Protokoll der Sitzung vom 24.11.2011

der Absicht gegeben war, ein klares Zeichen nach außen zu setzen, dass wir im Parlament uns von diesem braunen Gesindel nicht einschüchtern lassen.

(Beifall bei der CSU, der FDP, Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN)

Mein Dank geht an die Landtagspräsidentin, die zeitnah und in Abstimmung mit den Angehörigen der Opfer eine Gedenkveranstaltung abhalten wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns heute erneut gemeinsam ein starkes Signal gegen den Rechtsextremismus setzen. Träger rechtsradikaler Hetzparolen, antisemitischer Gedanken und fremdenfeindlicher Gewalt haben keinen Platz in unserer demokratischen Gesellschaft. Der braune Sumpf gehört ausgetrocknet, das dumpfe Denken abgeladen auf dem Müllplatz des vergangenen Jahrhunderts. Arbeiten wir in tiefster Überzeugung für unsere Demokratie, für die Wahrung der Menschenrechte! Das ist die sicherste Garantie, dass aus dem "Nie wieder" nie wieder ein "Schon wieder" wird. Wenn wir Demokraten zusammenhalten, haben die Neonazis keine Chance.

(Anhaltender Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Hanisch, Sie sind der nächste Redner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Deutschland ist erschüttert, Deutschland ist entsetzt über diese hinterlistigen Morde, über den rechtsextremistischen Terror, der wieder aus dem Nichts aufgetaucht ist. Unser Mitgefühl gilt den Betroffenen.

Meine Damen und Herren, viele von uns waren der Auffassung, diesen rechtsextremistischen Terror gäbe es bei uns nicht mehr. Der Bundesanwalt hat genauso wie der Bundesinnenminister noch vor einigen Monaten nach dem Terroranschlag in Norwegen die Frage gestellt, ob dies in Deutschland möglich wäre. Die Frage wurde dahin beantwortet, dass keine unmittelbare Gefahr eines rechtsextremistischen Terroranschlags in Deutschland drohe. Das sind Tatsachen und Fakten, mit denen wir leben und arbeiten müssen. Gerade ging die Mitteilung des Bundesanwalts über den Ticker, dass ein weiterer Verdächtiger festgenommen wurde. Die Ermittlungen laufen, und wesentlich ist, dass wir dabei sind, die Vorfälle aufzuklären. Trotzdem stellen sich eine Menge Fragen.

Wie konnte das passieren? Wie konnte es sein, dass bei all den Ermittlungen der letzten Jahre und Jahrzehnte die rechtsextremistische Szene nicht entdeckt wurde und nicht festgestellt wurde, dass es Strukturen

gibt, die jederzeit zuschlagen und die in den letzten Jahren Morde verübt haben, deren Ursache uns, der Polizei und der Staatsanwaltschaft nicht bekannt waren? - Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang ist nach der Verstrickung der V-Leute zu fragen. Da der CSU-Innenexperte Stephan Mayer heute erklärte, dass es nicht sein dürfe, dass V-Leute von Steuergeldern lebten, zweifelhafte Informationen lieferten und die Höhe der Zahlungen unverhältnismäßig hoch seien, muss die Rolle der V-Leute durchleuchtet werden.

Während des NPD-Verbotsverfahrens kamen wir gerade wegen der V-Leute ins Schleudern. Gerade wegen dieser V-Leute ist das Verbot der NPD gescheitert. Wir haben alle das Verbot der NPD gefordert. Im vergangenen Jahr haben wir im Landtag einstimmig beschlossen, einen NPD-Verbotsantrag einzureichen. Herr Innenminister, Sie haben uns geschrieben, dass Sie dies zwar ernst nähmen, aber ein Verbot der NPD nicht ohne Weiteres umzusetzen sei. Die Voraussetzungen für ein Verbot der NPD müssten noch eruiert und erforscht werden. Das ist überfällig. Es reicht nicht, nur von einem Verbot der NPD zu sprechen. Sie müssen Voraussetzungen schaffen. In diesem Zusammenhang spielen die V-Leute für mich eine entscheidende Rolle.

Meine Damen und Herren, an der kriminalistischen Aufklärung dieser Vorfälle, dieser entsetzlichen Morde, können wir Politiker nicht mitwirken. Das ist Aufgabe der Polizei. Wir haben jedoch eine ebenso gewaltige Aufgabe zu erledigen: Wir müssen uns darüber Gedanken machen, welche Sicherheitsstrukturen wir in Deutschland und in Bayern wollen und wo wir diese verbessern müssen. Die Forderung der FREIEN WÄHLER nach einer Verstärkung der Polizei, die seit drei Jahren erhoben wird, zählt ebenfalls dazu. In den letzten drei Jahren haben wir sicherlich eine kontinuierliche Entwicklung eingeleitet. Die Grundvoraussetzung für erfolgreiche Ermittlungen ist und bleibt eine starke Polizei.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Für mich gehören das Nebeneinander der Bundesund Landesbehörden und die unzureichende Koordination auf den Prüfstand. Wie man sieht, ist das für manche lebensgefährlich. Die unzureichende Koordination zwischen den Behörden stört mich unwahrscheinlich. Anfragen, die ein Landesverfassungsschutz einem anderen Bundesland stellt, werden jahrelang nicht beantwortet. Wenn der Verfassungsschutz vernünftig arbeiten soll, braucht er sofort eine Antwort auf seine Frage - sonst kann er die Anfrage vergessen und nicht mehr weiterermitteln.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Über die Ermittlungen und den Versuch, mehr über das Umfeld zu erfahren, gibt es keinerlei Daten, weil jahre- und monatelang im Nebel gestochert worden ist. Für mich taucht wieder die Frage der Vorratsdatenspeicherung auf. Hätte man heute vernünftige und zuverlässige Daten, müssten wir nicht bei null anfangen. Wir könnten mit Daten arbeiten, die uns vermutlich sehr schnell oder schneller zum Erfolg verhelfen würden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich habe die Verstrickungen der V-Leute angesprochen. Die V-Männer sind in den letzten Wochen von mehreren Politikern und in der Presse kritisiert worden. Ich möchte zeigen, wie die Presse reagiert und die Situation der Politik sowie des Verfassungsschutzes beurteilt. Ich zitiere den Terrorexperten Bruce Riedel aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit der Quintessenz: "Wenn sich jemand über viele Jahre einer intensiven Fahndung entziehen kann, dann genießt er staatlichen Schutz." Bruce Riedel bezeichnete die Arbeit der Geheimdienste im Falle des Nationalsozialistischen Untergrunds - NSU - als völliges Versagen.

So weit will ich nicht gehen. Doch diese Frage stellt sich allemal: Wie konnte es sein, dass die terroristischen Zellen so lange unentdeckt im Untergrund arbeiten konnten? Die Ermittlungsbehörden müssten mit mehr Möglichkeiten und mehr Rechten ausgestattet werden, um erfolgreicher und effektiver arbeiten zu können.

Meine Damen und Herren, in dem abgebrannten Haus wurde eine DVD gefunden. Angeblich liegt sie dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" vor. Auf dieser DVD befinden sich Standbilder und Videosequenzen, die unter anderem die neun Opfer der sogenannten Mordserie Bosporus zeigen. Es ist menschenverachtend, diese Morde zu filmen, sie zu veröffentlichen und an die Presse weiterzuleiten. Diese Menschen arbeiten nicht nach unseren Spielregeln der Demokratie. Insofern müssen wir bereit sein, Spielregeln anzupassen. Ich denke dabei an die Vorratsdatenspeicherung.

Insbesondere die Rolle des Thüringer Verfassungsschutzes und seines ehemaligen Präsidenten bei der Überwachung der Gruppe ist zumindest - gelinde ausgedrückt - dubios. Der ehemalige Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes publiziert inzwischen bei rechtsextremen Verlagen. Er schließt die Schuld des Verfassungsschutzes gänzlich aus und schiebt sie gleichzeitig der Polizei Jena zu, die eine Verhaftung der Gruppe im Jahre 1998 angeblich verhindert habe.

Das zeigt im erschreckenden Ausmaß, dass die Verbindungen zwischen Polizei und Verfassungsschutz verbesserungsfähig sind.

Eine entscheidende Forderung ist, diese Fehler in Zukunft nicht mehr zu begehen. In diesem Monat einigten sich die Justiz- und Innenminister von Bund und Ländern darauf, eine zentrale Datei zur Erfassung von Neonazis einzuführen. Es wurde ebenfalls eine bessere Verzahnung von Bundespolizei und Bundesverfassungsschutz vereinbart. Das ist für mich unwahrscheinlich spät. Warum wird man erst tätig, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist und solche grausamen Morde bereits passiert sind? Wir müssen ein gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechts schaffen und verhindern, dass Extremismus gleich welcher Richtung, gleich, ob rechts oder links, in diesem unserem Staat keinen Nährboden vorfindet.

Mich würde interessieren, wie viele V-Männer wir besitzen. Laut Medienberichten sollen es um die hundert sein. Das sind mehr als im Jahre 2003, als das NPDVerbot gerade wegen dieser V-Männer scheiterte. Ich habe gelesen, dass sich jeder sechste V-Mann im Führungskader der NPD befindet. Spätestens nach dieser Feststellung muss die Rolle der V-Männer noch einmal auf den Prüfstand.

Wie sieht die Rolle Bayerns dabei aus? Einige dieser Morde - das ist bereits gesagt worden - haben sich in Bayern ereignet. Es wird über mögliche Querverbindungen der rechtsextremen Neonazi-Szene in Bayern mit den rechten Strukturen in Thüringen und Sachsen spekuliert. Inzwischen gibt es Meldungen, dass sich Mitglieder dieser Gruppe längere Zeit in Bayern aufgehalten haben - unentdeckt und unerkannt. Rückschlüsse auf rechtsextremistische Tendenzen und rechtsextremistische Arbeit sind nicht gezogen worden. Deshalb fordern wir eine stärkere Überwachung und Kontrolle durch die Polizei. Die Frage lautet: Bestehen nach Kenntnisstand der Staatsregierung Beziehungen zwischen der bayerischen Neonazi-Szene und der Zwickauer Terrorzelle? Welche Möglichkeiten sieht die Bayerische Staatsregierung, rechtsextremistischem Terror künftig präventiv und repressiv zu begegnen? Welche Rolle spielte im Rahmen der bayerischen Ermittlungen zu den Döner-Morden die Telefon-Überwachung und die Quellen-Telekommunikationsüberwachung? Inwieweit konnten die Ermittlungen Hinweise liefern? Wie kann dieser Einsatz optimiert werden?

Diese Fragen stellen wir. Wir fragen, welche neuen Strategien im Kampf gegen rechten und linken Terror entwickelt werden, welche Konsequenzen daraus gezogen werden und was verändert wird. Ich weiß nicht, ob die derzeitigen Strukturen des Verfassungsschut

zes in Deutschland noch richtig sind. Die Vorfälle, die passiert sind, werfen eine Menge an Fragen auf: Muss die Bundesbehörde unter Umständen gestärkt werden? Muss die Zusammenarbeit mit den Landesbehörden auf eine neue Ebene gesetzt werden? Die Sicherheitsstrukturen in Deutschland müssen gänzlich auf den Prüfstand. Die Erkenntnisse, die wir in den nächsten Wochen und Monaten aus diesen Ereignissen gewinnen werden, müssen wir evaluieren, die Defizite klar definieren und Reformvorschläge für einen effizienteren Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger und unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung erarbeiten. Sonst wären diese Vorfälle passiert, ohne dass wir daraus Konsequenzen ziehen.

Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Wir müssen neue, klare Richtlinien aufstellen. Wir müssen die Zusammenarbeit ändern. Wir müssen die Fehler und Versäumnisse der verantwortlichen Behörden aufdecken. Unter Umständen muss das Parlamentarische Kontrollgremium zu einer Sondersitzung zusammentreten, um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen. Hier sind alle Möglichkeiten auszuloten und zu nutzen. Es ist nicht zu erklären, wie diese Terrorzelle ein Jahrzehnt lang unentdeckt agieren konnte. Nach den Vorfällen in Norwegen erklärten führende Politiker und Anwälte, so etwas könne bei uns nicht passieren. Wie konnte diese Terrorzelle unentdeckt ein Jahrzehnt lang ihre Blutspur quer durch Bayern und Deutschland ziehen, bis sie zufällig entdeckt wurde? Die personelle Aufstockung der Soko Bosporus ist zu begrüßen. Ich frage aber, ob diese Aufstockung zur Aufklärung der Taten nicht schon früher hätte erfolgen müssen.

Meine Damen und Herren, es kann nicht sein - der Innenminister hat darauf hingewiesen -, dass die NPD weiter aus Steuergeldern finanziert wird. Dafür hat unsere Bevölkerung kein Verständnis.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das Bundesverfassungsgericht muss im Fall der NPD seine Haltung überdenken und über die hohen Bewertungsmaßstäbe bei Parteiverbotsverfahren nachdenken. Diese Forderung müssen wir stellen; denn sonst würde uns bei einem Verbot der NPD das Gleiche passieren wie beim letzten Mal. Die Politik muss ein solches Verfahren gründlich begleiten, damit ein zweites Scheitern eines NPD-Verbotes verhindert werden kann.

Meine Damen und Herren, die 16 Landesämter für Verfassungsschutz und das Bundesamt für Verfassungsschutz müssen gründlicher zusammenarbeiten, sonst werden wir in Zukunft ähnliche Fälle wieder haben. Wir FREIE WÄHLER fordern mehr Sicherheit;

wir fordern mehr Schutz; wir fordern einen größeren Einsatz aller Gruppierungen im Kampf gegen Extremismus, jetzt natürlich primär im Kampf gegen den Rechtsextremismus, insgesamt aber im Kampf gegen jegliche Art von Extremismus. Mein Dank gilt all jenen, die trotz aller Kritik vernünftige Arbeit geleistet haben. Wir müssen in Zukunft wachsamer sein als bisher, damit so etwas nicht wieder passieren kann, damit Extremismus in dieser Form in Deutschland endlich der Vergangenheit angehört. Zeigen wir, dass wir stark sind, und lassen wir uns von diesem Terrorismus nicht einschüchtern.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der FDP)

Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Dürr. Ich glaube, Sie haben keine Redezeitanzeige. Wir haben ein kleines technisches Problem, aber wir werden es schon lösen.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir alle sind darüber entsetzt, dass eine rechtsextreme Terrorgruppe so viele Jahre ungestört morden konnte. Wir sind darüber entsetzt, dass der rechtsextreme Hintergrund über all die Jahre nicht erkannt wurde. Zwar haben die Staatsregierung und die bayerischen Ermittlungsbehörden erkannt, dass alle Opfer Eingewanderte waren. Aus dieser Gemeinsamkeit haben sie aber als Motiv nicht Ausländerhass, sondern Ausländerkriminalität abgeleitet.

In der letzten Woche hat es einige Irritationen gegeben. Einige haben mich missverstanden oder wollten mich missverstehen. Deshalb sage ich klar und deutlich: Ich hatte nie die Absicht, die CSU und ihre Mitglieder in die Nähe des Rechtsextremismus zu rücken. Wenn sich Angehörige der CSU verunglimpft fühlen, bedaure ich das. Wir GRÜNE stehen oft genug gemeinsam mit anderen Demokraten auf der Straße, um uns den Rechtsextremen in den Weg zu stellen und ihnen nicht unsere Städte und Dörfer zu überlassen. Aus vielen Beispielen, aus Wunsiedel oder Gräfenberg, wissen wir, dass der einzig erfolgreiche Weg der ist, dass wir den Machtanspruch der Rechtsextremen brechen, indem wir uns ihnen gemeinsam entgegenstellen. Wir sind nur dann erfolgreich, wenn sich auch Bürgermeister, Stadträte, Landräte, Abgeordnete und Mitglieder anderer Parteien gegen die Rechtsextremen stellen. Darunter sind jedes Mal auch Mitglieder der CSU. Auf diese Demokraten kann nicht nur die CSU, sondern ganz Bayern stolz sein.

Wir GRÜNE haben in den letzten Jahren immer wieder vor den Gefahren des Rechtsextremismus’ gewarnt. Wir haben viele Vorschläge dazu gemacht, wie

wir den Rechtsextremismus besser bekämpfen können. Wir haben gefordert, dass der Freistaat das zivilgesellschaftliche Engagement gegen den Rechtsextremismus fördert, statt es zu behindern. Wir haben Vorschläge gemacht, wie wir das Ausbreiten von rechtsextremen Einstellungen bis hinein in die Mitte der Gesellschaft verhindern können. Wir haben Vorschläge zur Prävention gegen Rechtsextremismus und zur Demokratieerziehung von klein auf gemacht. Bei der Beratung unserer Anträge hat sich immer wieder gezeigt, dass wir dazu unterschiedliche Auffassungen haben. Heute aber sollten wir uns gemeinsam und entschlossen auf die Bekämpfung rechtsextremer Gewalt in Bayern konzentrieren. Wir müssen diese entsetzlichen Vorfälle so schnell wie möglich aufklären. Erst wenn wir genau wissen, was falsch gelaufen ist und warum - schließlich ist dramatisch viel falsch gelaufen -, können wir uns über strukturelle Veränderungen verständigen.

Deshalb komme ich zunächst zu den zentralen Fragen, die die rechtsextreme Mordserie aufgeworfen haben und die Sie, Herr Minister, heute leider nicht beantwortet haben. Sie haben heute leider keine einzige Frage beantwortet. Sie haben gar nichts Neues gesagt. Deswegen verstehe ich auch nicht, wieso Sie so dringend einen Bericht abgeben mussten. Der Inhalt Ihres Berichts hat sich mir leider nicht erschlossen.

Die Tatsache, dass die fünf Morde in Bayern jahrelang nicht aufgeklärt werden konnten und auch jetzt nicht aus eigener bayerischer Ermittlungsarbeit aufgeklärt wurden, ist ein Debakel für die innere Sicherheit in Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Deshalb muss die Aufarbeitung möglichst öffentlich erfolgen. Ich will nur zwei Fragen aus unserem Berichtsantrag 16/10403 herausgreifen. Warum hat die Mordserie in Bayern begonnen, und warum haben die rechtsextremistischen Terroristen die Hälfte ihrer Opfer in Nürnberg und in München gesucht? Welche Kontakte bayerischer Rechtsextremer gab und gibt es zu Rechtsextremen in Thüringen? Das sind offene zentrale Fragen, und diese Fragen müssen wir möglichst schnell, möglichst gemeinsam und öffentlich beantworten. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern in Bayern schuldig.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

In der Öffentlichkeit wird zurzeit viel darüber diskutiert, dass die Staatsregierung der Bekämpfung eines echten oder vermeintlichen Linksextremismus mehr Aufmerksamkeit schenkt und dafür mehr Energie aufwen

det. Diesen Verfolgungseifer, der allzu oft über das Ziel hinausschießt, kann und muss man kritisieren.

Es wäre aber halb so schlimm, wenn die Staatsregierung daneben genügend Aufmerksamkeit und Energie für die Bekämpfung des Rechtsextremismus übrig hätte. Leider gibt es zusätzlich zur unaufgeklärten Mordserie viele Hinweise darauf, dass dies leider nicht der Fall ist. In Bayern werden rechtsextreme Taten allzu oft nicht als solche erkannt. Das geht schon mit vermeintlich harmlosen Taten los. Ich möchte nur ein paar Beispiele dafür anführen: Elsenfeld, Unterfranken, im November 2009. Die dpa schreibt am 9. November 2009: "Besudelung von Moschee-Rohbau mit Schweineblut". Als Motiv gaben die Täter an, kein Verständnis für die Baugenehmigung für die muslimische Gebetsstätte zu haben. Die zuständige Aschaffenburger Staatsanwältin sagte laut dpa, sie sehe trotz dieser Begründung keinerlei extremistischen Hintergrund für die Tat, sie gehe von einer ganz normalen Sachbeschädigung aus.

Olching, Landkreis Fürstenfeldbruck, August 2010: Auf das Schaufenster eines kroatischen Restaurants wird "Stirb Ausländer" geschrieben. Die Polizei - das berichtet der Lokalteil der "Süddeutschen Zeitung" am 16. August 2010 - "geht eher von einem dummen Streich als von einer rechtsradikal motivierten Tat" aus; denn eine rechtsradikale Szene gebe es - das ist wohl der Standard in Bayern - in Olching nicht, jedenfalls nicht mehr als anderswo.

Für diese Wahrnehmungsblindheit gibt es auch heftigere Beispiele, etwa Waffenfunde, die auch die Behörden in Bayern gelegentlich machen. Nicht immer wird bei diesen Waffenfunden ein existierender rechtsextremer Hintergrund erkannt. Nicht immer werden die Aktivitäten der verharmlosend "Waffennarren" Genannten danach unterbunden. Ein Beispiel: Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt am 30. November 2009, dass in Geltendorf, Landkreis Fürstenfeldbruck, beim Vater eines mit Haftbefehl gesuchten rechtsgerichteten 25-Jährigen ein umfangreiches Waffen- und Sprengstofflager entdeckt worden sei. Bereits im August 2009 - darauf verweist die "SZ" - sei der damals 24-Jährige bei einer Explosion lebensgefährlich verletzt worden. Bei Hausdurchsuchungen seien die Ermittler auf Granaten und Munition aus der Wehrmachtszeit, auf selbstgebastelte Sprengkörper, auf Orden und Uniformteile gestoßen. Der rechtsextremen Szene war die Explosion im Sommer 2008 nicht zugeordnet worden.

Ein weiteres Beispiel: In der Beantwortung unserer Anfrage vom 21. Oktober 2009 nennt die Staatsregierung unter der Rubrik "Rechtsextreme Tötungsdelikte (einschließlich Versuche) " für die beiden Jahre davor

genau ein Delikt, nämlich offenkundig den Messerangriff auf den Passauer Polizeichef Mannichl. Die Ausstellung des Vereins "Opferperspektive" führt für die 20 Jahre von 1990 bis 2010 - im eklatanten Unterschied zur Bundesregierung, die nicht einmal ein Drittel aufführt - 156 Todesopfer rechtsextremer Gewalt auf, darunter acht in Bayern. Dabei sind die fünf Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe natürlich noch nicht mitgezählt. "Opferperspektive" führt ein Todesopfer auf, das in der Statistik der Staatsregierung nicht erscheint.