Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Für die Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/10686 ist von der CSU namentliche Abstimmung beantragt worden. Die Urnen stehen an den beiden Eingangstüren und vorne beim Stenografischen Dienst. Die Abstimmung ist eröffnet. Es stehen dafür fünf Minuten zur Verfügung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die fünf Minuten sind um. Ich schließe die Abstimmung. Die Stimmen werden außerhalb des Plenarsaals ausgezählt. Das Ergebnis wird zu gegebener Zeit hier mitgeteilt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Stellungnahme der Staatsregierung zu den Vorwürfen im Fall Mollath (Drs. 16/10687)
Ich bitte Sie, wieder die Plätze einzunehmen, damit wir mit der Beratung fortfahren können. Herr Streibl, jetzt haben Sie das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal ein formaler Hinweis. Wir ändern unseren Antrag ein klein wenig; er lautet jetzt wie folgt:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, im Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz zu den geäußerten Vorwürfen in der Sendung "Report Mainz" vom 13. Dezember 2011 im Fall Gustl Mollath umfassend Stellung zu nehmen.
Meine Damen und Herren, am Dienstagabend wurde im ARD-Magazin "Report Mainz" über den Fall Gustl Mollath berichtet. Der überaus schockierende Titel dieses Beitrags lautete: "Unschuldig in der Psychiatrie?" In dieser Sendung wurde folgende Äußerung gemacht - ich zitiere "Report Mainz":
Dieser Mann, Gustl Mollath, durchlebt einen Albtraum. Er hält sich für unschuldig und sitzt dennoch hinter Gittern - genauer, seit mehr als fünf Jahren ist er eingeschlossen in psychiatrischen Anstalten. Wäre er unschuldig, wäre das ein Justizskandal ersten Ranges.
Wir, das Parlament, haben die Aufgabe, zu kontrollieren und aufzuklären. Deswegen fordern wir mit unserem Dringlichkeitsantrag eine umfassende Aufklärung dieses Falles und der Vorwürfe, die dazu geäußert worden sind. Deswegen haben wir diesen Dringlichkeitsantrag gestellt. Wir freuen uns darüber, dass die SPD unseren Antrag mit einem nachgezogenen Dringlichkeitsantrag flankiert und damit das Anliegen unterstützt.
Zum Hintergrund: Im Jahr 2003 hat Herr Mollath gegen eine Bank und gegen seine Ehefrau wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und des Verbringens von Schwarzgeld in die Schweiz Anzeigen erstattet. Er gibt an, dass seine Ehefrau mehrfach Kurierfahrten in die Schweiz getätigt habe, bei denen er sogar dabei war. Er habe seine Frau immer wieder dazu gedrängt, mit diesem Tun aufzuhören. Obwohl Herr Mollath detaillierte Angaben gemacht hat, wurde
von der Staatsanwaltschaft nicht ermittelt mit dem Argument, dieser Vorwurf sei ein pauschaler Verdacht ohne konkrete Angaben.
Auf eine Anfrage von Frau Margarete Bause hier im Plenum vom 29. November 2011 wurde geantwortet, es lägen keine konkreten Angaben vor. Es wurde nicht ermittelt. Stattdessen wurde gegen Herrn Mollath wegen des Verdachts der Körperverletzung ermittelt. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde ihm Gemeingefährlichkeit attestiert. Im Urteil wird darauf eingegangen, dass die Schwarzgeldverschiebungen, von denen er spricht, Teil eines paranoiden Gedankensystems seien. Dies sei der Grund dafür, dass er als gemeingefährlich eingestuft wurde.
In der Sendung "Report Mainz" berichtet ein ehemaliger Schöffe, der an dem Urteil gegen Mollath mitgewirkt hat, dass dieses Urteil aus seiner heutigen Sicht ein Fehlurteil gewesen sei. Ein Freund der Familie Mollath bestätigt in dieser Sendung mit einer eidesstattlichen Versicherung, dass Frau Mollath ihm auch Schwarzgeldverschiebungen in die Schweiz angeboten habe.
Des Weiteren hat auch die Bank die Vorwürfe sehr ernst genommen. Sie bestätigt, dass die Ehefrau von Herrn Mollath weisungswidrig gehandelt habe, und entlässt sie deswegen aus dem Angestelltenverhältnis. Des Weiteren gibt es eine eidesstattliche Versicherung eines Richters, der sagt, dass Weisungen oder Anordnungen aus der Politik gekommen seien.
Hier muss aufgeklärt werden. Frau Ministerin, deshalb fordern wir FREIE WÄHLER Sie auf, den Sachverhalt aufzuklären, dazu Stellung zu nehmen und dem Ausschuss darüber ausführlich zu berichten; denn die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, hierüber Klarheit zu bekommen. Es stehen folgende Fragen im Raum: Warum hat die Staatsanwaltschaft die Strafanzeige nicht verfolgt? Gab es in diesem Fall Einmischungen seitens der Politik? Warum nahm die Bank den Fall ernster als die Staatsanwaltschaft?
Frau Ministerin, es ist Ihr Verantwortungsbereich. Sie müssen hier handeln. Seit wann wussten Sie über diesen Fall Bescheid? Seit wann kennen Sie die Anschuldigungen, die in "Report aus Mainz" erhoben worden sind? Seit wann wissen Sie von der eidesstattlichen Versicherung des Richters, der behauptet, hier habe sich die Politik eingemischt? Frau Ministerin, Sie sind aufgefordert, hier aufzuklären; denn es ist Ihr Haus, das Sie bestellen müssen. Sie müssen der
Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Aures. Anschließend hat sich Frau Staatsministerin Dr. Merk zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin Aures.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass die FREIEN WÄHLER ihren Antrag an unseren Antrag angepasst haben; denn wir haben unseren Antrag extra so kurz formuliert, um dem Datenschutz gerecht zu werden. Das möchte ich meinen Ausführungen ausdrücklich voranstellen, weil es hier um Personen- und Datenschutz geht. Zur Behandlung dieses Falles ist das öffentliche Plenum des Landtags nicht geeignet, sondern wenn man gewillt ist, den Sachverhalt im Detail aufzuklären, muss das in nichtöffentlicher Sitzung geschehen.
Es geht uns darum, dass die zwei Sachverhalte in aller Ruhe geprüft werden. Ich bitte die Frau Ministerin, dies auch in Ruhe zu tun; denn wer einen Antrag als Dringlichkeitsantrag einreicht, kann nicht erwarten, dass eine so lange Geschichte, die sich fast über sieben Jahre erstreckt, sofort detailliert beantwortet werden kann. Wir fordern guten Gewissens eine Ordnung und wollen den Sachverhalt geprüft wissen.
Es geht erstens um die Verfolgung des Vorwurfs der Steuerhinterziehung, also darum, dass wir darüber aufgeklärt werden, warum, wie und in welcher Form diese Vorgänge überprüft worden sind. Oder trifft es tatsächlich zu, dass man die Vorwürfe der Steuerhinterziehung und Verschiebung von Geld ins Ausland nicht verfolgt hat? Ich habe dazu einen Fragenkatalog vorbereitet, den ich aber nicht vorlesen, sondern Ihnen schriftlich zukommen lassen werde. Dann können Sie entsprechende Vorbereitungen treffen. Zweitens muss geprüft werden, warum dieser Mann nach wie vor in der forensischen Abteilung des Bezirksklinikums in Bayreuth untergebracht ist.
Ich möchte ausdrücklich sagen: Es ist eine Gratwanderung; denn wenn man die Akten, die man bekommt, liest, weiß man selber nicht, was richtig und falsch ist. Es geht darum: Jeder Mensch hat eine Menschenwürde. Es ist hier im Bayerischen Landtag unser Recht und unsere Pflicht, diesen Sachverhalt aufzuklären. Deshalb darf ich Sie herzlich um Aufklärung bitten. Wir sind einverstanden, dieses Thema in nichtöffentlicher Sitzung des Ausschusses für Verfassung, Recht,
Parlamentsfragen und Verbraucherschutz zu behandeln. Dort haben auch wir Rederecht, sodass wir uns einbringen können. Dieser Sache können wir nur dienen, wenn wir detailliert, umfassend und genau aufgeklärt werden.
Frau Staatsministerin Dr. Merk hat sich nun gemeldet. Was mit den anderen Wortmeldungen passiert, werden wir danach sehen.
Herr Präsident, Hohes Haus, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird der Eindruck erweckt, Herr Mollath sei untergebracht worden, weil er eine Strafanzeige erstattet habe. Das ist nicht richtig. Bei diesem Thema handelt es sich um zwei Sachkomplexe, die wir voneinander trennen müssen: Das eine ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, das andere sind seine Strafanzeigen, die nach meiner Kenntnis im Übrigen erst nach der Anklageerhebung gegen Herrn Mollath kamen.
Zum ersten Komplex: Warum wurde Herr Mollath untergebracht? Das Landgericht Nürnberg hat mit rechtskräftiger Entscheidung festgestellt, dass er am 12. August 2001 in der gemeinsamen Wohnung grundlos mindestens 20-mal mit beiden Fäusten auf seine Ehefrau eingeschlagen hat. Er biss ihr außerdem in den Arm, bis sie blutete. Dann drückte er seine Frau zu Boden, setzte sich auf sie und würgte sie bis zur Bewusstlosigkeit. Anschließend trat er seiner wehrlos am Boden liegenden Frau mindestens dreimal gegen die untere Körperhälfte. Durch diese Gewalttaten erlitt seine Frau massive Verletzungen, die nach dem Vorfall ärztlich untersucht und dokumentiert wurden: Das sind Würgemale am Hals, großflächige Hämatome und eine blutende Bisswunde am Arm. Außerdem zerstach Herr Mollath zwischen Dezember 2004 und Februar 2005 die Reifen an Fahrzeugen der Rechtsanwälte seiner Ehefrau, des gegen ihn vollstreckenden Gerichtsvollziehers, eines im Strafverfahren bestellten Gutachters sowie allein 56 Reifen an Fahrzeugen einer Autofirma, die beauftragt war, Blumenvasen aus der ehelichen Wohnung zu holen. Dabei hat er die Reifen mit einem feinen Werkzeug zerstochen, sodass die Luft erst während der Fahrt nur langsam entwich und die Geschädigten in eine gefährliche Situation geraten konnten.
Die sachverständig beratene Strafkammer konnte nicht ausschließen, dass Herr Mollath in allen Fällen schuldunfähig war; denn er leide an einer paranoiden Wahnsymptomatik. Aufgrund seiner Erkrankung seien
weitere derartige Taten zu befürchten. Deswegen sei er für die Allgemeinheit gefährlich. Das ist der Grund, warum die Kammer am 8. August 2006 die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat. Der Betroffene hat daraufhin Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg überprüft und bestätigt.
Diese Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird seither einmal im Jahr gerichtlich überprüft. Zuletzt hat das Landgericht Bayreuth am 9. Juni 2011, von einem renommierten forensischen Psychiater beraten, die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. Die sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Bamberg hatte keinen Erfolg. Auch der Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags hat die Eingabe mehrerer Petenten auf Freilassung des Herrn Mollath im Gnadenweg mit Beschluss vom 7. Juli 2010 für erledigt erklärt. Soweit zu Komplex 1.
Nun zu Komplex 2, zu den davon klar zu trennenden Strafanzeigen von Herrn Mollath gegen seine frühere Ehefrau und andere Personen wegen Steuerhinterziehung: Diese Strafanzeigen stammen aus dem Jahr 2003, sie liegen also zeitlich nach den Misshandlungen seiner Ehefrau.
Der Dringlichkeitsantrag nennt hier eine eidesstattliche Versicherung eines früheren Richters, der behauptet, die Staatsanwaltschaft unterdrücke die Strafanzeige aufgrund einer Anordnung aus der Politik. Entschuldigen Sie bitte, aber das ist blanker Unsinn. Nur zur Vervollständigung seiner eidesstattlichen Versicherung: Dieser frühere Richter wurde für die Republikaner in den Nürnberger Stadtrat gewählt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie selbst haben in diesem Haus viele gestandene bayerische Staatsanwältinnen und Staatsanwälte erlebt. Lassen Sie mich rekapitulieren, was in den vergangenen Jahren geschehen ist. Sie wissen das aus der Presse. Glauben Sie ernsthaft, dass unsere bayerischen Staatsanwälte, die gegen Verantwortliche von Siemens in Nürnberg wegen des Kaufs von Betriebsräten Anklage erhoben haben, die gegen Siemens und MAN in München Geldbußen in Millionenhöhe verhängt haben, die Verantwortliche der Bayerischen Landesbank wegen des Erwerbs der Hypo Group Alpe Adria angeklagt und kürzlich die Deutsche Bank durchsucht haben, einen großen Bogen um die HypoVereinsbank machen würden?
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hatte damals in Kenntnis aller Unterlagen einen Anfangsverdacht verneint. Diese Entscheidung erschien nicht nur uns, sondern auch dem Rechtsausschuss des Bayerisch
en Landtags vertretbar. Die HypoVereinsbank hatte bislang nicht bestätigt, dass sich die damalige Ehefrau Mollaths an den behaupteten Vorgängen beteiligt hat. Vorgestern hat "Report Mainz" erstmals eine Stellungnahme der HypoVereinsbank wiedergegeben, wonach sich auch die Ehefrau Mollaths im Zusammenhang mit Schweizer Bankgeschäften weisungswidrig verhalten habe. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ist angesichts dieser Äußerungen gestern an die HypoVereinsbank herangetreten und hat schriftlich um Stellungnahme dazu gebeten.
Meine Damen und Herren, keiner von uns war bei der Verhandlung des Landgerichts dabei, in der Herr Mollath und seine damalige Ehefrau persönlich angehört wurden. Ich kann nur davor warnen, aus der Distanz einseitige Urteile über Staatsanwaltschaften, Landgerichte, Oberlandesgerichte, den Bundesgerichtshof und renommierte forensische Psychiater zu fällen. Klar ist eines: In einem Rechtsstaat wird keiner willkürlich in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht, nur weil er Strafanzeige erstattet. Herr Mollath hat nach den vom Bundesgerichtshof bestätigten Feststellungen des Landgerichts massive Gewalt gegen seine Ehefrau angewendet und unbeteiligte Dritte massiv gefährdet. Unabhängige Gerichte und renommierte Sachverständige halten ihn derzeit noch immer für allgemeingefährlich. Nur deswegen ist er in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Meine Damen und Herren, soviel zu Komplex zwei. Von einem Justizskandal kann wirklich keine Rede sein.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren Kollegen! Zunächst eine Vorbemerkung: Herr Kollege Streibl, eigentlich ist es dem Hohen Hause nicht angemessen, solche Sachverhalte im Plenum zu beraten.