Wie viel die Beratungsstelle für welche Leistungen braucht, überlassen wir dem Ministerium. Die können sagen, wie viele Stellen sie schaffen wollen und wie viel diese Stellen kosten, damit eine fundierte Beratung gewährleistet wird. Wichtig ist uns, dass die Heimkinder nicht mit ihrem Geld die Beratungsstelle finanzieren.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich noch ganz kurz an den Hintergrund erinnern. Vor ziemlich genau einem Jahr legte der Runde Tisch "Heimerziehung in den 50er- und 60er-Jahren" seinen Abschlussbericht vor. Die Experten schlagen darin eindeutig vor, einen Fonds für individuelle Entschädigung - den Begriff "individuelle Entschädigung" finde ich ganz wichtig - zu schaffen. Ich betone: Es geht um Entschädigung und nicht um die Finanzierung einer Anlaufstelle, sehr geschätzter Kollege Bertermann. Ich habe einen Blick in den Brockhaus geworfen und die Definition von "Entschädigung" nachgeschaut. Demnach ist Entschädigung "Ausgleich für einen durch hoheitliches Handeln verursachten Schaden." Hier steht nichts von Verwaltungsaufwand und nichts von Bürokratie, und hier steht auch nichts von Abzweigung von Mitteln für andere Quellen. Das ist der Punkt.
Der Fonds soll grundsätzlich in zwei Teile gegliedert werden, nämlich zum einen in einen Rentenausgleichsfonds, der ungefähr 20 Millionen Euro enthält, und zum anderen in einen Fonds für Folgeschäden der Heimerziehung mit Mitteln in Höhe von 100 Millionen Euro. Aus Ersterem sollen jene entschädigt werden, die in Heimen zur Arbeit gezwungen wurden und für die der Arbeitgeber keine Sozialabgaben abgeführt hat. Den Betroffenen sollen die verloren gegangenen Rentenjahre in Form einer Einmalzahlung anerkannt werden. Das ist besonders wichtig, um Altersarmut zu verhindern. Aus dem zweiten Teil des Fonds sollen Therapieaufwendungen und auch andere Hilfen bezahlt werden, zum Beispiel ein Mietzuschuss für den Fall, dass ein ehemaliges Heimkind auf keinen Fall im Alter noch einmal in einem Heim leben möchte. Das ist aufgrund der schrecklichen Erfahrungen in seiner Jugend nur allzu verständlich. Diejenigen, die in einem Heim sexuell missbraucht wurden, sollen au
ßerdem bei einem Runden Tisch eine zusätzliche Entschädigung beantragen können. Das ist nur recht und billig.
Es ist wichtig und leider auch nötig, dass wir uns heute mit diesem Thema beschäftigen. Kurz vor Weihnachten sollten wir uns doch zu einer gemeinsamen Lösung durchringen und die gesamten Fondsgelder den Geschädigten ungekürzt zukommen lassen. Unser gemeinsamer Antrag fordert deshalb die Staatsregierung dazu auf, den Fonds Heimerziehung in vollem Umfang für direkte Hilfen an die ehemaligen Heimkinder einzusetzen. Die Kosten für die Anlaufstelle sind ausschließlich aus den Landesmitteln aufzubringen. Wie hoch diese Mittel sind, hängt auch damit zusammen, wie viele Beratungsstellen geschaffen werden sollen; deswegen kann man die Mittel nicht beziffern. Das muss dann die Regierung entscheiden. Wichtig ist für uns, dass alle Mittel aus dem Fonds direkt den Geschädigten zugutekommen.
Ich bitte Sie um Fingerspitzengefühl; ich bitte Sie darum, den geschädigten Heimkindern einen finanziellen Ausgleich zu gewähren und davon kein Geld für Verwaltung oder Beratungsstellen abzuzweigen.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bauer. Auch hierzu gibt es eine Zwischenbemerkung des Herrn Kollegen Dr. Bertermann. Bitte schön, Herr Kollege Dr. Bertermann.
(Vom Redner nicht auto- risiert) Ich habe mich wegen Ihrer Äußerung gemeldet, dass es kurz vor Weihnachten ist. Diesen Fonds muss man unabhängig von Weihnachten sehen; diese Mittel stehen den Kindern einfach zu.
Ich wollte nur darauf hinweisen, dass diese Beratungsstellen schon ab 01.01.2012 eingerichtet werden sollen. Daher ist das zeitliche Fenster sehr eng. Das war meine Einlassung zu Weihnachten.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bauer. Herr Imhof, Sie sind der nächste Redner. Bitte schön, Herr Kollege Imhof.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Renate Ackermann hat die Historie des ganzen Vorgangs dargestellt. Da ich ganz, ganz wenig Redezeit habe, sage ich nur:
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus allen Parteien, wir hatten im Sozialausschuss eine sehr ernsthafte Debatte, wie sie nicht jeden Tag oder jede Woche geführt wird. Ich glaube, alle stimmen darin überein, dass diese Debatte seriös und qualitativ gut war und der Ernsthaftigkeit des Themas entsprach. Herr Staatssekretär, stellvertretend für Ihre Mitarbeiter, die sich dieses Themas seit jeher in ausgezeichneter Weise annehmen, will ich Ihnen ein Dankeschön sagen. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren dort, wo die Übergänge zu gestalten waren, die Ansprechpartner und sind es noch, und zwar persönlich, per Telefon oder per Schriftverkehr. Die Betroffenen haben uns im Ausschuss wissen lassen, dass sie sich in ihrem seelischen Leid - auch das körperliche Leid war enorm - angenommen fühlen. Ein herzliches Dankeschön dafür!
Meine sehr verehrten, lieben Kollegen, wir haben uns im Ausschuss darauf geeinigt, dass wir den Betroffenen jetzt eine Plattform bieten. Wir laden sie dazu ein, schon im Januar oder Februar mit uns in den Dialog zu treten und im Dialog zu bleiben.
Der Fonds wurde mit 120 Millionen Euro ausgestattet; das ist richtig so. Auf Bayern entfällt der Anteil von 2,1 Millionen für die Anlauf- und Beratungsstelle. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Beratungsstelle soll höchst qualitativ ausgestattet werden und über fünfeinhalb Mitarbeiter verfügen, nämlich Psychologen, Sozialarbeiter und Verwaltungskräfte. Die Antragsteller erwecken den falschen Eindruck, als würden die Kosten für diese Arbeit ein Stück weit dem Fonds für die Hilfesuchenden entzogen. Genau über diese Aufarbeitung, über diese Arbeit - um mit ihren Anliegen aus dem Fonds bedient zu werden - geschieht die konkrete Hilfe. Es geht nicht nur um die materielle Frage, sondern eben auch um eine qualitative Beratung. Ich habe da eine große Sorge: In anderen Ländern wird schon darüber diskutiert, dass man relativ schnell Schilder über ein Versorgungsamt mit der Aufschrift "Anlauf- und Beratungsstelle" machen will. Unser Anliegen ist es aber, mit dieser Stelle Entscheidendes zu leisten.
Es ist richtig, dass vom Runden Tisch keine ausdrücklichen Empfehlungen vorliegen, aber es ist auch richtig, dass es der Runde Tisch nicht verbietet, dass Länder gemäß den Anliegen des
Runden Tisches gemeinsam die Finanzierung vornehmen. Genau das wollen wir hier als Fraktion. Wir wollen auch zum Beispiel die Kirchen in die Verantwortung nehmen.
Das ist unser Anliegen. Deshalb können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen; denn alles, was Sie damit unterstellen - den unmittelbar Betroffenen würden Gelder entzogen -, stimmt nicht.
Herr Kollege Imhof, ich habe mich eigens gemeldet, um Ihnen Gelegenheit zu geben, zum Kern der Sache zu kommen.
Kern der Sache ist nämlich die Frage: Wer bekommt das Geld? Tatsache ist, dass die Heimkinder nur zwei Drittel des für sie vorgesehenen Geldes bekommen; das andere fließt in eine Beratungsstelle, die völlig überdimensioniert ist. Für andere Beratungsstellen sehen Sie nicht einen Bruchteil des Geldes vor, das Sie in diese Beratungsstelle investieren. Um nicht missverstanden zu werden, sage ich: Von mir aus können Sie die Beratungsstelle so gut ausstatten, wie Sie wollen, aber bitte nicht mit den Geldern, welche die Heimkinder aufgrund ihres erlittenen Leides bekommen sollen und das ihnen wirklich zusteht.
Sie haben hier den Eindruck erweckt, als müsste das Land das so machen. Das ist nicht wahr. Das ist die freie Entscheidung eines jeden Landes. Bayern entscheidet sich offensichtlich dafür - jedenfalls tut das die Mehrheitsfraktion -, den Heimkindern das Geld ab
Genau diese Unterstellung, Frau Ackermann, ist grundfalsch. Denn es geht um die Frage: Wie qualifiziert arbeitet diese Beratungsstelle?
- Doch, das ist die Frage. - Das rechnen Sie in Bargeld um, während wir konkret sagen: Die Leistung dieser Beratungsstelle ist finanziell überhaupt nicht aufzurechnen. Sie wird nicht durch den Fonds finanziert. Die Leistung kommt den Betroffenen durch Hilfe unmittelbar zugute. Beim Landesjugendamt wird die Beratung hoch professionell gemacht.
Die Grundintention des Runden Tisches war zu Recht, alle mit ins Boot zu nehmen. Wenn sich das Bundesland Bayern von der Drittelung bzw. Viertelung verabschiedet - die Kommunen sind leider nicht mit eingestiegen -, dann machen auch alle anderen Länder bezüglich der Qualität, was sie wollen. Dies ist aber nicht unsere Intention. Deswegen lehnen wir den Antrag ab.
(Vom Redner nicht auto- risiert) Herr Kollege Imhof, wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht es um Folgendes. Auf der einen Seite sagt Rot-Grün: Die 2,18 bzw. 2 Millionen Euro sind Verwaltungskosten. Auf der anderen Seite sagen Sie: Das ist Teil des Behandlungskonzepts, das hier integriert ist. Das ist etwas Unterschiedliches. Was stimmt denn nun?