Protokoll der Sitzung vom 20.10.2011

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CSU - Georg Schmid (CSU): Scheinheilig!)

Selbstverständlich diskutieren wir mit aller Seriosität und in der Zeit, die wir brauchen. Lieber Herr Dr. Magerl, die GRÜNEN haben das Recht, ihre Position mit allen ihnen zur Verfügung stehenden demokratischen Mitteln zu vertreten. Das respektieren wir. Daran kann es keinen Zweifel geben. Wir machen es uns nicht zu

leicht, nicht wie die Kollegen der Regierungsfraktionen.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann der Grund dafür sein, dass hier der Eindruck entsteht, wir hätten keine eigene Position. Zur dritten Startbahn hat die SPD jedoch eine Position. Dazu benötigen wir - das ist bei solchen Fragen immer gut - die Meinung der Bürgerinnen und Bürger.

(Thomas Hacker (FDP): Wie ist Ihre persönliche Position?)

Die Meinung der Bürgerinnen und Bürger sollte zunächst abgewartet werden, bevor man mit fliegenden Fahnen voranschreitet und den Bau einer dritten Startbahn befürwortet. Ich finde, in dieser Frage ist der Souverän der Bürger, der entscheidet.

(Tobias Thalhammer (FDP): In ganz Bayern?)

Deswegen akzeptiere und unterstütze ich das Bürgerbegehren, das die GRÜNEN in München eingeleitet haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn das so ist - das richte ich an die Adresse der GRÜNEN -, darf es keine Diskussion mehr geben, wenn die Bürgerinnen und Bürger sich für den Bau der dritten Startbahn entscheiden. In diesem Falle muss man sich an das Bürgervotum halten.

(Beifall bei der SPD)

Das Gleiche gilt andersherum. Herr Kollege Dr. Beyer hat gesagt, das Ergebnis werde ernst genommen. Ich sage in aller Deutlichkeit: Wir werden es nicht nur ernst nehmen, wir werden es akzeptieren. Sollte das Ergebnis des Bürgerbegehrens eine Ablehnung der dritten Startbahn am Flughafen München sein, werden wir dies selbstverständlich und ohne Zweifel akzeptieren. Da gibt es auch kein Wackeln, wie dies offensichtlich in der CSU-Fraktion der Fall ist. Herr Finanzminister Fahrenschon hat gesagt: Jawohl, wir werden das akzeptieren. Heute haben wir von Herrn Huber gehört: Na ja, doch nicht so ganz. Offensichtlich nehmen die Regierungsfraktionen und die GRÜNEN das Bürgervotum nicht ganz so ernst, wie man es nehmen sollte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Bürgerbegehren hat nicht nur dann eine bindende Wirkung, wenn einem das Ergebnis in den Kram passt.

(Beifall bei der SPD - Markus Rinderspacher (SPD): Jawohl!)

Lieber Herr Dr. Magerl, Sie haben von menschenverachtender Politik gesprochen. Mit solch großen Worten wäre ich etwas vorsichtiger.

(Zurufe von der CSU)

- Ich weiß nicht, was der Kollege da hinten will.

Herr Dr. Magerl, ich wäre mit den Worten "menschenverachtende Politik" sehr vorsichtig. Wie wollen Sie Ihrer eigenen Parteiklientel und den Bürgern erklären, dass in München der grüne Stadtrat für die dritte Startbahn stimmen wird, sollte das Bürgerbegehren für die dritte Startbahn ausfallen? So hat es Ihr Landesvorsitzender gefordert. Wie wollen Sie den Menschen sagen, dass die GRÜNEN im Münchner Stadtrat für eine menschenverachtende Politik stimmen? Darauf bin ich sehr gespannt. Wie wird das bei den GRÜNEN diskutiert? Deswegen wäre ich mit so großen Worten vorsichtig.

Herr Kollege Pfaffmann -

- Ich bin sofort fertig.

Es ist nicht akzeptabel, dass die GRÜNEN im Stadtrat für die dritte Startbahn und die Landes-GRÜNEN dagegen stimmen. Man kann nicht in München für die dritte Startbahn sein und in Freising den Protest anführen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der SPD)

Wir sollten in aller Gelassenheit den Bürgerentscheid in München abwarten und ihn akzeptieren. Das ist vernünftige Politik und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Herrmann - aus Freising, zur Orientierung.

Herr Präsident, vielen Dank für den Hinweis auf Freising.

Der andere Kollege Herrmann hat befürchtet, dass er ebenfalls etwas zur dritten Startbahn sagen muss. Ich wollte nicht, dass es zu Verwechslungen kommt.

Ich spreche auch als Stimmkreisabgeordneter der Flughafenregion. Als solcher ist es meine Aufgabe, mich mit tiefer Überzeugung für die Belange der Bürgerinnen und Bürger vor Ort einzusetzen. Ähnlich geht es auch Herrn Kollegen Schwimmer aus Erding und Herrn Kollegen Seidenath

aus Dachau. Es ist bekannt, dass die Region gegen die dritte Startbahn ist. Von den negativen Auswirkungen der dritten Startbahn ist heute noch nicht gesprochen worden. Es ist noch nicht darüber gesprochen worden, dass wir die negativen Auswirkungen eines internationalen Großflughafens tragen, damit Bayern insgesamt ein funktionsfähiges und leistungsfähiges Flughafendrehkreuz hat. Wir negieren auch nicht den großen Nutzen und die Chancen des Flughafens für Bayern und die damit verbundenen Arbeitsplätze und die Attraktivität der Metropolregion München, zu der wir gehören.

Wir instrumentalisieren diese Debatte nicht, um einen Generalangriff gegen die CSU zu führen oder um gegen Infrastrukturprojekte zu demonstrieren. Wir sind jedoch nicht bereit, weitere Belastungen für unsere Region zu akzeptieren. Wir sagen: Der Bedarf ist nicht nachgewiesen. Von der Notwendigkeit einer dritten Startbahn sind wir noch nicht überzeugt. Durch das optimierte Zwei-Bahnen-System, durch optimierte Anflugverfahren und eine bessere Steuerung des Luftraums muss es möglich sein, den steigenden Bedarf mit dem jetzigen System abzuwickeln. Zum Thema Oberpfaffenhofen möchte ich sagen: Hätten wir anders entschieden, wären wir durch die allgemeine Luftfahrt entlastet worden.

Da immer nur vom allgemeinen Nutzen für Bayern gesprochen wird, will ich alle dazu einladen, sich einmal vor Ort zu informieren. Kommen Sie zum Beispiel nach Attaching. Dieser Ort wird nämlich bei einer dritten Startbahn keine Perspektive mehr haben. Man könnte auch andere Orte nennen, aber ich nenne beispielhaft Attaching, weil dieser Ort am meisten betroffen sein wird. Der Ort, den es seit 1.500 Jahren gibt, hat eine heute noch intakte Dorfgemeinschaft. Dort gibt es alles, worauf wir in Bayern stolz sind: eine aktive Bürgergesellschaft, Engagement in einem Dutzend Vereinen, einen Dorfkern, eine Feuerwehr, einen Sportverein und Ähnliches mehr. Wenn der Lärm um 12,5 dB(A) gesteigert wird, wird dort kein Sportbetrieb mehr möglich sein. Der Maibaum wird so nicht mehr stehen können, wegen der Wirbelschleppen müssen auch die Dachziegel festgedübelt werden. Die Windstärke 6, die dort herrschen wird, ist zwar für Surfer oder für Windkraftanlagen in der Nordsee ideal, aber nicht für ein Grillfest oder ein Fußballspiel.

Ich will damit einfach nur deutlich machen, dass Attaching und ähnliche Orte dann keine Perspektive mehr haben werden und es zynisch ist, wenn man sagt, das ist zwar schlimm, aber dann müssen die halt verkaufen; denn es geht um mehr als um einzelne Grundstücke.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Wir in der Region werden deshalb den größeren Nutzen, der hinsichtlich einer dritten Startbahn unterstellt wird, mit Argumenten nicht plausibel machen können, weil wir eben Betroffene sind und weil die Betroffenheit vor Ort aus Gründen, die ich genannt habe, letztlich final ist.

(Volkmar Halbleib (SPD): Das müssen Sie dem Kollegen Huber erklären!)

Auf der anderen Seite hilft uns die Debatte über das Bürgerbegehren in München nicht recht weiter. Wenn zum Beispiel die Münchner Bürger Ja sagen, sollen wir im Umfeld dann verstummen, nur weil der Streit zwischen Ude und den GRÜNEN auf dem Rücken der Bürger ausgetragen wird?

(Widerspruch bei der SPD - Harald Güller (SPD): So ein Quatsch! - Markus Rinderspacher (SPD): Das ist Quatsch!)

Den Bürgerinnen und Bürgern wird der Entscheid vorgelegt, weil man interne Konflikte nicht regeln kann. Soll dies auch noch auf dem Rücken des Umlandes ausgetragen werden?

(Zuruf des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Das wäre aber nicht das erste Mal, dass die Münchner ihre Probleme im nördlichen Umland, im Landkreis Freising und im Landkreis Erding, lösen. Deshalb kann ich nur sagen: Wir haben in Freising auch nicht über die Hochhäuser in München oder die Tunnels in München abgestimmt.

Zuletzt möchte ich gegenüber allen, die sich jetzt so vehement für die dritte Startbahn einsetzen, darauf hinweisen: Die Versprechungen, die vor 20 Jahren gemacht wurden, sind noch immer nicht eingelöst. Wir haben vor 20 Jahren den Flughafen bekommen, und uns wurde die notwendige Schienen- und Straßeninfrastruktur versprochen.

Herr Kollege, -

Deshalb fordere ich ein "Sonderprogramm Flughafenumland". Wir fordern einen Zeitplan und einen konkreten Finanzierungsplan für die notwendigen Straßen- und Schienenmaßnahmen,

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der SPD: Sehr gut!)

beispielsweise die Westtangente Freising und Moosburg, die Ortsumfahrung Allershausen, die Neufahrner Kurve und den Erdinger Ringschluss. Ich bin froh, dass sich an erster Stelle der Ministerpräsident um dieses Thema kümmert.

Herr Kollege, jetzt muss ich Sie aber wirklich stoppen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte alle, die sich für den Ausbau des Flughafens vehement einsetzen, zunächst einmal ihre Hausaufgaben zu erledigen und die Belastungen zu mindern, die schon jetzt ohne dritte Startbahn in unserer Region bestehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Zum Abschluss: Herr Staatsminister Zeil. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Debatte ist deutlich geworden, dass Infrastrukturvorhaben über die Zukunftsfähigkeit eines Landes entscheiden und dass sie nie einfach durchzuführen sind.

Herr Dr. Herrmann, durch Ihren Beitrag ist uns erneut vor Augen geführt worden, wie groß die Betroffenheiten bei einzelnen Infrastrukturmaßnahmen sind. Deshalb macht sich niemand Entscheidungen über derartige Infrastrukturmaßnahmen leicht, weder auf der Verwaltungsebene noch auf der politischen Ebene.

Ich will unterstreichen, dass jedenfalls ich - ich habe auch mal Vergleiche angefordert - keinen Planfeststellungsbeschluss in der Bundesrepublik Deutschland kenne, der über 2.800 Seiten umfasst und der die Anliegen, Probleme und Auswirkungen in einer derart gründlichen Art und Weise abgewogen hat wie der Planfeststellungsbeschluss, der hier erlassen worden ist.