerischen Städtetag über die Handlungsempfehlungen, über die Fachkräfteproblematik, über das bürgerschaftliche Engagement, über interkulturelle Kompetenz und über Teilhabe in Verwaltungen. Es war ein sehr heftiges Gespräch, weil manches, was wir uns wünschen, nicht so leicht durchsetzbar ist. Unsere Politik ist ein Fördern und Fordern. Beides ist der Weg zur Integration. Trotz allem ist Integrationspolitik kein permanentes Straßenfest und kein permanentes Fußballspiel. Helfen wir zusammen!

(Beifall bei der CSU und der FDP - Alexander König (CSU): Sehr gute Rede, Herr Kollege!)

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Weikert von der SPD.

(Alexander König (CSU): Schwierig, noch eins draufzusetzen!)

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal ein Lob an die GRÜNEN: Ich darf euch bescheinigen, dass ihr euch wirklich sehr viel Mühe beim Zusammenstellen der Interpella

tion gemacht habt. Die Interpellation war auch wirklich sehr interessant zu lesen.

Ich möchte an dieser Stelle gleich darauf hinweisen, dass auch die SPD den Diskussionsprozess im Parlament belebt hat. Wir haben das Integrationsgesetz entwickelt und hier eingebracht. Darauf möchte ich aber an anderer Stelle eingehen. Jedenfalls gibt uns die Interpellation heute Gelegenheit, das Thema Integration grundsätzlicher zu betrachten. Das will ich jetzt versuchen.

Seit sechs Jahrzehnten erleben wir Zuwanderung in unser Land. In diesem Jahr feiern wir den 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei. Wir alle mussten lernen, dass nicht nur Arbeitskräfte, sondern Menschen kamen, die zwischenzeitlich ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland und in Bayern haben und deshalb zu Mitbürgern geworden sind. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wer als Erster erkannt hat, dass die Menschen, die zu uns kommen, auch integriert werden müssen. Wir Sozialdemokraten können für uns in Anspruch nehmen, dass bereits 1979 unter Führung des Bundeskanzlers Helmut Schmidt, der noch heute hoch geschätzt wird, der erste Ausländerbeauftragte der Bundesrepublik Deutschland, Heinz Kühn von der SPD, von notwendigen Integrationsmaßnahmen gesprochen und gleichzeitig Deutschland als Einwanderungsland bezeichnet hat.

(Beifall bei der SPD)

Der Streit darüber, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist, dauert leider bis heute. Erst im November 2010 haben Sie, Frau Haderthauer, in Ihrer Regierungserklärung wieder einmal verkündet, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Sie schicken die entsprechende Broschüre wahrscheinlich auch noch tausendfach im Land herum. Diese Einschätzung verdeutlicht gleichzeitig eine Haltung, die darauf abzielt, Zuwanderung abzuwehren. Sie vermittelt das Bild einer geschlossenen Gesellschaft. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Wenn man die Fakten zur Kenntnis nimmt, wird deutlich, dass die Einwanderung unser Land sowohl kulturell als auch wirtschaftlich bereichert hat.

(Beifall bei der SPD)

Des Weiteren möchte ich Sie mit Aussagen konfrontieren, die Sie immer wieder leichtfertig machen. Ein Beispiel ist die Aussage, Multikulti sei tot. Was heißt das eigentlich? Multikulti heißt Anerkennung kultureller Unterschiede statt Gleichmachung oder Marginalisierung. Was ist daran tot? Das frage ich Sie. Gerade die kulturellen Unterschiede machen unser Zusam

menleben so lebendig und kennzeichnen eine moderne Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD)

Gerade in der globalisierten Welt, in der wir leben, ist das Wissen um die Lebenswelt aller anderen Völker eine Chance, die wir ergreifen sollten, wenn wir weiterhin beim Export die Nummer eins sein wollen. Die Große Koalition in Berlin - Schwarz-Rot - hat deshalb folgerichtig einen nationalen Integrationsplan entwickelt, der eine Abkehr vom bisherigen Integrationsverständnis in drei zentralen Punkten fordert:

Erstens: Zukünftig muss es verstärkt darum gehen, Zuwanderer in unserer Gesellschaft vorrangig an ihrem Potenzial und nicht an ihren Defiziten zu messen.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens: Integrationspolitik braucht ein Gesamtkonzept und nicht nur ein Bündel von Einzelmaßnahmen.

Drittens: Integration beginnt mit einem Zugehörigkeitsgefühl. Es geht um die Identität des Menschen. Das hat uns Herr Neumeyer auch bestätigt.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Zusammenhang geht es auch um die Aufnahmebereitschaft der Mehrheitsgesellschaft. Die Bayerische Staatsregierung - ich wundere mich, dass Herr Neumeyer das nicht zitiert hat - hat von der Universität Bamberg eine Studie erstellen lassen, die sehr interessant ist und den aktuellen Stand der Migration in Bayern abbildet. In dieser Studie wird aufgrund eines Forschungsbefunds festgestellt - ich zitiere -: "Damit lassen sich auch an dieser Stelle wiederum Hinweise auf eine mangelnde Integrationsbereitschaft der Mehrheitsgesellschaft und deren geringes Interesse an den Menschen mit Migrationshintergrund entnehmen, worin" - jetzt werden die Namen von zwei bekannten Migrationsforschern genannt "nach Wippermann und Flaig das eigentliche Integrationsproblem in Bayern besteht." Das bedeutet: Die Mehrheitsgesellschaft ist gefordert.

(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): So ist es!)

Wenn das so ist - das sagen die Migrationsforscher -, ist es besonders entscheidend, was die politisch Verantwortlichen in diesem Land zur Meinungsbildung in unserer Gesellschaft beitragen. Bei der Staatsregierung gibt es erhebliche Defizite. Frau Haderthauer, leider sind Sie alleine. Ich möchte Herrn Seehofer zitieren, der manchmal noch schärfer ist als Sie. Ich zitiere aus einen Interview des "Focus" mit Horst Seeho

fer vom Oktober 2010 - das ist noch nicht sehr lange her: "Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun. Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen."

"Mehr als zwei Drittel der Antragsteller missbrauchen unser Gastrecht." Frau Haderthauer, das Zitat stammt von Ihnen.

(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): Unglaublich!)

Ich könnte diese Zitate fortsetzen. Sie sind jedoch so schlecht, dass ich sie gar nicht häufiger vortragen möchte. Jedem müsste klar sein, vor allem den Verantwortlichen in der Politik, dass solche Vorurteile sich nicht positiv auf die Mehrheitsgesellschaft auswirken, sondern Vorurteile noch verstärken.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP))