Gegen unseren Vorschlag wird immer wieder eingewandt, auch vom politischen Gegner, die Beitragsbemessungsgrenze sei notwendig, damit derjenige, der 100.000 Euro im Monat verdient, nicht 15.000 Euro Krankenversicherungsbeitrag bezahlen muss. Zur Lösung dieses Problems gibt es, wie gesagt, Stufenmodelle. Man müsste sich nur ein paar Gedanken darüber machen.
Genauso unverständlich ist für mich, dass die Staatsregierung Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung - lesen Sie nach! - "akzeptabel" findet. Als geradezu humoristisch kann man die Aussage bezeichnen - ich zitiere -:
Selbstbeteiligungen und gesetzliche Zuzahlungen, von denen die Praxisgebühr eine Sonderform ist, dienen nicht in erster Linie der Finanzierung der GKV.
Kolleginnen und Kollegen, welchen Zweck sollen diese Zuzahlungen denn sonst erfüllen? Eine Steuerungsfunktion kann man gerade bei den Arzneimittelzuzahlungen wohl nicht ernsthaft annehmen. Der Patient hat insoweit keinerlei Wahlmöglichkeit. Wenn er krank ist und vom Arzt ein Arzneimittel verschrieben bekommt, kann er schlecht sagen: "Nein, das brauche ich nicht." Wo sind wir denn, Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben in unserem Gesundheitssystem einen Wust aus verschiedenen Zuzahlungen unterschiedlicher Ausprägungen: Zuzahlungen zu Arzneimitteln sowie zu Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhaustagegeld und die unsägliche Praxisgebühr. All diese Zuzahlungen sind nicht einkommensabhängig und belasten daher insbesondere die kranken Menschen, die nur ein geringes Einkommen beziehen. Gesundheitspolitik zulasten der Armen und Kranken - wünschen wir uns tatsächlich ein solches System für Bayern? Müssen wir nicht umdenken und statt einer Vielzahl von Zuzahlungen ein solide finanziertes Gesundheitssystem einführen?
Lassen Sie mich noch einige Worte zu den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung sagen. Derzeit liegt der Beitragssatz bei 14,4 %; die paritätische Aufteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist aber entfallen. Es kommt hinzu, dass es für denjenigen, den es wirklich hart trifft, nicht bei 14,4 % bleibt. Wenn der Patient lange im Krankenhaus liegt, zum Beispiel nach einem Autounfall, und eine Reha mit anschließender physiotherapeutischer Behandlung braucht - das kann sich durchaus ein Jahr hinziehen -, kommt er mit all den Zuzahlungen - ich habe es überschlägig berechnet - und der im Krankenhaus noch einmal anfallenden Gebühr von 10 Euro auf fast 20 % seines Bruttoverdienstes. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.
Das ist der Grund, warum die Landtagsfraktion der FREIEN WÄHLER ein Konzept für ein zukunftsweisendes Gesundheitssystem erarbeitet hat: die "Soziale Gesundheitsversicherung".
In der Antwort auf die Interpellation sind auch die Ausführungen zum Thema Bürokratie interessant. Die Staatsregierung ist - natürlich! - gegen Bürokratie. Aber ihre Methoden, um dagegen vorzugehen, sind doch wieder bürokratisch. So soll eine "Meldestelle für Bürokratie" eingerichtet werden. Das ist so, als ob man den Teufel mit dem Beelzebub austriebe. Wir sollen Bürokratie abbauen, indem wir sie schaffen das verstehen wir FREIE WÄHLER nicht unter Bürokratieabbau.
Bürokratie und verkrustete Strukturen sorgen dafür, dass unser Gesundheitssystem enorme Summen verschlingt, die nicht den Menschen zugute kommen. Das zeigt sich auch bei den Verwaltungskosten. Aus der Interpellation ist herauszulesen, dass das bayerische Gesundheitsministerium nicht weiß, welche Verwaltungskosten zum Beispiel für neue Versorgungsstrukturen wie die Selektivverträge anfallen. Die Staatsregierung unterstützt neue Versorgungsstrukturen, obwohl sie nicht weiß, welche Kosten das mit sich bringt. Angesichts dessen brauchen wir uns nicht zu wundern, dass der Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung stetig steigt.
Bei den betriebswirtschaftlichen Kosten, die den Arztpraxen durch den Dokumentationsaufwand entstehen, sieht es ähnlich aus. Die Staatsregierung zitiert in ihrer Antwort auf die Interpellation die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe, noch dazu bezogen auf das Jahr 2006. Es ist immer schön, über den Tellerrand hinauszuschauen. Aber hier interessieren die bayerischen Zahlen; diese scheint die Staatsregierung
Wozu brauchen wir ein bayerisches Gesundheitsministerium, Kolleginnen und Kollegen, wenn dort nicht einmal die grundlegenden Fakten bekannt sind? So kann man keine sinnvolle Gesundheitspolitik betreiben. Auf welcher Grundlage will man denn dann überhaupt arbeiten?
Um noch einmal auf den Anfang zurückzukommen: Das bayerische Gesundheitsministerium sollte sich Zeit nehmen, seine Hausaufgaben machen und erst einmal die Grundlagen erarbeiten. Die knapp eineinhalb Jahre zur Bearbeitung der Interpellation haben dafür augenscheinlich nicht ausgereicht. Das ist der Vorwurf, den ich erhebe.
Danke schön, Kollege Dr. Vetter. - Die nächste Wortmeldung ist vom Kollegen Dr. Zimmermann für die CSU-Fraktion. Bitte schön.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Interpellation der FREIEN WÄHLER studiert, beginnt man vernünftigerweise mit der Einleitung. In der Einleitung steht - ich darf zitieren -: "Das derzeitige Gesundheitssystem wird seiner Aufgabe, die medizinische Versorgung aller Bürger wohnortnah zu sichern, nicht mehr im notwendigen Umfang gerecht".
Ich darf Kollegen Dr. Vetter mit einer Aussage vom Donnerstag vergangener Woche zitieren: "Minister Dr. Söder hat mit seiner Aussage recht, dass das deutsche und das bayerische Gesundheitswesen gut sind. Das ist so."
Die sehr umfangreiche Interpellation mit über einhundert Seiten einschließlich Anhang hat dazu geführt das ist das erste positive Moment, das der Interpellation zuzuschreiben ist -, dass die FREIEN WÄHLER erkannt haben, dass das bayerische und das deutsche Gesundheitswesen gut sind. Vielen Dank, Herr Kollege Vetter - es hat zwar lange gedauert -, dass Sie sich dieser Überzeugung anschließen können und sie hier im Hohen Haus so vorgetragen haben.
Kolleginnen und Kollegen, die Interpellation lässt gewisse Wissensdefizite bei den FREIEN WÄHLERN erkennen: einmal in der Materie selbst, aber auch in den Gegebenheiten von Institutionen und Organisationen, die das deutsche und damit auch das bayerische Gesundheitswesen verantworten.
Kollege Vetter, Ihnen ist vielleicht entgangen, dass der aktuelle Vorsitzende des Vorstands der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Kollege Krombholz, Mitglied der FREIEN WÄHLER ist. Wenn er Ihre Interpellation nachvollzieht, muss er wohl feststellen, dass die FREIEN WÄHLER die Kassenärztliche Vereinigung auflösen wollen, das heißt, ihn wegrationalisieren wollen. Haben Sie darüber schon einmal mit ihm gesprochen? Er wird Freude daran haben, wenn er erfährt, was seine Kameraden von den FREIEN WÄHLERN in dieser Angelegenheit im Schilde führen. So geht das nicht.
Herr Kollege Vetter, als Arztkollege - lassen Sie mich Sie als solchen ansprechen, was ich hier im Hohen Haus nur sehr ungern tue, aber in diesem Fall ist es notwendig - sprechen Sie laufend von einer ZweiKlassen-Medizin. Wenn ich mich nicht irre, waren Sie bis vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls als Arzt tätig. Haben Sie bei Ihren Patienten jemals Unterschiede bei der Qualität der Prothesen, die Sie vielleicht implantiert haben, gemacht? - Ich gehe davon aus, dass das nicht passiert ist. Denn sonst hätten Sie recht mit Ihrer Feststellung, dass es bei Ihnen eine Zwei-Klassen-Medizin gegeben hat.
Ich bin erschüttert über die Art und Weise, wie Sie vor dem bayerischen Parlament, dem Hohen Haus, vor den Kolleginnen und Kollegen querbeet solche Unmöglichkeiten verbreiten.
(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Alexander König (CSU): Sehr richtig! - Tanja Schweiger (FREIE WÄHLER): Mein Gott!)
Meine Damen und Herren, die Gesundheitspolitiker unter uns haben mit der Interpellation einen Leitfaden in die Hand bekommen, der, zugegeben, unterschiedlich bewertet werden kann. Das zur Verfügung gestellte Informationsmaterial wurde richtigerweise nicht ausschließlich im Gesundheitsministerium generiert. Dafür haben wir genügend Einrichtungen im Gesundheitswesen - die Kassenärztliche Vereinigungen, die Krankenkassen usw. -, die für sich Statistiken erheben. All das zusammengefasst beantwortet die Interpellation der FREIEN WÄHLER.
Herr Kollege Vetter, Sie sitzen hier im bayerischen Parlament. Lassen Sie mich das so deutlich sagen. Vielleicht überdenken Sie dann Ihre Argumente.
Meines Erachtens ist es mit der Regierungserklärung vom Donnerstag vergangener Woche gelungen, zwischen der klassischen Gesundheitsmedizin und der Gesundheitsversorgung in Bayern zu unterscheiden. Die Vertreter aller Fraktionen haben sich meines
Erachtens in guter Art und Weise mit den Notwendigkeiten aus bayerischer Sicht auseinandergesetzt und haben den einen oder anderen Vorschlag eingebracht. So stelle ich mir eine gute, vernünftige Diskussion zu diesem Thema vor. Ihre Ausflüge nach Berlin und zurück und dann noch einmal nach Berlin sind in der Diskussion hier im Hohen Hause über eine bedarfsgerechte, wohnortnahe Gesundheitsversorgung für unsere Bürgerinnen und Bürger im Freistaat unbeholfen.
Kolleginnen und Kollegen, die meisten Fragen in der Interpellation der FREIEN WÄHLER hätten auch in einer Schriftlichen Anfrage gestellt werden können. Die Antworten auf die Fragen, die hier im Hohen Hause vorgetragen wurden, sind zu 80 % im Internet abrufbar.
(Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer (FREIE WÄH- LER): Warum hat die Beantwortung dann so lange gedauert?)
Mit Blick auf die ambulante ärztliche Versorgung sind gerade die FREIEN WÄHLER immer der Meinung, dass alles durch das bayerische Gesundheitsministerium erledigt werden müsse. Diese Betrachtungsweise offenbart Lücken in der Kenntnis der gesundheitspolitischen Gegebenheiten. Kollege Vetter, Sie wurden letzten Donnerstag von Frau Kollegin Stewens gefragt, ob Sie wissen, wer den Auftrag zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung hat, um Sie endlich davon zu überzeugen, dass die Sicherstellung der ambulanten Versorgung nicht dem bayerischen Gesundheitsministerium obliegt, sondern anderen Einrichtungen. Ich erlaube mir, Ihnen den Text des § 72 Absatz 2 des SGB V vorzutragen. Darin ist die Sicherstellung der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung geregelt. Ich darf zitieren:
Die vertragsärztliche Versorgung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden.
- Herr Kollege Streibl, das ist sicherlich auch für Sie hochinteressant. Sie kennen die Situation nicht, jedenfalls geht das so aus Ihrer Interpellation hervor.
und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. (…)
Das ist der Sicherstellungsauftrag der ambulanten medizinischen Versorgung in der Republik und damit auch im Freistaat Bayern.
Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Vetter, ich spreche ganz bewusst Sie an: Sie sollten sich öfter mit Kollegen Krombholz, Mitglied der FREIEN WÄHLER, der das übrigens ganz nett macht, auseinandersetzen, damit Ihre Wissenslücken bei der Beurteilung der bayerischen Gesundheitspolitik endlich geschlossen werden.
Kolleginnen und Kollegen, diese umfangreiche Interpellation greift alles ab, was es überhaupt zum Thema Gesundheitsversorgung im Freistaat Bayern zu sagen gibt. Frau Kollegin Sonnenholzner, fällt Ihnen irgendetwas auf, das noch nicht angesprochen worden ist? Sie werden später reden.
Ich glaube, dass dem Ministerium zu danken ist. Die Fragestellungen, die oft sehr kryptisch sind, müssen mehrmals hinterfragt werden. Jedenfalls wurden diese vonseiten des Ministeriums für den Versuch einer Beantwortung aufgegriffen. Durch die Nennung von Zahlen ist es gelungen, Antworten auf die Fragen zu geben. Dafür gilt es, Dank zu sagen.
Kolleginnen und Kollegen, wenn man guten Willens ist und die Gesundheitsversorgung in Bayern mit all ihren Facetten und Gegebenheiten, die zum großen Teil vom Bundesgesetzgeber vorgegeben sind, betrachtet, gelangt man zu dem Schluss, dass wir ein gutes Gesundheitssystem in Bayern und damit in der Bundesrepublik haben. Dass es immer wieder Möglichkeiten zur Verbesserung geben muss, ist auch uns klar. Meine Damen und Herren, in den letzten 20 Jahren mussten 14 verschiedene Gesundheitsreformen auf den Weg gebracht werden, weil man der Meinung war, dass aktuelle Zustände durch Gesetzgebungsverfahren und finanzielle Maßnahmen ausgeglichen
Kolleginnen und Kollegen, der Freistaat Bayern hat aufgrund bedarfsmäßiger und versorgungspolitischer Notwendigkeiten in die Bundesgesetzgebung eingegriffen. Die Gesundheitspolitiker im Saal wissen, wovon ich rede: § 73 b SGB V, "Hausarztzentrierte Versorgung". Kolleginnen und Kollegen, dieses Thema hat uns besonders im Freistaat immer wieder bewegt. Ich meine, letztendlich haben wir eine gute Lösung gefunden. Darauf werde ich noch im Detail zu sprechen kommen.
Herr Kollege Dr. Vetter, die FREIEN WÄHLER wollen in der Bevölkerung immer wieder den Eindruck erwecken, sie seien die Gralshüter der hausarztzentrierten Versorgung. Herr Kollege Dr. Vetter, wir haben uns über eine bedarfsgerechte und flächendeckende hausärztliche Versorgung im Freistaat Bayern schon Gedanken gemacht, da waren Sie noch gar nicht im Landtag. Zwar haben Sie draußen Wirbel gemacht, aber in der Sache nie vernünftige Überlegungen eingebracht. Bitte lassen Sie mich das in einer Klammerbemerkung sagen: Ihre "Soziale Gesundheitsversicherung" ist bereits hier im Hause behandelt worden. Sie wissen, dass sie abgelehnt worden ist. Damit ist eigentlich schon alles gesagt. Das ist eine alte Kamelle.