Protokoll der Sitzung vom 14.07.2011

Sie von Rot-Grün haben hingegen in Ihrer Regierungszeit über 19 Steuererhöhungen beschlossen und damit die Bevölkerung belastet. Wir haben mit unserer Steuerpolitik eine andere Richtung eingeschlagen. Wir entlasten die Leistungsträger. Ihr Argument, dass es zu einer Belastung der öffentlichen Haushalte komme, ist de facto falsch. Vor der Verabschiedung des Wachstums- und Beschleunigungsgesetzes haben wir Einnahmen von 28 Milliarden Euro für das Jahr 2010 eingeplant, es sind aber 1,5 Milliarden Euro mehr geworden. Auch die Kommunen und der Bund haben mehr eingenommen. Durch das Wachstums- und Beschleunigungsgesetz sind in der gesamten Bundesrepublik Steuermehreinnahmen realisiert worden. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der FDP)

Das schlägt sich auch in den Wachstumszahlen nieder. Als Rot-Grün regiert hat, war Deutschland beim Wirtschaftswachstum das Schlusslicht in Europa. Heute ist Deutschland die Wachstumslokomotive. Deutschland verzeichnet 2 % mehr Wachstum als beispielsweise Großbritannien oder Frankreich. Das ist unter Schwarz-Gelb mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz erreicht worden. Nehmen Sie die Tatsachen endlich einmal zur Kenntnis.

(Beifall bei der FDP)

Wenn man über weitere Steuersenkungen spricht, dann muss man auch auf eines hinweisen: Wir reden ausdrücklich über nicht eingeplante Steuermehreinnahmen. Bund und Länder haben jetzt schon 17 Milliarden Euro mehr eingenommen als 2010. Das haben die Bürgerinnen und Bürger erwirtschaftet. Die haben sich angestrengt und dafür gesorgt, dass die Wirtschaft läuft. Deshalb ist es legitim, dass sie einen Teil der Steuermehreinnahmen zurückbekommen.

(Beifall bei der FDP)

Bei den Steuereinnahmen bewegen wir uns auf ein Rekordniveau zu. Wahrscheinlich wird es schon in diesem Jahr erreicht, spätestens aber im nächsten. Es ist richtig, dass wir dieses Thema jetzt angehen.

Ich hätte heute gern eine klare Aussage seitens der Oppositionsparteien, vor allem der SPD. Wir haben in diesem Jahr ein durchschnittliches Lohnwachstum von 2,7 % bei einer Inflation von 2,4 %. Wenn Sie sich angesichts dieser Zahlen hier heute gegen die Bekämpfung der kalten Progression aussprechen, dann greifen Sie damit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in die Tasche. Die haben am Ende weniger in der Tasche als vorher. Dafür tragen Sie die Mitverantwortung. Man wird Sie draußen dafür stellen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Lassen Sie mich noch ein Argument anführen. Wir sind hier in Deutschland die klaren Energiewendemacher.

(Lachen bei den GRÜNEN)

- Ich warte, bis Sie ausgelacht haben. - Zur Ehrlichkeit gehört eines dazu: Wenn wir die Energiewende schultern wollen, wird das nicht nur mit staatlichen Ausgaben gehen, sondern die Privaten müssen einbezogen werden. Das geht nur, wenn man den Menschen dieses Geld belässt. Auch aus diesem Grund ist eine Steuersenkung vor dem Hintergrund der kalten Progression absolut geboten.

Ich bin gespannt, ob Sie nun Ihre alten Argumente wiederholen oder sich endlich zu den Tatsachen in dieser Republik bekennen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Halbleib.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Kollege Klein, Ihr Antrag zur Steuerpolitik kommt ganz merkwürdig daher. Er enthält kleinteilige Vorschläge zur Steuervereinfachung, statt im Sinne des großen FDP-Mantra tiefgreifende Entlastungen anzustreben. Über Vorund Nachteile kann man natürlich durchaus streiten. Wer ist denn gegen Steuervereinfachung?

In dem Antrag ist - hört, hört! - von Entlastung der Arbeitnehmer und der Familien die Rede. Das klingt ganz gut. Dann ist von einer - für die FDP ist das wirklich eine vernünftige Formulierung - Begrenzung der finanziellen Auswirkungen von Steueränderungen mit Blick auf die Situation der öffentlichen Haushalte die Rede. Dadurch wird dieser FDP-Antrag ein bisschen merkwürdig.

Bei genauer Betrachtung erkennt man in dieser vermeintlichen Harmlosigkeit ein ausgesprochenes politisches Ärgernis. Der Beitrag des Kollegen Klein zur Begründung des Antrags verstärkt diesen Eindruck.

Was hier stattfindet, Herr Kollege Klein, ist der Ausweis politischer Scheinheiligkeit. Ihre wohlfeilen Worte passen nicht zu den Taten. Ich meine Ihre Worte, dass die Gesamtbelastung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern reduziert werden müsse. Was haben Sie zum Jahresanfang gemacht? Mehr Brutto vom Netto für Arbeitnehmer - das ist genau das Gegenteil dessen, was Sie versprochen haben. Versprochen haben Sie mehr Netto vom Brutto. Seit dem 1.

Januar dieses Jahres haben Sie das Gegenteil gemacht. Sie haben nämlich die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhöht. Das ist Ihre Politik. Ihr Antrag steht dem fundamental entgegen.

Herr Kollege Halbleib, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Thalhammer?

Vielleicht zum Ende meiner Rede. - Die Arbeitnehmer zahlen 8,2 % an Sozialversicherungsbeiträgen einschließlich Krankenversicherung. Die Arbeitgeber zahlen nur 7,3 %. Die Zusatzbelastung summiert sich auf insgesamt 3 Milliarden Euro pro Jahr. Auch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind gestiegen. Ein Arbeitnehmer mit einem Einkommen von 2.500 Euro im Monat zahlt im Jahr durchschnittlich rund 120 Euro mehr Sozialabgaben, von dem Damoklesschwert der steigenden Zusatzbeiträge ganz abgesehen.

Aber Sie stellen hier einen Antrag auf Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrags, wodurch dem durchschnittlichen Arbeitnehmer höchstens drei Euro zurückgegeben werden. Wenn der um 120 Euro höheren Abgabenbelastung drei Euro pro Monat Steuerentlastung gegenüberstehen, dann ist das keine seriöse Finanz- und Abgabenpolitik, sondern Volksverdummung. Davon haben die Bürgerinnen und Bürger draußen im Lande genug.

(Beifall bei der SPD)

Wo haben Sie sich in Ihrer Steuerpolitik denn um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gekümmert? Sie haben mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz Privileg- und Klientelpolitik betrieben. Das war keine Politik für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern für Hoteliers, die wohlhabenden Erben und die Großunternehmen. Das waren Ihre Kernbotschaften. Das war Ihre Kernarbeit in der schwarz-gelben Koalition. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Sie nichts zustande gebracht. Das ist Fakt; das muss man an dieser Stelle deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Ihr Antrag ist ein Ablenkungsmanöver zur Tarnung der eigentlichen steuerpolitischen Absichten. Ihr Ziel ist gar nicht die Entlastung der Arbeitnehmer oder der Abbau unnötiger Bürokratie.

(Jörg Rohde (FDP): Unverschämtheit!)

Sie wollen - dazu sollten Sie sich im Bayerischen Landtag ehrlicherweise bekennen - eine radikale Umgestaltung unseres Steuersystems erreichen.

(Jörg Rohde (FDP): Richtig!)

Sie fressen auch in diesem Antrag Kreide und sind der Wolf im Schafspelz, weil Sie mit Ihrer bisherigen Steuerpolitik und mit Ihrem bisherigen Parteivorsitzenden, der diese Steuerpolitik permanent in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion gestellt hat, absoluten politischen Schiffbruch erlitten haben.

Aber die Tarnung Ihrer Steuerpolitik wird Ihnen nicht helfen. Die FDP ist weiterhin eine politische Vertretung radikaler Steuermodelle. Sie sind im Bayerischen Landtag die Vertretung Paul Kirchhofs. Der Name Paul Kirchhof steht dafür: Besserverdienende und Wohlhabende zahlen weniger Steuern, und die Arbeitnehmer zahlen mehr. Aber das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Sie hinterlassen völlige Unklarheit bei der finanzpolitischen Gretchenfrage: Wollen Sie Steuersenkungen großen Umfangs auf Pump finanzieren? Wenn Sie nicht auf uns hören, Herr Kollege Klein - das sei Ihnen ja zugestanden -, dann hören Sie wenigstens auf den Präsidenten der Deutschen Bundesbank, der ganz klar sagt: Diese Art von Steuerpolitik ist nicht zielführend. Von dieser Art Steuerpolitik sollten wir Abstand nehmen. Sie sollten einmal nachlesen, was der Präsident Ihnen ins steuerpolitische Lehrbuch schreibt, wenn Sie uns schon nicht vertrauen.

(Beifall bei der SPD)

Zu den einzelnen inhaltlichen Punkten nehme ich kurz Stellung. Durch den Arbeitnehmerpauschbetrag haben nur 1,6 % der Steuerpflichtigen weniger Bürokratieaufwand. Die Auskunfts- und Gebührenpflicht sind keine echten Vereinfachungen; das ist ganz klar. In der Behandlung der Kinderbetreuungskosten, so wie Sie es vorschlagen und es die schwarz-gelbe Bundesregierung will, sind steuersystematische Brüche.

Mit uns ist auch nicht zu machen, dass privilegiert wird, wenn Söhne reicher Eltern zukünftig Kapitaleinkünfte ohne Probleme sozusagen abschreiben können. Demgegenüber wollen Sie, dass Kinder armer Eltern Beschränkungen beim Zuverdienst haben. Auch das ist mit uns nicht zu machen.

Wir wollen eine solide Finanzpolitik an die Stelle unseriöser Steuerversprechen setzen. Sie sollten sich endlich von Ihrer unseriösen Steuerpolitik verabschieden. Versprechen haben die Bürger satt.

Gegen eine Steuerpolitik als politische Stützungsmaßnahme - so kommt es einem ja wirklich vor - für das

Überleben der FDP und einer maroden schwarz-gelben Koalition wehren wir uns. Derartiges hat im Bayerischen Landtag nichts zu suchen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Kirschner hat sich zu einer Intervention gemeldet.

Lieber Kollege Halbleib, ich könnte jetzt ein Korreferat über drei Stunden halten, um Sie zu überzeugen, dass Sie die Dinge sehr oberflächlich angeschnitten haben. Aber darüber können wir einmal ein Vieraugengespräch führen.

Ich beschränke mich jetzt auf drei Dinge: Was die Sozialversicherungsbeiträge betrifft, so wissen Sie, dass die demografische Entwicklung eine wesentliche Rolle spielt. Wenn Sie meiner diesbezüglichen Auffassung nicht folgen, sagen Sie es bitte. Die Belastung durch den Gesundheitsfonds hat wesentlich dazu beigetragen, dass wir hier nachsteuern müssen.

Was die Erbschaftsteuer betrifft, hätten die Vorstellungen der SPD zu einer massiven Belastung von Betrieben und damit auch von Arbeitnehmern geführt. Da haben wir nachkorrigiert und gegengesteuert.

Der dritte Punkt, und damit komme ich zu einem Thema, über das ich mich maßlos ärgere. Es ist die verbindliche Auskunft. Der Staat hat die Pflicht, Steuergesetze zu erlassen, mit denen der Bürger etwas anfangen kann. In den letzten 30 Jahren hatten wir eine ungeheure Rechtsunsicherheit, weil der Staat nicht in der Lage war, ordentliche Gesetze zu erlassen. Damit der Bürger Rechtssicherheit bekommt, muss er beim Finanzamt Auskünfte einholen und für ein verbindliches Nein der Steuerverwaltung bis zu 95.000 Euro Auskunftsgebühren bezahlen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Halbleib, bitte.

Danke schön, Herr Kollege Kirschner, für Ihre Bestätigung, dass die FDP das, was sie propagiert hat - mehr Netto vom Brutto -, in ihrer Regierungspolitik bislang nicht eingehalten hat.

(Jörg Rohde (FDP): Dazu mussten wir erst den Haushalt konsolidieren!)

Im Gegenteil, Sie haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer belastet. Danke schön für diese Bestätigung.