Protokoll der Sitzung vom 14.07.2011

Im Gegenteil, Sie haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer belastet. Danke schön für diese Bestätigung.

Zu den vielfältigen Steuervereinfachungen. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gab es im Deutschen Bundestag eine Anhörung. Die Auffassung vieler Fachleute war, dass viele Vorschläge - der Kollege Klein hat sie genannt, es waren 30 oder 32 an der Zahl - die Überschrift "Vereinfachung" zu Unrecht tragen und zum Teil sogar zu Verkomplizierungen führen. Bei der Auskunftspflicht widerspreche ich Ihnen nicht grundsätzlich. Ich sage nur: Wenn Sie das zu einem entscheidenden Punkt der Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer machen und es als einen Punkt unter vier Spiegelstrichen aufführen, dann geht es völlig an der Dimension dieser Frage vorbei.

(Jörg Rohde (FDP): Das ist nicht der entscheidende Punkt!)

Sie sollten sich auf die Schwerpunkte konzentrieren, Ihre Steuerpolitik ändern und mehr für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und weniger für Ihre Klientel tun. Ich bin dem Kollegen Barfuß ausdrücklich dafür dankbar, dass er das Steuergeschenk für die Hoteliers als solches auch bezeichnet und es als Fehlentscheidung eingeschätzt hat.

(Jörg Rohde (FDP): Das war Ihr Wunsch, wenn Sie sich erinnern!)

Das hat Kollege Barfuß heute im Landtag gesagt, und insofern darf ich mich für die Zwischenfrage bedanken.

Bei dieser Gelegenheit darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass die Fraktion der FDP zu ihrem Dringlichkeitsantrag namentliche Abstimmung beantragt hat. Sie wird nach der Aussprache stattfinden.

In dem Zusammenhang gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Bause, Dr. Runge, Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), der Abgeordneten Rinderspacher, Pfaffmann, Steiger und anderer und Fraktion (SPD) sowie der Abgeordneten Aiwanger, Streibl, Prof. Dr. Bauer und anderer und Fraktion (FREIE WÄHLER) zur Finanzierung von Altenpflegeschulen, Drucksache 16/9255, bekannt. Mit Ja haben 69 Mitglieder des Hauses gestimmt, mit Nein 88. Es gab eine Stimmenthaltung. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Wir fahren in der Aussprache fort. Ich rufe Herrn Kollegen Graf Lerchenfeld als nächsten Redner auf.

Sehr geehrter Herr Präsident, Hohes Haus! Am Freitag, dem 22. Juli 2011, werden wir in Köfering eine Theatergruppe aus England zu Gast haben, die ein Stück von William Shakespeare aufführt: Much ado about nothing. Auf Deutsch: Viel Lärm um nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Widerspruch bei Abgeordneten der FDP)

Ich lade Sie sehr, sehr herzlich ein, sich dieses Theaterstück bei uns anzusehen. Vielleicht können Sie daran erkennen, wie unsinnig manche Dringlichkeitsanträge sind, die wir heute hier behandeln.

Gleich zu Anfang möchte ich zu Recht feststellen, dass wir dem Antrag unserer hoch geschätzten Koalitionskollegen der FDP selbstverständlich zustimmen werden.

(Markus Rinderspacher (SPD): Also Leute!)

Mit dem Antrag unserer Kollegen wird die Bayerische Staatsregierung dazu aufgefordert, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die vom Bundestag beschlossenen Maßnahmen zur Steuervereinfachung unterstützt werden - ein löbliches Ansinnen. Das ist zu begrüßen, aber es wird für die Bayerische Staatsregierung wahrscheinlich sehr schwierig sein, nachdem der Bundesrat dieses Gesetzesvorhaben abgelehnt hat und auch nicht zugelassen hat, dass es in den Vermittlungsausschuss kommt. Dieser vernünftige Vereinfachungsvorschlag zur Steuerpolitik ist somit leider Gottes zum Scheitern verurteilt worden.

Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat zeigen ganz deutlich, wie sich in Zukunft die politischen Verhältnisse in Deutschland darstellen werden. Meine lieben geschätzten Kolleginnen und Kollegen, ich muss ehrlich sagen, das macht mir Sorge. Wir haben so etwas schon einmal zu Zeiten Ihres damaligen großartigen Vorsitzenden Lafontaine erlebt, der mit einer totalen Blockade auch die vernünftigsten Gesetzesvorhaben verhindert hat. Dieser unheiligen Koalition von Ländern, die von Linken und der SPD oder von Rot-Grün regiert werden, geht es nicht um vernünftige Lösungen für Deutschland und die deutschen Bürger, sondern ausschließlich um Blockaden.

(Beifall bei der CSU)

Der Antrag der FDP ist auch Auslöser für einen nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der SPD, dessen Konsequenzen aber gar nicht mehr nachvollziehbar sind. Bei diesem Antrag handelt es sich um ein Sammelsurium verschiedener ungeordneter Gedanken zur Steuerpolitik ohne wirkliche Substanz und ohne echte Ideen. Der Antrag der SPD ist lang und umfangreich.

Das ist aber schon das Einzige, was ich ihm zugestehen kann.

Im fünften Punkt Ihres Antrags sprechen Sie sich für eine Steuervereinfachung aus, die gerade den Beziehern kleinerer Einkommen helfen würde. Gleichzeitig lehnen Sie aber alle Maßnahmen zur Vereinfachung ab, weil Sie sagen, es müsse alles unterlassen werden, was die Höhe des Steueraufkommens reduziere. Eine Steuervereinfachung durch die Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrages um nur lächerliche 80 Euro lehnen Sie im Bundesrat ab. Die Kinderfreibeträge lehnen Sie im Bundesrat ab. Die Beschränkung der Gebührenpflicht für verbindliche Auskünfte lehnen Sie im Bundesrat ab. Die Bereitstellung eines vorausgefüllten Steuererklärungsentwurfs lehnen Sie im Bundesrat ab. Gleichzeitig fordern Sie aber die Staatsregierung auf, Maßnahmen zu initiieren und zu unterstützen, die wirkliche Erleichterungen für die Bürgerinnen und Bürger bedeuten, so zum Beispiel die angemessene Anpassung von Pauschbeträgen und Kinderfreibeträgen sowie die von den Länderfinanzministern geforderte vorausgefüllte Steuererklärung.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Halbleib?

Nein, Herr Kollege Halbleib kann gerne nachher reden, wenn er möchte.

Was wollen Sie eigentlich? Im Bundesrat lehnen Sie vernünftige Vorhaben ab, und hier im Landtag fordern Sie die Staatsregierung auf, genau diese Maßnahmen zu ergreifen. Das zeigt die ganze Konsequenz Ihrer Politik. Sie sind konsequent im Nichthandeln. Ich sage Ihnen nur, wie ich es Ihnen schon eingangs gesagt habe: Viel Lärm um nichts.

(Beifall bei der CSU)

Aus der Zwischenfrage ist eine Zwischenbemerkung geworden, wenn Sie möchten, Herr Kollege Halbleib.

Geschätzter Herr Kollege Graf von und zu Lerchenfeld, ich wundere mich schon, dass Sie die CDU-Ministerpräsidenten mittlerweile in die Kategorie der linksorientierten Ministerpräsidenten einordnen. Die Steuerkonzeption, die Schwarz-Gelb für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2013 auf den Weg gebracht hat, ist nicht nur bei den SPD-regierten Ländern, sondern auch und gerade bei den CDU-regierten Ländern auf massiven Widerstand gestoßen. Das sollten Sie zumindest zur Kenntnis nehmen und vielleicht darüber nachdenken, ob die Plattitüden, die Sie hier im politischen Angriff vortragen, gerechtfertigt sind.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite Punkt. Wenn Sie den Antrag richtig gelesen hätten, hätten Sie festgestellt - zum Schluss haben Sie es auch gesagt -, dass wir für vernünftige Lösungen beim Arbeitnehmerpauschbetrag und bei den Kinderfreibeträgen sind. Sie können sich aber nicht als Partei darstellen, die für die Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eintritt, wenn Sie im gleichen Jahr die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer massiv belasten. Das passt nicht zusammen. Das kritisieren wir. Die Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrags wirkt sich mit drei Euro pro Monat aus. Im Gegenzug werden die Arbeitnehmer aber um 120 Euro mehr belastet. Diese falsche Kombination und diese Scheinheiligkeit regen uns auf. Wir wollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlasten. Sie wollen es nicht. Sie verteilen Placebos, von denen Sie meinen, dass sie politisch gut ankommen. Das Gegenteil ist aber leider der Fall.

(Beifall bei der SPD)

Graf von und zu Lerchenfeld, bitte.

Herr Kollege Halbleib, wenn Sie die Bundesratsprotokolle lesen, sehen Sie sehr deutlich, wie dort abgestimmt worden ist. Es gab eine einheitliche Front der A-Länder, die B-Länder haben geschlossen für das Vorhaben der Bundesregierung gestimmt. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Dass Ihre Einlassung, Sie würden die Arbeitnehmer so gut vertreten, nicht stimmt, können Sie, glaube ich, am besten selbst erklären.

(Beifall bei der CSU)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Pointner.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Graf von und zu Lerchenfeld, vielen Dank, dass Sie mir die Worte hinsichtlich der unsinnigen Anträge schon aus dem Mund genommen haben. Ich gehe davon aus, dass Sie den FDP-Antrag meinen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Meiner Meinung nach ist der Antrag überflüssig und unsinnig. Hätten wir den Antrag gestellt, hätten Sie ihn genau aus diesem Grunde abgelehnt. Fakt ist, dass das Steuervereinfachungsgesetz, das im Finanzausschuss des Bundesrats gescheitert ist, im Bundestag beschlossen wurde. Jetzt muss eine Lösung gefunden werden. Meines Wissens besteht das

Problem darin, dass das Steuervereinfachungsgesetz die Möglichkeit einer zweijährigen Steuererklärung enthält. Das halten wir für bürokratisch und überflüssig. Man sollte sich darauf einigen, diesen Punkt herauszunehmen. In diesem Falle wird die Zustimmung zu diesem Steuervereinfachungsgesetz möglich sein. Das ist mit den Vertretern im Bundesrat vereinbart worden.

Zum Antrag der FDP im Einzelnen: Selbstverständlich können wir den vier Punkten, die Sie in Ihrem Antrag explizit genannt haben, zustimmen. Zwar ist Ihr Antrag nicht der große Wurf - ganz klar -, aber die einzelnen Punkte kann man akzeptieren. Die Entlastungen oder Mindereinnahmen in Höhe von 588 Millionen Euro - das wurde so errechnet - sind zu schultern. Die Steuervereinfachung wird der Bund alleine tragen und nicht auf die Länder und Kommunen übertragen. Das Problem steckt jedoch im Detail. Mit den Worten "unter anderem" in Ihrem Antrag schließen Sie die zweijährige Steuererklärung ein. Das können wir nicht akzeptieren. Da der Antrag unsinnig und überflüssig ist, werden wir ihn ablehnen.

Wir hätten uns noch weitere Vereinfachungen gewünscht, beispielsweise die Anhebung des Behindertenpauschbetrags. Dies würde den bürokratischen Aufwand erleichtern. Ihrem Antrag können wir nicht zustimmen, auch wenn wir bis auf eine Ausnahme inhaltlich mit diesem Antrag einverstanden sind.

Der nachgezogene Dringlichkeitsantrag der SPD hat mit dem Dringlichkeitsantrag der FDP nicht viel zu tun. Hier wird ein ganz anderes Feld beackert. Es geht um die gesamte politische Auseinandersetzung der letzten Wochen und die Steuerpolitik im Allgemeinen. Im Punkt fünf des Antrages der SPD wird auf den Dringlichkeitsantrag der FDP eingegangen. Herr Halbleib, Sie sagten, Sie stimmten dem Antrag zu, wenn nicht einige Punkte enthalten wären, die ich auch gerade angesprochen habe. Die Punkte eins bis vier enthalten richtige Ansätze. Es ist nicht möglich, Steuerermäßigungen zu erlassen, solange der Bund, ein Großteil der Länder und die Kommunen neue Schulden machen müssen, und zwar erhebliche. Wenn der Bund im nächsten Jahr Schulden in Höhe von 27,4 Milliarden Euro macht, haben wir keine großen Spielräume. Das muss man so feststellen. Wir wollen nicht immer tiefer in den Schuldenstaat gleiten. Aktuell können wir anhand anderer Länder sehen, wie weit eine Verschuldung gehen kann. Möglicherweise werden wir noch erheblich belastet.

In Punkt eins des Antrags der SPD stört mich der Begriff "Steuergeschenk". Eine steuerliche Entlastung ist kein Geschenk für den Bürger. Stattdessen wird den Bürgern etwas weniger weggenommen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der FDP)

Es handelt sich um ein Geschenk, wenn eine Klientel bedient wird. Im Hinblick auf die Frage der Gerechtigkeit handelt es sich nicht um ein Geschenk.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie haben komplizierte Sachverhalte in Ihren Dringlichkeitsantrag aufgenommen. Nun sollen wir in fünf, drei oder zwei Minuten abhandeln, worüber Bund und Länder Stunden, Tage und Wochen diskutiert haben. Das ist völlig unmöglich. Eigentlich kann man nur mit Stichworten arbeiten.

Punkt zwei Ihres Antrags geht auch in die richtige Richtung. Allerdings ist mir der Punkt zu radikal und zu absolut. Beispielsweise könnte der vorher genannte Behindertenpauschbetrag erhöht werden. Die kalte Progression ist ebenfalls ein Thema. Das ist ganz klar. Eine Rückführung wäre wünschenswert, da die kalte Progression eine heimliche Steuererhöhung und der Abbau keine Steuerminderung darstellt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Dafür müssen jedoch die Spielräume in Form einer geeigneten Gegenfinanzierung vorhanden sein. Momentan sehe ich diese Spielräume nicht; es sei denn man ginge nur sehr maßvoll an die kalte Progression heran.

In Punkt vier haben Sie die paritätische Belastung angesprochen. Jedoch haben Sie die Senkung der Sozialabgaben nur sehr allgemein angesprochen. Eigentlich ist das inkonsequent. Grundsätzlich gilt für Sozialabgaben das Gleiche wie für Steuereinnahmen: Sie dienen der Deckung der Ausgaben. Wenn Sie die Sozialabgaben senken wollen, beispielsweise durch höhere Beiträge der Arbeitgeber, müssten Sie auch die Ausgaben senken.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Momentan ist es schlicht und einfach so, dass bei der Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung keine Spielräume vorhanden sind. Die machen alle Verluste. Eine Senkung der Beiträge wäre nur für die Rentenversicherung möglich. Kraft Gesetzes sind jedoch schon Kürzungen vorgesehen. Ihrem Antrag können wir, obwohl er in vielen Teilen unseren Zielen entspricht, nicht zustimmen. Wir werden ihn ablehnen.