Wir müssen auch bei der Palliativmedizin Gas geben. Ich gebe Ihnen vollkommen Recht: Die Hospiz- und Palliativversorgung ist der Gegenentwurf zur aktiven Sterbehilfe. Es ist aber auch notwendig, dass wir dort massiver hineingehen, weil ansonsten diese Diskussion immer mehr in die Schieflage gerät.
Wir wissen, dass es Wunsch der Kranken wie der Angehörigen ist, am Ende eines Lebens in Würde zu sterben. Es gibt immer noch zu viele Menschen, die keinen Platz in einem Hospiz finden, die keinen Platz in der Palliativversorgung finden. Gerade im Bereich der ambulanten Palliativversorgung haben wir Nachholbedarf. Wir wissen, wie schwierig die Teams zusammenzustellen sind. Wir wissen, dass wir im Zeitplan hinterherhinken. Bisher haben wir 16, aber bis zum Ausbauziel ist es noch ein weiter Weg.
Bei dieser Diskussion dürfen wir kein Hinterherhecheln in der ethischen Frage aufkommen lassen: Es ist dringend notwendig, dass wir den Ausbau der Palliativversorgung in der Realität noch wesentlich schneller und ambitionierter angehen.
Herr Minister, zur Prävention haben Sie viel gesagt. Schon bei Sebastian Kneipp war klar: Die Gesundheit bekommt man nicht im Handel, sondern durch den Lebenswandel! Manchmal habe ich aber das Gefühl, dass wir im Bereich der Prävention schon noch gern der Sonntagsrede frönen. Das Präventionsgesetz - es ist ein Bundesgesetz - schiebt man auf der Bundesebene schon lange vor sich her. Beim Europäischen Gesundheitskongress in der letzten Woche hat Ihr Kollege Singhammer wiederum gesagt: Es wird kein Präventionsgesetz geben!
Wenn wir sehen, dass in der Prävention der Schlüssel liegt, damit wir Krankheiten vermeiden, dann müssen wir hier noch wesentlich mehr tun als bisher und schauen, was in der Präventionspolitik sinnvoll ist.
Wir wenden 1 % der Ausgaben für Gesundheit für die Prävention auf - bei einem Gesamthaushalt von 280 Milliarden Euro. Gesundheitsökonomen rechnen es uns immer wieder vor und sagen: Wenn wir in der Gesundheitspolitik nichts machen, alles beim Alten belassen und nichts Neues hinzukommt, dann sind wir in einigen Jahren bei Beitragssätzen von über 20 Prozentpunkten. Das werden wir alle zusammen politisch nicht durchstehen, ganz gleich, wer hier regiert.
Das ist ein Punkt, bei dem wir heute klar über den Schlüssel der Prävention reden müssen. In den Bereichen, in denen wir Krankheiten vermeiden können, müssen wir eine leitliniengestützte Medizin betreiben. Bei vielem, was sozusagen noch oben drauf kommt, müssen wir auch schauen, was unten wegkommt.
Ich habe immer das Gefühl, dass bei uns Prävention das Synonym für eine Vielzahl von Broschüren und Faltblättern und eine Vielzahl von guten Ratschlägen ist. Oft ist Prävention ein Kampagnengeschäft. Aber das ist für mich Geldverschwendung.
Es ist ein Trugschluss, dass diese Information für alle gut wäre. Wir haben nicht nur bei der Gesundheitsprävention solche Broschüren. Wenn man sich anschaut, wie viele unkoordinierte Präventionsangebote es nebeneinander gibt, ob in der Kriminalprävention, in der Gewaltprävention, bei der Suchtprävention, stellt man fest, das sollte überprüft werden.
Aber eines will ich Ihnen noch zur Suchtprävention sagen. Mich ärgert es, dass bei den Jugendlichen immer nur das "Komasaufen" genannt wird. Wir haben keine Generation "Promille". Das ist mir ganz wichtig zu sagen. Ich habe selbst zwei Kinder in dem Alter, die nicht einsehen, sich irgendwie immer als "Suffgis" titulieren lassen zu müssen.
Aber in diesem Bereich gibt es noch viel mehr. Diese Titulierung ist nicht angemessen. Wir haben Präventi
Eines, Kollege Zimmermann, wollte ich Ihnen zum Thema Impfen sagen: Es ist ganz gefährlich, was Sie heute hier gesagt haben. Man kann nicht gegen Krebs impfen. Es ist eine fatale Vereinfachung, wenn Sie sagen, der Gebärmutterhalskrebs sei mit der Impfung ausgerottet. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir diesen vereinfachenden Satz nicht so sagen; denn wir brauchen die Vorsorge auch weiterhin. Dem lässigen Gefühl "Ich bin ja geimpft, deswegen bekomme ich keinen Krebs" muss man von vornherein einen Riegel vorschieben. Ich weiß, Sie haben es nicht so gemeint. Ich will Ihnen das auch gar nicht unterstellen. Aber da müssen wir vorsichtig sein, damit wir nicht den Eindruck vermitteln, wir wären mit der Impfung mehr oder weniger auf der sicheren Seite.
Eines ist mir im Zusammenhang mit der Prävention wichtig, nämlich die Feststellung, dass wir mit Laufstrukturen oft nur die gesundheitsbewusste Mittelschicht erreichen. Das ist zwar schön und gut und wichtig, aber ich glaube, wir müssen noch viel, viel mehr in die Zielgruppen hinein. Wir dürfen bei der Prävention nicht mit der Gießkanne vorgehen, sondern wir müssen wirklich schauen, dass wir insbesondere die Jugendlichen informieren. Ich kann der Kollegin Sonnenholzner nur zustimmen, dass wir gerade beim HaLT-Projekt eine größere Summe aufwenden müssen, um eine wirkliche Prävention zu erreichen. Es ist wichtig, dass bei einer Alkoholvergiftung bei Jugendlichen nicht nur der Doktor ans Krankenbett kommt, sondern dass, wenn die Nüchternheit wieder eingetreten ist, auch eine entsprechende Aufklärung erfolgt. Das ist ein wichtiger Punkt. Ansonsten müssen wir noch viel, viel mehr in die Zielgruppen gehen. Das ist, glaube ich, der Ansatz, den wir für den Präventionsbereich ganz, ganz dringend brauchen.
Zum öffentlichen Gesundheitsdienst möchte ich sagen - und da kann ich mich an Kollegen Zimmermann anschließen -, dass wir da Strukturfehler gemacht haben. Der öffentliche Gesundheitsdienst wurde oftmals fast kaputtgespart. Heute haben wir gesehen, dass ihm neue Aufgaben übertragen werden. Ich möchte gern wissen, wie Sie das machen. Das ist mit der Hygieneverordnung passiert. Ich will hier nicht große Diskussionen über die Hygiene führen, aber es wurden neue Aufgaben übertragen, ohne dass dafür Mittel ausgereicht werden. Aber bei aller Liebe zu einer Arbeitskraft, die sicherlich in mancher Hinsicht effektiver tätig sein könnte: Es geht einfach nicht mehr so wie bisher. Wenn ich irgendwo neue Aufgaben
übertrage, muss ich auch die entsprechenden finanziellen Mittel zuschießen. Das aber fehlt hier. Heute wurden wieder viele neue Aufgaben genannt, aber nichts, was an Geld hinzukommt.
Auch bei der Hygiene werden wir nur durch Maßnahmen vorankommen, wie sie in Holland ergriffen wurden, indem man tatsächlich eine Separierung von Risikopatientinnen und -patienten in der Klinik vornimmt. Das ist aber auch keine billige Angelegenheit. Außerdem müssen wir die strengeren Hygienevorschriften in den DRGs abbilden. Daran führt nach meinem Verständnis kein Weg vorbei. Was bisher dort abgebildet wird, ist zu wenig. So werden wir dieses Problems nicht Herr werden.
Was mir bei Ihrer Rede, Herr Minister, heute noch gefehlt hat, ist, dass Sie einige heiße Eisen nicht angepackt haben. Sie haben bei der Einnahmenseite einige wenige Worte darüber verloren, was Sie gemeinsam mit der Kollegin in Baden-Württemberg alles tun wollen. Bei der Ausgabenseite haben Sie auch viel zu Strukturfragen gesagt. Aber mein Thema ist - das wissen Sie auch - die Überversorgung. Wir haben eine Überversorgung, und der alte Medizinerspruch gilt auch heute noch: Ein gesunder Mensch ist einfach nicht genug untersucht. - Da ist einiges dran. Ich glaube, da gehen Sie etwas zu samtpfötig in die Debatte hinein.
Diesbezüglich fehlen mir klare Regelungen. In dem Versorgungsgesetz steht, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen Arztsitze aufkaufen können. Das ist keine verpflichtende Regelung. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben in dieser Richtung noch keine klaren Signale gegeben. Das werden sie auch nicht tun. Daher werden wir dort auch weiterhin das gleiche Spiel haben. Wir werden wahrscheinlich zu einer Unterversorgung in verschiedenen Bereichen kommen, aber die Überversorgung wird bleiben.
Meine Beispiele sind auch schon alt, aber sie sind leider immer noch richtig. Wenn wir allein in München so viele Herzkathetermessplätze wie in ganz England haben, wenn wir in München so viele Kernspintomographen wie in ganz Italien haben, ist es doch so, dass diese Geräte nicht nur dastehen, sondern dass sie auch benutzt werden. Das kostet Beitragszahlergelder, und die Frage ist, was davon notwendig ist. Da Sie als Minister auch dafür zuständig sind, dürfen Sie nicht nur mit Waldemar Hartmann im Fernsehen sitzen, sondern müssen auch dieses Problem angehen.
Das gehört einfach dazu, das ist einfach auch Ihr Job. So sehr Sie das andere vielleicht auch mehr mögen, aber das gehört leider auch dazu.
Wir haben noch weitere Themenfelder für Sie. Wir haben dazu auch Fachgespräche geführt. Gesundheit ist, wie gesagt, eine Daseinsvorsorge. Wir haben eine gute Versorgung. Aber es ist überall so: Wo Gebrauch ist, ist auch Missbrauch. Die aktuellen Schätzungen zeigen, dass Betrug und Korruption in Deutschland mit 5,5 % bzw. 14,5 Milliarden der Gesundheitsausgaben zu Buche schlagen. Das ist nicht gerade wenig.
Man muss auch wissen, dass die Marketingbudgets der Pharmaindustrie höher sind als ihre Forschungsausgaben. Mit diesem Geld sollen Ärzte gezielt geworben werden, wobei ich glaube, dass dabei nicht immer nur das Wohl der Patientinnen und Patienten im Vordergrund steht.
Es gibt eine Bandbreite, in der Sie tätig werden können. Ich gebe Ihnen einen guten Rat - Frau Merk ist auch gerade anwesend -: Vielleicht können Sie sich noch einmal überlegen, ob Sie mit Frau Kollegin Merk Schwerpunktstaatsanwaltschaften zum Fehlverhalten im Gesundheitswesen einrichten. Ich glaube nämlich, dass normale Staatsanwaltschaften aufgrund der Kompliziertheit und der Schwierigkeiten mit so etwas überfordert sind. Das ist auch nachzuweisen. Wir können gern in einem bilateralen Gespräch vertiefen, was wir in unseren Fachgesprächen an Erkenntnissen gewonnen haben. Dort ist tatsächlich auch für Sie noch Arbeit zu tun.
Man muss auch sehen, wie viele zahnlose Tiger es gibt. Wir haben Clearingstellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen. Die sind gemäß GKV-Modernisierungsgesetz eingeführt worden. Aufgrund diverser Skandale hat man gesagt, dass Clearingstellen eingerichtet werden sollen. Es ist auch so, dass die Landesärztekammer und das Ministerium in dieser Hinsicht gehandelt haben. Wir haben dazu auch Anfragen gestellt.
Bei diesen Clearingstellen liegt nicht ein einziger Fall vor. Jetzt kann man sagen: Wir sind halt so gut. - Das mag ich nicht ganz glauben, wenn ich ehrlich bin. Es ist einfach so, dass die eine Krähe der anderen kein Auge aushackt. Das ist auch ein altes Sprichwort, das in diesem Bereich gern verwendet wird. Ich glaube, da muss man von unserer Seite ganz klar machen, dass so etwas nicht geht. Es gehört zur Arbeit in einem Gesundheitsministerium, dass man auch manches Unliebsame tut. Ich sage nicht, dass Sie etwas dafür können, aber ich sage, dass Sie hier eine gute Möglichkeit hätten, sich in Szene zu setzen.
Jedes Jahr kommt in unregelmäßigen Abständen ein neues Tier, das grippal durch die Lande jagt, ob das das Geflügel oder die Schweine betrifft. Man muss sich einmal anschauen, was wir zur Bekämpfung der Schweinegrippe ausgegeben haben. Es gab eine Pandemiewarnung der WHO. Daher mussten Sie handeln. Das weiß ich alles ganz genau. Aber man kann im Vorfeld, bevor das nächste Tier grippal durch die Lande jagt, schon schauen, was die Gesundheitsministerkonferenz, also die Gesundheitsminister aller Länder und der Bundesgesundheitsminister, tun können. Das bezieht sich auch auf eine gewisse Nähe der WHO zu bestimmten Pharmaexperten. Es geht auch um die Frage, wie wir bei dem Geld, das hierfür ausgegeben wird, das auch wir als Staat ausgeben, sparen können. Das gebe ich Ihnen als Aufgabe mit, die in den nächsten Monaten zu erfüllen ist.
Herr Minister, Sie haben heute wieder eine Vielzahl neuer Beauftragtenposten kreiert. Ich finde das wichtig. Die psychischen Krankheiten sind ein Thema. Wichtig ist aber auch, die Ursachen zu bekämpfen. Wir haben einen verdichteten Leistungsdruck im Berufsleben. Das gilt aber auch für die Schulen. Dort sind die Zahlen bei der Verschreibung von Ritalin gestiegen. Das gilt auch für das Hirndoping bei den Studenten. Ich glaube, da müssen Sie auch an die Ursachen herangehen. Das ist nicht allein Ihr Job. Es gibt schon lange die Patientenbeauftragte, deren Unabhängigkeit wir aber nach wie vor fordern. Jetzt haben wir noch eine neue Anlaufstelle für die Bürokratie. Da kommt in Ihnen wieder der alte Stoiberianer durch. Zur Bürokratie müssen wir jetzt also noch eine eigene Stelle schaffen. Vielleicht kann er Ihnen ein bisschen aushelfen.
Eines will ich Ihnen doch sagen. Eine gewisse Neigung scheint Ihnen nicht ganz fremd: Immer wenn Sie auf Frau Haderthauer reagieren oder wenn Frau Haderthauer auf Sie reagiert, ist eine gewisse Rivalität erkennbar. Da wird ein neuer Pflegebeauftragter vorgestellt, und Sie wollen dann gleich eine Pflegekammer und so weiter. Da scheint mir vieles nicht vom selbstlosen Drang zur politischen Verantwortung beseelt, sondern in bestimmter Weise von Ehrgeiz durchdrungen zu sein.
Letztlich ist es wohl so, dass Sie mit der Pflegekammer eher auf der Nase gelandet sind. Auf mich machen Sie manchmal eher den Eindruck eines Meisters der Duftwolke. Da wird ein ordentlicher Spritzer aus dem Flakon verspritzt. Dann sind wir alle eingehüllt, und wenn der Duft verzogen ist, wissen wir nicht, was davon übrig geblieben ist.
Danke schön, Frau Kollegin Schopper. Als Nächster hat Kollege Dr. Otto Bertermann das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin in diesem Punkt jetzt der letzte Redner. Ich habe die Debatte seit neun Uhr verfolgt und habe den Eindruck, dass manch einer von der Opposition in der ersten halben Stunde geistig überhaupt nicht präsent war.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man, wenn 15 konkrete Vorschläge gemacht werden, nur sieben Vorschläge mitkriegt und dann dem Minister vorwirft, er sei nicht konkret gewesen. Sie haben die Zeit heute Morgen verschlafen, wo es um so wichtige Dinge ging wie zum Beispiel die Palliativversorgung.
Wer die Palliativversorgung von Kindern - das ist ein einzigartiges Projekt in Deutschland - mit "Söders Märchenstunde" kommentiert, ist für mich geschmacklos, meine Damen und Herren.
Wir haben hier nicht die Person von Herrn Söder zu kritisieren. Da könnten wir mal eine Extrastunde machen. Hier geht es um die Politik, die in Bayern durch Herrn Söder gemacht worden ist, wo bundespolitische Rahmenbedingungen bestehen, die einem bayerischen Minister bei der Durchsetzung bayerischer Interessen mehr oder weniger Handschellen anlegen.
Als ich das letzte Mal im ICE von Nürnberg nach München gefahren bin, hatte ich ein Boulevardblatt bei mir, und da stand: "Wartezeiten in England verbessert". Konkret heißt es: Die Wartezeiten im staatlichen britischen Gesundheitssystem sind kürzer geworden. Ich dachte, wie erfreulich. Früher musste ein Mädchen auf einen Schwangerschaftstest zehn Monate lang warten,